9
Jaina erwachte abrupt, obwohl kein Geräusch sie in ihrem tranceähnlichen Zustand störte. Sie setzte sich auf und schärfte die Sinne, um herauszufinden, was sie aufgeschreckt hatte.
Aber im Schiff war es ruhig, fast gespenstisch still. Für jemanden, der an das Brummen und Dröhnen von Maschinen gewöhnt war, hatte die Lautlosigkeit der Yuuzhan-Vong-Fregatte etwas Beklemmendes. Jaina war nicht sicher, weshalb genau sie das überraschte; denn schließlich, welches Geräusch erzeugte Schwerkraft schon? Sollte ein Schwarzes Loch ein lautes Schlürfen von sich geben, wenn ein Dovin Basal einen Protonentorpedo aufsaugte?
Sie rieb sich den Nacken, reckte sich und atmete tief durch. Und begriff, warum sie aufgewacht war.
Ein schwacher, doch scharfer Geruch hing in der Luft, ein Geruch, der keinem anderen glich, den sie kannte.
Jaina drückte sich von der Korallenbank hoch und eilte ins Cockpit.
Die Sterne bildeten Streifen, da das Schiff gerade den Hyperraum verließ. Der eigenartige Geruch musste eine Art Sensoranzeige sein.
Dann formten sich die Sterne zu scharf umrissenen Punkten, doch schwache Linien blieben − Sternenlicht, das von einem metallischen, bislang unsichtbaren Objekt gebrochen wurde.
Im Pilotensitz saß Zekk kerzengerade dem Sichtfenster zugewandt. »Da kommt was!«, rief er.
Jaina stellte sich hinter den Pilotensitz und blickte Zekk über die Schulter. Eine bunte Sammlung von Schiffen − von denen es sich bei einigen um hapanische handelte, die eher für Piraten und Schmuggler geeignet waren − hielt mit großer Geschwindigkeit direkt auf sie zu.
Ganner ließ sich auf dem Schützensitz nieder und schnitt eine Grimasse bei der Aussicht, auf Verbündete feuern zu müssen.
Zekk tippte an die Haube auf seinem Kopf. »Willst du übernehmen, Jaina?«
»Ich gehe zur Rettungskapsel. Solange Tenel Ka Hapes nicht erreicht hat, könnte es dauernd zu solchen Zusammenstößen kommen. Ganner, egal was passiert, du gibst ihr Deckung. Das hat absoluten Vorrang.«
»Ich kenne meine Aufgabe«, erwiderte er.
Jaina legte ihm kurz die Hand auf die Schulter, um ihm zu zeigen, wie gut sie sein Dilemma verstand, dann lief sie zum Heck der Fregatte. Tenel Ka stieg gerade in die schwarze samenförmige Rettungskapsel und lauschte aufmerksam den Ratschlägen, die Tahiri herunterratterte. Tesar, Alema und Tekli standen bei ihnen.
Das blonde Mädchen sah Jaina an, richtete sich auf und wich zurück.
»Du bist unsere Expertin, wenn man das so nennen darf«, erinnerte Jaina sie. »Für Animositäten haben wir jetzt keine Zeit. Bericht?«
Tahiri verzog das Gesicht und zuckte mit den Schultern. »Sie ist bereit. Ich würde lieber selbst einsteigen, aber es ist ihre Welt.«
»Tenel Ka?« Die Kriegerin bestätigte ihre Bereitschaft mit einem melancholischen Nicken.
»Kein Licht«, mahnte Jaina und deutete auf die fluoreszierenden, flechtenartigen Lebensformen, die in kleinen Kolonien das Innere der Kapsel besiedelten. »Nimm dir die Außenbezirke der königlichen Stadt als Ziel. Sonnenuntergang war vor ungefähr zwei Stunden, du hast also prinzipiell die Chance, ungesehen zu bleiben. Lande, so schnell du kannst und so dicht bei der Stadt, ohne Aufmerksamkeit auf dich zu lenken. Wir beschäftigen diese Schiffe draußen und verschaffen dir so viel Zeit wie möglich.«
Tenel Ka blickte Tahiri an. Die junge Jedi half der einarmigen Frau, die Kontrollhaube auf den Kopf zu setzen.
