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Ein Geschenk für niemanden

Das war sein Sessel«, sagte sie. »Und da steht noch die Flasche, aus der er getrunken hat, und sein Glas. Und da, in der Fernsehzeitung hat er sich Sendungen angestrichen, die er interessant fand. Aber angeschaut hat er sie sich selten. Seit wir unser Geschäft schließen mußten, ist es still geworden hier in der Wohnung. Bitte setzen Sie sich. Möchten Sie wirklich nichts trinken? Sie auch nicht, Herr … Jetzt weiß ich Ihren Namen nicht mehr.«

»Schell.«

»Schell, wie der Schauspieler. Sind Sie womöglich verwandt?«

»Nein. Warum mußten Sie Ihr Geschäft schließen, Frau Mora?«

»Warum? Warum? Das kann man nicht sagen. Mein Mann hat sich diese Frage hundertmal am Tag gestellt. Und ich auch. Er gab vor allem sich die Schuld.«

»Warum gab er sich die Schuld?« fragte Polonius Fischer, der seine langen Beine umständlich unter dem Couchtisch ausstreckte. Auf einem unlinierten Block notierte er sich Stichpunkte.

Karin Mora trug eine lange, gehrockartige schwarze Strickjacke und einen schwarzen Rock und knetete zwei Papiertaschentücher in ihren Händen. Sie stand im Wohnzimmer wie in einer ungewohnten, unbewohnten Umgebung, ratlos sah sie sich um. Ihr Blick schien nach etwas Vertrautem zu suchen, nach einem Anhaltspunkt.

Karin Mora war dreiundfünfzig Jahre alt und ihr Gesicht so grau wie ihre lockigen Haare, in den Pausen zwischen ihren Sätzen biß sie sich auf die Lippen und atmete schwer.

»Er redete sich ein«, sagte sie, »seine Kunden wären als erste weggeblieben. Die Leute, die Fotoapparate kauften oder Bilder zum Entwickeln brachten. Das war sein Bereich, oben, im ersten Stock. Ich hatte meine Parfümerie unten, mein Sortiment war vielfältig, es kamen sogar Prominente zu mir, nicht jemand wie Maximilian Schell, das nicht, aber Prominente aus der Stadt, und zwar über Jahre sind sie gekommen und waren immer zufrieden. Dann nicht mehr.«

Sie tupfte sich die Nase und schluckte mehrmals hintereinander.

»Bitte setzen Sie sich zu uns«, sagte Fischer.

Sie schüttelte den Kopf. »Gleich. Dann kamen sie nicht mehr. Mein Mann kannte sich auch gut aus mit Videokameras und mit den neuen digitalen Apparaten, den kleinen, von denen Sie die Bilder auf Ihren Computer laden können. Er hat sich immer weitergebildet, abends, sonntags. Sogar einen Quickservice hatten wir, fertige Bilder in zwei Stunden, wir schickten einen Boten ins Labor, und der brachte sie auch wieder zurück. Ein Spitzenkundenservice. Und ich hab Seminare besucht, Ayurveda, spezielle Hautpflegetechniken, Aromatherapien, alles mögliche. Wir haben uns nie ausgeruht. Sechs Tage die Woche haben wir geöffnet gehabt, das war unvermeidlich, die Leute wollten das so. Auch wenn samstags ab zwölf kaum noch jemand gekommen ist. Die Leute fahren dann lieber in die Innenstadt, wir sind hier in der Peripherie, in Berg am Laim. Da gibt’s viele, die denken, in der Stadt kriegen sie eine bessere Qualität von allem, Kosmetika, Fotoapparate, Bilderrahmen. Und billiger. So denken die Leute. Kann schon sein, daß sie in einem Kaufhaus fünfzig Cent sparen, oder auch mal zwei Euro. Aber dafür müssen sie fürs Parkhaus bezahlen, oder den Strafzettel, und sie müssen essen gehen, und sie müssen die U-Bahn bezahlen, oder das Benzin fürs Auto. So rechnen die Leute aber nicht. Mein Mann schon. Ich auch. Wir schon. Sechsundzwanzig Jahre haben wir unser Geschäft geführt. Und dann sind die Kunden nicht mehr gekommen. Als hätten sie sich verabredet gehabt und beschlossen, wir gehen jetzt woanders hin. Nach Haidhausen. Nach Bogenhausen. In die Innenstadt. Man kann nicht sagen, daß sie von einem Tag auf den andern wegblieben, aber heut würde ich behaupten, die Schmach ist innerhalb von ein paar Monaten über uns gekommen und nicht mehr verschwunden. Vier Monate, fünf Monate, länger dauerte das nicht, und wir waren erledigt. Mein Mann oben in seiner Abteilung und ich unten bei mir. Und wir haben morgens aufgesperrt und Löcher in die Luft gestarrt. Und mein Mann hat kein Wort gesagt, und ich hab kein Wort gesagt. Und wenn ein Kunde gekommen ist, haben wir ihn bedient, als wär nichts, und dann haben wir wieder geschwiegen, jeder in seiner Abteilung. Früher hatten wir zwei Angestellte. Schon lang nicht mehr.«

