Amos, der Ameisenbär
Guayana, eine Landschaft im nordöstlichen Teil Südamerikas, die fast so groß wie Irland ist, liegt am Rande des großen Waldgebietes, das sich am Amazonas und durch Brasilien erstreckt. Der Name Guayana, ein Indianerwort, bedeutet Land des Wassers, und eine passendere Bezeichnung läßt sich kaum ersinnen. Die Landschaft wird in ihrer ganzen Länge von drei großen Strömen durchschnitten, die durch zahlreiche kleine Flüsse und Zuläufe miteinander verbunden sind. Während der Regenzeit treten diese Flüsse übers Ufer, und ungeheure Landflächen sind wochenlang überflutet. Infolgedessen sind fast alle Tiere in Guayana entweder vorzügliche Kletterer oder vorzügliche Schwimmer; Tiere, die in trockenen Gebieten ihr ganzes Leben auf dem Boden verbringen, sind hier durch verwandte Arten ersetzt, die fast nur in den Bäumen leben. So findet man in Kamerun das Stachelschwein, das auf dem Waldboden lebt und in: den Felsen und Höhlen zu Hause ist, und dem es nahezu unmöglich wäre, einen Baum zu erklettern. In Guayana hingegen kommt das Baumstachelschwein vor, dessen Füße zum Klettern geeignet sind; außerdem ist es ein sogenannter Greifstachler, denn es kann sich wie die südamerikanischen Affen mit seinem langen kahlen Schwanz an den Ästen festhalten und auf diese Weise besser klettern.
Wie Kamerun gliedert sich Guayana in zwei Teile, und da auch hier das Waldgebiet von Grasland abgelöst wird, konnten wir damit rechnen, hier einesteils Waldbewohner zu finden und andernteils ganz andere Tierarten, die in den Savannen leben.
Längs der Küste, wo die großen Ströme ins Meer münden, ist die Landschaft von unzähligen Bächen und Rinnsalen durchzogen. Manche sind nur meterbreit, manche beträchtlich breiter als ein durchschnittlicher europäischer Fluß. Diesen Bächen verdankt Guayana die schönsten Landschaften. Die Gewässer, auf denen Laub und Holzstücke schwimmen, sind dunkelbraun gefleckt, und sie fließen so sanft, daß die Oberfläche im allgemeinen so ruhig ist wie ein dunkler Spiegel. Über den Wasserspiegel neigen sich die großen Bäume, deren Zweige mit unzähligen Bromeliazeen bebändert sind, einem Schmarotzerpilz, der in Gestalt grauer Fäden an den Bäumen hängt. Da gibt es außerdem Orchideen in Hunderten von verschiedenen Schattierungen, die manchmal in solchen Mengen auf Stämmen und Ästen wachsen, daß die Bäume wie juwelenbestickt wirken.
Die Wasserwege sind im allgemeinen, wie gesagt, gleich langen glänzenden Spiegelgassen, doch bisweilen ragt aus der Oberfläche eine dichte Matte grüner Wasserpflanzen hervor, und winzige violette und gelbe Blumen entfalten ihre Blütenblätter einige Millimeter über dem Wasser. An sonnigen Stellen sieht man nahe beim Ufer lauter riesige Wasserrosen, die größer sind als eine Teekanne, und deren tellerartige Blätter den Umfang einer Fahrradfelge haben. Wenn man auf diesen überwachsenen Wasserläufen in einem Boot fährt, ist es, als glitte man über einen grünen Rasen, denn während der Fahrt stößt der Bug die Wasserpflanzen beiseite, und hinter dem Heck schließen sich die Pflanzen wieder zusammen, so daß von dem Wasser nichts zu sehen ist. Durch die Bewegung des Bootes entsteht ein Gekräusel, das die Pflanzen im Kielwasser in grünen Wellen schaukeln läßt.
Nach der Ankunft in Guayana schlugen wir unser Basislager in der Hauptstadt Georgetown auf. Hier konnten wir uns nämlich leicht regelmäßige Nahrungsvorräte für unsere Tiere beschaffen, und wenn es galt, den Tiergarten aufs Schiff zu verladen, hatten wir keinen weiten Weg zum Hafen. Vom Basislager aus wollten wir Ausflüge ins Innere von Guayana unternehmen, die verschiedenen Landschaften aufsuchen und die dort lebenden Tiere fangen.
Das erste Ausflugsziel dieser Art war das Grasland beim Pomerun. Wir brachen von Georgetown aus auf und schlugen flußaufwärts die Richtung nach Santa Maria ein, einer kleinen Indianerstadt, die sich in der Tiefe dieses merkwürdigen Sumpfgebietes verbirgt. Wir brauchten einen ganzen Tag, um unseren Bestimmungsort zu erreichen, und es war eine unvergeßliche Fahrt. Während das Boot sanft über die schimmernden Wasserwege unter den bunten Bäumen dahinglitt, flogen uns große schwarze Spechte mit rotem Schopf voraus; sie stießen schrille Schreie aus und ließen sich ab und zu auf einem abgestorbenen Baum nieder, den sie heftig mit dem Schnabel behackten. Im Dickicht längs der Ufer hielten sich Sumpfvögel auf, von der Größe eines Sperlings, mit schwarzem Gefieder und leuchtendgelbem Kopf. Wenn wir um die Ecke bogen, flatterte manchmal ein Ibispaar auf, dessen Schwingen rosa und purpurrot flammten. Auf den Wasserpflanzen stelzten zahlreiche Jassanas herum, seltsam aussehende Vögel, die den Moorhühnern ähneln. Ihre langen, schlanken Beine enden in einem Bündel großer, dünner Zehen, die es ihnen ermöglichen, auf den Wasserpflanzen zu laufen, ohne einzusinken, denn bei jedem Schritt spreizt der Jassana die Zehen wie Spinnenbeine, so daß sich sein Körpergewicht gleichmäßig über die Wasserrosenblätter verteilt. Wenn sie feierlich über die Wasserrosen laufen, sehen sie wie ziemlich unscheinbare kleine; Vögel aus, aber wenn sie auffliegen, sieht man, daß sie unter jedem Flügel einen leuchtendgelben Fleck haben.
