Kaimane und Zitteraale
In vielerlei Hinsicht war es sehr vorteilhaft, meine Tiere in Georgetown zu halten; hier konnte ich mir die meisten notwendigen Nahrungsmittel für meinen Tiergarten beschaffen; außerdem fand sich häufig Gelegenheit, auf dem Markt einige neue schöne Exemplare zu finden, die Händler aus abseits gelegenen Gebieten gebracht hatten. Dazu kam, daß der Flughafen ziemlich leicht zu erreichen war, so daß ich empfindlichere Tiere regelmäßig als Flugzeugfracht nach England schicken konnte. Die Tiere, denen eine Flugreise am wenigsten ausmacht, sind die Reptilien, und so packte ich ungefähr alle zwei Wochen eine gemischte Auswahl von Fröschen, Kröten, Schildkröten, Eidechsen und Schlangen in mehrere große Kisten und ließ sie zum Flugplatz fahren.
Es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Versand von Reptilien mit dem Flugzeug oder mit dem Schiff. Erstens einmal werden sie anders verpackt. Um zum Beispiel eine Sendung Schlangen auf dem Luftweg zu verschicken, braucht man eine große, leichte Holzkiste. Man steckt jede Schlange in einen Baumwollbeutel, den man oben fest verschnürt, und hängt ihn dann an einem Nagel an der Kistenwand auf. Auf diese Weise muß man sich nicht sorgen, daß die eine Schlangenart die andere auf fressen wird; denn alle sind voneinander getrennt und können doch in derselben Kiste untergebracht werden. Die Luftreise von Guayana dauerte ungefähr drei Tage, und während dieser Zeit benötigten die Schlangen nichts weiter als Wasser, da sie lange Zeit ohne Nahrung auskommen können; sie nehmen dabei gar keinen Schaden. Meine Schlangen wurden am Tag vor ihrer Abreise tüchtig gefüttert; sie lagen zusammengerollt im Baumwollbeutel und verdauten die Mahlzeit; wenn die Verdauung beendet war, hatten sie England schon erreicht. Frösche, Kröten und kleinere Echsen wurden ebenfalls in Beuteln versandt und dabei ungefähr die gleichen Regeln angewendet. Aber für die größeren Echsen, zum Beispiel für die grünen Leguane, waren besondere Kratten notwendig. In jeden setzten wir fünf bis sechs Leguane, und die Box wurde mit vielen Zweigen ausgestopft, so daß sie sich genügend festhalten konnten.
Junge Kaimane ließen sich, wie ich feststellte, sehr gut auf dem Luftweg befördern, den größeren hingegen bekam es gar nicht, und abgesehen davon hatten sie in ihren Holzkratten ein derartiges Gewicht, daß die Frachtkosten ungeheuerlich waren; deshalb nahm ich die meisten großen Kaimane auf dem Dampfer mit.
Der kleinste Kaiman, den ich in Guayana fing, war nur etwas über fünfzehn Zentimeter lang; er mußte erst vor kurzem ausgeschlüpft sein. Der größte maß über vier Meter und war nicht annähernd so leicht zu behandeln. Er wurde in einem großen Fluß in den nördlichen Savannen gefangen, einem Fluß, der von Zitteraalen und Kaimanen wimmelte. Ich hatte gehört, daß ein Zoologischer Garten in England einen besonders großen Kaiman wünschte; und diese Gegend schien mir geeignet zu sein. Gerade unter meinem Haus hatte der Fluß eine kleine Bucht ausgehöhlt; gegenüber, etwa hundertfünfzig Meter entfernt, lag eine Insel, wo sich die Kaimane mit Vorliebe aufhielten.
Die Falle, die ich für den Fang benützte, war ganz primitiv, aber sehr wirksam; zwei lange, schwere Indianerkanus wurden so ans Ufer der Bucht gezogen, daß sie halb aus dem Wasser waren und ungefähr einen Meter Abstand voneinander hatten; in dem Zwischenraum hing eine Schlinge, die an einem biegsamen jungen Baum befestigt war. Hinter der Schlinge baumelte an dem gebogenen Stämmchen ein toter, sehr stark riechender Fisch. Um an den Fisch zu gelangen, mußte der Kaiman den Kopf durch die Schlinge stecken, und sowie er nach dem Fisch schnappte, schnellte der dünne gebogene Baumstamm in die Höhe, wobei sich die Schlinge um den Kaiman fest zuzog. Das andere Ende des Strickes war etwa einen Meter höher an einem großen, kräftigen Baum am Ufer festgemacht.
Ich stellte meine Falle eines späten Abends, hielt es aber für sehr unwahrscheinlich, daß ich vor dem nächsten Tage etwas fangen würde.
Ehe ich zu Bett ging, wollte ich sicherheitshalber doch noch einmal nachsehen, ob mit der Falle alles in Ordnung war, und da sich mein Freund zu mir gesellte, gingen wir zusammen durch den dunklen Wald zum Flußufer hinunter. Während wir uns der Stelle näherten, wo die Falle gesetzt worden war, hörten wir ein merkwürdiges Geräusch, ein dumpfes Klopfen, das wir uns nicht zu erklären vermochten. Beim Ufer angelangt, sahen wir sogleich die Ursache. Ein ungeheurer Kaiman war den Kanal zwischen den beiden Kanus hinaufgekrochen, hatte, wie gehofft, den Kopf durch die Schlinge gesteckt und an dem Fisch gezerrt, worauf sich das Seil um seinen Hals zugezogen hatte.
