10
Das gestohlene Yuuzhan-Vong-Schiff schwankte bei voller Geschwindigkeit durch den Raum und folgte dem kaum wahrnehmbaren Signal der Rettungskapsel. Zekk saß am Steuer. Tahiri trug die Navigationshaube und dirigierte ihn anhand der Informationen, die sie vom Navihirn erhielt. An den Knöcheln der kleinen Hände, die das Steuer hielten, zeigte sich das Weiße, doch Tahiris Stimme klang sicher und fest.
Jaina und Lowbacca hockten ein Stück entfernt von den anderen zusammen. »Du und Tahiri habt die Sache großartig gemacht, aber ich hätte da noch ein Problemchen für dich«, sagte Jaina. »Danni Quee hat endlich eine Möglichkeit entdeckt, die Kommunikation des Yammosk zu stören. Das ist die einzige Erklärung für das Chaos bei den Yuuzhan Vong über Coruscant. Hast du eine Ahnung, wie sie das zustande gebracht hat?« Der Wookiee setzte zu einer weitschweifigen Erklärung an, die für Jainas Kopf zu ausführlich war. Sie hob die Hand und stoppte die Flut von Informationen. »Woher weißt du das alles?« Lowbacca zögerte und heulte dann eine Antwort. Er war rekrutiert worden, um in dem Forschungsteam von Danni Quee und Cilghal zu arbeiten. Das ergab für Jaina Sinn. Die Machtsensitive Wissenschaftlerin und die Heilerin von Mon Calamari waren beim Verständnis der Yuuzhan-Vong-Technologie am weitesten fortgeschritten. Ehe Lowbacca zur Jedi-Akademie gekommen war, hatte er zwei Leidenschaften gehabt: Computerwissenschaft und das Studium des komplexen Pflanzenlebens auf Kashyyyk. Letzteres hatte ihn dazu gebracht, sich allein in die gefährlichen unteren Ebenen der Wälder auf seiner Heimatwelt zu wagen. Das gehörte auch zu seinem Initiationsritus, mit dem er in die Erwachsenenwelt aufgenommen worden war, in dessen Zug er der tödlichen Syren-Pflanze gegenübertreten sollte. Aufgrund seines Wissens über Computer und Biologie − nicht zuletzt auch wegen seiner Vorliebe, das Unmögliche zu versuchen − war er hervorragend für diese Studien geeignet.
Lowbacca stieß ein scharfes Knurren aus.
»Dann hast du die gefangenen Schiffe auseinander genommen? Kein Wunder, dass du wusstest, wie man mit dem Schiff umgeht«, murmelte Jaina und erinnerte sich an einen Scherz, den er mit einem kleinen Nervenzentrum getrieben hatte. »Demnach weißt du, wie Danni Quee den Yammosk gestört hat?«
Der Wookiee schüttelte den Kopf und gab ein trauriges Stöhnen von sich. Er war nicht dabei gewesen, als Danni Quee den Durchbruch geschafft hatte.
»Angesichts deines Hintergrundwissens könntest du aber ebenfalls zu einem Ergebnis kommen?«
Lowbacca dachte nach und knurrte dann bestätigend. »Und könntest du auch einen Schritt weiter gelangen?«
Der Wookiee lauschte mit wachsender Faszination, während Jaina ihm ihren Plan beschrieb. Seine wuscheligen Schultern schüttelten sich vor Lachen, als er sich zu dem Dovin Basal aufmachte.
Jaina beobachtete ihn verwirrt. Lowbacca kehrte kurz darauf mit federnden Schritten zurück und hielt einen bekannten Gegenstand in den Pfoten. Er reichte Jaina eine kleine Kugel und brummte dazu eine lange Anweisung. Langsam machte sich ein verschlagenes Grinsen auf ihrem Gesicht breit, als sie nach und nach begriff, was er gefunden hatte. Sie streckte die Hand nach oben und zerzauste liebevoll das Fell auf seinem Kopf, ehe sie sich wieder nach vorn aufmachte. »Ist das das, wofür ich es halte?«, wollte Ganner wissen, der den Villip voller Abscheu betrachtete.
Sie grinste den älteren Jedi an und wandte sich an Zekk. »Kann ich deinen Platz haben?«
Er überließ ihr den Pilotensitz, Jaina setzte sich, zog die Haube auf und begann, die eigenartig geformte Kugel zu streicheln.
