12

Die jungen Jedi versammelten sich im Cockpit des Schiffes, das Jaina Trickster getauft hatte, und beobachteten schweigend, wie sie sich auf ein großes hapanisches Schiff zu bewegten. Das Schiff entfernte sich stetig von Hapes fort.

»Nun, das dürfte interessant werden«, sagte Tahiri. Jaina stimmte stillschweigend zu. »Bist du sicher, die haben Tenel Ka?«

»Sie wurde an Bord genommen, ja. Das Schiff ist mechanisch, nicht organisch. Das sind gute Neuigkeiten.«

»Aber keine Garantie für Sicherheit«, fügte Ganner hinzu. »Nach allem, was wir wissen, können sie zur Friedensbri…«

Er unterbrach sich abrupt und zog eine Miene, als hätte ihm jemand gerade mit einem Hydroschrauber einen Hieb zwischen die Augen versetzt. Ehe Jaina begriff, explodierte grellweißer Schmerz heiß in ihren Sinnen. Sie riss die Kontrollhaube herunter, aber der Schmerz ließ nicht nach. Dunkel begriff sie, dass er nicht vom Schiff ausging, sondern von den anderen Jedi an Bord. Sie fühlte alle anderen, und gemeinsam formten sie einen einzigen Gedanken:

Jacen. Die Anspannung endete abrupt, und das Gefühl verschwand.

Einen Augenblick lang saß Jaina wie erstarrt da und brachte kein Wort heraus. Jacen war in der Macht erschienen − aber nicht ihr.

Jaina konnte akzeptieren, dass ihre Trauer und ihr Zorn Jacens Fähigkeit blockierten, Kontakt zu ihr herzustellen. Doch während Jaina von einem der benommenen Gesichter zum anderen sah, erkannte sie eine schlimmere Wahrheit. Der Tod ihres Bruders stand Lowbacca in das pelzige Gesicht geschrieben, Tekli in die schwarzen Augen. Sie alle strahlten Leid aus.

Jaina war sich dunkel bewusst, wie Zekk sie zur Seite schob und den Pilotensitz einnahm. Sie sank an die raue Wand. Der Strudel ihrer Gedanken wollte die Wahrheit leugnen und zurückweisen, die sie weder fühlen noch akzeptieren konnte.

Dann traf sie ein zweiter Sturm, eine tosende Raserei, die von Tenel Ka ausging. Jaina spürte den emotionalen Orkan der anderen Frau, wie sie mit den Händen gegen die Wände ihrer Rettungskapsel schlug. Aber warum fühlte sie selbst nichts? Tenel Kas Trauer schlug in Zorn um. Das hatte Jaina ebenfalls erlebt, mit der gleichen betäubten Gleichgültigkeit. Ein Teil von ihr war schockiert über die Tiefe und Intensität der Reaktion von Tenel Ka. Sie hatte sich Sorgen über die Art und Weise gemacht, in der ihr Vater auf den Tod von Chewbacca reagiert hatte, doch Hans Leugnung und Gleichgültigkeit ergaben für Jaina mehr Sinn als dieser Wahnsinn eines gebrochenen Herzens. Vielleicht war ihre Familie kein verlässlicher Maßstab für solche Dinge. Den Skywalkers und Solos waren Konflikte nicht fremd, und sie waren bereits in jungen Jahren damit vertraut gemacht worden. Was Beziehungen anging, schienen alle jedoch ein wenig vage hinsichtlich der Koordinaten zu sein. Ihre Mutter, die durch Ausbildung und Erfahrung darauf konditioniert war, an erster Stelle in der Neuen Republik zu stehen, hätte beinahe Prinz Isolders Heiratsantrag angenommen. Leia hatte gewusst, dass Han sie liebte, doch irgendwie hatte sie den Zugangskode zu ihren eigenen Emotionen verlegt. Hatte Jacen das Gleiche getan? Hatte er Tenel Ka geliebt und es sich nie eingestanden?