Wir richteten den Schein unserer Lampen nach unten und sahen, wie sich das riesige Reptil planschend zwischen den beiden Kanus wand, die es bei seinem Kampf weit auseinander gestoßen hatte. Das große Maul klappte auf und zu, so daß es sich anhörte wie ein Beil auf einem Hackblock, und der dicke Schwanz peitschte hin und her, das Wasser zu Schaum aufrührend, und er klatschte so gewaltsam gegen die beiden Kanus, daß wir uns wunderten, wieso sie nicht in die Brüche gegangen waren. Wir standen neben dem Baum, an dem das andere Ende des Seiles festgebunden war, und jedesmal, wenn sich der Kaiman mit seinem ganzen Gewicht entgegenstemmte, hörten wir das straff gespannte Seil schwirren. Der Baum bebte und schwankte auch dann noch, als der Kaiman seine Bemühungen, sich zu befreien, plötzlich aufgab und unversehens ganz still in dem schäumenden Wasser lag, als ob er vollständig erschöpft wäre, und da beging ich eine große Dummheit.
Ich packte das Seil mit beiden Händen, lehnte mich vor und begann das Seil einzuholen. Sowie der Kaiman die Bewegung spürte, erneuerte er seine Bemühungen mit äußerster Kraft. Der Strick spannte sich wieder, und ich wurde über den Rand der Böschung gerissen, so daß ich mehr oder weniger in der Luft hing, das heißt, meine Zehen berührten den äußersten Rand der Böschung, und meine Hände umklammerten das Seil. Ich wußte, daß ich nicht loslassen durfte; sonst wäre ich geradenwegs auf den schuppigen Rücken des Reptils gekracht, und wenn es mich dann nicht zwischen seine Kiefern genommen hätte, wäre mir bestimmt von einem Schlag seines mörderischen Schwanzes der Schädel eingeschlagen worden. Ich mußte mich also wohl oder übel an dem Seil festhalten, und endlich gelang es meinem Gefährten, es ebenfalls zu packen. Dadurch konnte ich auf der Böschung Fuß fassen und mich zurückhanteln, bis ich in Sicherheit war, worauf wir beide das Seil losließen.
Sogleich lag der Kaiman wieder still, und wir hielten es fürs beste, zum Haus zurückzukehren und weitere Stricke zu holen, um ihn festzubinden. Das eine Seil, das ihm um den Hals lag, hätte er wohl im Lauf der Nacht zerrissen, und dann hätten wir das Nachsehen gehabt.
Eiligst holten wir alle Sachen, die wir brauchten. Als wir mit zwei Laternen und mehreren Taschenlampen wieder beim Fluß ankamen, lag der Kaiman still und blinzelte uns mit seinen walnußgroßen Augen an. Als erstes mußten wir seine mächtigen, zahnbewehrten Kiefer außer Gefecht setzen; zu diesem Zweck ließen wir behutsam eine Schlinge hinunter, streiften sie ihm übers Maul, zogen sie fest an und banden das Ende an dem Baum fest. Während mein Freund mir leuchtete, kletterte ich in das eine Kanu, und nach beträchtlicher Mühe glückte es mir, eine zweite Schlinge über den . Schwanz des Kaimans zu streifen und sie bei den Hinterbeinen zuzuziehen. Auch dieses Seil wurde an dem Baum festgeknüpft. Mit der dreifachen Verschnürung gaben wir uns zufrieden und gingen zu Bett.
Am folgenden Morgen begaben wir uns mit einigen Eingeborenen zum Flußufer. Wir hatten einen Plan ausgearbeitet, wie wir das Riesenreptil aus dem Wasser und auf die Höhe der steilen Böschung bekommen könnten, wo es dann von einem Jeep weiterbefördert werden sollte. Die Eingeborenen hatten eine lange, dicke Planke mitgenommen, die wir so unter den Kaiman schieben wollten, daß er längs darauf lag. Er war jedoch in so seichtem Wasser, daß wir ihm die Planke nicht unterschieben konnten, da sein Bauch im Lehm vergraben war. Es blieb uns nichts anderes übrig, als seine Fesseln zu lockern und ihn ein paar Meter ins tiefere Wasser hinauszustoßen, wo wir ihm die Planke leichter unterschieben konnten. Das gelang, und wir banden ihn auf der Planke fest.
Die nächste Aufgabe bestand darin, ihn aus dem Wasser und die Böschung hinauf zu schaffen. Zwölf Mann hoch, brauchten wir dazu anderthalb Stunden, denn wir arbeiteten auf schlüpfrigem Lehm, und immer wenn wir die Planke mit dem schweren Kaiman glücklich ein paar Zentimeter hinaufgeschoben hatten, mußten wir eine Pause machen, und dann rutschte er zu unserer Verzweiflung wieder ein Stückchen hinunter. Es war harte Arbeit, aber zu guter Letzt hatten wir die Böschung überwunden, und der Kaiman lag oben auf dem kurzen grünen Gras, wo wir, von Kopf bis Fuß mit Lehm bedeckt und tropfnaß, höchst erfreut aufatmeten.
