SIEBEN
Eine zweimotorige Propellermaschine vom Typ Beech King Air startete schon vor dem Morgengrauen auf dem Militärflughafen Sve Dov im Norden von Tel Aviv, ging auf Südostkurs und begann zu steigen. Sie passierte Beerschewa, durchquerte die Flugverbotszone über dem Kernkraftwerk Dimona und verließ südlich von Eilat den israelischen Luftraum.
Sie war schneeweiß. Auf dem Rumpf standen die Worte »United Nations« und auf dem Seitenruder die Abkürzung für das Welternährungsprogramm WFP – »World Food Programme«. Hätte jemand die Kennzeichnungsnummer nachgeschlagen, so hätte er erfahren, dass das Flugzeug einer Briefkastenfirma auf Grand Cayman gehörte und langfristig an das WFP vermietet war. Aber das alles war Nonsens.
Sie gehörte Metsada, der Abteilung für Spezialeinsätze des Mossad und war auf dem Flughafen Sve Dov in dem Hangar untergebracht, der früher einmal die schwarze Spitfire Ezer Weizmans beherbergt hatte, des Gründers der israelischen Luftwaffe.
Südlich des Golfs von Akaba folgte die King Air einem Kurs zwischen den Landmassen Saudi-Arabiens im Osten und Ägyptens und des Sudan im Westen. Sie blieb im internationalen Luftraum entlang des Roten Meeres, überquerte die Küste von Somaliland und flog weiter nach Somalia. Beide Staaten verfügten nicht über Abfangmöglichkeiten.
Das weiße Flugzeug überflog die somalische Küste am Indischen Ozean, nördlich von Mogadischu, und ging auf Kurs Südwest, um in fünftausend Fuß Höhe über dem Meer parallel zur Küstenlinie zu fliegen. Jeder Beobachter hätte angenommen, sie komme von einer nahe gelegenen Hilfsstation, denn sie war nicht mit externen Treibstofftanks ausgestattet und konnte daher nur eine begrenzte Reichweite haben. Der Beobachter hätte nicht sehen können, dass der größte Teil des Innenraums von zwei großen Tanks ausgefüllt wurde.
Südlich von Mogadischu machte der Kameramann seine Ausrüstung bereit, und hinter Marka begann er zu filmen. Er bekam ausgezeichnete Aufnahmen der gesamten Küste von Marka bis zu einem fünfzig Meilen weit nördlich von Kismaju gelegenen Punkt – insgesamt zweihundert Meilen Sandstrand.
Der Kameramann schaltete ab, und die King Air wendete. Sie flog den Weg zurück, auf dem sie gekommen war, schaltete von den internen Tanks auf die Hauptversorgung und kehrte heim. Nach zwölf Stunden Flug landete sie mit den letzten Tropfen auf dem Flughafen Eilat, tankte und flog weiter nach Sve Dov. Ein Motorradkurier brachte die Kamera zur fotografischen Analyseeinheit des Mossad, wo man die Aufnahmen studierte.
Was Benny haben wollte und bekam, war ein unverwechselbarer Treffpunkt an der Küstenstraße, an dem er mit Agent Opal zusammentreffen konnte, um ihm neue Anweisungen und die nötige Ausrüstung zu geben. Die Stelle, die er brauchte, musste für einen Autofahrer auf der Landstraße und jemanden, der mit einem schnellen Schlauchboot vom Meer kam, gleichermaßen erkennbar sein.
Als er die Stelle gefunden hatte, verfasste er seine Nachricht an Opal.
Direktor Doherty bemühte sich, ein anständiges Gefängnis zu führen, und natürlich gehörte dazu auch eine Kapelle. Aber dass seine Tochter dort heiratete, wollte er nicht. Als Brautvater wollte er ihr einen wirklich denkwürdigen Tag schenken. Deshalb sollte die Trauung in der katholischen Kirche St. Francis Xavier stattfinden, und danach würde es einen Empfang im Hotel Clarendon in der Stadt geben.
Die Hochzeit war samt Ort und Zeit in der Gesellschaftsspalte der Phoenix Republic erwähnt worden, und so war es nicht überraschend, dass sich zahlreiche Neugierige und Gratulanten vor den Kirchentüren versammelt hatten, als das glückliche Paar herauskam.
Niemand achtete besonders auf den dunklen jungen Mann in der Menge im langen weißen Gewand und mit dem in die Ferne gerichteten Blick. Nicht, bis er durch das Zuschauergedränge stürmte und auf den Brautvater zulief. Er hielt etwas in der rechten Hand, als wollte er ihm ein Geschenk überreichen. Aber es war kein Geschenk, es war eine .45er Colt. Viermal schoss er auf Direktor Doherty, und der wurde von der Wucht der Treffer rückwärtsgeschleudert und brach zusammen.
Wie immer, bevor das wahre Grauen einsetzt, herrschte zwei Sekunden lang fassungsloses Schweigen. Dann kamen die Reaktionen. Rufe, Schreie und weitere Schüsse, als zwei Polizisten des Phoenix Police Department ihre Waffen zogen und feuerten. Der Attentäter fiel ebenfalls. Andere warfen sich einfach zu Boden, während ringsum das Chaos ausbrach: Mrs. Doherty war hysterisch, die weinende Braut wurde weggeführt, die Sirenen von Polizei- und Krankenwagen heulten, und die Leute liefen in panischem Schrecken durcheinander.
