19

»Ich glaube, wir haben diese Monstrosität von Sith-Brut endlich dazu gebracht, sich aufzurichten und guten Tag zu sagen«, murmelte Jaina und starrte fasziniert den Villip an, den sie nun eingestellt hatten.

Ihr eigenes Abbild starrte sie an, ein wenig verzerrt, wie sie vielleicht durch dichten Nebel und nach einigen Gläsern corellianischen Brandys aussehen würde. Die Lippen bewegten sich synchron zu ihren, und die Stimme, die tiefer, rauchig und ein wenig bedrohlich klang, sprach im präzisen Duett mit ihrer eigenen. Jaina sah zu Lowbacca hoch und grinste. Das Wesen der Yuuzhan Vong machte aus dieser Miene ein finsteres Gesicht.

Jaina blinzelte. »Super. Hoffen wir, die Yuuzhan Vong sehen mich auch so«, sagte sie zu Lowbacca und deutete mit dem Kopf auf den Villip.

Der Wookiee blickte vom Spiegelbild zum Original und neigte fragend den Kopf. Er zuckte mit den Schultern, da er offensichtlich keinen Unterschied feststellte.

Davon fühlte sich Jaina nicht beleidigt, denn die Wookiees nahmen Menschen für gewöhnlich eher über den Geruch wahr. Sie strich mit der Hand über den Villip.

Als er sich zu einem formlosen Knubbel umstülpte, stand sie vom Tisch auf und reckte sich.

»Machen wir morgen weiter. Ich habe noch einige Vorbereitungen zu treffen, ehe wir die nächsten Schritte angehen.«

Lowbacca legte den Kopf erneut schief und stellte murrend eine Frage.

»Ich erzähle es dir morgen Früh«, sagte sie, während sie aufstand. »Warum schläfst du nicht ein bisschen und packst deine Ausrüstung zusammen. Wenn alles klappt, brechen wir morgen sehr früh auf. Auf einem vollständig mechanischen Schiff«, fügte sie hinzu, da sie wusste, welche Frage der Wookiee als Nächstes stellen würde.

»Aus Metall und Keramik und mit Computern und all diesen hübschen Abscheulichkeiten.« Der Wookiee knurrte zufrieden und nahm den umgestülpten Villip. Jaina klopfte ihm liebevoll auf die Schulter und eilte dann aus der Andockbucht zu ihrem Zimmer im Palast. Schließlich konnte sie sich in einem geflickten Mechanikeroverall wohl kaum der früheren Königin von Hapes präsentieren, wenn sie diese um einen Gefallen bitten wollte. Ta’a Chume hatte bereits Bemerkungen über Jainas Erscheinungsbild gemacht, und es konnte nicht schaden, der älteren Frau zu demonstrieren, dass sie sich ihren Ratschlag zu Herzen genommen hatte. Später, nachdem sie sich gewaschen und geschminkt und in ein geliehenes hapanisches Kleid gezwängt hatte, machte sich Jaina auf die Suche nach Ta’a Chume. Eine Audienz zu erhalten war leichter, als sie erwartet hatte; die ersten Palastdiener, die sie fragte, führten sie direkt zur Residenz der früheren Königin. Während Jaina den Dienern durch die glänzenden Marmorhallen folgte, dachte sie über die Bedeutung nach, welche die Reaktion der Diener hatte. Ta’a Chume war vielleicht nicht die regierende Königin, trotzdem hatte sie sicherlich viel zu tun. Die Diener würden Jaina nicht ohne Weiteres zu ihrer Herrin bringen, es sei denn, diese hatte ihnen eine entsprechende Anweisung gegeben. Ja, Ta’a Chume führte definitiv etwas im Schilde. Ein erwartungsvolles Lächeln huschte über Jainas Gesicht, und sie fühlte sich ein wenig so wie in dem Augenblick, wenn sie ihren X-Flügler für eine Mission aufwärmte.

Diese Analogie erschien ihr noch immer passend, als sie Ta’a Chumes Gemächer betrat. Jaina erkannte einen Kommandoposten, wenn sie einen sah, auch wenn er in diesem Falle mit Seide, Pracht und Kunst ausgestattet war.

