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Jaina und Kyp fanden Jag genau dort, wo Jaina ihn in ihrer Vision gesehen hatte − in einem kleinen Raum, der tief in einem labyrinthischen Irrgarten versteckt war.

Kyp spürte die helle Aufregung, die sich bei Jaina mit der plötzlichen Erkenntnis eingestellt hatte. Ohne sich selbst dessen bewusst zu werden, erwartete sie von Jag, eine ähnliche Erleuchtung erlebt zu haben.

Dieser Traum wurde in dem Moment zerstört, in dem Jag Fei zu seinen Rettern aufschaute. Er betrachtete Jaina, und seine Miene verschloss sich und drückte Desinteresse aus. Kyp spürte den Schmerz bei der jungen Frau, und auch ihre Überzeugung, dass Jag Fei vielleicht ihren Mut und ihre Begabung bewunderte, sie jedoch trotzdem als undisziplinierte Rebellin betrachtete.

Die »Jedi-Prinzessin« verdrängte den Schock und griff in die Tasche nach einem Mehrzweckwerkzeug. Mit einigen geschickten Handgriffen öffnete sie die komplizierten Schlösser − eine Fähigkeit, die sie ohne Zweifel von ihrem »gaunerhaften« Vater gelernt hatte.

Auf dem Gang waren Schritte zu hören. Kyp und Jaina sahen sich an, dann blickten sie zur Decke. Dort befand sich ein Wirrwarr von Rohren, ungefähr fünf Meter über ihnen. Die beiden Jedi sprangen in die Höhe, hielten sich fest und warteten. Jag war so aufmerksam, die Tür wieder zu verschließen.

Seine Wachen brauchten ein paar Augenblicke, um die Tür zu öffnen. Als sie murmelnd eintraten, ließen sich die Jedi von der Decke fallen.

Jaina stieg über eine der am Boden liegenden Wachen in den Gang. »Wie sind Sie denn hierher geraten?«, wollte sie von Jag wissen.

Jag warf ihr einen Blick zu. »Nach dem Gefecht nahm mich Shawnkyr zur Seite und warnte mich. Wenn ich Sie als Kommandantin respektieren würde, würde ich meine Piloten in den Dienst der zukünftigen Königin von Hapes stellen. Und dass ich bei einem bevorstehenden Staatsstreich keine neutrale Position mehr innehätte.«

Jaina wirkte entsetzt. »Ihre Chiss-Freundin muss irgendein Gespräch zwischen den Leuten von Ta’a Chume belauscht haben.«

»Stimmt. Glückwunsch, Leutnant. Oder wäre ›Majestät‹ angemessener?«

»Momentan lässt sie sich lieber ›die Listenreiche‹ nennen«, warf Kyp ein. »Was ist schon der Titel einer Königin für eine Yuuzhan-Vong Göttin?«

Jaina sah Kyp böse an. »Hey, die Sache mit der Königin ist lächerlich. Meine Idee war das nicht.«

»Die Anhänger der Königin hatten den Eindruck, Sie seien eine neue Ta’a Chume, eine ehrgeizige Frau, die diese Gelegenheit mit Freuden am Schopf packen würde. Sie sprachen auch darüber, einige Hindernisse beseitigen zu müssen, eine Aufgabe, für die sie angeheuert worden waren.«

Jaina blieb stehen und fasste Jag am Arm. »Hat das irgendetwas mit der Prügelei zu tun, in die mein Vater geraten ist?«

»Davon bin ich auch zunächst ausgegangen. Ich machte die Leute ausfindig, die Ihren Vater überfallen haben – Gesandte, die Verhandlungen über eine Heirat zwischen Ihnen und Prinz Isolder führen sollten. Ich bin sicher, Han sollte eigentlich nur gebändigt werden.«

»Das alles weiß ich«, unterbrach Jaina ihn, »aber ich verstehe nicht, wieso man Sie eingesperrt hat.«

Er presste grimmig die Lippen aufeinander. »Man hat mich aufgehalten, als ich Tenel Ka suchte, um sie zu warnen. Sie sind schließlich volljährig und brauchen die Erlaubnis Ihrer Eltern nicht. Wenn Sie Isolder heiraten wollen, kann Sie niemand daran hindern. Welches logische Hindernis gibt es also außer der Königin Teneniel Djo?«

 

Harrar beobachtete Khalee Lah, der im Kommandozentrum des Priesterschiffes hin und her ging. »Unsere Befürchtungen werden Wirklichkeit: Die Krieger unter diesem Kommando beginnen, Fragen zu stellen und Zweifel zu äußern. Es gibt heimtückischere Gefahren als die Niederlage in der Schlacht.«

»Manche bezweifeln sogar Ihre Eignung zum Befehligen«, meinte eine der Wachen. »Yun-Harla verspottet uns durch ihre neue Auserwählte …«

Der Krieger fuhr zu dem Herausforderer herum, und sein Gesicht war von Zorn verzerrt. »Herausforderung angenommen«, knirschte er.