Dann übernahm »das System« die Kontrolle. Der Tatort wurde mit Flatterband abgesperrt, die Waffe wurde geborgen und in einen Asservatenbeutel gelegt, der Täter wurde identifiziert. Am Abend verbreiteten die Nachrichtensender aus Arizona die Neuigkeit in den ganzen USA: Es gab wieder einen Fall. Auf dem Laptop des Fanatikers, den man in dem Einzimmerapartment über der Werkstatt beschlagnahmte, in der er gearbeitet hatte, fand sich eine lange Liste von Onlineauftritten des Predigers.
Die Filmeinheit der U. S. Army heißt TRADOC (Training and Doctrine Command) und hat ihren Sitz in Fort Eustis, Virginia. Normalerweise produziert sie Lehrfilme und Dokumentationen, die ausgiebig jeden Aspekt des Militärs, seiner Arbeit und seiner Funktion behandeln. Der leitende Offizier war deshalb ohne Zögern bereit, sich mit einem gewissen Colonel Jamie Jackson aus dem Hauptquartier der MacDill Air Force Base außerhalb Tampas /Florida, zu treffen.
Auch innerhalb der Truppe sah der Spürhund keinen Grund zu offenbaren, dass er in Wirklichkeit Colonel Kit Carson hieß, von TOSA kam und nur ein paar Meilen weit entfernt im selben Staat stationiert war. Das alles fiel unter die Rubrik »Kenntnis nur bei Bedarf«.
»Ich will einen Kurzfilm drehen«, sagte er. »Aber er wäre als top secret einzustufen, und der fertige Film dürfte nur von einer äußerst begrenzten Gruppe von Leuten gesehen werden.«
Der Offizier war fasziniert und leicht beeindruckt, jedoch nicht beunruhigt. Er war stolz auf das filmemacherische Talent seiner Einheit. Er konnte sich nicht entsinnen, schon einmal eine so merkwürdige Anfrage bekommen zu haben, aber die Sache konnte ja nur umso interessanter werden. Film- und Tonstudios hatte er hier auf dem Stützpunkt.
»Es wird ein kleiner, kurzer Film werden, nur eine Szene. Keine Locations, nur ein kleines Set, wahrscheinlich außerhalb des Stützpunkts. Keine Kameras außer einem einzigen Camcorder für Bild und Ton. Der Film wird, wenn überhaupt, nur im Internet zu sehen sein. Die Crew wird deshalb äußerst klein sein, wahrscheinlich höchstens sechs Leute, allesamt zum Stillschweigen verpflichtet. Ich brauche einen jungen, begeisterten Filmemacher.«
Der Spürhund bekam, was er wollte: Captain Damian Mason. Der Filmoffizier bekam nicht, was er wollte: Antworten auf seine zahlreichen Fragen. Was er bekam, war ein Anruf von einem Drei-Sterne-General, der ihm mitteilte, die Anweisungen dieses Mannes seien zu befolgen.
Damian Mason war jung, eifrig und ein Filmfan seit seinen Kindertagen in White Plains, New York. Nach seiner Dienstzeit bei TRADOC wollte er nach Hollywood gehen und richtige Filme drehen, mit Storys und Stars.
»Wird das ein Ausbildungsfilm, Sir?«, fragte er.
»Ich hoffe, er wird auf seine Weise lehrreich sein«, antwortete der Colonel vom Marine Corps. »Sagen Sie, gibt es ein Gesamtverzeichnis mit den Fotos aller verfügbaren Schauspieler im ganzen Land?«
»So gut wie. Ich glaube, was Sie meinen, ist das ›Academy Players Directory‹. Das hat jeder Castingdirector im ganzen Land.«
»Haben Sie eins hier auf der Basis?«
»Ich glaube nicht, Sir. Wir setzen keine professionellen Schauspieler ein.«
»Jetzt schon. Zumindest einen. Können Sie mir ein Exemplar besorgen?«
»Selbstverständlich, Colonel.«
Es kam zwei Tage später per FedEx, und es war ein sehr dickes Buch – Seite um Seite gefüllt mit den Gesichtern ehrgeiziger Schauspieler und Schauspielerinnen vom Teenager- bis zum Veteranenalter.
Eine der Wissenschaften, die Polizeibehörden und Nachrichtendienste auf der ganzen Welt betreiben, ist der Gesichtsvergleich. Sie hilft Ermittlern dabei, flüchtige Kriminelle aufzustöbern, die versuchen, ihr Aussehen zu verändern.
Durch die Computerisierung wurde das, was früher kaum mehr als die Intuition eines Polizisten war, zu einer normierten Wissenschaft. In den USA heißt die Software Echelon, und sie gehört dem elektronischen Forschungsinstitut des FBI in Quantico, Maryland.
Einfach gesagt, werden Hunderte von Gesichtszügen gemessen und gespeichert. Schon Ohren sind wie Fingerabdrücke – keins ist wie das andere. Aber bei langem Haar sind sie nicht immer zu sehen. Der Abstand zwischen den beiden Pupillen, auf ein Mikron genau gemessen, kann eine Entsprechung innerhalb eines Sekundenbruchteils eliminieren. Oder bestätigen. Echelon lässt sich nicht täuschen, auch nicht von Gaunern, die sich umfangreichen kosmetischen Operationen unterziehen.
Von Drohnenkameras aufgenommene Terroristen konnten innerhalb von Sekunden als Topziele statt als Kofferträger identifiziert werden. Auf diese Weise spart man sich eine teure Rakete.
Der Spürhund flog zurück in den Osten und stellte Echelon eine Aufgabe: Scanne jedes Gesicht im »Players Directory« und finde einen Doppelgänger dieses Mannes. Er gab ihnen das Gesicht des Predigers ohne den Vollbart. Der konnte später dazukommen.
