Gürteltiere und Nandus

Argentinien hat eine faszinierende Fauna, dort findet man ein ganz anderes Tierleben als sonst in Südamerika. Da fast das ganze Land aus weiten Grasflächen, den sogenannten Pampas, besteht, passen sich natürlich alle Geschöpfe dem Leben auf der offenen Ebene an. Die Pampas in Argentinien sind auffallend flach; steht man an einem Fleck, so dehnt sich das große Grasland nach allen Seiten so glatt wie ein Billardtisch, bis es sich am Horizont mit dem Himmel vereint. In dem hohen Gras wachsen Riesendisteln, die außer in der Größe unserer Distel ähneln. Sie werden beinahe meterhoch, und es ist ein wundervoller Anblick, wenn die Disteln blühen; dann scheint das grüne Gras von rotem Nebel bedeckt zu sein.

Die Jagd ist in diesem offenen Grasland nicht so einfach, wie man zuerst annehmen mag. Die Tiere leben nämlich in Erdlöchern und wagen sich nur bei Nacht hinaus. Außerdem gibt es sehr wenig Deckung in Form von Sträuchern oder Bäumen, und so kann die Beute den Jäger meistens schon von fern erspähen. Und wenn sie ihn nicht sieht, wird sie wahrscheinlich von dem schnellen Regenpfeifer gewarnt werden, der vom Standpunkt des Tiersammlers aus der lästigste Vogel der Pampa ist. Es ist ein sehr hübscher Vogel, ähnlich dem Kiebitzregenpfeifer der Alten Welt, mit seinem schwarzweißen Gefieder, und er tritt immer paarweise auf. Die Regenpfeifer haben bemerkenswert scharfe Augen und sind außerordentlich mißtrauisch; wenn irgend etwas Ungewöhnliches in ihrem Blickfeld auftaucht, stieben sie vom Boden auf und kreisen in der Luft, dabei ihr schrilles warnendes «Tlieji-tlieji-tlieji» ausstoßend, das jedes Tier meilenweit in der Runde auf der Hut sein läßt.

Zu den gewöhnlichsten Geschöpfen, die man in diesen großen Grasgebieten findet, gehört das Borstengürteltier. Diese Hartgürteltiere leben in gangförmigen, selbstgegrabenen Höhlen, die sich bis zu zehn oder dreizehn Meter unter der Erdoberfläche erstrecken können, und wenn das Borstengürteltier, das nachts hervorkommt, durch irgend etwas gestört oder beunruhigt wird, stürzt es schnurstracks zu seiner Höhle und verschwindet in Sicherheit. Natürlich muß man sich nachts auf die Jagd begeben, vorzugsweise in einer mondlosen Nacht.

Wir ritten von der Ranch, wo wir uns aufhielten, zu einer möglichst weit abgelegenen Stelle. Von dort folgten wir, bewaffnet mit Taschenlampen, zu Fuß den Jagdhunden, die sich darauf verstanden, die Gürteltiere aufzustöbern. Man muß sehr schnell laufen können, wenn man Gürteltiere jagen will, denn die Hunde springen meistens voraus und rennen kreuz und quer mit der Nase am Boden. Sowie sie ein Gürteltier gefunden haben, geben sie Laut, worauf die Beute zur sicheren Höhle zurückrast. Ist die Höhle in der Nähe, so besteht kaum eine Möglichkeit, das Tier zu fangen.

Als wir zum erstenmal auf Borstengürteltiere Jagd machten, fingen wir gleichzeitig einige andere Exemplare der Pampafauna.

Wir hatten etwa drei Kilometer zurückgelegt, sorgsam die großen Disteln meidend, die wie die Spieße eines Stachelschweins stechen konnten, wenn man ihnen zu nahe kam, da hörten wir plötzlich die Hunde weiter vorn bellen. Sofort schlugen wir alle einen Laufschritt an, stolperten und sprangen über die Grasbüschel und wanden uns zwischen den Disteln durch. Es war so dunkel, daß ich mehrmals geradenwegs in einen Distelbusch lief, so daß ich vollständig zerstochen war, als ich die Stelle erreichte, wo die Hunde ihre Beute umtanzten. Sie drängten sich in ehrerbietigem Abstand um irgend etwas im Gras. Im Schein unserer Taschenlampen sahen wir ein Geschöpf von der ungefähren Größe einer Katze sehr trotzig dort stehen; es hatte ein glänzendes Fell von schwarzer Grundfarbe und vom Scheitel bis zum Schwanz über den Rücken laufend eine weiße Streifenzeichnung. Es war ein Surilho, das Stinktier Südamerikas.

