Kincaid schlug neben dem Schinkenspeck zwei Eier in die Pfanne und gratulierte sich zu seinem meisterlichen Umgang mit einem fremden Herd. Nach anfänglichen Einstellungsschwierigkeiten und einer kleinen Verbrennung am Daumen hatte er die Temperatur genau richtig hinbekommen und den Schinkenspeck ä point gebraten. Als im Toaströster der Toast in die Höhe sprang, wendete er die Eier, und als er Schinken und Toast auf seinem Teller drapiert hatte, waren auch die Eier fertig.
Gerade als er sich den Kaffee einschenkte, klopfte es.
Hannah Alcock lehnte an der Wand neben seiner Apartmenttür. Sie trug ihre lange Strickjacke und hielt ihren Oberkörper mit beiden Armen umschlungen. Sie war nicht geschminkt, ihre Lippen wirkten blaß im Gegensatz zu den dunklen Ringen unter ihren Augen.
»Hannah! Kommen Sie herein.« Kincaid ging ihr voraus in das Apartment und zog ihr am kleinen Eßtisch einen Stuhl heraus. »Wie geht es Ihnen? Sie sehen ziemlich müde aus heute morgen.«
»Ich habe kaum geschlafen.« Sie ließ sich auf den Stuhl fallen, als hätte es sie ihre ganze Kraft gekostet, auf den Beinen zu bleiben.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten? Toast? Kaffee?«
»Ach ja, eine Tasse Kaffee wäre schön, danke.«
Kincaid goß noch eine Tasse ein und setzte sich Hannah gegenüber. Er schob ihr Milch und Zucker über den Tisch. Sie rührte einen Moment lang ihren Kaffee um, ehe sie ihn ansah. Sie versuchte ein schwaches Lächeln. »Ich komme mir wie eine Idiotin vor, daß ich einfach so bei Ihnen hereinplatze. Ich wollte eigentlich sagen: >Wir müssen miteinander Sprechen<; aber dann habe ich gemerkt, daß das gar nicht stimmt. Ich bin diejenige, die sprechen muß.« Hannah schwieg einen Moment. Mit einem kleinen, wegwerfenden Achselzucken sagte sie dann: »Ich finde, ich schulde Ihnen eine Erklärung für mein Verhalten. Es ist nicht...«
»Wieso?« fragte Kincaid verwundert. »Ich habe wahrhaftig keinen Anlaß, über Sie zu urteilen.«
»Ach Gott, Duncan, protestieren Sie nicht. Das macht alles nur noch demütigender für mich. Dann fange ich noch an zu glauben, ich hätte mir nur eingebildet, daß zwischen uns gleich etwas da war - ich weiß auch nicht -, ein Gefühl, eine Beziehung... Das ist mir schon früher ein- oder zweimal passiert. Man begegnet einem anderen Menschen, verbringt einen Abend zusammen, stellt fest, daß man miteinander redet, als kenne man sich seit Jahren, und Dinge sagt, die man zu Leuten, die man tatsächlich schon seit Jahren kennt, niemals sagen würde.« Ihr Lächeln war wehmütig. »Ein solcher Abend ist ein seltenes Geschenk, und ich hatte so etwas überhaupt nicht erwartet.«
Wenigstens, dachte Kincaid, ist sie ehrlicher als ich. Es hatte wirklich etwas zwischen ihnen gezündet, ein Funke der Affinität, der Funke einer Möglichkeit, und es hatte ihn verletzt zu sehen, daß sie die gleiche plötzliche Vertrautheit mit Patrick Rennie geteilt hatte. Es war nicht bloße Eifersucht gewesen, sondern mehr als das, ein Gefühl verratenen Vertrauens.
