ACHT
Der Fischkutter war alt und ramponiert, aber das war der Sinn der Sache. Er war verrostet und hatte mindestens einen neuen Anstrich nötig, doch auch das sollte so sein. Auf einem Meer voller Küstenfischerboote würde er keine Aufmerksamkeit erregen.
Er machte in finsterer Nacht von seinem Liegeplatz los und verließ die Bucht vor Eilat, wo Rafi Nelson früher seine Strandbar hatte. Als der Morgen dämmerte, war der Kutter südlich des Golfs von Akaba und tuckerte ins Rote Meer hinein, vorbei an den Tauchgebieten vor der ägyptischen Sinaiküste. Die Sonne stand hoch am Himmel, als die Taba-Höhen und Dahab vorüberzogen. Zwei Sporttaucherboote waren schon in aller Frühe über den Riffen unterwegs, aber niemand nahm Notiz von dem schmuddeligen israelischen Kutter.
Am Ruder stand der Kapitän, und sein Erster Maat kochte in der Kombüse Kaffee. Nur zwei echte Seeleute waren an Bord. Zwei echte Fischer würden die langen Leinen und die Netze handhaben, wenn das Boot zum Driften überginge. Die anderen acht waren Kommandosoldaten von Sajeret Matkal.
Der Laderaum war gescheuert und vom Fischgestank gereinigt worden, um sie unterzubringen. An den Wänden gab es acht Kojen und einen gemeinsamen Messbereich auf den Planken. Die Lukendeckel blieben geschlossen, damit die Klimaanlage in dem engen Raum trotz der sengenden Sonne ihre Arbeit tun konnte.
Auf dem Roten Meer zwischen Saudi-Arabien und dem Sudan wechselte der Kutter seine Identität und verwandelte sich in die Omar al-Dhofari aus dem omanischen Hafen Salalah. Die Besatzung sah entsprechend aus: Alle konnten, was Aussehen und Sprache anging, als Golfaraber durchgehen.
In der Meerenge zwischen Dschibuti und Jemen umrundete der Fischkutter die jemenitische Insel Perim und fuhr in den Golf von Aden ein. Ab jetzt befand er sich im Piratenrevier, aber er war nicht in Gefahr. Somalische Piraten sind auf Beute aus, die kommerziellen Wert hat und deren Eigner bereit sind, einen Preis für die Rückgabe zu bezahlen. Ein Fischkutter aus Oman gehörte nicht zu dieser Kategorie.
Die Männer an Bord sahen eine Fregatte der internationalen Flottille, die den Piraten seit einer Weile das Leben äußerst schwer machte, doch sie wurden nicht einmal angerufen. Die Sonne blitzte auf den Objektiven der starken Ferngläser, mit denen sie beobachtet wurden, das war alles. Ein omanischer Kutter war auch für die Piratenjäger uninteressant.
Am dritten Tag umrundete er Cape Guard, die östlichste Festlandspitze Afrikas, und schwenkte nach Süden. An Steuerbord lag nur noch Somalia, und der Kutter nahm Kurs auf sein Operationsgebiet vor der Küste zwischen Mogadischu und Kismaju. Als er dort angekommen war, drehte er bei. Die Netze wurden ausgeworfen, um den Schein zu wahren, und eine kurze, harmlose E-Mail-Nachricht wurde an die nicht vorhandene Freundin Miriam im Office geschickt, in der ihr mitgeteilt wurde, man sei bereit und warte.
Der Divisionschef Benny reiste ebenfalls, jedoch sehr viel schneller, nach Süden. Er flog mit El-Al nach Rom und dann weiter nach Nairobi. In Kenia ist der Mossad seit Langem besonders stark vertreten, und der örtliche Stationschef holte Benny in Zivil und mit einem unmarkierten Wagen am Flughafen ab. Eine Woche war es her, seit der somalische Fischer mit dem stinkenden Kingfish seine Ware an Opal übergeben hatte, und Benny musste hoffen, dass inzwischen irgendein Motorrad beschafft worden war.
Donnerstagabend, kurz vor Mitternacht, wurde wie immer die »Nachteulen«-Talkshow gesendet. Vorher kam der Wetterbericht. Darin hieß es, trotz der Hitzewelle in den meisten Teilen des Landes sei mit leichtem Regen über Aschkelon zu rechnen.
Die vorbehaltlose Zusammenarbeit der Briten mit dem Spürhund stand außer Frage. Großbritannien hatte vier Mordfälle, begangen von jungen Fanatikern auf der Suche nach dem Ruhm, dem Paradies oder beidem, angestiftet vom Prediger, und den Behörden war ebenso viel daran gelegen, ihn auszuschalten, wie den Amerikanern.
Der Spürhund wurde in einem Safe House der amerikanischen Botschaft untergebracht, einem kleinen, aber gut eingerichteten Cottage in einer kopfsteingepflasterten Seitengasse in Mayfair. Es gab ein kurzes Meeting mit dem J-SOC-Chef in der Verteidigungsabteilung der Botschaft und dem CIA-Stationschef. Dann brachte man den Spürhund zum Hauptquartier des Secret Intelligence Service in Vauxhall Cross. Er war schon zweimal in dem Klotz aus grünem und braunem Stein am Themseufer gewesen, aber der Mann, den er jetzt traf, war ihm neu.