Es beobachtete uns ohne eine Spur von Unruhe, offensichtlich überzeugt, daß es mit uns und den Hunden leicht fertig werden könnte. Ab und zu schnaubte es ein wenig, und dann vollführte es ein paar kleine Sprünge auf uns zu. Wenn wir uns zu nahe heranwagten, zeigte es uns sein Hinterteil, wobei es warnend über die Schulter blickte.

Die Hunde, die recht gut wußten, daß das Stinktier sie mit seinem übelriechenden Sekret bespritzen konnte, hielten klug Abstand; doch als es allzusehr prahlte, ergriff einer der Hunde bedenkenlos die Gelegenheit, vorzustoßen, und versuchte nach ihm zu schnappen. Das Stinktier sprang bolzengerade in die Luft und drehte sich in der gleichen Bewegung um, so daß es dem Hund das Hinterteil zukehrte, und in der nächsten Minute wälzte sich der Hund winselnd im Gras und rieb sich mit den Pfoten das Gesicht, während die kalte Nachtluft vom durchdringendsten und denkbar widerlichsten Gestank erfüllt wurde.

Obwohl wir etwas entfernt standen, wichen wir hustend und keuchend zurück, und die Tränen liefen uns über die Wangen, als ob wir mit tiefem Atemzug an einer Flasche Ammoniak gerochen hätten.

Nach dieser Machtentfaltung trabte das Stinktier auf die Hunde zu und vollführte in ihrer Richtung ein paar kleine Hüpfer, die bewirkten, daß sie alle davonstoben. Dann drehte es sich um und ging mit uns ebenso vor, worauf wir ebenso schnell wie die Hunde die Flucht ergriffen. Nachdem das kleine Tier den Kreis durchbrochen hatte, ließ es den hübschen Schwanz ein paarmal auf und ab schnellen und sprang mit einem selbstzufriedenen Ausdruck durchs Gras davon.

Da wir keineswegs den Wunsch hegten, mit ihm nähere Bekanntschaft zu schließen, riefen wir die Hunde ab und setzten unseren Weg fort. Der Hund, der von dem Stinktier bespritzt worden war, roch nach dieser Begegnung noch drei bis vier Tage fürchterlich, wenn auch allmählich immer schwächer; doch als wir weiterzogen, begleitete uns der Skunksgestank, der am Fell des Hundes hing, durch die Nacht.

Es ist schwierig, Stinktiere zu fangen und sie in Gefangenschaft zu halten. Läßt man ihnen die Stinkdrüsen, so können sie jederzeit ihre übelduftende Flüssigkeit ausspritzen, wenn sie erschreckt werden. Diese Drüsen kann man durch eine einfache Operation entfernen, aber wirklichen Erfolg hat man damit nur bei einem jungen Exemplar.

Einige Zeit später veranlaßte uns das Hundegebell abermals zu einem wilden Lauf durch Gras und Disteln, und diesmal hatte unser Rudel wirklich ein Gürteltier aufgestöbert, das seiner Höhle zuschoß, so schnell es die kurzen Beine zu tragen vermochten, während die Hunde, vor Aufregung wild kläffend, nebenher liefen und nach seinem Rücken schnappten, ohne jedoch gegen seinen Panzer etwas auszurichten. Wir fingen es ohne Mühe, denn wir holten es einfach ein, packten es am Schwanz, hoben es hoch, und bald darauf hatten wir es sicher in einem Sack. Höchst ermuntert durch unseren ersten Fang jagten wir eifrig weiter, da wir noch eins zu fangen hofften; aber unsere nächste Begegnung spielte sich mit einem ganz anderen Geschöpf ab.