Der Priester wollte einschreiten, entschied sich jedoch dagegen. Khalee Lah musste seinen Gefühlen Luft machen. Es war besser, einen Krieger in den Kampf zu schicken als einen Eiferer.

»Sie und Sie.« Khalee Lah zeigte auf zwei der größten Krieger. »Die Herausforderung wird drei gegen einen ausgetragen. Wir werden sehen, wer in der Gunst der Götter steht!«

Nur wenige Augenblicke später stand Khalee Lah vor den Leichen seiner Herausforderer. Er blickte auf, als er die Schritte der Leibwächterin des Priesters hörte.

Die Frau trat ein und ignorierte die Leichen der Krieger pflichtgemäß. »Wir haben einige Trümmer von den zerstörten Schiffen bergen können, Eminenz. Ich dachte, Sie würden dies gern sehen.«

Harrar nahm eines der kleinen Metallgeräte mit einer Miene äußersten Ekels entgegen. »Das ist das Zeichen von Yun Harla! Was für eine Blasphemie soll das sein?«

»Es wurde an einem Rumpffragment entdeckt − bei einem der Schiffe, die wir in der Schlacht gegen die Trickster geopfert haben.«

»Bei einem der Schiffe, die wir unglücklicherweise selbst zerstört haben«, berichtigte Khalee Lah gereizt, »und vielleicht wird uns diese Abscheulichkeit verraten, aus welchem Grund.«

Er nahm dem Priester das Gerät aus der Hand und drehte es, als wollte er das Metall zerbrechen. Plötzlich flog er aufwärts und krachte wie von unsichtbaren Händen nach oben geschleudert gegen die Decke.

»Brillant«, murmelte Harrar. »Das Gerät überwindet die Schwerkraft, so wie unsere Dovin Basale. Wenn es an einem Schiff angebracht wird, kann es die Schwerkraftstimme des Schiffes übertönen. Jedes Schiff, das so markiert wurde, erscheint unseren Sensoren als ein anderes Schiff, sogar die gestohlene Fregatte. Da Sie viel leichter sind als ein Schiff, war die Wirkung bei Ihnen wesentlich drastischer.«

Dem Krieger gelang es, das Gerät abzuschalten. Er fiel zu Boden, überschlug sich zweimal und kam auf die Beine. Rasch hatte er die Fassung zurückerlangt und zeigte das Gerät den überlebenden Wachen.

»Sehen Sie sich dies an, dann verstehen Sie Ihre Gotteslästerung. Gehen Sie zu den anderen und sagen Sie ihnen, dass diese Jeedai nur eine Ungläubige ist, die genauso sterben wird wie alle anderen. Gehen Sie!«

Die Wachen verließen den Raum, und Khalee Lah warf das Gerät zu Boden. »In meinem Zorn habe ich eine blasphemische Abscheulichkeit berührt. Ich bin unrein, und auch dieses Verbrechen werde ich dieser Frau zur Last legen!«

Er drehte sich zu Harrar um. »Alarmieren Sie den Kriegsmeister, Eminenz, und bitten Sie ihn, alle Schiffe in diesem Sektor zusammenzuziehen. Wir werden diese Jeedai finden, und wenn wir alle Welten von Hapes in Asche verwandeln müssen!«

 

»Teneniel Djo«, wiederholte Jaina und starrte in Jag Feis grimmiges Gesicht. Obwohl diese Schlussfolgerung sie niederschmetterte, konnte sie sich ihr nicht verweigern.

Sie liefen durch die Gänge zu den königlichen Gemächern. Wachen wollten sie aufhalten; Macht-Blitze trafen sie und warfen sie zur Seite.

Im Raum der Königin fanden sie Tenel Ka, die am Fenster saß. Sie hielt die Hand ihrer Mutter in ihren eigenen. Jaina wusste mit einem Blick, dass sie zu spät gekommen waren.

»Gift«, murmelte Tenel Ka. »Sie haben ihr nicht einmal die Würde erwiesen, sie durch eine Klinge sterben zu lassen.«

Jaina legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter.

»Wir werden denjenigen finden, der es getan hat.«

Die Jedi sah Jaina mit brennenden Augen ins Gesicht.

»Ich werde das Leben meiner Mutter nicht durch Rache entehren.«

Sie trat einen Schritt zurück. »Glaubst du, darum geht es? Glaubst du, ich würde Anakin entehren? Oder Jacen?«

Ein Alarm schrillte und verkündete eine bevorstehende Invasion. Tenel Ka ließ die Hand ihrer Mutter los und erhob sich. Sie streckte die Hand aus und spreizte die Finger, um den großen Smaragdring zu zeigen. Dann ballte sie die Hand abrupt zur Faust, und ein Hologramm erschien zwischen den Anwesenden.

Ein Wirbel aus Dunkelheit und Dunst erfüllte die Luft.

Der Dunst teilte sich und enthüllte fünf riesige Sternenschiffe, dazu kleinere Schiffe, die von ihnen abgesetzt wurden.

»Hapes’ Flotte, das Erbe meiner Mutter«, sagte Tenel Ka. »Colonel Jag Fei, ich stelle diese Schiffe unter Ihr Kommando.«