»Gut, Hannah. Da stimme ich Ihnen zu.« Er sah sie aufmerksam an, bemerkte den unverändert porzellanzarten Teint und den feinen Schnitt ihrer Züge, bemerkte auch die Angespanntheit um die umschatteten Augen. »Aber es geht noch um etwas anderes, nicht wahr? Es geht nicht allein um meine empfindlichen Gefühle.«
Hannah schüttelte den Kopf schon, ehe er den Satz fertiggesprochen hatte. »Nein. Ich meine, doch. Ich weiß auch nicht.« Ihre Hand zuckte beim Sprechen, und ihr Kaffee schwappte über und bildete eine milchige Pfütze auf dem Tisch. »Es geht um Patrick. Aber es ist nicht das, was Sie glauben.« Die Art, wie Kincaid die Augenbrauen hochzog, hätte Peter Raskin alle Ehre gemacht. »Ich weiß, wie es aussieht.« Sie sah Kincaid in die Augen. »Daß ich vor lauter Torschlußpanik gleich den Kopf verliere, wenn mich ein Mann nur zweimal anschaut. Aber so ist es wirklich nicht. Lieber Gott, ich wünschte, es wäre so einfach.« Sie stützte den Kopf in ihre Hände und drückte die Finger auf die Augen.
»Hannah...« Kincaid streckte den Arm aus, um sie zu berühren, und zog seine Hand wieder zurück.
Durch ihre Finger hindurch sagte sie: »Sie müssen das verstehen. Ich glaubte, ich hätte mir das vollkommene Leben eingerichtet. Ich war intelligent und tüchtig, allgemein geachtet. Und ich hatte das Glück gehabt, die Arbeit zu finden, die mir wirklich Freude machte.« Hannah hob den Kopf. »Die Leute denken immer, ich hätte keine Chance gehabt zu heiraten. Das alte Stereotyp von der frustrierten alten Jungfer. Lieber Gott!« sagte sie bitter. »Man sollte meinen, über diese Zeiten wären wir hinaus, aber wir sind es nicht. Frauen werden immer noch zuerst als Ware beurteilt, als Anhängsel eines Mannes. Wenn man keinen Mann hat, ist man nicht gesellschaftsfähig. So einfach ist das. Was den Sex angeht...«, sie lachte rauh, »das ist die einfachste Sache der Welt. Vor der Ehe hatte ich Angst. Vor dem Verlust der Kontrolle über mein Leben.« Hannah schob ihre Tasse ein Stück von sich weg und sah zur Balkontür hinaus. »Meine Eltern haben mein ganzes Leben bis ins kleinste Detail bestimmt. Sie bestimmten, was ich aß, wie ich mich kleidete, wie ich mein Haar zu schneiden hatte, mit wem ich verkehrte, ja, sogar, was ich dachte. Den einzigen Schritt, den ich selbständig hätte tun können, den haben sie mir... Sie haben ihn mir abgenommen. Da habe ich mir geschworen, ich würde mir das nie wieder von einem anderen Menschen antun lassen. Können Sie das verstehen?«
»Ja«, sagte Kincaid leise, »ich denke schon.«
»Ja, und so habe ich dann jahrelang gelebt, mein Leben selbst in die Hand genommen und so weiter, und im letzten Jahr überfiel mich dann plötzlich dieses Gefühl der Sinnlosigkeit und Leere. Sicher, ich hatte Freunde, ich hatte Liebhaber, aber ich hatte keinen Menschen, der wirklich in mein Leben gehörte. Vielleicht«, sagte sie seufzend, und Kincaid spürte, wie ein Teil ihrer Spannung sich löste, »leide ich an einer Art klimakterischem Schwachsinn, einem hormonellen Ungleichgewicht. Aber es fühlt sich nicht so an.«
Sie sprach jetzt mehr mit sich selbst als mit Kincaid. Ihr Blick war verschwommen. »Meinem Leben fehlt etwas, es ist so unbezogen. Es fühlt sich an...« Der Redefluß versiegte. Hannah schwieg einen Moment, dann sah sie Kincaid mit klarem Blick an. »Jetzt hab’ ich’s schon wieder getan, nicht wahr? Genau wie am ersten Abend, und dabei fanden Sie meine Lebensgeschichte damals schon langweilig genug. Tut mir leid.«
»Hannah, was hat das alles mit Patrick Rennie zu tun?«
Sie kaute auf ihrer Unterlippe, holte dann tief Atem, bevor sie sprach. »Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Aber später werde ich...« Sie unterbrach, als er protestieren wollte. »Nein, ich möchte, daß Sie es erfahren. Aber erst muß ich verschiedenes mit Patrick klären. Danach können Sie mir sagen, ob ich einen Analytiker oder einen Rechtsanwalt brauche.« Sie lächelte ihn mit einem Anflug der humorvollen Direktheit an, die ihn von Anfang an fasziniert hatte. »Ich verspreche, daß ich es Ihnen sage. Hinterher.«
»In Ordnung.« Kincaid lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schob den Teller mit dem kalten Ei weg.