Wir waren den Hunden nahe auf den Fersen und kamen gerade an einem kleinen Dickicht vorbei, als ein rattenförmiges Geschöpf hervorsauste und zwischen den Disteln verschwand. Die Hunde nahmen die Verfolgung auf, und wir sahen, daß sie das Tier einholten und danach schnappten, worauf es tot umfiel. Die Hunde wurden abgerufen, und wir näherten uns dem toten Tier. Es entpuppte sich als eine Beutelratte, die ungefähr so groß wie eine kleine Katze ist und ein langes Nagetiergesicht hat. Das Fell war schokoladebraun und weißlich gescheckt, der lange Schwanz ähnelte dem einer Ratte, und die kahlen Ohren sahen wie winzige Maultieröhrchen aus. Als ich mich bei den Männern beschwerte, daß die Hunde das Tier getötet hatten, lachten sie schallend und bedeuteten mir, näher hinzusehen. Wahrhaftig, als ich es im Schein der Taschenlampe betrachtete, konnte ich sehen, daß es immer noch atmete, allerdings so schwach, daß es kaum wahrzunehmen war. Mochte ich es auch hin und her bewegen, sogar herumdrehen, es blieb schlaff, allem Anschein nach leblos; aber in Wirklichkeit war das seine Verteidigungsmethode, denn es hoffte, daß wir schließlich Weggehen würden, weil wir es für tot hielten, und dann hätte es ungehindert entrinnen können.

Doch als wir unseren Gefangenen in einen Sack steckten, merkte er, daß wir auf seinen Trick nicht hereingefallen waren; er wurde lebendig, strampelte und wand sich, fauchte mit offenem Mäulchen wie eine Katze und schnappte wild nach uns.

Später fingen wir noch viele Beutelratten, und alle mit Ausnahme der ganz jungen, die den Kniff des Scheintodes offenbar noch nicht erlernt hatten, versuchten uns auf genau gleiche Weise zu narren.

Auf dem Rückweg zur Ranch fanden die Hunde noch ein Borstengürteltier, und diesmal gewann ich einen Eindruck von der großen Kraft des kleinen Tieres. Es war nicht weit von seiner Höhle entfernt, als die Hunde es aufstöberten, und wir waren ihm ziemlich nahe; aber als wir es glücklich einholten, hatte es den Eingang zu seinem Tunnel erreicht. Einer der Männer warf sich in prachtvollem Hechtsprung hin und erwischte den Schwanz, gerade als das Gürteltier im Boden verschwand. Keuchend lagen ein anderer Mann und ich neben dem ersten, und jeder von uns packte ein Hinterbein des Gürteltiers. Jetzt war das Tier nur mit dem Vorderteil im Tunnel, aber es grub sich mit seinen kräftigen Nägeln in die Erde ein, krümmte den Rücken und verkeilte sich auf diese Weise im Höhleneingang. Tatsächlich verhinderte es, daß wir drei Männer es herauszogen, obwohl wir mit allen Kräften zerrten. Erst als das vierte Mitglied unserer Gruppe auf dem Schauplatz erschien und mit seinem Jagdmesser das Loch vergrößerte, konnten wir das Tierchen hervorholen. Da kam es wie ein knallender Pfropfen mit solcher Plötzlichkeit heraus, daß wir alle auf den Rücken fielen und es unwillkürlich losließen, so daß es beinahe zum zweitenmal entwischt wäre.

Die beiden Gürteltiere, die wir gefangen hatten, gewöhnten sich sehr bald ein und wurden bemerkenswert zahm. Ich hielt sie in einem Käfig mit abgetrennter Schlafkammer; dort lagen sie den ganzen Tag nebeneinander auf dem Rücken; ihr Mäulchen zuckte, und sie ließen ein ersticktes Schnarchen hören. Es war erstaunlich, wie tief sie schliefen, denn mochte man auch an den Käfig donnern, die Tiere anschreien und sie sogar am runzligen rosa Bäuchlein stupfen, sie blieben trotzdem liegen, als ob sie tot wären. Die einzige Möglichkeit, sie zu wecken, bestand darin, mit einer Futterschüssel zu rasseln, und so leise das auch geschah, sie waren beide sofort wach und im Nu auf den Beinen.

In Südamerika wird das Fleisch aller Gürteltierarten gegessen. Ich hatte nie Gelegenheit, es zu kosten; doch soviel ich weiß, schmeckt es, wenn man das getötete Gürteltier im eigenen Panzer sorgsam brät, wie gebratenes Spanferkel. Viele Gauchos fangen die Gürteltiere und halten sie in erdgefüllten Tonnen auf Vorrat, so daß sie bei besonderen Anlässen diese Delikatesse zur Verfügung haben.