Ja, entschied Jaina wie betäubt. Das sah ganz nach Jacen aus − ständig über hundert ferne Sonnen nachzudenken, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was direkt vor ihm lag.

Wie sie selbst es tat. Unter großer Anstrengung drückte sich Jaina von der Wand ab.

»Tenel Ka ist immer noch dort draußen«, sagte sie. »Wir müssen uns auf sie konzentrieren.« Einen Moment lang richteten sich alle Blicke auf Jaina. Eine Symphonie von Emotionen, die von Unglauben über Wut zu Mitleid reichten, wogte über sie hinweg. Ganner erlangte als Erster die Fassung zurück. Er warf sich in den Schützensitz. »Exakt. Holen wir sie uns.« Tesar zischte zustimmend und huschte zu seiner Station, und sein mit Schuppen überzogener Schwanz scharrte über den rauen Korallenboden. Auch die übrigen Jedi machten sich an die Arbeit oder schnallten sich für die Verfolgung an.

Während sie sich dem hapanischen Schiff näherten, bemerkten sie den kleinen Schwarm Hornissen hinter ihm. Angesichts der Yuuzhan-Vong-Fregatte flohen sie jedoch in alle Richtungen.

»Sie haben die Rettungskapsel«, bestätigte Zekk. »Haben sie gerade durch die Luke reingeholt.« Ganner fluchte leise. »Was würde ich jetzt für eine gute Ionenkanone geben. Irgendetwas, womit man das Steuer zerstören kann, aber nicht das ganze Schiff vernichtet.«

»Machtblitz«, schlug Jaina vor. »Oh, großartig«, murmelte Tahiri. »Wie eine richtige Sith?«

»Ich meine es ernst.« Jaina legte Zekk eine Hand auf die Schulter. »Wir können das machen. Du warst auf der Schattenakademie. Sie müssen es dir doch beigebracht haben.«

Er nahm die Haube ab und starrte sie an, als traue er es seinen Ohren nicht zu, diese Nachricht ohne weitere Daten richtig zu dekodieren. Doch während er sie betrachtete, zeigte sich das Entsetzen in seinen grünen Augen.

Selbst Lowbacca blickte sie seltsam an. Von dem hapanischen Schiff wurde ein Laser abgeschossen und schnitt jede Erwiderung ab, die einer der Jedi hätte machen können.

Jaina richtete den Blick an die Decke des Cockpits.

»Also gut, ich habe eine andere Idee. Rutsch rüber.«

Rasch überließ Zekk ihr den Pilotensitz. Jaina zog die Haube über den Kopf und überzeugte den Dovin Basal, den Schild fallen zu lassen und stattdessen mit einem langsamen, beständigen Ziehen zu beginnen. Das Schiff bebte und zitterte, während das Feuer der Hapaner ihr Ziel fand.

Alema Rar beugte sich über Jainas Schulter und betrachtete das näher kommende Schiff. »Du hast sie im Griff, aber wie sollen wir zu Tenel Ka gelangen ohne Rettungskapsel oder Vakuumanzug?«

»Sie kommt zu uns«, verkündete Jaina und wandte den Blick nicht von dem hapanischen Schiff ab. »Festhalten!«

Die Twi’lek ließ sich prompt auf den Boden fallen, ihre Lekku zuckten voller Besorgnis. Das Frachtschiff wurde zwar langsamer, als es sich der Trickster näherte, doch der Aufprall war trotzdem so heftig, dass die Fregatte zu schwanken begann und Korallenstaub auf die Konsole herunterrieselte. Alema erhob sich wieder und nieste heftig mehrmals.

»Wenn dieser Krieg vorbei ist, mache ich Urlaub auf Mon Calamari«, verkündete sie und wischte sich die Tränen aus den Augen.