Tahiri trat zurück. Die Öffnung der Kapsel schob sich wie eine Irisblende zu, und das Minischiff löste sich ein wenig vom Boden.
Die Jedi entfernten sich. Zwischen ihnen und der Kapsel schloss sich eine Tür, und in der Außenwand öffnete sich ein Portal. Die Rettungskapsel schoss still ins dunkle Vakuum hinaus.
Jaina wollte zurück ins Cockpit, doch Tahiri trat ihr in den Weg. Das blonde Mädchen wirkte schwach, aber entschlossen.
»Was kann ich tun?«
»Geh zu Lowbacca«, schlug Jaina vor. »Er arbeitet noch am Verfolgungssystem. Du beherrschst die Sprache der Yuuzhan Vong besser als wir anderen. Vielleicht wird das Schiff gesprächiger, wenn es einen guten Zuhörer hat.«
Die Farbe wich aus dem Gesicht der jungen Jedi, doch ohne Zögern machte sie sich auf die Suche nach dem Wookiee.
Jaina verstand Tahiris Angst und respektierte, wie das Mädchen dagegen ankämpfte. Anakin hatte ihr einiges über die Flucht von Yavin 4 erzählt. Sie hatten ein Schiff gestohlen, und die Kontrollhaube hatte versucht, Tahiris wahres Ich zu umgehen und in die »Erinnerungen« einzudringen, die die Gestalter Tahiri implantiert hatten.
Interessant, dachte sie.
Die Fregatte ruckte und stampfte, als sie von hapanischen Geschossen bombardiert wurde. Jaina taumelte im Korridor von einer Wand zur anderen, während das Schiff rollte und schwankte.
Sie arbeitete sich zum Cockpit vor und riss Zekk die Pilotenhaube vom Kopf. »Du hast doch gesagt, ich würde meine Sache gut machen«, meinte er und grinste trocken. »Anscheinend habe ich gelogen«, erwiderte sie ironisch und setzte sich das Ding auf den Kopf. Zekk überließ ihr den Sitz, starrte jedoch weiterhin beunruhigt auf das Sichtfenster, während sich Jaina setzte.
Die Sensoren des Schiffes überfluteten sie mit Informationen, und keine davon verhieß etwas Gutes. »Hyperantrieb ist ausgefallen«, verkündete sie und begann mit einem Ausweichmanöver. »Dovin Basal ist fast erschöpft. Sieht aus, als müssten wir uns entscheiden, ob wir die Schilde benutzen oder fliehen wollen.«
»Fliehen«, schlug Alema vor.
Jaina gab ihr Bestes und steuerte durch das unaufhörliche Sperrfeuer von Lasern und Protonentorpedos. Verbissen lockte sie die Angreifer fort von Hapes, fort von Tenel Ka.
Alema seufzte erleichtert. »Du hängst sie ab. Gute Arbeit.«
Jaina beobachtete den Himmel hinter ihnen und nutzte die Rundumsicht, die die Haube lieferte. Die Distanz zwischen dem Yuuzhan-Vong-Schiff und den Angreifern nahm beständig zu. Dennoch dauerte der Beschuss an, obwohl sie bereits außer Reichweite waren. Jaina bemerkte eine leichte Abweichung von ihrem Kurs und legte ihn neu fest, auf einen kleinen schwarzen Punkt zu − ein winziges Schiff, das sie ohne das mörderische Hintergrundlicht übersehen hätte. »Hutt-Schleim! Sie haben Tenel Ka entdeckt«, sagte Jaina. Sie wendete und kehrte in den Kampf zurück. »Scheint so, als wäre sie in einen Schwarm Hornissen-Abfangjäger geraten«, sagte Ganner. »Bring mich näher ran. Aus dieser Entfernung kann ich sie allenfalls abschießen, aber nicht einfach nur kampfunfähig machen.«
Ein Aufschlaggeschoss näherte sich dem Schiff. Ganner feuerte Plasma ab, um es abzufangen, und Jaina zog scharf zur Seite und wich der anschließenden Explosion aus.