Adrian Herbert war in seinem Alter, also Mitte vierzig, und folglich war er auf dem College gewesen, als Boris Jelzin 1991 das Ende des Sowjetkommunismus und der Sowjetunion verkündete. Nach dem Studium der Geschichte am Lincoln College in Oxford und einem Jahr auf der SOAS, der School of Oriental and African Studies in London, hatte er eine Karriere auf der Überholspur gestartet. Sein Spezialgebiet war Zentralasien, und er sprach Urdu, Paschtu und ein wenig Arabisch.
Der Leiter des SIS – oft fälschlich MI6 genannt – ist immer nur als »Chief« bekannt. Er streckte seinen Kopf herein, sagte Hallo und ließ Adrian Herbert mit seinen Gästen allein. Aus Höflichkeitsgründen war ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes – des Security Service, kurz MI5 – dabei, der seinen Sitz in Thames House hat, fünfhundert Meter weit themseabwärts am Nordufer.
Es folgte das fast rituelle Aufgebot von Kaffee und Keksen, dann sah Herbert seine drei amerikanischen Gäste an und fragte leise: »Was meinen Sie, wie können wir behilflich sein?«
Die beiden Botschaftsmitarbeiter überließen es dem Spürhund. Keiner der Anwesenden war in Unkenntnis des Auftrags, den der Mann von TOSA hatte. Aber der Spürhund sah keine Notwendigkeit zu erklären, was er bisher unternommen hatte, wie weit er gekommen war und was er als Nächstes vorhatte. Selbst zwischen Freunden und Verbündeten gilt der Leitsatz »Kenntnis nur bei Bedarf«.
»Der Prediger ist nicht im Jemen, er ist in Somalia«, sagte er. »Wo genau er sich aufhält, weiß ich noch nicht. Wir wissen allerdings, dass sich sein Computer und damit der Ausgangspunkt seiner Internetbotschaften in einem Umschlaglager im Hafengebiet von Kismaju befindet. Ich bin jedoch sicher, dass er nicht persönlich dort anwesend ist.«
»Ich glaube, Konrad Armitage hat Ihnen schon gesagt, dass wir niemanden in Kismaju haben.«
»Anscheinend hat dort niemand jemanden«, log der Spürhund. »Doch darum geht es mir hier nicht. Wir haben festgestellt, dass jemand mit diesem Lagerschuppen kommuniziert und Empfangsbestätigungen für seine Nachrichten erhält. Der Schuppen gehört der Firma Masala Pickles in Karatschi. Vielleicht haben Sie schon davon gehört.«
Herbert nickte. Er aß gern indisch und pakistanisch und ging mit seinen Agenten manchmal in Curryrestaurants, wenn sie London besuchten. Das Mango Chutney von Masala war ziemlich bekannt.
»Durch einen außergewöhnlichen Zufall – an den wir alle nicht glauben – gehört die Firma Masala zu hundert Prozent einem Mr. Mustafa Dardari, und der ist ein Kindheitsfreund des Predigers aus seiner Zeit in Islamabad. Ich möchte, dass dieser Mann unter die Lupe genommen wird.«
Herbert sah den MI5-Kollegen an, und der nickte.
»Sollte sich machen lassen«, sagte er. »Wohnt er in London?«
Der Spürhund wusste, dass das MI5 zwar Mitarbeiter in den wichtigsten Auslandsvertretungen hatte, aber seine Hauptaufgaben lagen im Inneren. Der SIS befasste sich zwar hauptsächlich mit Auslandsspionage und Spionage gegen mutmaßliche Feinde Ihrer Majestät im Ausland, doch er konnte auch im Inland operieren.
Er wusste außerdem, dass es genau wie zwischen CIA und FBI in Amerika auch hier zeitweilig Rivalitäten zwischen den »inneren« und »äußeren« Geheimdiensten gegeben hatte, die zu Feindseligkeiten geführt hatten, aber die allgemeine Bedrohung durch den extremistischen Dschihadismus und den daraus resultierenden Terrorismus hatte die Zusammenarbeit in den letzten zehn Jahren maßgeblich verbessert.
»Er pendelt«, sagte der Spürhund. »Er hat eine Villa in Karatschi und ein Townhouse in London, in Pelham Crescent. Nach meinen Informationen ist er dreiunddreißig, ledig, eine angenehme Erscheinung und gesellschaftlich präsent.«
»Kann sein, dass ich ihn schon kennengelernt habe«, sagte Herbert. »Bei einem privaten Essen vor zwei Jahren, auf Einladung eines pakistanischen Diplomaten. Sehr geschmeidig, wenn ich mich recht erinnere. Und Sie möchten ihn beobachten lassen?«
»Ich möchte, dass Sie bei ihm einbrechen«, erwiderte der Spürhund. »Ich möchte, dass seine Bude verwanzt wird, optisch und akustisch. Aber vor allem möchte ich an seinen Computer.«
Herbert sah Laurence Firth an, den MI5-Mann.
»Eine gemeinsame Operation?«, schlug er vor, und Firth nickte.
»Die Möglichkeiten haben wir natürlich. Ich brauche das Okay von oben, doch das dürfte kein Problem sein. Ist er zurzeit in der Stadt?«
»Keine Ahnung«, sagte der Spürhund.