Die ältere Frau saß anmutig auf einem kleinen Sofa und war von ungefähr einem Dutzend Leute umgeben. Manche trugen die Uniformen der königlichen Wache, andere kritzelten Notizen auf kleine Datenblöcke. Diener huschten leise im Zimmer umher und brachten, was erforderlich war, ehe es verlangt wurde. Einer nahm Jaina das Cape von den Schultern und deutete mit einem Nicken an, sie möge vortreten.

Jaina hob das Kinn und trat in den Raum. Ta’a Chume bemerkte sie und blickte zu einem würdevollen Diener. Anscheinend handelte es sich dabei um ein Zeichen, das den Anwesenden sehr gut bekannt war, denn alle verneigten sich tief und verließen sofort den Raum. Alle außer einem, einem äußerst gut aussehenden blonden jungen Mann, den Jaina, wie sie sich erinnerte, bei dem Palastbankett vor zwei Tagen gesehen hatte und der sich nie weit entfernt von der früheren Königin aufhielt. Er schenkte ihr ein langes Lächeln und ging zu einem Beistelltisch, um eine Flasche Wein und drei Kelche zu holen.

Ta’a Chume nahm ihren roten Schleier ab und lächelte Jaina an. »Sie sehen sehr hübsch aus, meine Liebe, ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe. Nicht viele junge Leute sind bereit, einen Ratschlag anzunehmen. Und Sie kommen zu einem exzellenten Zeitpunkt, denn ich wollte gerade eine Pause machen, um mich zu erfrischen. Sicherlich leisten Sie mir Gesellschaft?« Jaina setzte sich auf den angebotenen Platz und nahm das Glas, in dem sich eine goldene Flüssigkeit befand. Kleine funkelnde Flecken wirbelten durch den moussierenden Wein. Sie nippte zaghaft daran.

»So nicht«, widersprach der junge Mann lächelnd.

»Ich zeige es Ihnen.« Er setzte sich neben Jaina und umfasste mit beiden Händen die ihre, in der sie den Kelch hielt. »Man muss ihn schwenken, so«, sagte er und bewegte ihre Hand langsam im Kreis. »Die Kunst besteht darin, ihn sanft zu wecken und ihm Wärme einzuhauchen. Nur dann enthüllt sich die Süße.«

Jaina starrte ihm einen Moment lang benommen in das Gesicht, das ihr zu nah und zu hübsch war. Ihr erster Impuls war, in schallendes Gelächter auszubrechen − sie hatte in Mos Eisley schon bessere und überzeugendere Vorstellungen von Straßenschauspielern gesehen. Ein Blick zu Ta’a Chume brachte sie zu der Einsicht, dass Lachen nicht sehr weise wäre. Die ältere Frau beobachtete sie mit einem dünnen Lächeln.

Also stellte Jaina den Becher auf den Tisch und befreite ihre Hand. »Danke, aber für diese Art Getränk habe ich nie eine Leidenschaft entwickelt.«

Ein kurzes Zucken von Ta’a Chumes Lippen verriet ihr, dass sie mit dieser vagen Zurückweisung den richtigen Ton getroffen hatte. »Hat man Ihnen Trisdin schon vorgestellt?«

»Direkt noch nicht«, sagte Jaina. Sie schenkte dem jungen Mann ein süßes und ganz offensichtlich falsches Lächeln. »Aber ich habe das starke Gefühl, wir wären uns schon einmal begegnet.«

Ta’a Chume kicherte. »Ich nehme an, das gleiche Gefühl wird er auch haben. Danke, Trisdin. Das wäre dann alles im Moment.«

Der Höfling erhob sich, und auf seinem hübschen Gesicht ließ sich keine Spur finden, ob er sich beleidigt fühlte. Doch während er hinausging, spürte Jaina ein dunkles Gefühl von ihm − nicht gerade Zorn, sondern eher tiefe Niedergeschlagenheit.

Sie drang ein wenig weiter vor und fühlte eine Hinterhältigkeit, die weit über das hinausging, was man bei dieser oberflächlichen Person erwartet hätte. Zum ersten Mal empfand sie ein gewisses Interesse für den jungen Mann, und forschend schaute sie ihm hinterher, als er aus dem Zimmer schwebte.