Als wir uns mit unserem ersten Gefangenen auf dem Heimweg befanden, hörte ich in der stillen Nachtluft ferne Hufschläge, die allmählich näher kamen und dann plötzlich einige Meter von uns entfernt anhielten. Das war geradezu unheimlich, und einen Augenblick lang fragte ich mich wahrhaftig, ob es wohl der Geist eines alten Gauchos sein könnte, der da ewig über die Pampas galoppierte. Als ich meine Gefährten fragte, wo eigentlich das Pferd sei, das ich zu hören glaubte, zuckten sie die Schultern und sagten im Chor: «Tukotuko.»

Nun wurde mir die Ursache des seltsamen Geräusches klar. Der Tukotuko, der zur Familie der Trugratten gehört, ist ungefähr so groß wie eine Ratte, hat ein rundes, dralles Gesicht und einen kurzen, flaumigen Schwanz. Er durchwühlt den Boden und höhlt gerade unter der Erdoberfläche riesige Gänge aus; in diesen Höhlen lebt er, und nur nachts kommt er hervor, um sich die Pflanzen und Wurzeln zu suchen, von denen er sich ernährt. Dieses sonderbare Tierchen hat ein sehr empfindsames Gehör, und wenn es die Vibration von Schritten auf der Oberfläche über seinem Bau wahrnimmt, stößt es seinen Warnlaut aus, um allen andern Tukotukos in der Gegend die drohende Gefahr zu verkünden. Wie er diese vortreffliche Nachahmung eines galoppierenden Pferdes hervorbringt, ist ein Rätsel; aber es mag sein Ruf sein, der durch Entfernung und Widerhall in seinem Bau verzerrt wird und wie das Klopfgeräusch galoppierender Pferdehufe wirkt.

Tukotukos sind außerordentlich wachsam, und obwohl wir uns bemühten, sie mit vielen verschiedenen Methoden zu fangen, glückte es mir nie, einen Vertreter dieser Gattung zu erlangen, die zur gewöhnlichsten der Pampafauna gehören muß.

Während meines Aufenthalts in Argentinien lag mir ganz besonders daran, eine altmodische Gauchojagd zu filmen. Der altüberlieferte Jagdstil der Gauchos ist heute fast ausgestorben, obwohl viele ihn an sich noch beherrschen. Das Tier wird von Reitern verfolgt. Ihre Waffen bestehen aus den mörderischen Boleadoras, das sind drei Kugeln an drei Schnüren, die miteinander verknüpft werden. Die Jäger lassen sie über dem Kopf kreiseln und werfen sie dann. Wenn das Geschoß die Beine der Beute trifft, wickelt sich jede Kugel an ihrer Schnur in einer anderen Richtung herum, so daß das Tier infolge des Gewirrs zu Boden fällt.

In Südamerika kommt ein Verwandter des Straußes vor, Nandu genannt. Er ist nicht so groß wie sein afrikanischer Vetter, und sein Gefieder ist nicht schwarzweiß, sondern aschgrau, aber etwas haben die beiden gemeinsam, und zwar ihre Fähigkeit, außerordentlich schnell zu laufen. Als man die Nandus auf den Pampas noch in großen Scharen fand, bildeten sie die Hauptbeute für diesen Jagdstil.

Auf der Ranch eines meiner Bekannten gab es immer noch eine recht große Anzahl dieser Vögel, und der Besitzer erbot sich, die Gauchos zu fragen, ob sie eine Nandu-Jagd veranstalten würden, damit ich sie filmen konnte.

Wir brachen eines frühen Morgens auf, ich in einem Karren mit einer Filmkamera und anderen fotografischen Apparaten, die Gauchos im Sattel ihrer prachtvollen Pferde. Wir legten mehrere Kilometer zurück, indem wir uns zwischen den Riesendisteln quer über die Steppe hindurchwanden. Auf einmal störten wir ein Regenpfeiferpaar auf, das in die Luft schoß und uns umflog, dabei den Alarmruf gebend, so daß zu unserem Ärger jedes Lebewesen in meilenweiter Runde vor unserem Kommen gewarnt wurde. Die beiden Vögel begleiteten uns, während wir weiterzogen, behielten uns im Auge und benachrichtigten die Pampabewohner unermüdlich von unserem Vordringen.