Ein anderes Flußtier, das viel Ärgernis hervorrief, war der Zitteraal. Das geschah, als ich im Lande der Bäche meinem Gewerbe nachging. Ich war mit meinem Freund den ganzen Tag in einem großen Kanu draußen gewesen; stromauf und stromab hatten wir abgelegene Wasserwege befahren, verschiedene Indianerdörfer besucht und Tiere eingekauft. Unter anderm erstanden wir ein zahmes Baumstachelschwein, und im letzten Dorf entdeckte ich einen Binsenkorb, der einen halb ausgewachsenen Zitteraal enthielt. Den Zitteraal kaufte ich ebenfalls, und ich freute mich, ihn meiner Sammlung hinzuzufügen, da ich bisher noch keinen erworben hatte.
Müde, aber zufrieden mit dem erfolgreichen Tag machten wir uns auf die Heimreise. Ich saß im Bug des Kanus; das Baumstachelschwein hatte sich zwischen meinen Füßen zusammengerollt und schlief. Hinter mir wand sich der Zitteraal hoffnungsvoll in seinem Korb. Die beiden Paddler saßen hinter meinem Freund im Heck und trieben unser etwas unsicheres Fahrzeug vorwärts.
Auf das Entweichen des Zitteraals wurde ich durch das Baumstachelschwein aufmerksam gemacht, das in panischer Angst an meinem Bein heraufzuklettern suchte und wahrscheinlich, wenn ich es zugelassen hätte, bis zu meinem Kopf geklommen wäre. Ich wunderte mich über sein Benehmen und reichte das Tier meinem Gefährten, während ich mich im Bug des Kanus umblickte, um festzustellen, was es erschreckt hatte. Da sah ich den Zitteraal sehr entschlossen auf meine Füße zukriechen. Entsetzt sprang ich in die Luft, und als ich wieder im Kanu landete — zum Glück kippte es nicht um— , war der Aal unter mir durchgekrochen.
Jetzt schlängelte er auf meinen Freund zu. Ich warnte ihn mit einem Ruf, worauf er, das Stachelschwein in den Armen haltend, aufstehen und aus dem Wege gehen wollte, aber das mißlang ihm, und er fiel rücklings zu Boden. Der Zitteraal schlüpfte an meinem zappelnden Freund vorbei und steuerte auf den ersten Paddler zu. Auch dieser Mann war, als er sich dem Aal gegenübersah, keineswegs tapferer als wir; er ließ sein Paddel sinken und traf Anstalten, das Fahrzeug zu verlassen. Die Lage wurde durch den letzten Insassen, den zweiten Paddler, gerettet. Anscheinend war er es gewöhnt, mitten auf dem Wasser Zitteraale in Kanus zu finden, denn er lehnte sich einfach vor und hielt den Fisch mit seinem Paddel fest. Ich warf ihm den Korb zu, und mit einigen schnellen Bewegungen schaufelte er den Aal wieder in sein Gehäuse.
Wir waren alle sehr erleichtert und begannen sogar darüber zu scherzen. Der Retter reichte den Korb mit dem Aal seinem Kollegen, der ihn seinerseits meinem Freund aushändigte. Als mein Freund mir den Korb weitergeben wollte, fiel der Boden heraus, und abermals befand sich der Aal unter uns. Diesmal hing er zum Glück hufeisenförmig über der Seite des Kanus. Er kringelte sich krampfhaft, ein Plätschern ertönte, und unser Zitteraal war im dunklen Wasser verschwunden.
Das war ein enttäuschendes Ende einer aufregenden Viertelstunde; doch wir brauchten den Verlust nicht zu bedauern, da wir uns später mehrere Exemplare beschaffen konnten.
Ein großer Zitteraal ist imstande, sehr erhebliche elektromotorische Kraft zu erzeugen; er soll sogar Pferde und Menschen getötet haben, die in verschiedenen Teilen von Südamerika Flüsse durchquerten. Die elektrischen Organe liegen zu beiden Seiten der Wirbelsäule und durchziehen etwa vier Fünftel der Leibeslänge, so daß der ganze Fisch beinahe eine Batterie ist. Der Aal sieht eher wie eine große, dicke schwarze Schlange aus, wenn er dahinschwimmt; trifft er einen Fisch, so hält er plötzlich inne, sein ganzer Körper scheint zu schaudern, und dann sieht man den Fisch zucken, sich zusammenkrümmen und langsam sinken, entweder gelähmt oder tot, während der Aal hinflitzt und ihn verschlingt, und zwar immer den Kopf zuerst. Er gleitet zum Grund des Gewässers, liegt dort sinnend einige Minuten, schießt dann aufwärts, steckt die Nase übers Wasser und schnappt frische Luft, bevor er seine Suche nach einem neuen Opfer fortsetzt.