Hannahs Blick fiel auf seinen Teller. »Ach, jetzt hab’ ich Ihnen das ganze Frühstück verdorben. Sie haben ja überhaupt nichts angerührt.« Sie stieß mit den Oberschenkeln gegen den Tisch, als sie aufstand, und die Kaffeepfütze auf dem Tisch vergrößerte sich noch ein wenig. »Ich gehe jetzt lieber. Mir tut das alles wirklich leid, Duncan.«
»Du lieber Himmel, nun hören Sie schon auf, sich zu entschuldigen. Sie haben keinen Anlaß dazu, und außerdem paßt es nicht zu Ihnen.« Er folgte ihr zur Tür. »Den kalten Toast werde ich schon verschmerzen.«
»Mein ganzes derzeitiges Leben paßt nicht zu mir.« Sie lachte, zum erstenmal an diesem Morgen ganz spontan. »Vielen Dank. Bitte haben Sie Geduld mit mir. Ich weiß, ich habe kein Recht, das von Ihnen zu verlangen.«
»Aber ja.« Kincaid stand an der offenen Tür und sprach zu ihrem Rücken. Sie war schon auf dem Weg durch den Flur. »Darin habe ich Übung.«
»Sir.« Gemmas Stimme vibrierte praktisch vor morgendlicher Energie. »Ich habe mit den Nachforschungen angefangen, um die Sie mich gebeten haben, und ich habe auch schon einige Informationen für Sie.«
Kincaid schluckte einen Bissen Schinkenbrot hinunter. Die Eier waren durch seine kurze Abwesenheit nicht besser geworden, so wenig wie der Toast und der Schinken, die er zum Sandwich verarbeitet hatte, ehe er seinen Teller in die Spüle gestellt hatte.
»Gemma! Mann, ich hasse Leute, die morgens gleich so quietschvergnügt sind.«
»Sir?«
»Entschuldigen Sie. Vergessen Sie’s. Irgendwelche Schwierigkeiten mit der Genehmigung?«
»Nein, Sir. Der Chef hat das Getriebe ganz gut geölt, scheint mir.«
Kincaid lächelte. Er hatte keine Schwierigkeiten, sich vorzustellen, wie sein Chef diskret das rechte Wort ins rechte Ohr geflüstert hatte. Alle vorherigen Aufträge Gemmas waren vermutlich in den Papierbergen des Schreibzimmers verschüttgegangen.
»Dann schießen Sie mal los. Nein, Augenblick noch.«
Er holte Stift und Heft, die er auf dem Sofa liegengelassen hatte, zog das Telefon zum kleinen Tisch hinüber und nahm einen Schluck von seinem kalten Kaffee. »So, jetzt.«
»Also, ich war in Dedham Vale. Tödlich langweilig, meiner Meinung nach.« Gemma, die Nordlondonerin, konnte an dörflicher Idylle nichts Verlockendes finden.
»Das wundert mich nicht. Und weiter?«
»Ich bin ein bißchen rumgelaufen und habe mich dann mit dem ortsansässigen Arzt unterhalten. Er hat Pastor MacKenzie anscheinend während seiner letzten Krankheit betreut. Kennt natürlich jeden, obwohl die Gesundheitsbehörde jetzt viele seiner alten Patienten in die neue Klinik nach Ipswich schickt.«
Kincaid konnte der Versuchung, sie ein wenig zu necken, nicht widerstehen. »Ah, Sie scheinen sich ja gut mit ihm verstanden zu haben.« Er sah förmlich, wie Gemmas sommersprossiges Gesicht sich mit der Röte der Entrüstung überzog. Wenn sie sich nicht aus dienstlichen Gründen Zurückhaltung auferlegt hätte, hätte sie ihn wahrscheinlich der Gönnerhaftigkeit beschuldigt, aber das traf wirklich nicht zu. Es war einfach so, daß Gemma ihren eigenen Vorzügen gegenüber blind war - die freimütige Offenheit ihres Gesichts wirkte auf andere Menschen in einer Art vertrauenerweckend, wie das bei einer geschliffenen Schönheit niemals möglich gewesen wäre.