»Klingt hervorragend«, meinte Zekk abwesend und starrte weiterhin die junge Pilotin an. »Ich werde das größte Korallenriff auf dieser Welt finden«, fügte Alema grimmig hinzu, »und das werde ich in die Luft jagen.«

»Darüber kannst du dir später Gedanken machen«, schlug Jaina vor.

Über die Haube gab sie dem Schiff den Befehl, das andere aufzubrechen. Aus der Wand hinter dem Cockpit sickerte eine viskose Flüssigkeit, die dem Blorash-Gallert der Yuuzhan Vong ähnelte, und umriss ein ovales Portal. Übler Dampf stieg auf, als die Lösung sich durch den lebenden Rumpf arbeitete.

Der Wookiee trat näher und wollte zusehen. Er sprang zurück, als ein fast zwei Meter großes Stück Koralle in den Korridor kippte. Die rauchenden Kanten waren glatt wie Transparistahl. Gelbes Zeug sickerte weiterhin aus den Schiffswänden und fraß sich schnell durch den Keramik und Metallrumpf des gefangenen Frachters. Die geschmolzene Substanz härtete rasch aus und bildete eine feste, luftdichte Verbindung zwischen den beiden Schiffen.

Nachdem der Dampf sich verzogen hatte, stieß Lowbacca prüfend gegen das Portal. Mit einem zufriedenen Brüllen drehte er sich zur Seite und trat fest dagegen. Die »Tür« brach zur anderen Seite durch und riss zwei Menschen in roten Uniformen mit zu Boden. Lowbacca ging über sie hinweg und zündete sein bronzefarbenes Lichtschwert. Die anderen Jedi liefen ebenfalls durch das Portal und gesellten sich dem Wookiee zur Seite. Ein doppeltes Ping erklang, als Blasterblitze sie willkommen hießen. Tenel Kas türkise Klinge wehrte beide Schüsse ab, ehe ihre »Retter« reagieren konnten.

Jaina drängte vor, stieg über die drei am Boden liegenden, rot gekleideten Söldner und stürzte sich in den Kampf. Zumindest sechs Menschen lagen auf dem Boden, manche stöhnten leise. Einer rührte sich noch und wollte sich gerade hochstemmen. Lowbacca stellte ihm den pelzigen Fuß auf den Rumpf und stieß mit solcher Wucht zu, dass der Mann über den glatten Boden rutschte. Mit lautem Krachen landete er Kopf voran an einem Metallschrank.

Tenel Ka schritt ohne einen Blick an dem Wookiee vorbei und bewegte sich auf die beiden letzten Männer zu, die noch standen − große, blonde Kerle in roter Uniform und mit Kampfausrüstung.

Der eine warf einen leeren Blaster zur Seite und holte einen Betäubungsstock aus dem Waffengurt. Der andere nahm eine Haltung ein wie ein hapanischer Kickboxer.

Jaina hielt die Jedi mit einer Geste zurück. »Überlasst ihr das. Ich habe so das Gefühl, dass sie das jetzt braucht.

Tut mir Leid, Alema.« Die Twi’lek zuckte nur mit den Schultern und blieb stehen.

Tenel Ka brachte ihr Lichtschwert in eine hohe Position und schaltete es ab. Ohne einen Blick nach hinten warf sie Tahiri die Waffe zu. Die junge Jedi fing das Schwert geschickt auf, und ihre Lippen bewegten sich, als sie still eine Ermutigung murmelte.

Der Kickboxer machte eine Drehung, täuschte zwei schnelle Stöße an und trat dann hoch nach Tenel Kas Kopf. Sie bückte sich und wehrte den Tritt mit dem Metallband ab, das sie am Ende ihres abgetrennten Arms trug. Sie drehte den Körper in den Hieb, um mehr Kraft in ihre Verteidigungsstellung zu legen und sich selbst in Angriffsposition zu bringen. Dann trat sie ihrem Gegner hart vor die Brust.