Echelon scannte fast tausend Männergesichter und fand eins, das mehr als alle anderen aussah wie der Pakistani namens Abu Azzam. Der Schauspieler war ein Hispanic namens Tony Suarez. In seinem Lebenslauf stand, er habe kleine Neben- und Statistenrollen gespielt, sei in Massenszenen aufgetreten und habe in einem Werbefilm für Grillgeräte sogar ein paar Worte gesprochen.
Der Spürhund kehrte in sein Büro bei TOSA zurück. Dort wartete ein Bericht von Ariel. Sein Vater habe einen Laden für ausländische Lebensmittel gefunden und ihm ein Glas Masala-Pickles und eins mit Mango-Chutney mitgebracht. Eine Computerrecherche habe ergeben, dass sämtliche Frucht- und Gewürzzutaten aus den Plantagen im Unteren Dschuba-Tal stammten.
Aber da war noch mehr. Aus Handelsdatenbanken ging hervor, dass Masala sehr erfolgreich in Pakistan und im Nahen Osten tätig war, jedoch auch in Großbritannien mit seiner Vorliebe für würziges Essen und indische Currys. Alleineigentümer der Firma war der Gründer, Mr. Mustafa Dardari, der eine Villa in Karatschi und ein Townhouse in London besaß. Am Ende kam ein Bild des Industriellen, die Vergrößerung eines »Bitte lächeln«-Fotos aus einem Konferenzraum.
Der Spürhund musterte das Gesicht. Geschmeidig, glatt rasiert, strahlend – und irgendwie kam es ihm bekannt vor. Er nahm das Originalfoto, das er auf seinem iPhone aus Islamabad mitgebracht hatte, aus seinem Schreibtisch. Es war einmal gefaltet, um die Hälfte zu verbergen, die er nicht brauchte. Aber jetzt wollte er sie sehen. Das fünfzehn Jahre alte Bild des grinsenden Schülers.
Als Einzelkind wusste der Spürhund, dass zwei Jungen, die als »beste Freunde« durch die Schule gehen, diese Bindung oft ein Leben lang nicht mehr verlieren. Er dachte an den Hinweis von Ariel: Jemand schickte E-Mails an den Schuppen in Kismaju. Der Troll bestätigte dankend den Empfang.
Der Prediger hatte einen Freund im Westen.
Captain Mason betrachtete das mutmaßliche Gesicht des Predigers – ehemals Zulfikar Ali Schah, ehemals Abu Azzam –, wie er heute aussehen würde. Daneben hielt er das Bild des ahnungslosen Tony Suarez, eines arbeitslosen Kleindarstellers, der in einer Bruchbude in Malibu hauste.
»Klar, das lässt sich machen«, sagte er schließlich. »Mit Maske, Frisur, Garderobe, Kontaktlinsen, Sprechproben, Teleprompter.« Er klopfte mit dem Finger auf das Foto des Predigers.
»Spricht der Kerl auch?«
»Gelegentlich.«
»Für die Stimme kann ich nicht garantieren.«
»Die Stimme überlassen Sie mir«, sagte der Spürhund.
Captain Mason flog in Zivil und als Mr. Mason mit einem Bündel Dollarscheine nach Hollywood, kam mit Mr. Suarez zurück und brachte ihn in einer komfortablen Suite eines Kettenhotels unter, zwanzig Meilen weit von Fort Eustis entfernt. Um sicher zu sein, dass er nicht auf Abwege geriet, verpasste man ihm einen Aufpasser in Gestalt eines hinreißenden, blonden, weiblichen Corporals. Man versicherte der Frau, sie brauche im Dienste des Vaterlandes nichts weiter zu tun, als den kalifornischen Gast achtundvierzig Stunden lang daran zu hindern, das Hotel zu verlassen oder ihr Schlafzimmer zu betreten.
Ob Mr. Suarez wirklich glaubte, man brauche seine Dienste zur Vorproduktion eines Arthouse-Films für einen Kunden aus dem Nahen Osten, der eine Menge Geld ausgeben wollte, war ohne Bedeutung. Ob der Film einen Plot hatte, interessierte ihn nicht. Er war zufrieden, in einer Luxussuite mit Champagnerbar zu wohnen, genug Geld für den Grillbedarf mehrerer Jahre zu bekommen und seine Zeit mit einer Blondine zu verbringen, die den Straßenverkehr zum Erliegen bringen konnte. Captain Mason hatte im selben Hotel einen großen Konferenzraum gebucht und Suarez gesagt, die »Probeaufnahmen« würden am nächsten Tag stattfinden.
Das TRADOC-Team kam mit zwei unmarkierten Autos und einem kleinen Möbelwagen. Sie übernahmen den Konferenzraum und beklebten alle Fenster mit schwarzem Papier und Malerkrepp. Dann bauten sie das schlichteste Filmset der Welt.
Im Grunde bestand es nur aus einem Bettlaken, das an die Wand gepinnt wurde. Es war ebenfalls schwarz und mit Koran-versen in arabischer Kursivschrift beschrieben. Das Laken war in der Werkstatt eines Tonstudios in Fort Eustis präpariert worden. Es war eine Nachbildung des Hintergrunds, wie ihn der Prediger bei allen seinen Aufnahmen verwendete. Davor stellte man einen einfachen Holzstuhl mit Armlehnen.
Am anderen Ende des Raums baute man mit Stühlen, Tischen und Lampen zwei Arbeitsbereiche für »Garderobe« und »Maske«. Keiner der Beteiligten hatte die leiseste Ahnung, warum.