»Die hapanischen Piloten sind offensichtlich nicht so fürsorglich«, erwiderte sie.
Der ältere Jedi warf ihr einen ungläubigen Blick zu.
»Was willst du damit sagen?«
Jaina raste an ein paar hapanischen Schiffen vorbei, die nun ebenfalls den Kurs änderten und die Verfolgung fortsetzten. »Wenn du reden willst, gut, aber dann überlass den Stuhl jemandem, der bereit ist zu schießen!«
»Bring mich einfach nur näher ran und halt die Kiste stabil«, sagte Ganner.
Sie wendete die Fregatte in einem Looping und ging dann im Sturzflug zwischen den zwei Verfolgerschiffen nach unten. Das gegnerische Laserfeuer hielt den Dovin Basal beschäftigt, trotzdem steuerte Jaina stur geradeaus, damit Ganner schießen konnte.
Zweimal feuerte er mit Plasma auf die Verfolgerschiffe. Eine der Hornissen explodierte in einem Haufen von Metallteilen, die andere konnte dem Schuss ausweichen. Aber die Trümmer durchbohrten das dünne Metall der Flügel des dritten Schiffs, das daraufhin außer Kontrolle geriet.
Eine Welle von Entsetzen ging von Ganner aus, und sein nächster Schuss ging absichtlich weit daneben.
»Wir werden angegriffen«, mahnte Jaina ihn.
»Der Schuss war gut gezielt!«
»Sicher, wenn das Schiff die Größe eines Schlachtkreuzers gehabt hätte, wäre er genau ins Schwarze gegangen! Wenn du sie schon nicht treffen willst, dann setz ihnen wenigstens ein bisschen zu.« Der ältere Jedi wandte sich ab, biss die Zähne zusammen und schirmte seine Gedanken sorgfältig ab. Inzwischen feuerten die hapanischen Schiffe weiter auf die Yuuzhan-Vong-Fregatte. Tesar gab sich alle Mühe mit den Schilden, aber der Beschuss war zu heftig. Immer wieder wurde das Schiff durchgerüttelt, wenn Laserstrahlen Brocken aus dem Rumpf rissen. Jaina spürte, dass sich der Dovin Basal am Rande seiner Kräfte befand. Die Rettungskapsel schwebte in die Dunkelheit davon, und keines der hapanischen Schiffe folgte ihr. Jetzt befand sich Tenel Ka in Sicherheit, und Jaina flog eine Kurve und nutzte alle Energie, die das Schiff aufbringen konnte, zum Rückzug. Die hapanischen Schiffe verfolgten sie noch kurz, dann gaben sie auf. »Sie werden sich verteilen und alle über unsere Anwesenheit informieren«, sagte Alema düster. Die Twi’lek zeigte zum Sichtfenster. Draußen trieb in einer Wolke aus Metalltrümmern taumelnd das Wrack des Schiffes, das Ganner versehentlich getroffen hatte. Die Hornisse war zum Großteil intakt − nur das hintere Segment des Insektenkörpers fehlte. »Wenn wir das Schiff ausschlachten wollen, haben wir nicht viel Zeit.«
»Das Kom-System! Gute Idee«, stimmte Jaina zu. Sie wandte sich wieder dem Gefecht zu. Nach ein paar Experimenten gelang es Tesar, den Dovin Basal so zu kalibrieren, dass er mit seiner Schwerkraft das beschädigte Schiff heranziehen konnte.
Das Schiff war nicht mehr bemannt − vielleicht hatte der Pilot ausreichend Zeit gehabt, es zu verlassen. Aber die Steuerung schien intakt zu sein, und Lowbacca freute sich ungemein bei der Aussicht, wieder mit Platinen und Metall arbeiten zu dürfen.
Er brauchte nicht lange, um das zu finden, was sie benötigten. Mit einem triumphierenden Grölen kam er ins Cockpit, schleppte die ausgebaute Kom-Einheit und ein Energiepack herein. Er setzte das Gerät auf den Boden ab, stellte eine allgemein zugängliche Frequenz ein und reichte die Sprecheinheit Jaina.