»Hältst du das für eine gute Idee?«, erlaubte sich Zekk anzumerken. »Kannst du reden und fliegen zur gleichen Zeit?«
Darauf gab sie nur ein verächtliches Schnauben zurück.
»Wir wissen gar nicht, wer antworten wird«, beharrte er.
»Sicherlich, aber es besteht die Möglichkeit, dass wir etwas Wissenswertes erfahren. Je mehr wir über dieses Schiff herausfinden, desto höher sind unsere Überlebenschancen.«
Die äußere Schicht des Villips stülpte sich um, und das Gewebe formte sich zu einem Abbild des Yuuzhan Vong, auf den dieser Villip »eingestellt« war. Augenblicke später hielt Jaina ein entsetzliches Gesicht in ihren Händen, das von zerfransten Lippen und einem Gewirr aus Narben entstellt war.
Dieses Gesicht kannte sie. Jeder in der Galaxis mit Zugang zum HoloNet kannte es. Bei ihrem Gegenüber handelte es sich um den Kriegsmeister Tsavong Lah. Vor nicht langer Zeit hatte er eine Botschaft durch die Galaxis geschickt, in der er die Vernichtung der Jedi verlangt und Jacen Solos Auslieferung gefordert hatte. Jaina hatte sich das Holovid oft angeschaut, doch bei jedem Mal war ihr Blut aufs Neue in Wallung geraten. »Wurde das Opfer durchgeführt?«, wollte der Kriegsmeister wissen. Jaina hielt den Villip näher an ihr Gesicht und schenkte dem Feind ihres Bruders ein messerscharfes Lächeln. »Noch nicht.«
Der Villip verzog sich zu einem unheilvollen Stirnrunzeln. »Sie sollten mich kontaktieren, wenn Sie Ihre Pflicht erfüllt haben, Nom Anor, nicht eher. Beten Sie, dass Sie mir nicht ein weiteres Scheitern berichten wollen.«
Sie sah ihren Freund an, und in ihren Augen funkelte es, als hätte sie ihren alten Lebensmut wieder gefunden. »Oh, das ist zu gut«, staunte sie. »Dieses Schiff gehört Nom Anor! Der Villip muss auf ihn eingestellt sein, oder man sollte meinen, Tsavong Lah würde den Unterschied bemerken.«
Ganner warf die Hände in die Luft. »Ich weiß es nicht, Jaina. Du siehst definitiv besser aus.«
»Und du siehst immer noch aus wie ein Holovid-Held. Wo ist da die Gerechtigkeit?«, gab sie gut gelaunt zurück. »Gleichgültig, Lowbacca glaubt, dieser Villip sei eine Möglichkeit für den Schiffspiloten, dem Flottenadmiral Bericht zu erstatten. Wenn man darüber nachdenkt, ergibt das Sinn. Ich weiß zwar noch nicht genau, wie Villips funktionieren, aber nach dem, was ich gehört habe, erlauben sie einer bestimmten Person, mit einer anderen bestimmten Person zu sprechen. Was passiert jedoch, wenn diese Villip-Verbindung unterbrochen wird? Sie müssen irgendwie mit einem Schiff kommunizieren, nicht nur mit Personen. Lowbacca fand dieses Ding an Bord, in einem Behälter mit einer Nährlösung. Vielleicht stellt das Schiff selbst den Villip ein, und die Verbindung des Piloten mit dem Schiff erlaubt die Kommunikation.«
»Wer ist da?«, verlangte der Kriegsmeister zu wissen. Jaina wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Kugel zu. »Drücken wir es mal so aus: Ich habe den Kontakt zu Ihnen hergestellt, um Ihnen von einem weiteren Scheitern zu berichten«, sagte sie und drehte seine eigenen Worte um.
Tsavong Lah kniff die grausamen Augen zusammen. »Dort spricht nicht Nom Anor. Sie sind nicht einmal ein Yuuzhan Vong − der Villip übersetzt.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Zorn, als ihm die Antwort dämmerte. »Die Jeedai.«
»Gleich beim ersten Versuch ins Schwarze«, spottete sie.