»Na, kein Problem, das rauszukriegen. Und ich nehme an, das ganze Theater muss unsichtbar vonstattengehen und unsichtbar bleiben?«
Ja, dachte der Spürhund, ein absolut unsichtbares Theater, so ist es. Man vereinbarte, dass die beiden Dienste sich grünes Licht für eine höchst geheime Operation ohne jeden richterlichen Beschluss beschaffen würden – mit anderen Worten, für eine absolut illegale Operation. Die beiden britischen Geheimdienstler waren jedoch sicher, dass es angesichts der Spur aus Blut und Tod, die der Prediger quer durch dieses Land gezogen hatte, bis zur ministeriellen Ebene hinauf keine Einwände geben würde, wenn so etwas nötig wäre. Der einzige politische Vorbehalt würde lauten wie immer: Tun Sie, was Sie für nötig halten, aber ich will nichts davon wissen. Führung aus der Etappe, wie immer.
Als das Botschaftsauto ihn zu seinem Cottage in der Seitengasse zurückfuhr, überlegte sich der Spürhund, dass es nun zwei denkbare Wege zum genauen Aufenthaltsort des Predigers gab. Der eine führte durch Dardaris privaten Computer, falls man ihn zugänglich machen könnte. Den anderen behielt er einstweilen für sich.
In der Dämmerung des nächsten Tages glitt die MV Malmö aus dem Hafen von Göteborg und nahm Kurs auf das offene Meer. Sie war ein 20 000-Tonnen-Stückgutfrachter – das, was man bei der Handelsmarine als »handliches Format« bezeichnet. An ihrem Heck wehte die gelb-blaue Flagge Schwedens.
Sie gehörte zu der ansehnlichen Handelsflotte Harry Anderssons, eines der letzten großen Industriemagnaten in Schweden. Andersson hatte seine Reederei vor vielen Jahren mit einem einzigen altersschwachen Trampdampfer gegründet und aufgebaut. Mit vierzig Schiffen konnte er sich heute als der größte Handelsschifffahrtstycoon seines Landes bezeichnen.
Der Steuer zum Trotz war er nie ins Ausland umgesiedelt, und trotz der hohen Gebühren hatte er seine Schiffe nie unter Billigflaggen fahren lassen. Ins Schwimmen geraten war er immer nur auf hoher See, nie an der Börse. Er war alleiniger Eigner der Andersson Line und persönlich – was es in Schweden selten gibt – Milliardär. Nach zwei Ehen hatte er sieben Kinder, aber nur einer, der jüngste Sohn, jung genug, um sein Enkel zu sein, hatte Lust, Reeder zu werden wie sein Vater.
Die Malmö hatte eine lange Reise vor sich. Sie hatte Volvos an Bord, und ihr Ziel war Perth in Australien. Kapitän auf der Brücke war Stig Eklund, der Erste und der Zweite Offizier waren aus der Ukraine, und der Erste Ingenieur war Pole. Die Crew bestand aus zehn Filipinos: einem Koch, einem Kabinensteward und acht Decksmatrosen.
Überzählig war der Kadett Ove Carlsson, der für sein Offizierspatent in der Handelsmarine studierte und hier seine erste Langstreckenreise unternahm. Er war erst neunzehn. Nur zwei Personen an Bord wussten, wer er wirklich war: der Junge selbst und Kapitän Eklund. Der alte Schifffahrtsmagnat hatte entschieden, wenn sein jüngster Sohn auf einem seiner Schiffe zur See fahren sollte, würde es weder Schikanen aus Missgunst noch Anbiederei und Einschmeichelei geben.
Also reiste der junge Kadett unter dem Mädchennamen seiner Mutter. Ein Freund in der Regierung hatte die Ausstellung eines echten Passes auf den falschen Namen autorisiert, und auf der Grundlage dieses Passes hatte die schwedische Handelsschifffahrtsbehörde die nötigen Dokumente auf denselben Namen ausgestellt.
An diesem Sommermorgen standen die vier Offiziere und der Kadett auf der Brücke. Der Steward brachte ihnen Kaffee, und die Malmö schob ihre stumpfe Nase in die anschwellende Dünung des Skagerrak.
Agent Opal war es tatsächlich gelungen, ein robustes Geländemotorrad von einem Somali zu kaufen, der verzweifelt darauf aus war, das Land mit Frau und Kind zu verlassen, und die nötigen Dollars für einen neuen Anfang in Kenia brauchte. Was der Somali tat, war nach dem Gesetz von al-Schabaab völlig illegal, und wenn er erwischt würde, riskierte er die Auspeitschung oder Schlimmeres. Aber er hatte auch noch einen heruntergekommenen Pick-up, und damit, glaubte er, würde er es bis zur Grenze schaffen, wenn er nachts fuhr und sich den ganzen Tag im dichten Busch zwischen Kismaju und der kenianischen Grenze versteckte.
Opal hatte einen großen Bastkorb auf den hinteren Sattel geschnallt, in dem man seine kümmerlichen Einkäufe transportieren konnte, der in seinem Fall jedoch einen großen Benzinkanister enthielt.