»Trisdin ist eine wahre Zierde, aber er verdient Ihre Aufmerksamkeit nicht«, sagte Ta’a Chume mit mildem Vorwurf. »Und gerade haben Sie ihm das bewundernswert deutlich gemacht.«

Jaina sah die Königin an. »Lassen Sie ihn überwachen?«

»Natürlich. Warum fragen Sie?«

»In ihm geht mehr vor, als man von außen sieht und als man sehen möchte.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann allerdings nichts Genaueres spüren.«

»Interessant«, meinte Ta’a Chume. Sie stellte ihren Kelch neben Jainas. »Nun, was möchten Sie mit mir besprechen?«

»Es geht um die Piraten, die für das Gerichtsverfahren nach Hapes gebracht wurden«, begann sie. »Ich frage mich, ob ich wohl einen oder zwei von ihnen verhören dürfte. Privat.«

Die Königin zog die braunen Augenbrauen hoch. »Zu welchem Zweck?«

»Dazu müsste ich ein wenig ausholen«, wich Jaina aus.

»Zufällig habe ich den ganzen Nachmittag Zeit.« Jaina nickte. »Vor einigen Monaten sind Jacen und mein Onkel Luke auf einer gemeinsamen Reise über ein Lager der Yuuzhan Vong gestolpert, in dem sich Sklaven vieler Spezies aufhielten. Die Vong hatten diesen Sklaven eine kleine korallenähnliche Kreatur eingepflanzt, eine Art Gerät zur Gedankenkontrolle, das die individuelle Persönlichkeit auffraß. Glücklicherweise konnte Luke diese Wesen entfernen, ehe sie Schaden anrichteten, und so blieb bei den Sklaven nur eine kleine Narbe hier.« Jaina hielt inne und berührte ihr Gesicht unter dem Wangenknochen.

»Von diesen Implantaten habe ich gehört. Fahren Sie fort.«

»Auf Yavin 4 hatten die Sklaven Implantate, die nicht so sehr mit dem Körpergewebe verwuchsen. Vielleicht fanden die Yuuzhan Vong, geistlose Sklaven wären die Mühe nicht wert, im Gegensatz zu jenen, bei denen ein Rest der Persönlichkeit erhalten geblieben ist. Auf Garqi wurden die Sklaven zum Kämpfen gezwungen. Soweit ich es sagen kann, handelt es sich bei diesen Implantaten jeweils um Variationen desselben Stammes.«

Ta’a Chume nickte nachdenklich. »Und falls die Yuuzhan Vong diese Wesen für bestimmte Zwecke modifizieren können, warum nicht auch Sie?«

»Das habe ich mir auch gedacht«, stimmte Jaina zu.

»Wenn die gefangenen Piraten Implantate eingesetzt bekommen haben − und darauf würde ich wetten −, würde ich diese gern entfernen und verändern lassen.«

»Ein exzellenter Einfall bis dahin. Sie werden sich ohne Zweifel Gedanken über das damit einhergehende Problem gemacht haben: Wenn diese Wesen eine mentale Verbindung zwischen den Yuuzhan Vong und den Sklaven herstellen, werden die Yuuzhan Vong dann die Veränderungen nicht bemerken?«

»Schwer zu sagen. Die Yuuzhan Vong können den Sklaven mental übermittelte Befehle erteilen, aber sie vermögen offensichtlich nicht die Gedanken der Sklaven zu lesen. Wenn sie es könnten, wäre Anakin nicht fähig gewesen, ihre Basis auf Yavin 4 zu infiltrieren. Andererseits«, fuhr sie fort, »gibt es Varianten bei den Implantaten, und es ist schwierig zu sagen, wozu diese in der Lage sind und wozu nicht. Ich muss eben sicherstellen, dass sie keine Informationen übertragen können.«

»Fühlen Sie sich denn imstande, das zu schaffen?« Jaina lächelte die Königin kühl an. Dann nahm sie ihr Glas und blickte zur Tür. Durch die Macht schickte sie einen starken Impuls zu der Präsenz, die sie hinter der Tür spürte.

Trisdin trat sofort darauf ein und verriet auf diese Weise, dass er gelauscht hatte. Ta’a Chumes Blick wurde eisig.