Einen Moment lang starrte das Bild von Tsavong Lah sie lediglich an. Dann verzogen sich seine ausgefransten Lippen zu einem höhnischen Grinsen. »Und nun wollen Sie sich vermutlich zum Austausch für Ihren Bruder anbieten, nehme ich an.«
»Weshalb? Sie würden Jacen doch nicht gehen lassen.«
»Das ist allerdings wahr, doch sind Sie so sicher, was Ihre Motivation angeht?«, spottete er. »Sie sind der schwächere Zwilling, derjenige, der beim Opfer fallen würde. Vielleicht gefällt es Ihnen, das Schwert Ihres Bruders weit entfernt von Ihrer Kehle zu wissen.« Jaina begann langsam zu begreifen, was es mit diesem »Opfer« auf sich hatte. »Wir sollen gegeneinander kämpfen?« ’
»Natürlich. Darum geht es schließlich bei dieser Sache.«
Ein Bild kam Jaina in den Sinn, aus der Zeit, als sie und Jacen in der Schattenakademie gefangen gehalten und zur Ausbildung in der dunklen Seite der Macht gezwungen worden waren. Man hatte ihnen, lange bevor sie für solche Waffen bereit waren, Lichtschwerter in die Hand gedrückt und sie gegen einen in ein Hologramm gehüllten Gegner um ihr Leben kämpfen lassen. Für Jaina hatte man Darth Vader als Gegner ausgewählt − ein Symbol ihrer Vergangenheit und ein böses Omen ihrer Zukunft. Jacen hatte demselben Gegner gegenübergestanden. Weder er noch sie hatten dieses Spiel durchschaut und sich gegenseitig fast getötet, ehe man die Hologramm-Tarnungen abschaltete.
Trotz allem, was sie vorher und nachher durchgemacht hatte, suchte dieser Horror Jaina immer noch in Träumen heim. Ihre Gedanken rasten, während sie versuchte, einen Plan zu improvisieren.
»Darum geht es immer«, stimmte sie zu und ließ die schreckliche Erinnerung an die Schattenakademie auf ihre Worte einwirken. »Jacen und ich sind Zwillinge.
Das ist unser Schicksal.«
»Das verstehen Sie offenbar − und dennoch laufen Sie vor Ihrem Schicksal davon?«
Sie neigte den Kopf zu einem Nicken. Überraschung zeigte sich auf dem vom Villip wiedergegebenen Gesicht und deutete daraufhin, dass ihre Geste des Respekts anscheinend übersetzt worden war.
»Sie haben Recht, Kriegsmeister. Nom Anors Schiff ist am Ende. Ich kann nicht mehr weiter fliehen.«
»An welcher Position befinden Sie sich?«, wollte er wissen. »Offensichtlich tragen Sie die Pilotenhaube. Fragen Sie das Schiff.«
»Einen Moment bitte.« Sie setzte den Villip vorsichtig ab, dann sah sie Ganner an und formte mit den Lippen lautlos die Worte: Hol Lowbacca.
Der große Jedi nickte und lief los, um den Wookiee zu suchen. Ein paar Augenblicke später schob sich eine große haarige Faust in den zentralen Gang und zeigte ihr den nach oben gerichteten Daumen.
»Also los«, murmelte Jaina und wandte sich dem Villip wieder zu.
»Ich kann von dem Schiff keine Antwort bekommen«, sagte sie defensiv und ein wenig kläglich. »Gibt es eine Möglichkeit, das Schiff durch den Yammosk aufzuspüren, der es kontrolliert?«
»Nom Anor ist ein unabhängiger Agent. Sein Schiff ist an keinen Yammosk gebunden. Aber manchmal kann ein Yammosk ein gestrandetes Schiff sichten; die Dovin Basale neigen dazu, sich zu verbinden.«
»Dieser Dovin Basal ist geschwächt«, sagte Jaina ungeduldig. »Eine Verbindung könnte ihn vielleicht lange genug am Leben halten, damit ich …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende. Ein Hohnlächeln huschte über Tsavong Lahs nachgebildetes Gesicht, als er genau so reagierte, wie Jaina es beabsichtigt hatte. Offensichtlich glaubte er, sie spiele auf Zeit, um in der Hoffnung auf Flucht notwendige Reparaturen vornehmen zu können.