»Hier spricht Leutnant Jaina Solo, Pilotin des Renegaten-Geschwaders, an Bord einer feindlichen Fregatte.
Bitte melden!«
Sie wiederholte den Funkspruch mehrere Male, ehe es zur Antwort aus den Lautsprechern knisterte. »Ich hätte niemals gedacht, dass statisches Rauschen so gut klingen kann«, murmelte sie.
»Hier spricht Hesha Lovett, Kapitän eines königlich hapanischen Schiffs«, verkündete eine weibliche Stimme. »Wir haben Berichte über ein Yuuzhan-Vong-Schiff in unserem Raum erhalten. Sind Sie das, Leutnant Solo?«
»Ich möchte nicht angeben, doch ja«, antwortete Jaina trocken. »Wir bitten um Landeerlaubnis. Je eher wir aus diesem Ding rauskommen, desto besser.«
Einen Moment herrschte Schweigen, dann erwachte das Kom knisternd erneut zum Leben. »Aber gewiss doch, Jaina. Alle Freunde von Tenel Ka sind auf Hapes willkommen, gleichgültig, in welcher Art Flugobjekt sie eintreffen.«
Jaina zuckte vor Überraschung zusammen. Die wohl tönende, kultivierte Stimme mit dem scharfen, abgehackten Akzent gehörte unverkennbar Ta’a Chume, der Großmutter von Tenel Ka.
Rasch durchkämmte sie ihre mentale Datenbank nach der angemessenen Anrede für ein Mitglied des hapanischen Königshauses. »Ich danke Ihnen, Königin. Ich war nicht sicher, ob man uns willkommen heißen würde. Wir waren gezwungen, auf hapanische Schiffe zu feuern.«
»Hornissen-Abfangjäger«, sagte die Frau abschätzig, »Höchstwahrscheinlich Piraten. Die Aufklärer, die den Kampf beobachtet haben, waren über deren Abwesenheit beinahe so unglücklich wie über die Ihre. Ist meine Enkelin bei Ihnen?«
Eigentlich hatte Jaina gehofft, sie wäre inzwischen von hapanischen Aufklärungsschiffen aufgelesen worden. »Nun, in gewisser Weise schon. Sie ist in einer Rettungskapsel vorausgeflogen. Bis wir aus einer der Hornissen eine Kom-Einheit bergen konnten, war jede Kommunikation für uns unmöglich.«
»Ich werde die Patrouillen informieren, dass sie nach meiner Enkelin Ausschau halten sollen. Wenn Sie möchten, landen Sie im königlichen Hafen und kommen direkt in den Palast. Ich werde dafür sorgen, dass man Sie erwartet und nicht versucht, Sie durch die Flüchtlingslager zu schleusen.«
»Flüchtlingslager?«
»Ja«, sagte die frühere Königin und drückte eine beachtliche Menge an Widerwillen mit diesem einen Wort aus. »Sie und Ihre Freunde werden jedoch meine Gäste sein. Ich treffe Sie dann im Palast.« Jaina schoss durch den Kopf, wie überraschend, vielleicht sogar verdächtig erpicht die frühere Königin auf ihre Ankunft war.
Ihr erster Gedanke war, nach dem Grund zu fragen. Doch eine Kindheit, die sie unter der Vormundschaft eines Protokolldroiden verbracht hatte, ließ sich nicht so leicht ablegen. Leia Organa Solos Tochter wechselte noch die angemessenen Höflichkeitsfloskeln mit Ta’a Chume, überlegte sich jedes Wort und hörte so aufmerksam zu, wie sie es im Laufe der Jahre immer wieder bei ihrer Mutter beobachtet hatte. Aber Ta’a Chume war in dieser Hinsicht nicht weniger begnadet, und als das Gespräch endete, musste Jaina einräumen, dass das Spiel unentschieden ausgegangen war.