Auf der Karte, die er aus dem Fischbauch gezogen hatte, sah er, dass der Treffpunkt, den sein Agentenführer ausgesucht hatte, fast hundert Meilen weiter nördlich an der Küste lag. Auf der mit Schlaglöchern übersäten, ausgefahrenen Piste, zu der die ehemalige Küstenstraße heruntergekommen war, konnte er die Strecke zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen schaffen.
Sein anderer Erwerb war ein altes, aber funktionstüchtiges Transistorradio, auf dem er verschiedene ausländische Sender hören konnte – was unter al-Schabaab ebenfalls verboten war. Aber er wohnte allein in seiner Hütte vor der Stadt, und wenn er das Radio leise stellte und ans Ohr drückte, konnte er Kol Israel hören, ohne dass man davon ein paar Schritte weiter noch etwas mitbekam. So erfuhr er vom Regen über Aschkelon.
Die Bewohner dieses heiteren Städtchens würden am nächsten Tag vielleicht hochschauen und verwundert einen blauen Himmel und weit und breit kein Wölkchen sehen, doch das wäre dann ihr Problem.
Benny war bereits auf dem Fischerboot. Er war per Hubschrauber gekommen. Die Maschine gehörte dem Piloten, einem Israeli wie ihm, und der Flug war angeblich ein Privatcharter für einen reichen Touristen, der von Nairobi ins Ocean Sports Hotel in Waitamu an der Küste südlich von Malindi gebracht wurde. Tatsächlich war der Hubschrauber an der Küste entlanggeflogen, nordwärts an Lamu Island und östlich am somalischen Ras Kamboni vorbei, bis das GPS den Fischkutter unter ihnen lokalisiert hatte.
Der Hubschrauber schwebte sechs Meter über dem Boot, und Benny seilte sich auf das stampfende Deck ab, wo helfende Hände ihn in Empfang nahmen.
Am selben Abend brach Opal im Schutz der Dunkelheit auf. Es war ein Freitagabend, und die Straßen waren fast leer, denn die Leute waren beim Gebet. Zweimal sah der Agent Scheinwerferlicht hinter sich herankommen, fuhr von der Straße herunter und versteckte sich, bis der Truck vorbeigefahren war. Das Gleiche tat er, als ihm ein Licht am Horizont entgegenkam. Er selbst begnügte sich mit dem Mondlicht.
Er war früh dran. Als er wusste, dass er nur noch wenige Meilen vom Treffpunkt entfernt sein musste, verließ er die Straße wieder und wartete auf die Dämmerung. Beim ersten Lichtschimmer fuhr er weiter, aber langsam, und dann sah er es. Ein trockenes Wadi, das von links aus der Wüste kam, breit genug, dass eine Brücke hinüberführte. Beim nächsten Monsun würden die Fluten es in ein rasendes Wildwasser verwandeln, das unter der Betonbrücke und unter den riesigen Kasuarinen hindurchrauschte, die zwischen Landstraße und Küste wuchsen.
Er verließ die Straße und bugsierte sein Offroad-Bike die hundert Meter bis zum Wasser hinunter. Dann lauschte er. Nach fünfzehn Minuten hörte er es: das leise Grollen eines Außenbordmotors. Er ließ seinen Scheinwerfer zweimal aufleuchten – an, aus, an, aus. Das Grollen kam auf ihn zu, und die Umrisse eines starren Schlauchboots lösten sich aus der Dunkelheit über der See. Er warf einen Blick zurück zur Straße. Da war niemand.
Benny stieg ans Ufer. Ein Passwort wurde gewechselt, dann umarmte er seinen Agenten. Es gab begierig erwartete Nachrichten aus der Heimat. Ein kurzes Briefing und dann neue Ausrüstung.
Letztere war überaus willkommen. Natürlich würde er sie unter seiner Hütte vergraben und das Loch mit Sperrholz abdecken müssen. Ein kleines, jedoch technisch hoch entwickeltes Sende-Empfangs-Gerät, das Nachrichten aus Israel erhielt und für dreißig Minuten speicherte, während sie transkribiert oder auswendig gelernt wurden. Danach wurden sie automatisch gelöscht.
Und es sendete Nachrichten von Opal ans Office. Er sprach Klartext hinein, der dann zu einem einzigen »Squirt« komprimiert wurde, so kurz, dass ein Lauscher eine ultrakomplizierte Technologie brauchte, um den zehntelsekundenlangen Funkspruch zu empfangen und aufzuzeichnen. In Tel Aviv würde man diesen »Squirt« wieder in normale Sprache zurückverwandeln.
Dann das Briefing. Der Lagerschuppen: Man musste erfahren, wer darin lebte, ob er je herauskam, und wenn, wohin er ging. Eine Beschreibung jedes Fahrzeugs, das von Bewohnern oder regelmäßigen Besuchern des Schuppens benutzt wurde. Falls es einen Besucher gab, der woanders wohnte, war eine vollständige Beschreibung des Wohnsitzes und seiner genauen Lage erforderlich.