Gemma blieb einen Moment still, ihre gewohnte Reaktion. Wenn sie nicht wußte, ob er scherzte, dachte Kincaid, dann ignorierte sie ihn einfach.
»Sir, um noch einmal auf den Arzt zurückzukommen...«
»Entschuldigen Sie, Gemma. Bitte.«
»Also, wie gesagt, er war jahrelang der Hausarzt von Mr. MacKenzie. Und seinen Töchtern. Der alte Mann war Diabetiker, sehr krank. Er war erblindet, und seine Nieren arbeiteten nicht mehr richtig. Der Arzt erzählte mir, er sei eines Nachts ganz ruhig im Schlaf gestorben, und es gäbe keinen Anlaß zu glauben, daß da irgend etwas nicht ganz koscher gewesen wäre. Aber...«, Gemma bemühte sich nicht, den Hauch von Genugtuung zu unterdrücken, der sich in ihre Stimme schlich, »beim Reisebüro im Dorf habe ich erfahren, wo das Gerücht möglicherweise seinen Ursprung hat. Es gibt noch jemanden im Dorf, der sich in Followdale House eingekauft hat - ein pensionierter Major, der angeblich das größte Klatschmaul im ganzen Dorf ist. Jedenfalls hat mir das das Mädchen im Reisebüro erzählt.«
Kincaid ließ sich das einen Moment durch den Kopf gehen. »Hm, das wäre eine Erklärung. Sonst noch etwas?«
»Cassie Whitlake. Ihre Eltern leben in Clapham. Der Vater arbeitet auf dem Bau. Er ist Polier. Sie sind beide sehr stolz auf ihre Tochter. Tolle Stellung, Kleider wie aus der Vogue, hat ihre Mutter mir erzählt, todschick.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Kincaid trocken.
»Aber ich hatte den Eindruck, daß sie sie nicht oft besucht. Sie sagt, wenn alle anderen in Urlaub fahren, hätte sie am meisten zu tun. Aber sie ruft häufig an, und ihre Mutter hat mir erzählt, daß sie in letzter Zeit richtig euphorisch war. Sie hat ihr erzählt, sie habe etwas Tolles in Aussicht. Daß die Leute sie dann bestimmt nicht mehr übersehen würden. >Eine Stellung?< habe ich gefragt, weil ich nicht ganz verstanden hatte, was sie meinte. >Nein, es ist ein Mann<, sagte ihre Mutter, »ein bedeutender Mann.<«
»Na, das klingt mir nicht gerade nach Graham Frazer. Würde mich interessieren, was für ein Spiel sie treibt.«
»Zu Hause ist noch eine Schwester, Evie. Sie geht auf die Handelsschule. Sie hat mir erklärt, sie sei heilfroh, daß Cassie nicht mehr nach Hause kommt - sie würde immer nur die feine Dame spielen.«
Kincaid hörte ein Lachen in Gemmas Stimme, die mit dem Erzählen der Geschichte etwas von ihrer dienstlichen Förmlichkeit verlor.
»Wie haben Sie’s denn geschafft, mit ihr allein zu sprechen? Ein Täßchen Tee?« Kincaid kannte Gemmas Geschick mit der vergessenen Handtasche, der Hilfe in der Küche - und ihre Fähigkeit, anderen die intimsten Details ihres Lebens zu entlocken.
»Hm. Evie hat mir erzählt, Cassie hätte gesagt, wenn sie, ich meine Evie, es richtig anstelle, dann würde sie es vielleicht auch noch zu etwas bringen. Evie hat sie immer nur das Biest genannt. Die beiden Schwestern scheinen nicht viel füreinander übrig zu haben.«
»Naja«, sagte Kincaid, »ich kann mir schon vorstellen, daß Cassie diese Bezeichnung in mancher Beziehung verdient. Ist das alles?«
»So ziemlich, ja, Sir. Ich hab’s alles aufgeschrieben.«
»Okay, bleiben Sie dran, Gemma. Man kannja nie wissen. Wer ist als nächstes an der Reihe?«
»Die Sterrett-Klinik, in der Hannah Alcock arbeitet.«
»Gut. Melden Sie sich, wenn Sie können. Ich muß Schluß machen. Mir schlägt gleich jemand die Tür ein.«
Kincaid riß die Tür auf. Im ersten Moment, als er noch nicht wußte, wer draußen stand, war er ärgerlich; danach machte er sich resigniert auf einige unangenehme Minuten gefaßt. Chief Inspector Nash war der Besucher, ein Bote, den nicht die Götter gesandt hatten.