Sie drehte den Kopf zum Fernseher, kniff die Augen zusammen und machte einen wackligen Schritt auf die Couch zu. Als Fischer sie ansprach, wirkte sie eine Weile vollkommen abwesend.

»Für Sie ist das Ende Ihres Geschäftslebens eine Schmach. Hat Ihr Mann das auch so empfunden, Frau Mora?«

Mit einer Faust stützte sie sich auf der Couchlehne ab, beugte sich zur Seite und ließ sich wie jemand, der nach einem strapaziösen Weg ausgelaugt sein Ziel erreicht hat, aufs Polster fallen. Sie wankte mit dem Oberkörper vor und zurück, atmete mit offenem Mund und legte die beiden Papierknäuel neben sich. Eine Zeitlang sah sie die Kommissare stumm an.

»Ich hab Ihnen gar nichts angeboten.«

»Doch«, sagte Fischer. »Wir wollten nichts trinken. Sie haben heute nacht meiner Kollegin erklärt, Sie würden die Frau, bei der Ihr Mann gestorben ist, nicht kennen. Trotzdem wissen Sie, wo sich der Club befindet. Hat Ihr Mann Ihnen davon erzählt?«

Ihr Mund zuckte, wie kurz vor einem Lächeln. »Ich bin ihm nachgegangen. Nur ein Mal. Ein einziges Mal. Er hat nichts gemerkt, er war wohl sehr in Gedanken an das, was er vorhat. Ich will das nicht wissen. Ihre Kollegin, ihren Namen weiß ich nicht mehr …«

»Frau Barbarov«, sagte Fischer.