Opal brauchte es nicht zu wissen, und Benny konnte es auch nur vermuten, aber irgendwo da oben würde eine amerikanische Drohne unterwegs sein: eine Predator, eine Global Hawk, vielleicht auch die neue Sentinel, sie würde langsam kreisen, Stunde um Stunde, und herunterspähen und alles sehen. Im Gewirr der Straßen von Kismaju konnten die Beobachter ein Fahrzeug unter Hunderten trotzdem aus den Augen verlieren, wenn es nicht präzise und bis ins letzte Detail beschrieben war.
Sie umarmten einander noch einmal und verabschiedeten sich. Das Schlauchboot, bemannt mit vier bewaffneten Kommandosoldaten, stach wieder in See. Opal tankte sein Motorrad auf und fuhr zurück nach Süden und zu seiner Hütte, wo er das Funkgerät und die Solarbatterie versteckte.
Benny wurde mit einer Strickleiter, die über dem Kutter herabgelassen wurde, wieder in den Hubschrauber geholt. Als er weg war, richteten sich die Kommandosoldaten auf einen weiteren Tag ein, an dem sie hart trainierten, angelten und schwammen, um die Langeweile zu bekämpfen. Man würde sie vielleicht nicht noch einmal brauchen, aber für den Fall, dass sie doch benötigt wurden, mussten sie noch bleiben.
Benny wurde am Flughafen Nairobi abgesetzt, flog nach Europa und weiter nach Israel. Opal durchforschte die Straßen rings um den Schuppen und fand ein Zimmer, das er mieten konnte. Durch eine Ritze in dem verzogenen Fensterladen konnte er das Doppeltor der Einfahrt beobachten.
Seine Arbeit als Fischereikontrolleur würde er fortsetzen müssen, wenn er keinen Verdacht erregen wollte. Essen und schlafen musste er auch. Doch in der restlichen Zeit würde er den Schuppen im Auge behalten, so gut er konnte. Hoffentlich würde etwas passieren.
Weit weg in London tat der Spürhund sein Bestes, damit etwas passierte.
Die Firma, die in dem Haus in Pelham Crescent das Sicherheitssystem installiert hatte, besaß so großes Vertrauen in ihre Fähigkeiten und ihr Ansehen, dass sie bekanntmachte, wer sie war. An der Außenwand unter der Dachtraufe hing eine geschmackvolle Tafel: Dieses Anwesen ist durch Daedalus Security Systems geschützt. Aus dem belaubten Park, den die halbmondförmige Straße umschloss, wurde es diskret fotografiert.
Daedalus, dachte der Spürhund, als er das Bild sah, war der griechische Baumeister, der ein nicht besonders sicheres Paar Flügel für seinen Sohn entworfen hatte. Das Wachs zum Befestigen der Federn war geschmolzen, und der Junge war ins Meer gestürzt und gestorben. Aber der Baumeister hatte auch ein teuflisch geniales Labyrinth für den kretischen König Minos entworfen. Ohne Zweifel wollte dieser moderne Daedalus auf das Geschick des Erfinders eines unlösbaren Puzzlesystems anspielen.
Der Mann hieß Steve Bamping. Er hatte die Firma gegründet und führte sie immer noch, ein exklusives Unternehmen, das reiche Kunden mit Einbruchsschutzanlagen ausstattete. Mit Erlaubnis des MI5 machten Firth und der Spürhund einen Besuch bei ihm. Seine erste Reaktion auf ihr Anliegen war glatte Ablehnung.
Firth übernahm das Reden, bis der Spürhund einen Stapel Fotos hervorholte und sie in zwei Reihen auf Mr. Bampings Schreibtisch ausbreitete. Insgesamt zwölf. Verständnislos schaute der Chef von Daedalus Security sie an. Jedes Foto zeigte einen Toten, der mit geschlossenen Augen auf einem Tisch im Leichenschauhaus lag.
»Wer sind diese Leute?«, fragte er.
»Sie sind tot«, sagte der Spürhund. »Acht Amerikaner und vier Briten. Harmlose Bürger, die nur das Beste für ihr Land tun wollten. Allesamt kaltblütig ermordet von dschihadistischen Attentätern, angeregt und aufgehetzt von einem Prediger im Internet.«
»Von Mr. Dardari? Doch wohl nicht.«
»Nein. Der Prediger führt seine Hasskampagne vom Nahen Osten aus. Aber wir haben sehr konkrete Beweise dafür, dass sein Londoner Helfer Ihr Kunde ist. Deshalb bin ich über den Atlantik geflogen.«
Steve Bamping starrte die zwölf Totengesichter an.
»Du lieber Gott«, murmelte er. »Und was wollen Sie?«
Firth erklärte es ihm.
»Sind Sie autorisiert?«
»Von Regierungsebene«, antwortete Firth, »und nein, ich habe kein Papier mit der Unterschrift des Innenministers, die das beweist. Wenn Sie jedoch mit dem Generaldirektor des MI5 sprechen wollen, kann ich Ihnen die Durchwahlnummer geben.«
Bamping schüttelte den Kopf. Er hatte Firths Ausweis gesehen und wusste, dass er zur Anti-Terror-Einheit des MI5 gehörte.
»Kein Wort darüber zu irgendjemandem«, sagte er.
»Nicht von uns«, versprach Firth. »Unter keinen Umständen.«
Das in Pelham Crescent installierte System gehörte zur Platinklasse. Jede Tür, jedes Fenster war mit einer unsichtbaren, strahlenbasierten Alarmanlage versehen, die mit dem Zentralcomputer verbunden war. Der Eigentümer selbst konnte nur durch die Vordertür ins Haus, wenn das System aktiviert war.