Wir hatten gerade ein großes Disteldickicht erreicht, als wir plötzlich durch ohrenbetäubende Rufe eines Gauchos vom Vorhandensein unserer Beute in Kenntnis gesetzt wurden. Als ich im Karren aufstand, sah ich eine graue Gestalt rasch in die Disteln eintauchen, und dann sprang ganz plötzlich der erste Nandu ins offene Gras hinaus. Wie ein Ballettänzer hüpfte er aus den Disteln, blieb einen kurzen Augenblick stehen, um uns zu beäugen, und sauste mit gestrecktem Kopf und Hals los; bei jedem Schritt berührten seine großen Füße fast das Kinn.

Rasch galoppierte einer der Gauchos aus dem Distelgebüsch und machte sich daran, dem Nandu den Weg abzuschneiden. Der Vogel schien mitten im Lauf innezuhalten, er kreiselte herum und schoß in entgegengesetzter Richtung davon; seine großen Sprungschritte vermittelten den Eindruck, als hätte er Federn. Sehr bald war er außer Sicht, hitzig verfolgt von den Gauchos.

Ehe wir Zeit fanden, hinterher zu fahren, tauchte ein zweiter Nandu aus den Disteln auf. Ich konnte sehen, daß es eine Henne war, denn sie war viel kleiner als der erste Vogel und auch viel heller. Zu meiner Verwunderung eilte sie dem Hahn nicht nach, sondern blieb auf dem Gras stehen, ängstlich von einem Fuß auf den andern trippelnd. In den Disteln knackte es, und da erkannte ich die Ursache ihres Zögerns. Lauter Küken kamen hervor, im ganzen zehn, jedes etwa fünfundvierzig Zentimeter hoch, mit rundem, dickem Körperchen, halb so groß wie ein Fußball; sie balancierten auf dünnen, knolligen Beinen und großen gespreizten Füßen. Sie waren mit flaumigen Daunen bedeckt und reizend hell- und dunkelbräunlich gestreift. Alle scharten sich um die Beine der Henne, die sie liebevoll betrachtete. Dann lief sie quer über die Steppe, fast in Zeitlupenbewegung, so daß die in einer Reihe folgenden Küken mit ihr Schritt zu halten vermochten. Da wir sie nicht jagen oder erschrecken wollten, wendeten wir den Karren und schlugen die entgegengesetzte Richtung ein.

Es dauerte nicht lange, bis ein Gaucho zum Karren galoppiert kam und uns mit glänzenden Augen meldete, ein kurzes Stück voraus verberge sich eine recht große Nanduschar in den Disteln. Er riet mir, mit dem Karren eine bestimmte Richtung einzuschlagen und die Kamera aufzustellen; dann wollte er mit den anderen Gauchos die Vögel umzingeln und mir zutreiben, so daß ich sie filmen könnte.

Gesagt, getan. Der Karren holperte und schwankte über die hockrigen Grasbüschel, und schließlich gelangten wir zum Rand des großen Distelgebüschs, in dem sich die Nandus versteckten. Hier hatte ich einen klaren, ungestörten Blick über die Grasebene, und der Platz eignete sich gut zum Aufstellen der Kamera. Während ich den Belichtungsmesser ablas und alles zum Drehen bereitmachte, mußte mein argentinischer Freund einen japanischen Pergamentschirm über mich und die Kamera halten; denn die Sonne brannte so stark, daß die Kamera ohne Schutz in wenigen Minuten viel zu heiß geworden wäre, was den Farbfilm vernichtet hätte.

Als alles fertig war, gab ich ein Zeichen. Wir hörten die lauten Schreie der Gauchos, die ihre Pferde in die stachligen Disteln trieben, hörten auch das Knirschen und Knacken der dürren Pflanzen, die von den Hufen zertrampelt wurden.

Plötzlich verkündete uns ein besonders lautes Geschrei, daß die Nandus aufgesprungen waren und die Flucht ergreifen wollten. Innerhalb weniger Sekunden krachten fünf Vögel aus den Disteln und rannten davon. Wie bei dem ersten berührten die gestreckten Beine beinahe das Kinn, und sie schienen so schnell zu laufen, wie sie es nur vermochten; aber ich sollte bald eines anderen belehrt werden. Sowie die Gauchos hervordonnerten und ihre Boleadoras mit einem Pfeifgeräusch über dem Kopf kreiseln ließen, zogen alle Nandus auf einmal das Hinterteil ein und stoben vorwärts, wie aus der Rakete geschossen; mit zwei oder drei Schritten verdoppelten sie fast ihre Geschwindigkeit. Sehr bald waren sie nicht mehr zu sehen; die Schreie der Jäger und die Hufschläge verebbten in der Ferne.