»Ich habe Agenten entsandt, um das Opfer zu überwachen. Ohne Zweifel sind sie Ihnen dicht auf den Fersen. Bald werden sie bei Ihnen eintreffen.« Ehe Jaina reagieren konnte, nahm der Villip wieder seinen gestaltlosen Zustand ein. »Was jetzt?«, erkundigte sich Ganner. Jaina lächelte dünn und tödlich. »Sie kommen zu uns.«
Der Kriegsmeister stellte den beleidigenden Villip ab und brüllte einen Befehl. Ein Untergebener rannte fast herbei und trug einen zweiten, größeren Villip. Tsavong Lah streichelte die Kugel. Keine Reaktion. »Ihre andere Hand, Kriegsmeister«, schlug der Adjutant vor. Rasch befolgte er den Rat und ignorierte die Erinnerung daran, wie schwach sein neues Implantat war. Ein Villip, der gut eingestellt war, erkannte die Berührung seiner neuen Gliedmaße nicht!
Die Kugel verzog sich zu einem Gesicht, das seinem in Gestalt und Mimik ähnelte. Der gespiegelte Krieger war jünger, sein Fleisch straff und sauber, doch nicht weniger vernarbt. Kunstvolle Tätowierungen bedeckten das eckige graue Gesicht. Ein kleines Horn ragte aus einer hohen, breiten Stirn.
»Kriegsmeister«, rief Khalee Lah und neigte respektvoll den Kopf.
»Ich habe die Frau gefunden«, sagte der Kriegsmeister ohne Einleitung. »Sie hat ihre Kapitulation angeboten eine List natürlich, ein armseliger Versuch, Zeit zur Flucht zu erkaufen. Sie werden den Yammosk an Bord des Priesterschiffes dazu überreden, sich mit der Fregatte zu verbinden und das Schiff zusätzlich in seine Kommunikationsfamilie aufzunehmen.«
»Gewiss, Kriegsmeister.«
»Informieren Sie Harrar, dass er die Jeedai direkt über den Schiffsvillip der Ksstarr erreichen kann.« Auf dem Gesicht des jungen Kriegers zeigte sich Überraschung. »Er besitzt den Villip eines Kommandanten?«
»Er hat ihn zur Aufbewahrung«, berichtigte Tsavong Lah. »Wenn das Jeedai-Opfer vollendet ist, wird er ihn Ihnen übergeben, zusammen mit dem Rang und den Ehren, die damit verbunden sind. Sorgen Sie dafür, dass dieser Tag bald anbricht.«
Sein Sohn neigte den Kopf tief. »Ich fühle mich geehrt, Kriegsmeister, aber ich würde es auch ohne diese Belohnung tun. Meine persönliche Beförderung verblasst im Vergleich zu dem Dienst, den wir den Göttern schuldig sind.«
Der Kriegsmeister hörte sich die frommen Worte schweigend an. »Gehen Sie und erledigen Sie Ihren Auftrag.«
Erneut verneigte sich der junge Krieger, und der Villip stülpte sich rasch um. Tsavong Lah schürzte die Lippen, während er den Villip betrachtete. »Harrar steht offensichtlich kurz vor dem Scheitern«, sagte er leise, »und zwar in mehr als einer Hinsicht.«
Jaina hielt Kurs auf Tenel Ka und folgte den Anweisungen, die Tahiri ihr gab. Sie bemerkte zunächst nicht, dass der Villip sich zu verändern begann. Erst Zekks leiser, grimmiger Fluch lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die lebende Kommunikationskugel.
Der Villip stellte ein dünnes, fast ansehnliches Gesicht dar, das nicht so protzig vernarbt war wie das des Kriegsmeisters. Um den Kopf war kunstvoll ein Tuch geschlungen.
»Harrar, ein Priester von Yun-Harla, der Göttin der List«, sagte das Bild knapp. »Es wird mir eine Ehre sein, die Aufsicht bei Ihrer Opferung zu übernehmen.«
»Die Ehre liegt ganz bei mir«, erwiderte Jaina trocken.
Sie fuhr fort: »Und danke für den Vorschlag. Ich habe mich schon gefragt, wie wir diesen Stein nennen sollen.