»Sie hat mir Einzelheiten genannt, und ich hab sie aufgefordert, still zu sein. Was mein Mann da getrieben hat, geht nur ihn was an. Er dachte, ich weiß nichts. Und ich weiß ja auch nichts. Ich weiß nur, daß diese Frau ihm das Leben genommen hat. Wie, das will ich nicht wissen, er ist tot, und ich bin allein. Und wenn ich an die Berichte in den Zeitungen denke, wird mir schlecht. Dann sind unsere sechsundzwanzig Jahre Geschäftsleben bloß noch einen Dreck wert. Stellen Sie sich vor, das wäre früher passiert. Die Leute hätten uns die Zunge rausgestreckt. Da steht mein Mann in seinem weißen Kittel hinter der Theke und verkauft Filme und redet mit seiner sanften Stimme über Brennweiten und so, und am nächsten Tag lesen die Leute in der Zeitung, wo er sich nach der Arbeit herumgetrieben hat. Wenn das passiert wär, dann hätt ich mich umgebracht, das wär schlimmer als die Schmach gewesen, mit der wir am einunddreißigsten Dezember für immer zugeschlossen haben. Den Schmutz, der dann über uns ausgegossen worden wär, hätt ich nicht ertragen, da wär ich vorher in die Isar gegangen. Jetzt können die Leute reden, was sie wollen, sie müssen mir nicht mehr ins Gesicht sehen, wenn sie sich ekeln. Nein, Herr Fischer, für meinen Mann war die Pleite keine Schmach, er tröstete sich damit, daß andere Geschäftsleute in der Stadt das gleiche Schicksal erleiden, die Konkurrenz wird immer härter, und billiger. Die Kunden werden launischer und geiziger. Die Materialien werden teurer, die Nebenkosten steigen, wir können nicht so viele Rabatte geben wie andere, größere Läden. Für mich ist das kein Trost. Wir leben seit mehr als dreißig Jahren in diesem Viertel, in der Josephsburgstraße, ich bin hier zu Hause, ich kenne jeden Nachbarn, wenn ich einkaufen gehe, werde ich gegrüßt, und wenn ich nach der Arbeit bei Luis mal einen Wein trinke, gehts mir gut. Sie finden das bestimmt banal oder sentimental, aber ich rede hier von meinem Leben, mehr hab ich nicht. Und jetzt hab ich noch weniger.«

Mit einem Ruck neigte sie sich zum Tisch hin, griff nach der Flasche, warf den Kommissaren einen Blick zu, nickte entschlossen und goß einen Schluck Calvados in das von ihrem Mann benutzte Glas. Sie legte den Korken neben die Flasche und hob das Glas. »Prost. Ich bin jetzt Witwe, ich darf um diese Uhrzeit Schnaps trinken.« Sie trank, unterdrückte ein Husten, nickte wieder und stellte das Glas hin. »Wird die Frau ins Gefängnis kommen?«

»Nach unseren bisherigen Ermittlungen war es ein Unfall«, sagte Fischer. Er beobachtete das nervöse Flattern der Finger von Karin Mora und begann, sich auf Verse zu konzentrieren, die er aus der maßlosen Stille seiner Vergangenheit holte.

»Aber unsere Spurensuche ist noch nicht abgeschlossen. Haben Sie noch einmal über das nachgedacht, worum meine Kollegin, Frau Barbarov, Sie gebeten hat?«

Sie rieb die Lippen aufeinander. »Ja«, sagte sie, ohne Fischer anzusehen, nur das Glas, an dessen Rand sie den blassen Abdruck ihres Lippenstifts entdeckte. »Die halbe Nacht habe ich überlegt, aber mir ist nichts eingefallen, mein Mann hat keine Andeutungen gemacht, nichts. Wie immer. Nur, daß er noch bei Luis was trinken wollte. Warum ist das so wichtig? Glauben Sie, es war kein Unfall, sondern … sondern was anderes? Was denn? Was hätte er denn sagen sollen, vorher? Er hat nie was gesagt, wenn er dorthin gegangen ist. Und nachher auch nicht. Das ist doch Ihr Job, rauszukriegen, warum die Frau ihn … Warum die nicht aufgepaßt hat …«

Sie streckte den Arm nach der Flasche aus, senkte ihn und rieb mit beiden Zeigefingern an den Daumen. »Nein. Ich bin weggegangen, und er ist weggegangen, und wir haben kaum ein Wort gewechselt. Ich hab ihm noch gesagt, er soll aufpassen, daß er sich nicht erkältet. Sinnlos, wissen Sie. Er ist nie erkältet gewesen. Wir beide nicht. Pumperlgesund. Schauen Sie, wie meine Hand zittert. Ob ich noch ein Glas trinken soll? Gut, daß die Psychologin nicht mehr hier ist, die hätt es mir bestimmt verboten.«