Der Höfling ging zu Jaina, setzte sich neben sie und legte seine Hände um die ihren und das Glas, das sie darin hielt.

»So nicht«, belehrte der junge Mann sie lächelnd. »Ich zeige es Ihnen. Man muss ihn schwenken, so. Die Kunst besteht darin, ihn sanft zu wecken und ihm Wärme einzuhauchen. Nur dann …«

»Enthüllt sich die Süße«, unterbrach ihn Ta’a Chume kalt. »Danke, Trisdin. Einmal war mehr als genug. Und lass die Tür angelehnt, wenn du gehst. Ich möchte deine Schritte hören, wenn du dich entfernst. Und zwar rasch entfernst«, fügte sie spitz hinzu.

Er warf der Königin einen verwirrten Blick zu und erhob sich wie befohlen. Einen Moment lang lauschten die beiden Frauen, wie der Höfling hinausging. Ta’a Chume wandte sich Jaina zu und beäugte sie mit offenem Respekt. »Sie haben mir unmissverständlich klar gemacht, worauf Sie hinaus wollen.«

»Zu gut«, sagte Jaina trocken. »Ich wollte aus seinem Gedächtnis alles streichen, was er mit angehört hat, aber anscheinend habe ich ihn ein Stück zu weit zurückgespult. Wie Sie schon gesagt haben, war dieser Trick mit dem Weinglas der Wiederholung nicht wert.«

»Trotzdem, höchst beeindruckend«, grübelte Ta’a Chume. »Was könnten solche Fähigkeiten einer Königin nutzen.«

Jaina schoss ein Bild durch den Kopf, wie Ta’a Chume als Jedi aussehen würde. So rasch wie möglich verbannte sie es. »Ich muss wissen, wozu diese Kommunikationsgeräte der Yuuzhan Vong in der Lage sind. Die Piraten, das kann ich Ihnen versprechen, werden sich hinterher an nichts erinnern.«

»Warum sollte das wichtig sein, wenn sie doch im Gefängnis sind?«

»Wäre es nicht, falls sie im Gefängnis wären.«

»Ich verstehe.« Ta’a Chume lächelte schwach und zustimmend. »Das klingt wie eine viel versprechende Methode, um Spione und Saboteure zu requirieren.«

»Ich werde nicht versuchen, die Loyalität der Piraten zu beeinflussen. Was ich will, ist Einsicht in die Technologie der Yuuzhan Vong. Wir verstehen sie noch zu wenig, und dieser Mangel an Wissen ist ihre beste Waffe. Die Wissenschaftler der Republik haben intensiv nach Antworten gesucht, und sie haben durchaus Fortschritte gemacht. Diese Implantate könnten ein Schlüssel sein, mit dem sich das Rätsel lösen lässt.« Darüber dachte die Königin nach. »Aber es mangelt Ihnen am entsprechenden Fachwissen«, folgerte sie schließlich und traf erneut den Kern der Sache. Jaina schnitt eine Grimasse und nickte. »Ich kann so ungefähr alles fliegen, was funktioniert, und alles reparieren, was nicht funktioniert − solange wir über gewöhnliche Fahrzeuge sprechen. Die Vong Technologie verstehe ich nicht. Ich habe mich gefragt, ob man auf Gallinore jemanden überreden könnte, mir zu helfen.«

»Gallinore«, grübelte Ta’a Chume. »Ja, das müsste gehen.«

»Ich habe gelesen, viele der einzigartigen Wesen auf Gallinore seien durch Genmanipulation entstanden«, fuhr Jaina fort. »Dementsprechend verfügen die Wissenschaftler dort in Hinsicht auf die Prozesse und Ziele der Yuuzhan-Vong-Gestalter vermutlich über mehr Wissen als die Wissenschaftler der Neuen Republik.«

»Das möchte ich auch meinen«, sagte Ta’a Chume.

»Und sie haben außerdem den Vorteil, keine Wissenschaftler der Neuen Republik zu sein. Was sie entdecken, können Sie der Republik mitteilen, wann immer Sie möchten und nachdem Sie Ihre eigenen Ziele erreicht haben − oder auch nicht.«

Jaina sah der Königin einen Moment lang in die Augen und bestätigte die Bemerkung durch Schweigen.