Trickster, die Listige, die Herrin der Tricks, das klingt genau richtig.«
»Das ist vollkommen unpassend. Es ist nicht möglich. Zum Namen eines Schiffes gehört mehr, als Sie sich vorstellen können.«
»Es erfordert eine starke Verwandtschaft, eine höchst genaue Abstimmung«, sagte Jaina. »Ist das eines der Dinge, die ich mir nicht vorstellen kann?«
Ungehemmter Zorn verzerrte das Gesicht des Yuuzhan Vong. »Welche armseligen Tricks Sie sich auch ausdenken, sie werden nichts nützen. Die Einstellung wurde bereits transferiert. Nur weil mein Schiffsyammosk bereits Kontakt mit Ihrem Dovin Basal hergestellt hat, bin ich überhaupt in der Lage, mit Ihnen zu sprechen. Jede winzige Kontrolle, die Sie über die Ksstarr haben …«
»Die Trickster«, korrigierte Jaina.
»… wird verhindert«, endete er und ignorierte die Unterbrechung.
Tahiri hielt den Atem an. Man musste es ihr jedoch hoch anrechnen, dass sie die Navigationshaube nicht abnahm.
»Sie stellen Kontakt her?«, wiederholte Jaina und täuschte Erschrecken vor.
»Ist bereits geschehen.«
Jaina drehte den Villip auf den Kopf und brachte ihn so dazu, sich umzustülpen und den Kontakt mit dem Priester abzubrechen. Mit einem triumphierenden Lächeln wandte sie sich an ihre Freunde. Deren Schock und Missbilligung traf sie wie ein Schlag.
»Ehe ihr etwas sagt, lasst mich erklären. Lowbacca hat mit den Schiffssensoren herumgespielt. Wir empfangen ihr Signal, blockieren jedoch unseres.«
»Da kannst du dir kaum sicher sein!«, protestierte Zekk.
»Ich bin sicher«, mischte sich Tahiri ein. »Die Yuuzhan-Vong-Schiffe manipulieren die Schwerkraft. Auf diese Weise bewegen sie sich fort, bauen Schilde auf, navigieren sogar. Ich bin mit diesem Ding verbunden, ich sollte es wissen.«
»Weiter«, drängte Ganner. »Die Sensoren sammeln Informationen aus Schwankungen in Gravitationsfeldern. Jedes Schiff hat ein eigenes Muster, ähnlich einer Signatur.«
»Das stimmt«, sagte Jaina. »Lowbacca hat Teile von der Hornisse benutzt, um eine mechanische Unterbrechung einzubauen. Der Dovin Basal weiß nicht, dass die Signale, die er an den Yammosk schickt, gestört werden.«
»Klingt plausibel«, meinte Ganner, in dessen Stimme Zweifel mitschwang. »Aber wenn du nicht recht hast, folgen uns die Yuuzhan Vong vielleicht nach Hapes. Wir würden die Welt in Gefahr bringen − ein ganzes System −, und die sind nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen.«
»Sie wissen, dass wir hierher unterwegs sind«, hielt Jaina dem entgegen, »und der Angriff der Yuuzhan Vong auf Hapes stand von vornherein fest. Die Hapaner hätten sich früher oder später sowieso verteidigen müssen.«
»Die Hapaner?«, fragte Ganner und beäugte sie fragend. »Nicht wir?«
»Ich werde woanders sein. Ihr könnt mitkommen oder bleiben, wie ihr wollt.«
»Du willst Jacen folgen«, stellte er fest. Sie zuckte mit den Schultern. »Stand das je zur Debatte?«
»Worin besteht dein Ziel, Jaina?«, fragte Zekk leise. »Offensichtlich nicht darin zu überleben. Du kannst doch nicht ernsthaft erwarten, Jacen zu retten − nicht einmal du könntest so … optimistisch sein«, sagte er und improvisierte seine letzten Worte in Reaktion auf den drohenden Sturm in ihren Augen. »Wie ich es sehe, bleibt also Vergeltung.«
»Die wiederum zur dunklen Seite führt«, erwiderte sie ungeduldig. »Verschon mich damit − ich habe das schon oft gehört. Immer wieder. Wie ich die Sache betrachte, haben die Jedi eine Verantwortung zu handeln.
Handeln! Der Luxus philosophischer Betrachtungen ist uns nicht vergönnt. Schließlich war es genau dieser Disput zwischen Jacen und Anakin, dieses endlose Reden darüber, ›was ein Jedi sein sollte‹, das am Ende für ihr Schicksal verantwortlich war.«
»Das ist unfair«, flüsterte Tahiri. »Und grausam.«
»Ist es das? Sieh dir doch die Tatsachen an: Anakin ist tot, Jacen befindet sich in Gefangenschaft. Wenn die überlebenden Jedi weiter schwanken, werden wir vernichtet, und dann haben die Yuuzhan Vong gewonnen.«
Eine Weile lang standen sie schweigend da, während sie über Jainas verbitterte Logik nachdachten.