Der Kameramann stellte seinen Camcorder vor dem Stuhl auf. Einer seiner Kollegen setzte sich auf den Stuhl, damit Abstand, Bildschärfe und Klarheit eingestellt werden konnten. Der Tontechniker prüfte die Lautstärkelevel. Der Monitor des Teleprompters wurde dicht unter das Objektiv des Camcorders platziert, damit es aussah, als wäre der Blick des Sprechenden geradewegs in die Kamera gerichtet.
Mr. Suarez wurde hereingeführt und in die »Garderobe« gebracht, wo ihn eine Matrone im Rang eines Senior Sergeant, in Zivil wie alle anderen, mit dem Gewand und dem Kopftuch erwartete, das er tragen würde. Auch dieses Kostüm hatte der Spürhund aus dem enormen Fundus von TRADOC ausgesucht, und die Kostümbildnerin hatte nach Fotos des Predigers ein paar Änderungen vorgenommen.
»Ich brauche aber kein Arabisch zu sprechen, oder?«, protestierte Tony Suarez. »Niemand hat was von Arabisch gesagt.«
»Absolut nicht«, beruhigte ihn »Mr.« Mason, der jetzt anscheinend Regie führte. »Na ja, ein, zwei Wörter vielleicht, aber dabei kommt es nicht auf die Aussprache an. Hier, schauen Sie sich das an. Sie müssen es nur lippensynchron hinkriegen.« Er gab Suarez eine Karte mit ein paar arabischen Wörtern.
»Shit, Mann, das ist kompliziert.«
Ein älterer Mann, der stumm an der Wand gelehnt hatte, trat vor.
»Versuchen Sie mir nachzusprechen«, sagte er und artikulierte die fremden Wörter wie ein Araber. Suarez versuchte es. Es klang nicht genauso, aber seine Lippenbewegungen gingen in die richtige Richtung. Die Synchronisation würde den Rest besorgen. Tony Suarez begab sich in die Maske. Es dauerte eine Stunde.
Die erfahrene Maskenbildnerin verdunkelte seinen Teint und machte ihn schwärzlicher. Ein schwarzer Bart wurde angebracht. Das shemagh, ein einfaches arabisches Kopftuch, bedeckte die Haare, und schließlich kamen die Kontaktlinsen, die ihm faszinierend bernsteingelbe Augen verpassten. Als er aufstand und sich umdrehte, war der Spürhund sicher, den Prediger vor sich zu sehen.
Tony Suarez wurde zu dem Stuhl geführt und setzte sich. Camcorder, Lautstärkelevel, Fokus und Teleprompter wurden noch einmal justiert. Die Stunde in der Maske hatte der Schauspieler benutzt, um den Text zu studieren, den er vom Teleprompter ablesen würde. Den größten Teil kannte er inzwischen auswendig, und auch wenn sein Arabisch nicht klang wie bei einem Muttersprachler, stolperte er nicht mehr über die Wörter.
»Kamera ab«, sagte Captain Mason. Eines Tages, davon träumte er, würde er diese Worte zu Brad Pitt und George Clooney sagen.
Der Statist fing an zu sprechen.
Der Spürhund flüsterte Mason etwas ins Ohr.
»Mehr Ernst, Tony«, sagte Mason. »Das ist ein Geständnis. Sie sind der Großwesir, der dem Sultan gesteht, dass er alles falsch gemacht hat und es ihm leidtut. Okay, noch mal. Kamera ab.«
Nach acht Takes hatte Suarez seine Spitzenleistung erreicht und ließ nach. Der Spürhund ließ abbrechen.
»Okay, Leute, das Ding ist im Kasten.« Mason liebte diesen Ausdruck. Die Crew baute ab, was sie aufgebaut hatte. Tony Juarez trug wieder Jeans und T-Shirt, er war glatt rasiert und roch leicht nach Reinigungscreme. Kostüme und Maske wurden eingepackt und in den Truck zurückgebracht. Das Laken wurde abgenommen, zusammengerollt und weggebracht. Die Fenster wurden vom schwarzen Papier und Klebstreifen befreit.
Währenddessen ließ der Spürhund sich vom Kameramann die besten fünf Takes der Rede aussuchen. Er wählte die Aufnahme aus, die er haben wollte, und ließ alle übrigen löschen.
Die Stimme des Schauspielers war immer noch reinstes Kalifornisch. Aber der Spürhund kannte einen britischen TV-Comedian, der das Publikum mit seinen unglaublichen Imitationen von Prominentenstimmen in Lachkrämpfe versetzte. Man würde ihn für einen Tag einfliegen und gut bezahlen, und die Techniker würden für präzise Lippensynchronisation sorgen.
Sie übergaben dem Hotel den gemieteten Konferenzraum. Tony Suarez räumte mit großem Bedauern seine Suite, wurde nach Washington gefahren und nahm den Nachtflug zurück nach Los Angeles. Das Team aus Fort Eustis hatte einen viel kürzeren Heimweg und war bei Sonnenuntergang schon zu Hause.
Sie hatten einen unterhaltsamen Tag verbracht, aber sie hatten noch nie vom Prediger gehört und nicht die leiseste Ahnung, was sie getan hatten. Doch der Spürhund wusste es. Er wusste, wenn er das, was da auf der Kassette in seiner Hand war, vom Stapel ließ, würde unter den Streitkräften des Dschihadismus das reine Chaos ausbrechen.
Der Mann, der auf dem Flughafen von Mogadischu zusammen mit einer Handvoll Somalis aus der Turkish-Airlines-Maschine stieg, hatte einen Pass, der ihn als Dänen auswies, und weitere Papiere in fünf Sprachen – unter anderem in Somali –, die ihn als Mitarbeiter des Kinderhilfswerks »Save the Children Fund« identifizierten.