»Guten Morgen, junger Freund. Zu den Frühaufstehern scheinen wir ja nicht gerade zu gehören, hm?«
»Chief Inspector Nash! Bitte, kommen Sie doch herein. Was für eine nette Überraschung.«
»Ja, das glaub’ ich.« Nash quittierte Sarkasmus mit Sarkasmus und setzte sich demonstrativ unaufgefordert auf einen der Eßzimmerstühle. Kincaid schnitt eine Grimasse, abgestoßen vom Anblick der wenigen fettigen Haarsträhnen, die quer über Nashs glänzende Glatze gelegt waren.
»Was kann ich für Sie tun, Inspector?« fragte er, da er nicht bereit war, die Gesprächseröffnung Nash zu überlassen.
»Sie wohnen ja sehr elegant hier. Vom Gehalt eines Superintendenten läßt sich offenbar gut leben.«
»Chief Inspector«, sagte Kincaid mit Betonung. »Lassen wir das doch.« Er lehnte sich leicht an das Sofa. »Was gibt es? Sie sind doch nicht hergekommen, um mir über mein Feriendomizil Komplimente zu machen.«
Nash sah ihn unverwandt an. In den kleinen schwarzen Augen glitzerte etwas, das man bei einem anderen als Humor hätte auslegen können. »Die Laborbefunde sind da. Keinerlei Fingerabdrücke auf dem Stecker, dem Kabel oder dem Heizlüfter. Sie haben anscheinend recht gehabt. Der Coroner ist nicht bereit, auf Selbstmord zu erkennen.«
Nash setzte sich bequemer auf seinem Stuhl und wechselte, wie es schien, das Thema. »Der Chief Constable hat sich bei mir gemeldet. Welch ein Glück für uns, daß Superintendent Kincaid ganz zufällig am Tatort war und sich erboten hat, uns bei unseren Nachforschungen behilflich zu sein. Sie gelten, wie er mir sagte, in den oberen Etagen als echter Wunderknabe. Aber jetzt hören Sie mir mal gut zu, junger Freund.« Nash richtete sich auf, die Bosheit jetzt unverhüllt. »Ich hab’ was dagegen, wenn Wunderknaben mir ins Handwerk pfuschen. Ich hab’ was dagegen, daß Sie angebliche Kondolenzbesuche machen, um Ihre Nase in Dinge zu stecken, die Sie überhaupt nichts an-gehen. Ihr Rang und Ihre hochgestochenen Ansichten«, er stach mit einem Finger nach Kincaid, »interessieren mich nicht im geringsten, ist das klar? Und wenn Sie sich nicht aus meinen Sachen raushalten, werd’ ich dafür sorgen, daß es Ihnen leid tut.
Für mich steht fest, wenn dieser Kerl sich nicht selbst umgebracht hat, dann hat er jemanden erpreßt und nur das bekommen, was er verdient hat. Und um herauszufinden wen, brauche ich Ihre Hilfe bestimmt nicht.«
Nash stützte seine Hände auf die Knie und beugte sich vor, als wollte er, dachte Kincaid, ihm im nächsten Moment an die Kehle springen. Aber da klopfte es plötzlich laut und heftig an die Apartmenttür. Kincaid eilte hin, um zu öffnen. Aller guten Dinge sind drei, dachte er hoffnungsvoll.
Inspector Raskin stand außer Atem auf der Schwelle. Seine Krawatte saß schief, das dunkle Haar fiel ihm fast über die Augen. »Chief Inspector Nash?« fragte er nach Luft schnappend, und als Kincaid nickte, folgte er ihm in das Apartment. Er blickte von Nash zu Kincaid und sprach schließlich in den leeren Raum zwischen den beiden.
»Es handelt sich um Penny MacKenzie. Unten auf dem Tennisplatz. Sie ist tot.«