Alema ergriff als Erste das Wort. »Wir Twi’leks haben ein Sprichwort: Wenn du dich weigerst, eine Entscheidung zu treffen, wird sie ohne dich getroffen.«
»Erledige die Sache«, stimmte Ganner zu.
»Zeit für die Jagd!«, rief der Barabel vom Heck. »Du brauchst eine Heilerin«, sagte Tekli und seufzte resigniert.
Jaina wandte sich mit einer Frage in den Augen an Zekk.
»Ich bleibe auf Hapes oder gehe dorthin, wo ich am dringendsten gebraucht werde«, sagte er leise, eine Welt des Bedauerns in den Augen.
Wer könnte ihn dringender brauchen als Jacen? Jaina unterdrückte den Zorn, der in ihr aufstieg, und akzeptierte seine Entscheidung mit einem knappen Nicken. Doch gab sie sich keine Mühe, ihre Emotionen vor ihm abzuschirmen.
Kurz spürte sie Zekks Schwanken, spürte, wie die Stärke ihrer Vision seine tiefen Glaubensgrundsätze erschütterte. Heftig wallte die Verführung auf. Sie würde Jacen irgendwie befreien, und es würde leichter für sie sein, wenn die anderen jungen Jedi sie begleiteten. Wenn sie Zekk zum Umschwenken bringen konnte, würde sie alle auf ihre Seite ziehen. Unter ihre Kontrolle.
Das war ein logisches Ende des Pfades, den ihre Gedanken beschritten hatten, und dennoch scheute Jaina davor zurück. Rasch und vorsichtig zog sie sich von Zekk zurück und hoffte, er würde nicht bemerken, dass sie ihn dazu veranlasst hatte, seine hart erkämpften Werte infrage zu stellen. Die Verwirrung, die in seinem Macht-Sinn flackerte, ließ vermuten, dass sie Erfolg gehabt hatte − dass ihm nicht aufgefallen war, was sie beinahe getan hätte.
Sie nahm die Pilotenhaube ab und warf sie Zekk zu. »Ich muss eine Weile allein sein«, sagte sie abrupt und wandte sich von den anderen Jedi ab. Ihr Weg führte sie in die kleine Kammer, wo sie Anakins Leiche verstaut hatten. Niemand folgte ihr, doch fühlte sie Erleichterung bei ihnen, weil sie endlich begann, sich mit ihrer »Trauer auseinander zu setzen«. Vielleicht war es Zeit dafür. Nach dem ersten heftigen Gefühlsaufruhr hatte Jaina ihre Emotionen schlicht verdrängt. Es war nicht so schwierig, da sie sich jahrelang vor dem konstanten Bombardement durch die Gefühle anderer Leute hatte schützen müssen. Sie zögerte an der Schwelle und starrte den stillen Fremden an, der in einer Yuuzhan-Vong-Koje lag. Er sah aus, als würde er schlafen, sein stiller Körper zeigte wenig Ähnlichkeit mit dem Bild ihres Bruders, das sich Jaina ins Gedächtnis gebrannt hatte. Der Schmutz des Kampfes war abgewaschen worden, die fürchterlichen Wunden waren verbunden und mit sauberem Stoff bedeckt − Leinen und Leder, das sie irgendwo gefunden hatten.
Das Gesicht war das von Anakin. Die Größe, die Gestalt. Aber seine eisblauen Augen hatte man geschlossen und das widerspenstige braune Haar ordentlich gekämmt. Jaina trat näher, und ohne nachzudenken streckte sie die Hand aus und zerzauste es mit einer Bewegung, die sie, die große Schwester, so oft gemacht hatte.
Ein leiser Schritt hinter ihr kündigte Teklis Anwesenheit an. »Besser«, stimmte die Chadra-Fan zu. »So hat es schließlich immer ausgesehen.«
Jaina drehte sich zu der kleinen Heilerin um, ihre Augen waren trocken, und ihr Herz war kalt. »Danke für die Mühe, die du dir mit ihm gegeben hast. Ich hätte nicht gewollt, dass unsere Mutter ihn so sieht, wie er war.«
Sie wandte sich um und ging ruhig davon, wobei sie deutlich die Trauer spürte, die von der Chadra-Fan ausging. Dankbar akzeptierte sie: Es erschien ihr richtig, dass jemand fähig sein sollte, um Anakin zu trauern.