Der taumelte rückwärts und war überrascht, mit welcher Wucht der Tritt dieser kleinen Frau ihn getroffen hatte. Tenel Ka kam vor, ließ sich plötzlich fallen und setzte zu einem Beinfeger an. Ihr Gegner sprang über den Angriff hinweg, leicht und schnell. Die Jedi drehte sich auf die Seite, trat erneut zu und traf ihn nun am Knie, als er landete. Der Mann ging zu Boden.

Tenel Ka vollführte eine doppelte Rolle, um etwas Distanz zu gewinnen, und erhob sich geschmeidig. Inzwischen war auch ihr Gegner wieder auf den Beinen und stürmte auf sie zu.

Sie stellte sich ihm, vollführte im Sprung eine Drehung und schlug ihm den rechten Fuß direkt ins Gesicht. Sie holte mit dem linken Fuß aus und traf den Mann knapp unter dem Brustkorb. Als sie fiel, rollte sie sich zur Seite. Der hapanische Kämpfer taumelte rückwärts zur Wand und rutschte daran nach unten.

Tenel Ka kam geduckt hoch und fixierte ihren letzten Gegner. Der griff mit dem Betäubungsstock an.

Die Jedi streckte die Hand aus. Tahiri warf ihr das Lichtschwert zu. Es drehte sich im Flug zweimal und landete dann in Tenel Kas wartender Hand. Ein Strom türkisfarbenen Lichts schoss dem Angreifer entgegen, der abrupt kurz vor der Klinge stehen blieb, die direkt auf seine Kehle zeigte.

Instinktiv schlug er mit dem Betäubungsstock nach dem Strahl. Das Metallende wurde sauber abgetrennt, und Funken sprangen aus der zerstörten Waffe. Die blonden Haare stellten sich wie Stacheln auf, die Augen glänzten. Die Waffe fiel dem Mann aus der heftig zitternden Hand, und er wankte benommen zurück. Tenel Ka erhob sich und folgte ihm Schritt um Schritt, das Lichtschwert weiterhin auf die Kehle gerichtet.

Jaina spürte ein kollektives Aufwallen von Entsetzen der anderen Jedi. Ungeduldig setzte sie sich darüber hinweg und drängte Tenel Ka, weiterzumachen und die Sache zu Ende zu bringen.

Ihr Gedanke musste Tenel Ka erreicht haben. Die Kriegerin hielt plötzlich inne und suchte mit den grauen Augen Jainas Blick. Sie zog die Klinge von der Kehle des Mannes zurück und schaltete sie ab, wobei sie den Blick nicht von der alten Freundin abwandte.

Einen Augenblick lang waren sie offen füreinander.

Jaina spürte den Zorn der anderen Frau, doch auch ihre Entschlossenheit. Tenel Ka betrachtete diese Männer als Verräter an Hapes und sah ihre Pflicht als Jedi-Ritter und Tochter der hapanischen Königin darin, dafür zu sorgen, dass man entsprechend mit ihnen verfuhr. Jaina war sicher gewesen, Tenel Ka brauchte einfach nur ein wenig Dampf abzulassen; jetzt spürte sie, wie sehr sie sich getäuscht hatte.

Auch spürte sie die Frage, die von Tenel Ka kam, ein feines Forschen, so wie ein Jedi es vielleicht einsetzte, um einen Fremden einzuschätzen. Und dann war auch das verschwunden. Die eindrucksvollen Schilde der Kriegerin waren wieder positioniert.

Jainas innere Schilde verfestigten sich ebenfalls, und sie nickte beifällig. »Gut für dich«, sagte sie, und ihr Blick galt sowohl Tenel Ka als auch der Twi’lek. »Warum Energie mit hilflosen Korallenriffen und hapanischen Piraten verschwenden?«

Das unheimliche Licht in den Augen der Twi’lek flackerte. Der Blick, den sie Jaina zuwarf, gehörte zu der Sorte, die zwischen verwandten Seelen oder vielleicht Verschwörern getauscht wurden.

»Heb es dir für die Vong auf«, stimmte Alema zu.