Die Haustür sah ganz normal aus. Sie hatte ein Brahma-Schloss, das mit einem Schlüssel geöffnet wurde. Wenn sie bei eingeschalteter Anlage geöffnet wurde, begann ein Piepton, der dreißig Sekunden lang niemanden alarmierte. Dann verstummte er und löste einen lautlosen Alarm im Daedalus Emergency Centre aus. Von dort aus würde man die Polizei rufen und einen eigenen Wagen schicken.
Aber um jeden Einbrecher zu verwirren, der hier sein Glück versuchen wollte, würde der Piepton in einem Schrank ertönen, während der Computer ganz woanders stand. Der Hauseigentümer hatte dreißig Sekunden Zeit, um zum richtigen Schrank zu gehen, in dem sich der Computer befand, und einen sechsstelligen Code in ein beleuchtetes Zahlenfeld einzugeben. Sechs Ziffern ermöglichten Millionen von Kombinationen, und nur jemand, der die richtige kannte, konnte den Piepton innerhalb von dreißig Sekunden abschalten und den Alarm verhindern.
Wenn ihm ein Fehler unterlief und die dreißig Sekunden verstrichen waren, stand ein Telefon bereit, das ihn über eine vierstellige Nummer mit dem Emergency Centre verband. Dort musste er mündlich seine persönliche PIN durchgeben, um den Alarm abzuschalten. Eine falsche Zahl würde dem Centre sagen, dass er bedroht wurde, und man würde die Prozedur für »bewaffnetes Eindringen« in Gang setzen.
Es gab noch zwei weitere Sicherungsmaßnahmen. Unsichtbare Strahlen quer durch die Eingangsräume und an den Treppen lösten ebenfalls einen lautlosen Alarm aus, wenn sie unterbrochen wurden. Der Schalter zum Deaktivieren war sehr klein und lag versteckt hinter dem Computerschrank. Selbst wenn man dem Hauseigentümer eine Pistole an den Kopf hielt, brauchte er diesen Alarm nicht auszuschalten.
Schließlich erfasste eine verborgene Kamera hinter einem stecknadelkopfgroßen Loch den gesamten Hausflur, und sie wurde niemals abgeschaltet. Überall auf der Welt konnte Mr. Dardari eine Telefonnummer wählen, um seinen Hausflur auf dem Display seines iPhones zu sehen.
Doch – wie Mr. Bamping seinem Klienten später unter ausführlichsten Entschuldigungen erklärte – selbst bei Hightech-systemen gab es gelegentlich Fehlfunktionen. Als ein Fehlalarm verzeichnet wurde, während Mr. Dardari zwar in London, aber nicht zu Hause war, musste er gerufen werden und war darüber nicht erfreut. Das Daedalus-Team war zerknirscht, die Metropolitan Police sehr höflich. Er ließ sich besänftigen und war einverstanden, dass Techniker den Fehler beseitigten.
Er ließ sie herein, sah zu, wie sie sich am Computerschrank zu schaffen machten, bekam Langeweile und ging ins Wohnzimmer, um sich einen Cocktail zu mixen.
Als die beiden Techniker – zwei Computerspezialisten des MI5 – ihn riefen, stellte er sein Glas hin und fand sich überlegen amüsiert zu einem Testlauf bereit. Er ging hinaus und kam wieder herein. Der Piepton setzte ein. Er ging zum Schrank und schaltete ihn ab. Sicherheitshalber blieb er im Flur stehen und wählte die Nummer seiner eigenen Überwachungskamera. Auf dem Display seines Telefons sah er sich und die beiden Techniker in seinem Flur. Er dankte den beiden, und sie verabschiedeten sich. Zwei Tage später verabschiedete er sich ebenfalls und flog für eine Woche nach Karatschi.
Das Dumme bei computerbasierten Systemen ist, dass der Computer alles steuert. Wenn der Computer aus dem Gleis gerät, ist er nicht nur nutzlos, sondern arbeitet dem Gegner in die Hände.
Als das MI5-Team kam, verzichtete es auf die altehrwürdige Tarnung durch einen Lieferwagen der Gaswerke oder der Telefonfirma. Die Nachbarn wussten womöglich, dass der Mann nebenan für eine Weile verreist war. Also kamen die Männer um zwei Uhr morgens, lautlos, in dunkler Kleidung und auf Gummisohlen. Sogar die Straßenbeleuchtung fiel für ein paar Minuten aus. In Sekundenschnelle waren sie im Haus, und in der ganzen Straße ging nirgends ein Licht an.
Der erste der Männer schaltete sofort den Alarm ab, langte hinter den Schrank und deaktivierte die Infrarotstrahlen. Er drückte ein paar Tasten am Computer, und die Kamera gehorchte und produzierte ein Standbild des leeren Hausflurs. Jetzt konnte Mr. Dardari aus dem Pandschab anrufen und würde seinen leeren Hausflur sehen. Tatsächlich saß er aber noch im Flugzeug.