Trotz der Mauer, die sie um ihr Herz errichtet hatte, spürte Jaina, dass Tekli nicht nur um Anakin trauerte, sondern auch um sie.
Harrar stellte den Villip zur Seite und sah den jungen Krieger an, der umherfegte wie ein Blitz, der einen Platz sucht, um einzuschlagen.
»Die Jeedai hat den Kontakt abgebrochen«, sagte Harrar.
Khalee Lah berührte die Stirn mit zwei Fingern. »Ich habe einen Bluteid geleistet, sie herzuholen, aber jetzt schwöre ich vor Ihnen und allen Göttern, dass sie ihre letzten Tage in Schmerz verbringen und ohne Ehre sterben wird!«
Der Priester tat das Gelübde mit einem ungeduldigen Wink ab. »Haben Sie nicht gehört? Mir schien es, indem sie das Schiff Trickster nennt, wollte sie andeuten, dass sie tatsächlich den Brauch anwendet, Schiffe nach ihren Piloten zu benennen.«
»Glauben Sie, zu solcher Spitzfindigkeit sei sie fähig?«, höhnte Khalee Lah.
»Sie ist ein Zwilling. Sicherlich hat das seine Bedeutung, auch wenn es um Ungläubige geht, sonst wären die Götter nicht so sehr auf dieses Opfer erpicht.«
»Sie ist sowohl eine Jeedai als auch ein Zwilling«, stimmte der Krieger zu, »aber sehen Sie sich vor, Eminenz, nicht der Ketzerei zu verfallen, die dieser Jeedai eine übertriebene Stärke unterstellt. Diese Frau ist nicht einmal ein blasses Abbild von Yun Harla.«
»Natürlich nicht«, sagte der Priester. Dennoch blieb ein Zweifel. »Begleiten Sie mich«, sagte er und ging los, um mit dem Yammosk-Aufseher zu sprechen.
Sie gingen zu der Kammer, welche der monströse Schlachtkoordinator bewohnte. »Haben Sie Kontakt zur Ksstarr hergestellt?«, wollte Harrar wissen.
Der Aufseher verneigte sich. »Haben wir, Eminenz.«
»Ich möchte das bestätigt wissen.«
»Gewiss!« Der Aufseher trat zur Seite und erlaubte Harrar, eine Hand auf das sich windende Wesen mit den vielen Tentakeln zu legen.
Nach einem Augenblick richtete Harrar den Blick auf den Aufseher. »Die Verbindung ist bestätigt. Finden Sie es nicht seltsam, dass die Ksstarr keine Botschaften als Antwort geschickt hat?«
»Sie ist krank«, mutmaßte der Aufseher. »Sie ist stumm!«, fauchte Harrar. Er wandte sich an Khalee Lah und wartete, bis dem Krieger die Bedeutung klar wurde.
Schrecken machte sich auf dem vernarbten Gesicht breit. »Das ist unmöglich«, sagte er mit vor Schock geschwächter Stimme. Trotz seines niedrigeren Ranges und gegen die Vorschriften des Protokolls schob er den Priester mit dem Ellbogen aus dem Weg und legte die Hand auf die Nervensensoren.
»Das ist unmöglich«, wiederholte er, obwohl der Yammosk ihm die Tatsachen deutlich enthüllte. »Irgendwie hat Jaina Solo den Yammosk blockiert: Die Informationen gelangen zu ihr, aber nicht zurück zum Priesterschiff!«
Harrar zerrte ihn zur Seite. »Sie haben mir geraten, diesen Menschen nicht mit unserer großen und verschlagenen Yun-Harla auf eine Stufe zu setzen, und damit hatten Sie recht. Aber vielleicht sollten Sie sich mit der Möglichkeit anfreunden, dass sie doch zu mehr in der Lage ist, als Sie für möglich halten.« Khalee Lah stand einen Moment stolz da. Auf seinem vernarbten Gesicht zeichnete sich ein Konflikt ab. Dann neigte er den Kopf und nickte. »Vielleicht«, stimmte er zu.