Jahr drei, 01. Januar, Nachmittag I

»Da bin ich, wie versprochen. Und, um es vorwegzunehmen, unsere Führer sind mit einer Vereinbarung einverstanden, die wir jetzt und hier treffen können, wenn eure Seite dazu bereit ist.«

General Pjotrew stand erneut in dem Flugzeughangar, in dem er sich vor einer Woche bereits mit dem Anführer der Struggler getroffen hatte. Er trug eine Panzerweste und hatte wie beim letzten Mal eine Garde von vier Dutzend schwer bewaffneten SpezNas-Kämpfern dabei.

Kzu’ul stand ebenfalls wieder mitten in der Halle, unbewegt, ohne Atem zu holen, ruhend. Dann sog er langsam Luft ein, die er zum Atmen nicht brauchte, wohl aber, um zu sprechen.

»Kzu’ul grüßt den Anführer der Warmen. Auch die Nation Zombie stimmt einem Abkommen mit den Menschen zu.«

An der Art, wie er das Wort Menschen betonte, konnte man festmachen, dass diese Veränderungen ihm durchaus nicht leicht fielen.

»Wie ich höre, gefällt dir der Begriff Nation Zombie?«

»Eine brauchbare Bezeichnung für die Summe der Kalten.«

Der General lächelte. Der Begriff Cool Zombie blitzte kurz in seinem Bewusstsein auf, wurde jedoch schnell wieder von professionelleren Gedanken verscheucht.

»Also gut, kommen wir zu den Einzelheiten.«

Zwei Soldaten errichteten einen aufklappbaren Kartentisch und breiteten einige Karten darauf aus. Kzu’ul legte den Kopf schief und betrachtete die Abbildungen. Pjotrew sprach indes weiter.

»Zunächst Art und Umfang unserer Leistung in einem Abkommen. Wir sind bereit, euch unsere Verstorbenen zu überlassen. Sie werden eingefroren und dann kurz vor der Lieferung wieder aufgetaut, da unsere Transportwege zum Teil sehr weit sind. Anders geht es nicht. Wir liefern täglich circa eintausendfünfhundert Leichen, das sind ungefähr fünfundzwanzigtausend Tonnen im Jahr. In etwa einem halben Jahr sind wir in der Lage, euch auch Tiere zu liefern, die ihr jagen könnt. Um unsere Leute zu schützen, haben wir einen Übergabeort gewählt, der uns eine gewisse Sicherheit bietet, das sollte auch in eurem Interesse sein. Im Gegenzug zieht ihr euch sofort hinter den Zaun zurück und bleibt dort auch. Das ist die Abmachung.«

Kzu’ul sah vom Kartenwerk auf.

»Kzu’ul ist einverstanden. Er spricht für die Nation Zombie.«

»Also haben wir eine Abmachung.«

»Eine Abmachung, ja.«

Pjotrew reichte dem Struggler die Hand, der sah ihn jedoch misstrauisch an. Er beugte sich vor und schnüffelte intensiv an Pjotrews Hand. Einer von General Ruetlis Vorschlägen, nämlich den Struggler beim Händedruck mit einem Kontaktgift auszuschalten, wäre bereits hier kläglich gescheitert.

Als Kzu’ul davon überzeugt war, dass ihm keine Gefahr drohte, nahm der Struggler seine Hand, die in der Pranke des Monsters wie ein Kinderhändchen wirkte. Der Händedruck des Strugglers war fest, schmerzhaft, aber Pjotrew ließ sich nichts anmerken. Er ging zum Kartentisch, auf dem auch vergrößerte Satellitenbilder lagen. Er zog eine Übersichtskarte hervor und deutete auf die südliche Region des Gorkier Stausees. Gorkowskoje wodochranilischtsche stand dort auf Russisch geschrieben.

»Hier. Dieser Wolga-Stausee. Weißt du, wo das ist?«

Der Struggler nickte.

»Hat Kzu’ul gesehen, während des großen Marsches.«

»Dort ist der Staudamm, da erzeugen wir Strom, den wir für das Umladen brauchen. Ungefähr zweitausend Meter weiter befinden sich die Schleusen. Dahinter liegt ein Landstreifen«

In der Tat bestand die Staudamm- und Schleusenanlage hier aus einem fast fünf Kilometer langen Damm, der den Stausee im Süden begrenzte. Das Wasserkraftwerk als Teil der Wolka-Kama-Kaskade erzeugte bis zu fünfhundert Megawatt Strom. In der Verlängerung des nach Norden ausgerichteten Kraftwerkdammes knickte der Hauptdamm nach Nordosten ab, er spannte sich zwischen natürlichen und künstlichen Inseln. Auf dem Damm verlief eine Kraftfahrstraße. Im letzten Viertel des Dammes gab es eine zweistufige Schleusenanlage, auf die Pjotrew nun deutete.