Sie waren zu viert, und sie arbeiteten schnell. Winzige Mikrofone und Kameras wurden in den drei wichtigsten Zimmern versteckt, im Wohnzimmer, im Ess- und im Arbeitszimmer. Als sie alles erledigt hatten, war es draußen immer noch stockdunkel. Eine Stimme im Ohrhörer des Teamleiters bestätigte, die Straße sei leer, und sie verschwanden unbemerkt.
Jetzt blieb nur noch ein Problem, nämlich der persönliche Computer des pakistanischen Geschäftsmannes. Er hatte ihn mitgenommen. Aber sechs Tage später war er wieder da, und noch einmal zwei Tage später ging er zu einem Galadinner. Der dritte Besuch ging am schnellsten. Der Computer stand auf dem Schreibtisch.
Die Festplatte wurde ausgebaut und in einen Harddrive-Kopierer geschoben, den die Techniker nur »die Box« nannten. Mr. Dardaris Drive kam auf die eine Seite, eine leere Platte auf die andere. Es dauerte vierundvierzig Minuten, ein »Image« des gesamten Datenbestands auf die leere Festplatte zu spielen, und Mr. Dardaris Harddisk wanderte zurück in seinen Computer. Das war’s, was die Vergangenheit betraf.
Sie steckten einen Speicherstick an die USB-Schnittstelle und schalteten den Computer ein. Eine Malware wurde eingeschleust, die dem Computer befahl, sich in Zukunft jeden Tastendruck und jede eingehende E-Mail zu merken und an den Lauschcomputer des Security Service zu übermitteln, der jedes Mal eine Logdatei anlegen würde, wenn der Pakistani seinen Computer benutzte. Und Mr. Dardari würde nichts davon merken.
Der Spürhund gestand nur zu gern ein, dass die Leute vom MI5 gut waren. Er wusste, das gestohlene Material würde auch in ein ringförmiges Gebäude am Rande des Städtchens Cheltenham in Gloucester geschickt werden, ins Hauptquartier der Nachrichtendienstbehörde namens Government Communications, die dem amerikanischen Fort Meade entsprach. Hier würden Kryptografen die Daten untersuchen und feststellen, ob es sich um Code oder Klartext handelte. Im ersten Fall müsste der Code entschlüsselt werden. Gemeinsam würden alle diese hoch spezialisierten Experten in der Lage sein, das Leben des Pakistani vollständig zu durchleuchten.
Doch der Spürhund hatte noch einen Wunsch, und seine Gastgeber erhoben keine Einwände. Vergangene Aktivitäten und alle zukünftigen Tastenbewegungen sollten außerdem an einen jungen Mann übermittelt werden, der auf einem halbdunklen Dachboden in Centreville über seinen Computer gebeugt saß. Er gab spezielle Anweisungen, die nur für Ariel gedacht waren.
Die ersten Ergebnisse kamen schnell zustande. Es gab nicht den geringsten Zweifel, dass Mustafa Dardari ständigen Kontakt mit dem Computer hatte, der in einem Lagerschuppen in Kismaju in Somalia stand, in dem Obst und Gemüse in Konserven gefüllt wurden. Er tauschte Informationen und Warnungen mit dem Troll aus, und der war der persönliche Cyberspace-Repräsentant des Predigers.
Unterdessen bemühten die Codeknacker sich herauszufinden, was er dem Troll und was der Troll ihm mitgeteilt hatte.
Agent Opal musste den Lagerschuppen eine Woche lang beobachten, bevor seine schlaflose Wachsamkeit belohnt wurde. Eines Abends öffnete sich das Tor. Was herauskam, war kein leerer Lieferwagen, sondern ein Pick-up, alt und verbeult, mit offener Ladefläche, das Standardfahrzeug in beiden Hälften Somalias, im Norden wie im Süden. Wenn sich auf der Ladefläche ein halbes Dutzend Clankämpfer um ein Maschinengewehr drängen, nennt man so einen Pick-up »Technical«. Der, den Opal durch den Spalt in seinem Fensterladen die Straße hinunterfahren sah, war leer, und in der Kabine saß nur der Fahrer.
Es war der Troll, aber das konnte Opal nicht wissen. Er kannte nur die Anweisungen, die sein Agentenführer ihm gegeben hatte. Wenn etwas anderes als ein Lieferwagen herauskommt, verfolge es. Er verließ sein gemietetes Zimmer, kettete sein Motorrad los und fuhr hinterher.
Die lange, strapaziöse Fahrt dauerte die Nacht hindurch bis zum Morgen. Den ersten Teil kannte er schon: die Küstenstraße in nordöstlicher Richtung am Ufer entlang, vorbei an dem ausgetrockneten Wadi und dem Kasuarinenwäldchen, wo er sich mit Benny getroffen hatte, und weiter in Richtung Mogadischu. Inzwischen war es Vormittag, und auch sein Reservekanister war fast leer, als der Pick-up in die Küstenstadt Marka einbog.
Wie Kismaju war auch Marka eine unangefochtene al-Schabaab-Hochburg gewesen, bis Bundestruppen mit starker Unterstützung durch die African Mission to Somalia – AMISON – die Stadt 2012 von den Dschihadisten zurückerobert hatten. Aber 2013 hatte sich das Blatt erneut gewendet. Die Fanatiker waren zurückgekommen und hatten beide Städte und das Land dazwischen in blutigen Kämpfen wieder an sich gerissen.