Als sie gegen halb eins in der Nacht vom Klassentreffen zurückgekommen war, hatten Karin Mora vor dem Haus ein Streifenpolizist und eine Frau angesprochen, eine Mitarbeiterin des Kriseninterventionsteams der Polizei, die dann bis zum frühen Morgen bei ihr blieb. Allerdings redete Karin Mora weniger mit ihr als mit Hauptkommissarin Esther Barbarov, wobei sie keine Einzelheiten über den Tathergang erfahren, sondern offensichtlich nur plaudern und belanglose Anekdoten vom vergangenen Abend weitererzählen wollte. Die Psychologin berichtete hinterher, sie habe selten eine Witwe erlebt, die nach dem gewaltsamen Tod des Ehemanns anfangs zwar phasenweise von Trauer überwältigt schien, alles in allem jedoch kontrolliert und auf eine gewisse Weise sogar zwanghaft gleichgültig reagiert habe wie Karin Mora.

»Stimmt das?« sagte Micha Schell, der seit einer Weile an seine kleine Tochter denken mußte, die allein zu Hause war, weil er eigentlich dienstfrei und nicht mit einem Einsatz gerechnet hatte. »Sie haben jemandem beim Klassentreffen ein Geschenk mitgebracht?«

Überrascht blickte sie auf. »Wer sagt denn das? Woher wissen Sie das?«

»Ihr Mann hat im Club darüber gesprochen«, sagte Schell. Nicht nur er, auch Polonius Fischer wunderte sich über die heftige Reaktion. Schweigend warteten sie ab.

Karin Mora ließ den Blick nicht vom beschmutzten Glas, zwei Minuten lang. Dann sah sie zur Tür, in einem Anflug trauriger Erschöpfung. »Ach«, sagte sie leise. »Ach ja.« Sie stemmte sich in die Höhe, holte Luft und ging in den Flur hinaus.

Die beiden Männer sahen ihr hinterher, hörten das Rascheln einer Plastiktüte. Mit einem rechteckigen, in gelbes Papier eingeschlagenen Päckchen kam Karin Mora zurück. Sie setzte sich auf die Couch, strich mit zuckenden Mundwinkeln über das Geschenk und hielt es Fischer hin.

»Auspacken«, sagte sie.

Fischer legte seinen Block und den Kugelschreiber auf den Tisch und zog die Klebestreifen vom Papier. Karin Mora ließ ihn nicht aus den Augen.

Ein grauer Plastikbehälter kam zum Vorschein, mit einem Klappverschluß an der Seite. Fischer schüttelte und wog ihn in den Händen. »Darin bewahrt man Wurst oder Käse im Kühlschrank auf«, sagte er. »Wem schenkt man so etwas?«

»Niemandem«, sagte Karin Mora, nahm ihm den Behälter aus der Hand, öffnete ihn und holte eine belegte Semmel heraus. »Mein Proviant fürs Klassentreffen. Zwei Semmeln, eine mit Käse, eine mit gekochtem Schinken. Wenn Cornelius mitgekriegt hätt, was ich da mach, wär er böse geworden. Aber ich wollte kein Geld für Essen ausgeben, wir müssen sparen jetzt, und da hab ich überlegt, ich pack die Schale wie ein Geschenk ein, und wenn er mich fragt, für wen das ist, sag ich den Namen einer Freundin. Im Gasthaus sind wir dann aber alle vom Wirt eingeladen worden, der ist nämlich der Mann einer meiner früheren Klassenkameradinnen, das wußte ich nicht. Die beiden haben uns alle eingeladen, und wir waren zu zwanzigst. Das war sehr nett. Also hab ich die Schale wieder mitgebracht. Die Semmeln sind ganz lätschert geworden, ich eß sie heut abend, falls ich einen Hunger habe. Guter Trick, oder nicht?« Sie legte die Semmel zu der anderen, klappte den Verschluß zu und stellte den Behälter behutsam neben das Schnapsglas.

Nach einem langen Schweigen sagte Fischer: »Hat Ihr Mann Sie nicht gefragt, für wen Sie das Geschenk mitnehmen?«

»Doch. Ich hab ihm einfach keine Antwort gegeben. Mir ist nämlich nicht gleich ein Name eingefallen.« Sie senkte den Kopf und schüttelte mit einem Seufzer den Kopf.