Sie ließ sich in den Pilotensitz fallen. »Ta’a Chume hat irgendetwas vor.«
»Woher weißt du das?«, fragte Ganner.
Sie zuckte mit den Schultern. »Hat sie immer.« Das glückliche Grölen eines Wookiee erfüllte das Cockpit. Lowbacca wirbelte herein und vollführte mit Tahiri einen Freudentanz. Er setzte sie ab und deutete mit einer dramatischen Geste auf das Navihirn. »Wir haben es geschafft«, sagte Tahiri bemüht, doch ohne Überzeugungskraft.
»Hast du Tenel Ka gefunden?«
Lowbacca grinste und ließ sich in den Navigatorsitz fallen. Er stülpte sich die Haube über den Kopf und zog die massigen Schultern erwartungsvoll nach vorn. Jaina spürte durch die Macht eine Woge der Besorgnis. Unter der Kontrollhaube richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Navigieren. Die Antwort kam in Form eines schwachen mentalen Bildes, eines Schattens dessen, was Lowbacca sehen musste.
»Die Rettungskapsel bewegt sich von Hapes fort!«, sagte sie. »Entweder ist sie vom Kurs abgekommen, oder jemand schleppt sie ab.«
Der Wookiee stöhnte zustimmend und setzte den Kurs für die Verfolgung.
Tenel Ka spürte einen plötzlichen Stoß, hörte das Kratzen von Enterhaken, die sich an einer Unregelmäßigkeit des Korallenrumpfes verfingen. Der Augenblick der Gefangennahme löste eine Flut schlechter Erinnerungen aus. Schmerz, Verlust und Zorn − die Emotionen, die in den Tagen auf dem Weltschiff der Yuuzhan Vong hervorgerufen worden waren − überschwemmten die Jedi wie ein reißender Strom.
Sie hörte ein mechanisches Surren und begriff dessen Bedeutung. Mit kleinen Bohrern wurde die Rettungskapsel an den Enterarmen befestigt. Yuuzhan Vong würden ihre Hände mit solchen Maschinen nicht verunreinigen.
Beruhigt nahm sie die Kontrollhaube ab und zupfte ihre Kriegerzöpfe so gut wie möglich zurecht.
Jetzt, da ihr die Bürde genommen war, weiter in der Kapsel zu fliegen, senkte sie die Schilde, die sie zwischen sich und dem winzigen lebenden Schiff errichtet hatte. Sie benutzte die Macht nur, wenn es unbedingt notwendig war. Aber nach ihrer Denkweise war eine gewisse Distanz zwischen sich und den Yuuzhan Vong sowie ihren Geschöpfen absolut unerlässlich.
Plötzlich wurde ihr unabgeschirmter Geist von einer vertrauten Mischung aus Wärme und Humor, Freundschaft und Niedergeschlagenheit erfüllt.
»Jacen«, sagte sie verwundert und spürte, dass sich diese Präsenz mehr an sie richtete als an andere.
Einen Moment lang war Tenel Ka glücklich, ein Gefühl, das sie für illusorisch gehalten hatte seit dem Tag, an dem sie begriffen hatte, dass Jacen sie wie einen alten Freund betrachtete. Aber Glück ist ein Geschenk, das ebenso flüchtig wie süß ist. Das Licht, das Jacen darstellte, begann zu flackern und flammte dann schmerzhaft in weißer Hitze auf.
Tenel Ka schrie trotz ihres stoischen Mutes und ihrer hervorragenden Ausbildung vor Schmerz und Wut auf.
Ihre Zurückhaltung löste sich auf, und die Emotionen, die sie ein Leben lang sorgsam kontrolliert und abgeschirmt hatte, brachen aus ihr hervor wie Lava aus einem Vulkan auf Dathomir. Wie von Sinnen schlug sie gegen die Wände ihres Gefängnisses, drosch mit ihrer Faust gegen die Koralle, fest entschlossen hinauszugehen, Jacen zu erreichen, zu kämpfen und ihn zu befreien.
Dann erlosch das Licht, und dessen Abwesenheit war ein Hieb, der sie noch verheerender traf als der erste.