Sein richtiger Name war nicht Jensen, und in Wirklichkeit arbeitete er in der Spionageabteilung des Mossad. Er war am Tag zuvor vom Flughafen Ben Gurion nach Larnaka auf Zypern geflogen, hatte dort Namen und Nationalität gewechselt und war nach Istanbul weitergeflogen.
Das Warten in der Businessclass-Transitlounge auf den Weiterflug in Richtung Süden und nach Somalia war lang und ermüdend. Aber Turkish Airlines war immer noch die einzige staatliche Fluglinie, die Mogadischu anflog.
Es war acht Uhr morgens und schon heiß auf dem Vorfeld, als die fünfzig Passagiere ins Ankunftsterminal zockelten. Die Somalis aus der Economyclass drängten die drei Business-Passagiere zur Seite. Der Däne hatte es nicht eilig, wartete geduldig vor der Passkontrolle, bis er an der Reihe war.
Er hatte natürlich kein Visum. Visa wurden bei der Ankunft gekauft, das wusste er, denn er war schon hier gewesen. Der Offizier studierte die älteren Ein- und Ausreisestempel, und konsultierte dann eine Liste. Da stand niemand namens Jensen.
Der Däne schob einen Fünfzig-Dollar-Schein unter der Glasscheibe hindurch.
»Für das Visum«, sagte er leise auf Englisch. Der Offizier zog den Schein zu sich heran und bemerkte den zweiten Fünfziger zwischen den Seiten des Passes.
»Eine Kleinigkeit für Ihre Kinder«, sagte der Däne.
Der Offizier nickte. Ohne zu lächeln, gab er den Visumsstempel, warf einen Blick auf die Gelbfieber-Impfbescheinigung, klappte den Pass zu und reichte ihn mit einem Kopfnicken zurück. Für seine Kinder, natürlich. Ein ehrenwertes Geschenk. Schön, mal einen Europäer zu sehen, der die Regeln kannte.
Draußen standen zwei klapprige Taxis. Der Däne warf seine Reisetasche in das erste, stieg ein und sagte: »Peace Hotel, bitte.« Der Fahrer nahm Kurs auf die torgesicherte Ausfahrt des Flughafengeländes, die von ugandischen Soldaten bewacht wurde.
Der Flughafen liegt mitten im Stützpunkt der Afrikanischen Union, einer Zone innerhalb der Enklave von Mogadischu, umgeben von Stacheldraht, Sandsäcken, Splitterschutzmauern und patrouillierenden Casper-Schützenpanzern. Im Innern dieser Festung befindet sich eine weitere Festung: In Camp Bancroft wohnen die »Whiteys«, ein paar hundert Mitarbeiter von Baufirmen und Hilfsorganisationen, vorübergehend anwesende Journalisten und eine Handvoll ehemaliger Söldner, die als Bodyguards für die dickeren Fische arbeiten.
Die Amerikaner wohnten in einer eigenen Anlage am Ende der Startbahn. Dort standen ihre Botschaft, ein paar Hangars mit unbekanntem Inhalt und eine Schule für die Ausbildung junger Somalis, die eines Tages als amerikanische Agenten in das gefährliche Somalia zurückgeschleust werden sollten. Wer Somalia aus langer, ernüchternder Erfahrung kannte, wusste, dass dies nur ein schöner Traum war.
In diesem inneren Heiligtum, durch das sein Taxi jetzt fuhr, befanden sich auch die anderen Miniansiedlungen, in denen die Vereinten Nationen sowie hohe Offiziere der Afrikanischen Union untergebracht waren, und hier stand die kümmerliche britische Botschaft, die leidenschaftlich und wahrheitswidrig darauf bestand, keine gewöhnliche »Schlapphut-Zentrale« zu sein.
Der Däne Jensen wagte nicht, in Bancroft zu wohnen. Er könnte dort auf einen anderen Dänen oder einen echten Mitarbeiter von »Save the Children« stoßen. Lieber zog er in das einzige Hotel außerhalb der Barrikaden, wo ein Weißer halbwegs ungefährdet absteigen konnte.
Das Taxi rollte durch das letzte bewachte Tor – noch mehr rot-weiße Schlagbäume, noch mehr ugandische Soldaten – und hinaus auf die Straße, die eine Meile weit ins Zentrum von Mogadischu führte. Obwohl der Däne nicht zum ersten Mal hier war, sah er immer noch mit Staunen, wie diese einstmals elegante afrikanische Stadt durch zwanzig Jahre Bürgerkrieg in ein Meer von Schutt verwandelt worden war.
Das Taxi bog in eine Gasse. Ein bezahlter Straßenbengel zerrte einen Stacheldrahtverhau zur Seite, und ein drei Meter hohes Stahltor öffnete sich knarrend. Das alles ging ohne Worte vonstatten. Jemand hatte durch ein Guckloch gespäht.
Der Däne bezahlte das Taxi, checkte ein und wurde auf sein Zimmer gebracht. Es war klein und funktional, hatte Milchglasfenster (damit der Bewohner unerkannt blieb), und die Vorhänge waren geschlossen (zum Schutz vor der Hitze). Er zog sich aus, stellte sich für eine Weile unter die lauwarm tröpfelnde Dusche und seifte sich ein, so gut es ging. Dann trocknete er sich ab und zog frische Sachen an.
Mit Flipflops, groben Segeltuchjeans und einem langen, offenen Hemd war er fast so gekleidet wie ein einheimischer Somali. Er trug eine Schultertasche und eine dunkle Wraparound-Sonnenbrille. Seine Hände waren gebräunt von der israelischen Sonne, aber mit dem blassen Gesicht und den blonden Haaren sah er eindeutig europäisch aus.