Schwindlig vor Erschöpfung folgte Opal dem Pick-up, bis er anhielt. Er sah ein Tor vor einer Art Hof. Der Fahrer des Pickups hupte. Eine kleine Luke öffnete sich in dem Holztor, und ein halbes Gesicht schaute hervor. Dann setzte das Tor sich in Bewegung und schwang auf.
Opal stieg ab, hockte sich hinter seine Maschine und tat, als kümmerte er sich um den Vorderreifen, und dabei spähte er zwischen den Speichen hindurch. Der Fahrer schien bekannt zu sein, denn er wurde begrüßt, als er durch das Tor fuhr, das sich gleich wieder zu schließen begann. Bevor ihm die Sicht versperrt wurde, sah Opal ein Gelände mit einem zentralen Hof und drei schmutzig weißen, flachen Gebäuden mit Läden vor den Fenstern.
Es sah aus wie tausend andere Grundstücke, aus denen Marka besteht. Der Ort ist eine ausufernde Ansammlung von flachen weißen Kästen zwischen den ockergelben Hügeln und dem Sandstrand mit dem funkelnden blauen Ozean dahinter. Nur die Minarette der Moscheen waren höher als die flachen Häuser.
Opal fuhr weiter durch ein paar schmutzige Gassen, fand ein schattiges Plätzchen in der zunehmenden Hitze, zog sich das schemagh über den Kopf und schlief. Als er aufwachte, streifte er durch die Stadt, bis er einen Mann mit einem Fass Benzin und einer Handpumpe gefunden hatte. Diesmal bezahlte er nicht mit Dollar, denn das war zu gefährlich. Man könnte ihn bei der mutawa denunzieren, bei der Religionspolizei mit ihren hasserfüllten Augen und ihren Stöcken. Er zahlte mit einem dicken Bündel Shilling und fuhr durch die kühle Nacht zurück.
Rechtzeitig zum Dienst auf dem Fischmarkt war er wieder zu Hause. Erst am Nachmittag konnte er eine kurze Sprachnachricht verfassen. Er grub seinen in Segeltuch gewickelten Sender aus, hängte ihn an die frisch geladene Batterie und drückte auf die »Senden«-Taste. Das Office im Norden von Tel Aviv empfing die Nachricht und leitete sie verabredungsgemäß nach Virginia und an TOSA weiter.
Innerhalb eines Tages hatte eine Global Hawk vom amerikanischen Stützpunkt im Jemen das Anwesen gefunden. Es klappte nicht sofort, aber in der Nachricht vom Mossad war die Rede von einem Obstmarkt mit Ständen und ausgebreiteten Waren auf dem Boden gewesen, keine hundert Meter vom Anwesen entfernt, und von einem Minarett zwei Straßen weiter. Und von einem Kreisverkehr mit mehreren Ausfahrten, den die Italiener gebaut hatten, sechshundert Meter weit im Norden, wo die Landstraße nach Mogadischu an der Stadt entlangführte. Ein anderes Haus kam nicht infrage.
Der Spürhund hatte eine Verbindung zwischen der J-SOC-Drohnenleitstelle außerhalb von Tampa und der US-Botschaft herstellen lassen. Jetzt saß er da und starrte auf die drei Häuser, die um den Hof herum standen. Welches war es? Vielleicht keins? Selbst wenn der Prediger sich dort versteckte, war er vor einem Drohnenangriff in Sicherheit. Eine Hellfire oder eine Brimstone würde ein Dutzend der dicht beieinanderstehenden Häuser dem Erdboden gleichmachen. Frauen, Kinder. Gegen sie führte er keinen Krieg, und er hatte keinen Beweis.
Er wollte den Beweis, er brauchte ihn, und wenn die Kryptografen fertig wären, würde der Chutneyhersteller aus Karatschi ihn vermutlich liefern.
Opal schlief in seiner Hütte in Kismaju, als die MV Malmö die Warteschlange der Frachter vor der Einfahrt in den Suezkanal erreichte. Bewegungslos lag sie unter der ägyptischen Sonne in lähmender Hitze. Zwei Filipinos hatten Leinen ausgeworfen und hofften, frische Fische zum Abendessen zu fangen. Andere saßen unter Sonnensegeln in Lee der Container mit den Autos. Die Stahlwände glühten wie Heizkörper. Die Europäer blieben drinnen, wo die von der Hilfsmaschine betriebene Klimaanlage das Leben erträglich machte. Die Ukrainer spielten Karten, der Pole war in seinem Maschinenraum, der Kapitän schrieb eine E-Mail an seine Frau, und der Kadett Ove Carlsson büffelte seine Navigationslektionen.
Weit im Süden überflog ein fanatischer Dschihadist, erfüllt von Hass auf den Westen und alles, was er tat, die ausgedruckten Nachrichten, die er aus Kismaju bekommen hatte.
Und in einer Lehmziegelfestung in den Bergen hinter der Bucht von Garacad plante ein sadistischer Clanchef namens al-Afrit, der Teufel, ein Dutzend seiner jungen Männer allen Risiken zum Trotz wieder zur Beutejagd auf das Meer hinauszuschicken.