»Halt den Zug auf«, sagte Fischer. »Haben Sie den Ausspruch schon mal gehört?«

»Bitte? Nein. Möglicherweise in einem Bahnhof, da sagt man so was schon mal. Warum?«

»Sind Sie und Ihr Mann in letzter Zeit verreist?«

»Dafür haben wir kein Geld. Außerdem …« Sie tippte auf den Rand des Glases. »Den Zug kann man nicht aufhalten. Der fährt weiter und kümmert sich nicht um die Zurückbleibenden. Der läßt sich nicht beirren, der Zug.«

Fischer wartete, bis sie bemerkte, daß er sie ansah. »Wenn Sie nichts dagegen haben, möchte ich gern einen kurzen Psalm zitieren«, sagte er.

Unbewußt faltete sie die Hände im Schoß.

»Der Herr ist mein Hirte«, begann Fischer.

Zwar hatte Micha Schell schon davon gehört, daß der ehemalige Benediktinermönch Polonius Fischer, der seit vierzehn Jahren im Kommissariat III arbeitete, bei Vernehmungen gelegentlich die Bibel zu Hilfe nahm, aber er war noch nie dabeigewesen. Und nie hätte er gedacht, Fischer würde die Stellen auswendig aufsagen.

Nun fühlte Schell sich unbehaglich, auch ein wenig eingeschüchtert. Er wußte nicht, wohin mit seinen Händen, und klemmte sie schließlich unter die Oberschenkel.

Fischers Stimme klang so bestimmt wie immer.

»Nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen, er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir, ein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl, du füllst mir reichlich den Becher. Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.«

Karin Mora strich über ihren Rock und sah zur Tür. »Ja. Aber heut nacht hatte der Herr wohl Ausgang. Er hat nicht aufgepaßt auf meinen Mann. Und ich auch nicht. Güte und Huld. Kann man immer brauchen. Ich koch uns jetzt einen Kaffee, und dann möcht ich, daß Sie mir was über diese Frau erzählen. Damit ich versteh, warum mein Mann unser Geld bei der gelassen hat. Ich will soviel wie möglich von der Frau erfahren. Ich will wissen, warum mein Mann sich vor der Frau nackt ausgezogen hat. Ich will das verstehen. Ich will das verstehen.«

 

Angeklagt wegen Körperverletzung mit Todesfolge, verteidigte die sechsundvierzigjährige Clarissa Weberknecht, Geschäftsführerin des Club Dinah im Stadtteil Berg am Laim, im Prozeß vor dem Schwurgericht München I ihre Unschuld am Tod des Ladeninhabers Cornelius Mora. Wiederholt wies sie darauf hin, daß der Mann fahrlässig die bei solchen »Behandlungen« üblichen Sicherheitsregeln verletzt und sich auf diese Weise selbst in Lebensgefahr gebracht habe.

Nach vier Verhandlungstagen vor vollbesetzten Zuschauerbänken, auf denen auch zwei unscheinbare Frauen in grauen Mänteln und mit dicken Brillengläsern saßen, verurteilte der Vorsitzende Richter Lutz Zimmermann die Barbesitzerin zu zwei Jahren Gefängnis. Da Clarissa Weberknecht keine Vorstrafen aufzuweisen habe und trotz ihrer jahrelangen Tätigkeit im Milieu nie auffällig geworden sei, werde das Urteil zur Bewährung ausgesetzt, erklärte Zimmermann. Eine formelle Entschuldigung bei der Witwe lehnte Clarissa mit der Begründung ab, sie habe sich nichts vorzuwerfen.

In der Nacht nach der Urteilsverkündung, an einem Freitag im November, herrschte im Club Dinah Hochbetrieb. Wegen Überfüllung mußte Mika dreißig Gäste wegschicken, unter ihnen einen Mann, der seit mehreren Monaten die Ermordung von Clarissas Lebensgefährten Hans Fehring plante.