Er wusste, wo man Motorroller mieten konnte, und das Peace Hotel rief ihm ein zweites Taxi, das ihn dorthin brachte. Im Wagen nahm er das schemagh aus der Schultertasche und schlang es sich um das blonde Haar. Das herabhängende Ende zog er sich über das Gesicht und stopfte es auf der anderen Seite unter den Stoff. Daran war nichts Verdächtiges; wer ein schemagh trägt, schützt Nase und Mund oft vor Staub und Wind.
Er mietete ein klappriges weißes Piaggio-Moped. Der Vermieter kannte ihn schon von früheren Besuchen: immer eine ordentliche Vorauszahlung in Dollar, das Fahrzeug stets heil zurückgebracht, keine Notwendigkeit für alberne Formalitäten wie etwa Führerscheine.
Der Däne fädelte sich in den Strom von Eselskarren, auseinanderbrechenden Lastwagen und Pick-ups und anderen Mopeds ein und wich einzelnen Kamelen und Fußgängern aus. Er sah wie ein x-beliebiger Somali aus, der seinen Geschäften nachging, als er die Maka-al-Mukarama hinunterknatterte, die Hauptstraße, die sich durch das Zentrum von Mogadischu schneidet.
Er kam an der strahlend weißen Isbahaysiga-Moschee vorbei, die in ihrer unbeschädigten Pracht beeindruckend wirkte, doch als sein Blick über die Straße ging, sah er etwas weniger Attraktives. Seit seinem letzten Besuch war das Flüchtlingslager Darawyscha weder verlegt noch verbessert worden. Es war immer noch ein Meer von elenden Hütten, in denen zehntausend hungrige und verängstigte Flüchtlinge hausten. Sie hatten keine Kanalisation und keine Lebensmittel, weder Arbeit noch Hoffnung, und ihre Kinder spielten in Pfützen von Urin. Sie waren wirklich die, dachte er, die Frantz Fanon als »die Verdammten der Erde« bezeichnet hatte, und Darawyscha war nur eine von achtzehn Elendsstädten innerhalb der Enklave. Die westlichen Hilfsorganisationen gaben sich alle Mühe, aber hier zu helfen war unmöglich.
Der Däne warf einen Blick auf seine billige Armbanduhr. Er war pünktlich. Die Treffen fanden immer um zwölf Uhr mittags statt. Der Mann, dessentwegen er gekommen war, würde einen Blick auf die übliche Stelle werfen. Wenn er nicht da wäre – was er in neunundneunzig von hundert Fällen nicht war –, würde der andere Mann seiner Wege gehen. Wenn er da wäre, würden sie Signale wechseln.
Das Moped trug ihn in das zerstörte italienische Viertel. Ein Weißer, der dort ohne große, bewaffnete Eskorte hinging, war ein Idiot. Das Risiko, ermordet zu werden, war dabei weniger groß als das einer Entführung. Ein Europäer oder Amerikaner konnte bis zu zwei Millionen Dollar wert sein. Doch mit den somalischen Flipflops, dem afrikanischen Hemd und einem schemagh um Kopf und Gesicht fühlte der israelische Agent sich einigermaßen sicher, wenn er die Sache kurz machte.
Der Fisch wurde jeden Morgen in der kleinen hufeisenförmigen Bucht vor dem Uruba-Hotel angelandet, wo die Brandung des Indischen Ozeans die Fischerboote aus der Dünung an den Strand trägt. Von dort schleppen die mageren, dunklen Männer, die die ganze Nacht gefischt haben, ihre Makrelen und Haie zum Marktschuppen hinauf und hoffen auf Käufer.
Der Markt liegt zweihundert Meter weit von der Bucht entfernt und ist ein dreißig Meter langer, unbeleuchteter Schuppen, in dem es nach Fisch stinkt, nach frischem und nach anderem. Der Agent des Dänen war hier der Marktleiter. Mr. Kamal Duale wurde dafür bezahlt, dass er jeden Mittag um zwölf aus seinem Büro kam und die Menge beaufsichtigte, die sich vor dem Markt sammelte.
Die meisten waren gekommen, um zu kaufen, aber nicht sofort. Wer Geld hatte, bekam den Fisch frisch. Ohne Kühlung, bei vierzig Grad Hitze, würde er ziemlich schnell zu riechen anfangen, und dann gab es ihn günstiger.
Wenn Mr. Duale überrascht war, seinen Agentenführer in der Menge zu erblicken, ließ er es sich nicht anmerken. Er starrte ihn nur an und nickte. Der Mann auf der Piaggio nickte zurück und hob die rechte Hand vor die Brust. Spreizte die Finger, schloss sie und spreizte sie erneut. Noch einmal nickten beide kurz, dann fuhr der Motorroller weg. Das Treffen war verabredet: morgen früh um zehn am gewohnten Ort.
Am nächsten Tag kam der Däne um acht zum Frühstück herunter. Er hatte Glück, es gab Eier. Er nahm zwei Spiegeleier mit Brot und Tee. Viel wollte er nicht essen; er war bemüht, die Toiletten zu vermeiden.
Sein Roller parkte an der Mauer des Hotelgeländes. Um halb zehn trat er den Kickstarter herunter, wartete darauf, dass das Stahltor sich öffnete, und fuhr zurück bis zum Tor vor dem Camp der Afrikanischen Union. Während er auf die Wachbaracke zufuhr, riss er sich das schemagh vom Kopf. Seine blonden Haare gaben ihn sofort zu erkennen.