Die ältere Frau lächelte. »Ich werde Ihnen die Schiffe und die Ausrüstung besorgen, die Sie für die Reise brauchen, und dazu die notwendigen Empfehlungsschreiben. Wird Colonel Fei Sie begleiten?«

Jaina schüttelte den Kopf. Es fühlte sich nicht richtig an, Jag in diese Sache hineinzuziehen.

»Tenel Ka wird sicherlich mitkommen. Sie ist eine hervorragende Führerin.«

Die Jedi verzog das Gesicht. »Ich fürchte, sie wird weder die Mission noch meine Methoden gutheißen.«

»Sie braucht ja nichts über die Gründe zu wissen. Aber ich kann die Schwierigkeiten sehen, die auf Sie zukommen könnten, wenn Sie gezwungen sind, Ihre Pläne heimlich und ohne Hilfe umzusetzen. Gibt es jemanden, dem Sie vertrauen und der pragmatischer an die Sache herangeht als meine Enkelin?«

Sofort tauchte ein Bild vor Jainas innerem Auge auf ein schlankes Gesicht, das von Silbersträhnen durchsetzte schwarze Haar und grüne Augen, die lachten und täuschten und bezwingend waren.

»Ich wüsste wohl jemanden«, sagte sie knapp. »Aber ich bin keinesfalls sicher, ob ich ihm vertrauen kann.«

 

Drei Männer hockten in der Gefängniszelle und warteten düster schweigend darauf, vor ein hapanisches Gericht gestellt zu werden. Noch immer trugen sie die rote Kleidung wie an dem Tag, an dem sie diese Rancor-Prinzessin an Bord geholt hatten. Eine Reihe übler Prellungen und blauer Flecke gab Zeugnis vom unerwartet heftigen Widerstand der Jedi.

Leise Schritte hallten durch den Gang. Die Männer richteten sich auf und wechselten misstrauische Blicke. Es war der Zeitpunkt, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Die Flucht war riskant und ungewiss, die Alternative bestand in einem kurzen Prozess und einer langsamen Hinrichtung. Eine bessere Chance würden sie wohl nicht bekommen.

Ihr Anführer erhob sich und stolzierte mit einer Haltung zur Tür, die seinen rebellierenden Magen leugnete. Vor nicht langer Zeit war Crimpler ein viel versprechender corellianischer Kickboxer gewesen − der bis dahin nie besiegt worden war und in dem Ruf stand, für seine Gegner ein Rätsel darzustellen. Dann kam die Invasion der Yuuzhan Vong, er war zur hapanischen Flotte eingezogen und in einen Kampf geschickt worden, der seiner Meinung nach nicht zu gewinnen war. Die Katastrophe bei Fondor hatte nur bestätigt, was er längst wusste. Also war er desertiert und Pirat geworden, wobei ihm seine Fähigkeit, die Schwächen anderer zu finden und auszunutzen, geholfen hatte. Tenel Ka hatte er unterschätzt, und das setzte ihm immer noch zu. Zum ersten Mal verstand er die Anti-Jedi-Gefühle der Ni’Korish-Fanatiker unter ihnen. So, wie Crimpler die Sache betrachtete, konnte man einen Kampf nicht gewinnen, wenn man den Gegner nicht durchschaute. Und aus diesem Grund würden die Yuuzhan Vong die Galaxis übernehmen. Der Mann, der die Zelle betrat, war in die Farben der Palastwache gekleidet, trug jedoch nicht die entsprechende Uniform. Crimpler schätzte ihn mit einem raschen Blick ein − groß und kräftig gebaut, aber keine Bedrohung. Muskeln, die durch pedantisches Training aufgebaut waren, ließen sich leicht erkennen, und für gewöhnlich waren sie nutzlos. Aus einiger Entfernung mochte man den Kerl für eine Wache halten, und vermutlich zählte er genau darauf. Wahrscheinlich ein Attentäter. Es wäre nicht das erste Mal, dass die königliche Familie den Prozess übersprang und gleich zur Hinrichtung schritt.