»Hier werden meine Arbeiter ein massives Tor errichten. Ein ferngesteuerter Transport bringt eure Atzung dort hin. Dann öffnet sich das Tor, ihr bekommt eure Lieferung. Danach zieht ihr euch zurück, der Transporter kehrt wieder um. Solltet ihr versuchen, über den Damm zu kommen, sprengen meine Männer ihn mit Atombomben. Keiner von euch wird das überstehen. Nicht einer.«

»Immer an derselben Stelle. Gefährlich für Struggler«, brachte Kzu’ul vor und zog die buschigen Brauen hoch, als er Pjotrew ansah. Der reagierte gelassen.

»Ich habe nur die Kapazitäten für eine Sicherheitsschleuse. Hier oder gar nicht. Ich habe dort eine Bahnanbindung, die ich benötige, um diese Mengen überhaupt an einen Ort schaffen zu können. Dort habe ich Strom für die Kühlung und für das Auftauen der Körper. Wir haben einen offiziellen Grenzübergang zwischen den Territorien. Das muss reichen. Ich schneide nicht überall Löcher in meinen Zaun, nur um deinen Gefolgschaften den Weg zur Krippe zu erleichtern. Wenn wir so weit sind, lebende Tiere zu liefern, werden wir sie an verschiedenen Orten aussetzen. Da sie noch leben, gefrieren sie auch nicht gleich wieder wie die Toten.«

»Hmmmmm … Kzu’ul versteht. Du fürchtest, Struggler könnten das Wort brechen.«

»Ich traue keinem von euch auch nur einen Meter, damit das klar ist. Ich erwarte auch nicht, dass du mir vertraust. Dies ist eine Abmachung, die beiden Seiten die wenigsten Unannehmlichkeiten bereitet. Freunde werden wir deshalb nicht sein. Und noch etwas. Ich werde entlang der gesamten Grenze meine Technologien verstärken und neue, stärkere Waffen installieren. Auch unser Zaun wird erneuert und standhafter sein. Deine Struggler-Freunde sollten also nicht versuchen, uns zu hintergehen. Wir werden keine Annäherung an den Zaun dulden, egal von wem und aus welchem Grund. Jeder, der sich dem Zaun von Osten her nähert, wird vernichtet.«

»Viele von den Lahmen werden zufällig zum Zaun kommen.«

»Dann werden sie eliminiert.«

»Kzu’ul ist einverstanden. Die Nation Zombie akzeptiert deine Bedingungen, Führer der Menschen. Aber wenn nicht die Atzung gebracht wird, dann greifen Struggler an.«

»Wir werden liefern. Pünktlich.«

»Wann beginnt ihr?«

»In einem Monat. Wir müssen noch die Schleuse umbauen. Und die Zulieferstrecke vorbereiten. Ich schlage vor, du und deine Armee, ihr geht denselben Weg zurück, den ihr kamt, dann können meine Bautrupps sofort am Damm beginnen. Wenn ihr die Grenze passiert habt, flicken wir das Loch im Zaun. Wenn euer Rückzug heute beginnt, werden wir ab morgen jeden Zed, der in Richtung Westen marschiert, ausschalten.«

»Gut. So wird es getan. Struggler leben dort, Menschen hier. Die Waffen ruhen. Kzu’ul wird den Marsch befehlen.«

In diesem Moment trat einer der Soldaten an Pjotrew heran und flüsterte ihm hinter vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Der General nahm die Botschaft mit stoischer Miene entgegen, nickte kurz und richtete das Wort wieder an den Struggler.

»Ich muss nun den Heimweg antreten. Wichtige Aufgaben sind zu erledigen. Reichen wir uns also ein letztes Mal die Hand, nicht als Feinde, sondern als Vertragspartner.«

Der Struggler schüttelte noch einmal Pjotrews Hand, dann zog er sich rasch in den hinteren Bereich der Halle zurück, wo er durch eine Eisentür ins Freie trat und mit zwei seiner Gefolgsleute davoneilte.

Pjotrew drehte sich um und ging zu dem Leutnant, der ihm eben eine Nachricht zugetragen hatte. Er sah ihn an und nahm ihm das Satellitentelefon aus der Hand, das der Mann ihm hinhielt. Als er sprach, war seine Stimme belegt.

»Sagen Sie mir, dass das nicht wahr ist …«

Keine zehn Minuten später war die Antonow in der Luft.