Für einen Augenblick hockte Tenel Ka betäubt und stumm in der plötzlichen Dunkelheit. Ihre Lippen bewegten sich und formten Worte der Verleugnung, die sie nicht aussprechen konnte, weil ihr ein dicker Kloß im Hals saß.
Die Rettungskapsel setzte mit einem Rums auf dem Schiffsdeck auf. Schneidewerkzeuge brummten, während sie sich in die Koralle gruben. Müde betrachtete Tenel Ka die abgelegte Kontrollhaube. Sie könnte sie wieder aufsetzen und den Rumpf mit einem Gedanken öffnen. Ihre Nerven lagen jedoch so blank, dass sie es jetzt nicht ertragen würde, mit dem Schiff eine Verbindung einzugehen.
Ein Riss zog sich durch die Wand, und ein Brocken Koralle fiel Tenel Ka in den Schoß. Sie schob ihn zur Seite und löste das Lichtschwert vom Gürtel.
»Zurücktreten da draußen«, befahl sie und nahm staunend zur Kenntnis, wie kontrolliert ihre Stimme klang.
Ein helles türkises Licht sprang aus dem Griff. Sie erledigte den Schnitt rasch und erhob sich daraufhin, wobei sie die Waffe zwar nicht drohend, aber doch bereit in der Hand hielt, nur für alle Fälle.
Wenigstens ein Dutzend Leute hatte sich um die Kapsel versammelt, alle Menschen und eindeutig Hapaner. Tenel Kas Vorfahren waren Piraten gewesen, die miteinander den ständigen Wettstreit geführt hatten, die schönste Lebensgefährtin zu finden. Was zunächst nur dazu gedient hatte, kulturelles Prestige zu erwerben, hatte sich zu einer Art selektiver Zucht entwickelt. Im Allgemeinen waren deshalb die Menschen von Hapes größer und attraktiver als die Bewohner der anderen Welten im Hapes-Cluster. Sämtliche ihrer Retter waren hoch gewachsen und gut aussehend, obwohl einige durchaus bessere Kleidung hätten gebrauchen können. Sie standen schweigend da, vielleicht aus Überraschung darüber, eine Jedi-Kriegerin anstelle der erwarteten Yuuzhan Vong vorzufinden. Tenel Ka blickte mit kühlen grauen Augen in die Runde. Mehrere Mitglieder der Mannschaft trugen Rot, was sie als Angehörige der königlichen Wache kennzeichnete. Auch einige übel aussehende Zivilisten befanden sich unter ihnen, alle mit zerschlissener oder ausgebleichter roter Kleidung am Leib. Selbst jene, die in die weiße Uniform der Konsortiumsflotte gekleidet waren, hatten ein wenig Rot an sich, wenn es auch nur ein emaillierter Anstecker oder ein Halstuch war. Dieser Ausdruck von Solidarität ließ die Alarmsensoren in ihrem Hinterkopf schrillen. »Was ist dies für ein Schiff?«, verlangte sie zu wissen. Einer der Männer, ein großer blonder Kerl, der entfernt ihrem Vater ähnelte, verneigte sich spöttisch vor ihr. »Willkommen an Bord der Starsprite, Prinzessin. Sie befinden sich auf einem Beta-Kreuzer, der ehemals zur hapanischen Flotte gehörte.«
Tenel Ka kniff die Augen zusammen, als sie dies hörte. Der Beta-Kreuzer war ein kleines Schlachtschiff, das weitaus besser zu manövrieren war als die wesentlich größeren Kreuzer der Nova-Klasse. Sie waren in großer Zahl bei Fondor zum Einsatz gekommen. Wenige hatten die Katastrophe überstanden. Höchstwahrscheinlich setzte sich diese Mannschaft aus den Überlebenden verschiedener Besatzungen zusammen: Deserteure aus der Schlacht von Fondor sowie Schmuggler, die ihr Auskommen durch die Invasion der Yuuzhan Vong bedroht sahen.