Crimpler setzte zu einem hohen Tritt an und zielte auf die Nase des Mannes. Zu seiner Überraschung gelang es dem Kerl, den Unterarm zu heben und den Angriff abzublocken.

Er schob sich in die Zelle, trat von der offenen Tür fort und hob beschwichtigend beide Hände. »Nicht ins Gesicht«, verlangte er. »Es muss natürlich echt aussehen, aber lasst das Gesicht in Ruhe.« Zuvorkommend trat ihm Crimpler seitlich unter die Rippen, und der Neuankömmling klappte zusammen, ging auf die Knie und hob eine Hand, um anzuzeigen, dass es genug war. Der Pirat sah die Sache anders. Er packte das blonde Haar des Mannes und riss den Kopf hoch. »Was soll das eigentlich? Was habt Ihr vor?«

Die Lippen seines Opfers bewegten sich lautlos einen Moment, während der Mann nach Atem schnappte. »Ihr sollt fliehen«, brachte er schließlich hervor. »Nehmt den Transporter, der vor dem Wachposten draußen steht. Hier sind die Zugangs- und Startkodes.« Er klopfte auf eine kleine Tasche seines Hemdes. Crimpler riss erneut an dem Haar. »Warum?«

»Ihr seid Ni’Korish«, sagte der Typ, als würde das alles erklären.

Und in gewisser Weise stimmte das. Während der Krieg immer näher kam und auf dem Thron eine kränkelnde Königin saß, erlebte Hapes eine Blüte der politischen Intrige. Die Anti-Jedi-Bewegung konnte einer ehrgeizigen Frau durchaus als Steigbügelhalter auf ihrem Weg zur Macht dienen, und Hapes mangelte es an solchen Frauen nicht. Crimpler fragte sich kurz, für welche davon sein Gegenüber arbeitete.

Seine Neugier erstarb schnell, und ebenso erging es auch der falschen Wache. Crimpler ließ die Leiche des Mannes fallen und klopfte den Körper ab. Die versprochenen Kodes waren tatsächlich vorhanden, dazu mehrere Messer und ein kleiner Betäubungsstock, die in den Stiefeln und Ärmeln steckten.

Crimpler verteilte die Waffen rasch und spähte durch das vergitterte Transparistahlfenster oben in der Zellenwand.

»Das war ein Idiot, aber jemand plant da ziemlich genau«, grübelte er. »Es ist fast Zeit zum Abendessen. Die meisten Wachen dürften beschäftigt sein. Los.« Er stieg über die Leiche und warf einen Blick in den Gang. Daraufhin liefen die drei Männer den ruhigen Korridor entlang. Als sie sich einer Biegung näherten, warnte sie Gelächter vor zwei näher kommenden Wachen.

Die Piraten drückten sich an die Wand und warteten.

Crimpler sprang den Wachen entgegen und zielte mit den hochgerissenen Füßen auf die Kehlen der Männer.

Er stieß sich von ihnen ab, bog den Rücken durch und landete im Handstand. Mit einem Überschlag kam er wieder auf die Beine und ging erneut zum Angriff über.

Aber die Wachen lagen bereits am Boden, der erste Angriff und die anderen Piraten hatten sie erledigt, indem sie die Messer, die der verräterische Ni’Korish ihnen überlassen hatte, zum Einsatz brachten.

Rasch zogen sie den Wachen die Uniformen aus und legten sie an. Crimpler ging zwischen ihnen und spielte die Rolle des Gefangenen, während sie auf das Wachhaus zueilten.

Sechs Wachen saßen um einen Sabacc-Tisch. Mit einem einzigen Tritt stieß Crimpler den Tisch um und warf drei der Männer zu Boden. Der Rest des Kampfes war fast genauso schnell vorüber. Die Piraten liefen weiter zum Landeplatz.

»Drei Schiffe«, murmelte der eine. »Erscheint mir ein bisschen zu gut arrangiert.«

Das Gleiche hatte Crimpler auch schon gedacht, aber jetzt war es zu spät zum Umkehren. »Heb dir die Sprüche für deine Memoiren auf. Los!«

Die Männer kletterten in die Maschinen. Crimpler stieg in einen verbeulten X-Flügler und startete die Systeme. Seine Bewegungen fühlten sich eigenartig langsam an, als würde er sich in Wasser bewegen oder sich in einem Albtraum befinden.