Ein ugandischer Soldat trat aus der Kabine und nahm das Gewehr von der Schulter. Kurz vor der Schranke schwenkte der Rollerfahrer ab, hob die Hand und rief: »Jambo.«
Als der Ugander sein heimisches Suaheli hörte, ließ er das Gewehr sinken. Schon wieder ein verrückter mzungu. Er wollte nur noch nach Hause, aber der Sold hier war gut, und bald hätte er genug für ein paar Rinder und eine Frau. Der mzungu bog auf den Parkplatz vor dem Village Café, stieg ab und ging hinein.
Der Fischmarktleiter saß an einem Tisch und trank Kaffee. Der Däne ging an die Bar und bestellte sich auch welchen, und dabei dachte er an den starken, aromatischen Kaffee in der Cafeteria zu Hause im Büro in Tel Aviv.
Die Übergabe fand wie immer auf der Herrentoilette des Cafés statt. Der Däne holte Dollars hervor, die internationale Währung auch in feindlichen Ländern. Der Somali sah beifällig zu, als er die Scheine abzählte.
Einen Teil davon würde der Fischer bekommen, der die Nachricht am nächsten Morgen südwärts nach Kismaju brachte, aber der würde in buchstäblich wertlosen somalischen Shilling bezahlt werden. Duale würde die Dollars behalten und sie für den Tag sparen, an dem er genug hätte, um auszuwandern.
Und da war die Ware, ein kleines Aluminiumröhrchen, wie man es benutzte, um gute Zigarren zu schützen. Dieses hier war jedoch eine Spezialanfertigung, solider und schwerer. Duale schob es sich in den Hosenbund.
In seinem Büro hatte er einen kleinen, robusten Generator, ein geheimes Geschenk von den Israelis. Er wurde mit dem zweifelhaftesten Paraffin betrieben, aber er produzierte Elektrizität, und damit konnte er seine Klimaanlage und einen Kühl- und Gefrierschrank laufen lassen. Duale war der Einzige auf dem Fischmarkt, der immer frischen Fisch hatte.
Unter anderem hatte er einen knapp meterlangen Kingfish, den er am Morgen gekauft hatte und der jetzt steinhart gefroren war. Heute Abend würde sein Fischer ihn mit dem Röhrchen tief in den Eingeweiden mitnehmen und nach Süden segeln. Er würde den ganzen Weg fischen und zwei Tage später am Fischereidock in Kismaju anlegen.
Dort würde er den nicht mehr ganz so frischen Kingfish an einen Fischereikontrolleur auf dem Markt verkaufen und sagen, er sei von seinem Freund. Er wusste nicht, warum, und es war ihm auch gleichgültig. Er war nur ein armer Somali, der sich bemühte, vier Söhne großzuziehen, damit sie sein Boot übernehmen konnten, wenn sie alt genug waren.
Die beiden Männer kamen ins Café zurück, tranken jeder für sich ihren Kaffee aus und gingen, ebenfalls jeder für sich. Mr. Duale nahm das Röhrchen mit nach Hause und rammte es tief in den Bauch des gefrorenen Kingfish. Der blonde Mann wickelte sich das schemagh um Kopf und Gesicht und fuhr mit dem Roller zurück zur Vermietung. Er gab die Piaggio ab, ließ sich den größten Teil seiner Pfandzahlung erstatten und vom Vermieter zum Hotel fahren. Ein Taxi war jetzt nirgends zu finden, und der Vermieter wollte einen guten, wenn auch unregelmäßigen Kunden nicht verlieren.
Der Däne musste bis zum nächsten Morgen um acht Uhr warten. Erst dann ging sein Turkish-Airlines-Flug. Um die Zeit totzuschlagen, las er in seinem Zimmer einen Roman auf Englisch. Nach einem Teller Kamelragout ging er schließlich schlafen.
Im Morgengrauen legte der Fischer den in nasses Sackleinen gewickelten Kingfish in den Fischkasten seines Bootes. Vorher schnitt er den Schwanz auf, damit er ihn von den anderen unterscheiden könnte, die er unterwegs vielleicht fangen würde. Dann legte er ab, ging auf Südkurs und warf seine Leinen aus.
Am nächsten Morgen um neun, nach dem wie immer chaotischen Boarding, hob die türkische Verkehrsmaschine ab. Der Däne sah zu, wie Gebäude und Befestigungsanlagen von Camp Bancroft unter ihm versanken. Weit im Süden pflügte sich ein Fischerboot mit geblähtem Lateinsegel an Marka vorbei. Das Flugzeug kurvte nach Norden, legte in Dschibuti einen Tankstopp ein und landete am Nachmittag in Istanbul.
Der Däne von »Save the Children« blieb im Abflugbereich, erledigte in aller Eile die Transitformalitäten und erwischte die letzte Maschine nach Larnaka. Im Hotelzimmer wechselte er seinen Namen, seinen Pass und sein Ticket und nahm am nächsten Morgen den ersten Flug zurück nach Tel Aviv.
»Gab’s Probleme?«, fragte der Major, der als Benny bekannt war. Er war es, der den »Dänen« mit neuen Anweisungen für Opal nach Mogadischu geschickt hatte.
»Nein. Reine Routine.« Der Däne hieß jetzt wieder Mosche.
Das Office schickte eine verschlüsselte Mail an Simon Jordan, den Stationschef in Washington. Sie veranlasste ihn, sich mit dem als »Spürhund« bekannten Amerikaner zu verabreden. Er bevorzugte Hotelbars, aber nicht dieselbe zweimal nacheinander. Das zweite Treffen fand deshalb im Four Seasons in Georgetown statt.