Über die Begrüßung war sie nicht überrascht. Die meisten Hapaner würden in einer einarmigen Jedi mit rotgoldenem Haar ihre Prinzessin erkennen, die keine Prinzessin sein wollte. Da es sich um Piraten und Deserteure handelte, also nicht gerade um Männer und Frauen von Ehre, nahm Tenel Ka an, sie planten, ein möglichst hohes Lösegeld herauszuschlagen. Doch noch während sich dieser Gedanke in ihrem Kopf formte, wurde er von der Feindseligkeit verdrängt, die ihr entgegenschlug. Mit einem heißen Stich überkam sie die Erkenntnis. »Sie sind Ni’Korish«, fauchte sie und nannte damit eine Gruppe, die von ihrer Urgroßmutter inspiriert worden war, einer Königin, die die Jedi gehasst und ihr Bestes gegeben hatte, sie zu vernichten. »Ich habe Gerüchte über einen versuchten Staatsstreich gehört, einen Angriff von Feiglingen, die im Schatten lauern. Das sind Sie?«
Der Deserteur antwortete mit einer weiteren spöttischen Verneigung.
»Sagen Sie mir, wie ist es den Ni’Korish ergangen? Lebt meine Mutter noch?«, wollte sie wissen. »Bedauernswerterweise ja«, erwiderte der Anführer. »Aber sie wird nicht mehr lange auf dem Thron sitzen.« Tenel Ka schenkte ihm ein grimmiges Lächeln. »Sie schätzen sie falsch ein, wenn Sie glauben, sie würde im Tausch gegen meine Freilassung abdanken, und Sie beleidigen mich, wenn Sie glauben, ich würde mir meine Freiheit zu diesem Preis erkaufen.« Er lächelte sie an, hart und kalt wie das Grinsen eines Reptils. »Wir würden niemals die Königin oder ihre Jedi-Tochter beleidigen. Allerdings scheren sich die Yuuzhan Vong nicht so sehr um Angelegenheiten des Protokolls.« Es war klar, worauf er hinauswollte. Tenel Ka nahm das Lichtschwert in Paradeposition. »Noch bin ich nicht Ihre Gefangene.«
»Prinzessin, Sie verletzen mich!«, protestierte er und legte eine Hand aufs Herz. »Wir werden Sie unversehrt nach Hapes zurückbringen. Wenn wir auch Deserteure sind, sind wir doch keine Verräter. Wir brauchen lediglich Ihre Unterstützung bei der Suche nach Jacen und Jaina Solo. Wenn Sie eine wahre Prinzessin von Hapes sind, werden Sie uns mit Freuden helfen, es jenen heimzuzahlen, die Centerpoint gegen die hapanische Flotte gerichtet haben.«
Zorn wallte in Tenel Ka auf, doch sie beherrschte sich. »Wissen Sie, was einem Botschafter der Neuen Republik passiert ist, der den Yuuzhan Vong in die Hände gefallen ist? Er wurde ermordet, und seine Knochen wurden mit Edelsteinen und Gold verziert und an seine Freunde zurückgeschickt. Ich würde niemanden einem solchen Schicksal ausliefern, und schon gar nicht einen Freund!«
Die Miene des Mannes verdüsterte sich, und er sah zu einer Gruppe uniformierter Männer. »Dann fürchte ich, müssen wir Sie dazu zwingen. Wenn Jaina Solo genauso denkt wie Sie, ist sie vielleicht bereit, sich uns im Austausch gegen Ihre Freiheit zu stellen.«
»Dazu bekommt sie keine Chance.«
Ehe einer der Hapaner die Waffe ziehen konnte, ging Tenel Ka mit ihrer türkisen Klinge auf sie zu wie ein Protonentorpedo.
Im ersten Augenblick wichen alle im Frachtraum zurück, eingeschüchtert vom Zorn in den grauen Augen der Jedi und der flammenden Waffe in ihrer Hand.
Doch der Anführer der Ni’Korish zog ein Vibromesser aus dem Gürtel, und die anderen erinnerten sich ebenfalls daran, dass sie Waffen hatten.
Sie traten vor und umzingelten Tenel Ka.