Mit wachsendem Entsetzen beobachtete er, wie die anderen Piraten ohne Probleme abhoben. Seine eigenen Finger rührten sich nicht mehr, als wären sie mit diesem Blorash-Gallert der Yuuzhan Vong an die Instrumente geklebt.

Die Klappe des E-Flüglers öffnete sich, und Crimpler starrte in das Gesicht eines hageren Mannes mit grünen Augen.

»Ist das derjenige, den du wolltest?«, fragte der Mann jemanden, der sich außerhalb seines eingeschränkten Sichtfeldes befand.

Kleine Finger tasteten seinen Hals ab und fanden die winzige Beule, wo die Yuuzhan Vong ein Stückchen Koralle implantiert hatten − dieses Ding identifizierte ihn als Kollaborateur. »Er muss genügen.«

Es handelte sich um die Stimme einer jungen Frau, und Crimpler erhaschte einen Blick auf ein hübsches Gesicht mit braunen Augen, die unter einem braunen Pony hervorschauten. Nichts an diesem Gesicht konnte das Entsetzen erklären, das Crimplers unbeweglichen Körper schaudern ließ.

Dann trat der Schmerz ein, und Dunkelheit packte sein Bewusstsein wie eine riesige, gnadenlose Faust. Eigenartigerweise reagierte er mit Erleichterung. Zumindest diesmal hatten ihn seine Instinkte nicht getäuscht! Das Mädchen bedeutete Ärger, daran gab es nichts zu rütteln. Crimpler konnte immer noch einschätzen, wann er es mit einem überlegenen Gegner zu tun hatte. Diesen Gedanken kostete er aus und nahm ihn mit in die Dunkelheit.

 

Ta’a Chume ließ den Bericht in eine Karaffe purpurfarbenen Weins fallen und schaute zu, wie sich der hauchdünne Flimsyplast zu einer teigigen Masse auflöste. Es war unwahrscheinlich, dass irgendwer diese Nachricht noch entziffern könnte, ein wie von einem Bewunderer verfasstes Gedicht, dessen poetische Ausdrucksweise einen wohl durchdachten Kode enthielt.

Für die frühere Königin war der Inhalt eindeutig. Jaina hatte recht, was Trisdin betraf. Eine nähere Betrachtung von Trisdins Affären entlarvte ihn als Spion von Alyssia, einer der Nichten von Ta’a Chume. Ein gut platziertes Gerücht hatte ihn davon überzeugt, dass die Piraten, die Tenel Ka angegriffen hatten, in Wirklichkeit Attentäter wären, die die amtierende Königin und ihre Jedi-Nachfolgerin beseitigen wollten, wenn sie nur der Haft entkommen und eine Gelegenheit erhalten würden.

Der sich auflösenden Nachricht zufolge hatte man Trisdins Leiche in der leeren Zelle der Piraten gefunden.

Und so hatte Trisdin den Tod des Verräters gefunden, als der er sich herausgestellt hatte. Am besten kam man mit Männern zurecht, so hatte Ta’a Chume beobachtet, indem man sie ihren natürlichen Neigungen nachgehen ließ.

Ihn dazu zu bringen, die Piraten zu »befreien«, war eine ausgesprochen bequeme Methode, sich des jungen Mannes zu entledigen − während es gleichzeitig den Zielen von Ta’a Chumes neuem Protege diente.

Da Jaina Hapes nun sicher verlassen hatte, wurde es Zeit zu handeln. Ta’a Chume griff nach einem dünnen Blatt Flimsy und schrieb eine ähnlich kryptische Antwort. Ein weiterer Gesandter musste ein weiteres Problem lösen, ein Problem, vor dem Ta’a Chume schon einmal gestanden hatte und an dessen Lösung sie damals gescheitert war, was sie noch heute bitter bereute.

Vor zwanzig Jahren hatte sich Han Solo geweigert, seine Prinzessin der hapanischen Königsfamilie zu überlassen. Diesmal würde Ta’a Chume dafür sorgen, dass er eine ganz andere Entscheidung treffen würde.