Es war Hochsommer, und sie trafen sich unter den Markisen der Gartenbar. Noch andere Männer mittleren Alters in Hemdsärmeln tranken hier ihre Cocktails. Alle wirkten fülliger als die beiden, die ganz hinten saßen.
»Man hat mir gesagt, Ihr Freund im Süden sei jetzt vollständig im Bilde«, sagte Simon Jordan. »Deshalb muss ich Sie fragen: Was genau wollen Sie von ihm?«
Er hörte aufmerksam zu, als der Spürhund ihm erzählte, was er vorhatte. Nachdenklich rührte er in seinem Club Soda. Er hatte nicht die geringsten Zweifel, was das Schicksal anging, das der ehemalige U. S. Marine dem Prediger zugedacht hatte. Ein Urlaub in Kuba war es nicht.
»Wenn unser Mann Ihnen dabei behilflich sein kann«, sagte er schließlich, »und wenn in Betracht gezogen werden sollte, ihn zusammen mit dem Zielobjekt durch einen Raketenschlag zu eliminieren, werden wir auf absehbare Zeit nicht mehr bereit sein, mit Ihnen zu kooperieren.«
»Das war nie meine Absicht«, sagte der Spürhund.
»Ich wollte nur, dass das klar ist, Spürhund. Ist es klar?«
»Wie das Eis in Ihrem Glas. Kein Raketenangriff, wenn Opal nicht meilenweit entfernt ist.«
»Ausgezeichnet. Dann werde ich veranlassen, dass die entsprechenden Anweisungen erteilt werden.«
»Sie wollen wohin?«, fragte Gray Fox.
»Nur nach London. Die sind dort genauso erpicht darauf wie wir, dass der Prediger zum Schweigen gebracht wird. Sein Außenkontakt wohnt anscheinend da. Ich möchte näher am Zentrum des Geschehens sein. Möglicherweise, denke ich, bringen wir die Sache mit diesem Prediger demnächst zu Ende. Das habe ich Konrad Armitage gegenüber erwähnt. Er sagt, ich sei willkommen, und seine Leute würden tun, was sie können. Ist alles nur noch einen Telefonanruf weit entfernt.«
»Bleiben Sie in Verbindung, Spürhund. Ich muss den Admiral auf dem Laufenden halten.«
Auf dem Fischereidock in Kismaju stand ein dunkelhäutiger junger Mann mit einem Clipboard und musterte die Gesichter der Fischer, die vom Meer hereinkamen. Kismaju, das 2012 an die Regierungstruppen gefallen war, hatte al-Schabaab im Jahr zuvor nach blutigen Kämpfen zurückerobert, und die Fanatiker zeigten sich jetzt wild und wachsam. Die Religionspolizei war überall unterwegs und sorgte für absolute Frömmigkeit in der Bevölkerung. Die paranoide Angst vor Spionen aus dem Norden war wie eine Epidemie. Sogar die Fischer, die ihren Fang sonst ausgelassen lärmend an Land brachten, waren bedrückt und still.
Der dunkelhäutige junge Mann entdeckte ein Gesicht, das er kannte, aber seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Sein Stift schwebte über dem Clipboard, um die gefangene Menge zu notieren, die an Land gebracht wurde, und er ging auf den Mann zu.
»Allahu akbar!«, intonierte er. »Was hast du gebracht?«
»Stachelmakrelen und nur drei Stück Kingfish, inschallah«, antwortete der Fischer. Er deutete auf einen King, dessen Schuppen den silbrigen Glanz des fangfrischen Fisches verloren hatten und dessen Schwanz aufgeschlitzt war. »Von deinem Freund«, sagte er leise.
Opal signalisierte ihm, dass alle seine Fische zum Verkauf freigegeben seien. Sie wurden zu den Steintischen gebracht, während er den markierten in den Jutesack stopfte. Sogar in Kismaju war es erlaubt, dass ein Fischereikontrolleur einen Fisch zum Abendessen mit nach Hause nahm.
Als er allein in seiner Hütte am Strand vor der Stadt war, zog er das Aluminiumröhrchen aus dem Fisch und schraubte es auf. Es enthielt zwei Papierrollen. Die eine bestand aus Dollarscheinen, die andere enthielt seine Anweisungen. Letztere würde er auswendig lernen und verbrennen, und die Dollars würde er im Lehmboden seiner Hütte vergraben.
Es waren tausend Dollar in Hundert-Dollar-Scheinen, und die Anweisungen waren einfach.
»Für die Dollars sollst du einen verlässlichen Motorroller, ein Geländemotorrad oder -moped kaufen und Benzinkanister an den Sattel hängen. Du wirst fahren müssen.
Zweitens, kaufe ein gutes Radio, mit dem du Kol Israel empfangen kannst. Sonntags, montags, mittwochs und donnerstags gibt es auf Kanal acht eine Late-Night-Talkshow. Sie beginnt um dreiundzwanzig Uhr dreißig und heißt Yanshufim (die Nachteulen). Vorher kommt immer ein Wetterbericht.
An der Küstenstraße hinauf nach Marka ist ein neuer Treffpunkt für ein Meeting von Angesicht zu Angesicht markiert. Du findest ihn auf der beigefügten Karte. Man kann ihn nicht verfehlen.
Wenn du die verschlüsselte Anweisung hörst, warte bis zum nächsten Tag. Fahre in der Abenddämmerung los, und du wirst im Morgengrauen am Treffpunkt ankommen. Dein Kontakt wird dort sein, mit neuem Geld, Ausrüstung und weiteren Anweisungen.
Die Worte im Wetterbericht, auf die du warten sollst, lauten: ›Für morgen erwarten wir leichten Regen über Aschkelon.‹ Viel Glück, Opal.«