Ich wußte, daß die Gauchos die Vögel schließlich einholen, umzingeln und zu mir zurücktreiben würden, und tatsächlich genoß ich eine Viertelstunde später wieder den Anblick der rennenden Nandus, deren Füße auf den harten Boden klopften; dicht hinter ihnen galoppierten die Jäger mit schrillem Geschrei, das sich mit dem zischenden Geschwirr der Boleadoras vermischte.

Die Vögel rannten immer noch in einem Rudel, in grober V-Formation ausgefächert. Doch als sie etwa hundert Meter entfernt waren, schwenkte ein Nandu ab und lief geradenwegs auf den Karren zu, wo ich mit der Kamera stand. Ein Gaucho nahm die Verfolgung auf, um ihn zur Schar zurückzutreiben. Immer näher trieb er sein Pferd zu dem flüchtigen Vogel, und je näher er kam, desto unruhiger wurde der Nandu, ja, er sorgte sich so sehr wegen des Verfolgers, daß er den Karren, mich selbst und die Filmkamera nicht bemerkte. Ich guckte durch den Sucher und begann mir nun selbst Sorgen zu machen, denn anscheinend beachtete er mich noch immer nicht. Es war eine so wundervolle Szene, daß ich mit dem Drehen nicht aufhören mochte; aber gleichzeitig spürte ich kein Verlangen, von einem mehrere hundert Pfund schweren Nandu breitseits getroffen zu werden, der mit einer Geschwindigkeit von dreißig Stundenkilometern dahergerast kam.

Im allerletzten Augenblick, als ich überzeugt war, daß der Nandu, die Kamera, das Stativ und ich in einem wirren Haufen auf dem Gras landen würden, gewahrte mich der Vogel. Er warf mir einen erschrockenen Blick zu, schwenkte geschickt herum und sauste im rechten Winkel weg.

Als ich später den Abstand maß, stellte ich fest, daß der gehetzte Vogel nur sechzig Zentimeter von der Kamera entfernt gewesen war. Aber diese Schwenkung ließ ihn den kurzen Vorsprung vor dem Gaucho verlieren. Die Boleadoras zischten durch die Luft, wickelten sich um die kräftigen Beine des Nandus, und flappend und strampelnd fiel er ins Gras. Im Nu saß der Gaucho ab, lief hin und packte die dreschenden Beine. Er mußte dabei sehr umsichtig Vorgehen und durfte den Vogel auf keinen Fall loslassen; denn ein einziger wohlgezielter Tritt der großen Füße hätte ihm den Bauch aufschlitzen können.

Nachdem ich Nahaufnahmen von unserer Beute gemacht hatte, wickelten wir dem Nandu die Boleadoras vom Hals und von den Beinen ab, worauf er einige Sekunden schlaff im Gras liegenblieb. Dann aber sprang er auf die Füße und trabte gemächlich ins Distelgebüsch, wo er sich zu seinen Gefährten gesellte.

Höchst zufrieden mit unserer Dreharbeit traten wir den Rückweg an, und da trafen wir auf ein Nandunest; es war nur eine leichte Bodenvertiefung, in der zehn große bläulichweiße Eier lagen. Sie waren noch warm, also konnte der Hahn, der bei den Nandus das Brüten besorgt, erst kurz zuvor das Nest verlassen haben, vielleicht weil er uns kommen hörte. Allerdings sind die Nandus während der Brutzeit gewöhnlich sehr hitzig und gefährlich.

Die Gauchos sagten mir, daß zwei oder drei Hennen ihre Eier ins selbe Nest legen können, so daß man unter Umständen in einem Nest zwanzig bis fünfundzwanzig Eier findet, die mehreren Müttern gehören. Der Nanduvater besorgt das ganze Brutgeschäft, so daß alle die Hennen nichts mehr zu tun haben, nachdem sie ihre Eier gelegt haben; denn von da an übernimmt der Hahn die Arbeit und sitzt auf den Eiern, bis die Küken schlüpfen, worauf die Mutter nun doch ihres Amtes waltet und sich der Erziehung widmet.

Ein Noah von heute
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