Manchmal störten wir einen Kaiman auf, der am Ufer lag. Diese südamerikanischen Alligatoren, die zur Familie der Krokodile gehören, beobachteten uns einen Augenblick mit erhobenem Kopf und halbgeöffnetem Maul, bevor sie schwerfällig zum Uferrand watschelten und ins Wasser glitten.
Wir kamen spät abends in Santa Maria an, und gleich am folgen-; den Tage machten wir uns daran, mit Hilfe der Dorfbewohner, unsere Tiere zu sammeln. Viele Indianer halten sich freilebende Geschöpfe als Haustiere, und da wir manche kaufen konnten, besaßen wir in kurzer Zeit etliche schillernde Aras, deren Geschrei in unserer kleinen Hütte geradezu ohrenbetäubend war, mehrere junge Abgottschlangen und drei Kapuzineräffchen. Es überraschte mich sehr, daß die Indianer Riesenschlangen als Haustiere hielten, denn ich hatte natürlich gedacht, daß sie sich vor Schlangen ebenso fürchten würden wie die afrikanischen Eingeborenen. Als ich der Sache nachging, stellte ich fest, daß sie die Reptilien in ihren Hütten im Sparrenwerk herumkriechen ließen, und daß die Schlangen eine ähnliche Rolle spielten wie die europäischen Hauskatzen. Sie wurden ganz-zahm, während sie sich von den Ratten und Mäusen ernährten, die, sie fanden, und solange sie Beute machten, blieben sie oben im Gebälk und wagten sich nie auf den Boden hinunter. Die Indianer erklärten mir, daß die Abgottschlangen nicht nur weitaus bessere: Rattenfänger als jede Katze seien, sondern mit ihrer rosa, silbrigen, schwarzen und weißen Zeichnung auch viel schöner anzusehen, wenn sie sich wie bunte Tücher um das Sparrenwerk wanden.
In Guayana kommt der Ameisenbär in drei verschiedenen Formen vor. Da gibt es den Großen Ameisenbären, der mit seinem struppigen Schwanz über zwei Meter mißt, dann den Tamandua, der ungefähr die Größe eines Pekinesen hat, sowie den Zwergameisenbär, der nur ungefähr zwanzig Zentimeter lang ist. Diesel drei Ameisenbären leben in ganz verschiedenen Landschaften, und selten trifft man die eine Art im Gebiet der andern an. Der Große Ameisenbär bevorzugt das Grasland in der nördlichen Hälfte von Guayana, die beiden andern bewohnen die Waldgegenden. Den Tamandua kann man sogar in den halbkultivierten Teilen des Landes finden, doch um den Zwergameisenbären aufzuspüren, muß man in den tiefen Urwald gehen.
Um den Großen Ameisenbären zu fangen, flogen wir dreihundert Kilometer landeinwärts zum nördlichen Savannenland. Das Flugzeug setzte uns bei einer abgelegenen Ranch am Ufer des Rupununs ab. Hier sicherte ich mir die Hilfe eines außerordentlich gewiegten Jägers, eines Indianers, der Francis hieß. Ich erklärte ihm, was ich wünschte, und nach langem Nachdenken sagte er, am besten wäre es, wenn er in den Savannen umherstöberte, bis er Spuren fände, die auf das Vorkommen eines Großen Ameisenbären schließen ließen. Dann könnten wir dorthin gehen, das Tier selbst suchen und den Fang in die Wege leiten.
Diesem Plan stimmte ich zu, und drei Tage später kehrte Francis zur Ranch zurück und berichtete mit strahlendem Gesicht, er habe Erfolg gehabt. An einer bestimmten Stelle mitten in der Steppe habe er Termitenbauten gefunden, die von kräftigen Klauen aufgerissen worden seien, und das gelte als unmißverständliches Anzeichen für das Vorhandensein eines Ameisenbären.
Früh morgens ritten Francis, mein Freund und ich los. Die Steppe, da und dort von Gebüsch besprenkelt, schimmerte golden in den Sonnenstrahlen; sie erstreckte sich nach allen Seiten zum fernen Horizont, wo sich grünlichblaue Berge matt abhoben.
Wir ritten stundenlang, ohne irgendwelches Leben zu sehen außer einem Habichtpaar, das hoch über uns am blauen Himmel kreiste.
Ich wußte aber, daß die Steppen ihren gerechten Anteil am Tierleben haben, und so wunderte es mich, daß wir auf unserem Ritt keine weiteren Lebewesen trafen. Bald entdeckte ich den Grund, denn nach einiger Zeit gelangten wir zu einer großen ovalen Vertiefung, auf deren Grund sich ein friedlicher See mit Wasserrosen ausbreitete, gesäumt von üppigen Pflanzen und kleinen Bäumen. Mit einem Schlage schien alles lebendig zu werden. Die Luft war voll von hin und her zuckenden Libellen; bunte Eidechsen huschten um die Hufe unserer Pferde; Pfefferfresser saßen auf den abgestorbenen Ästen, die über dem Wasser hingen, und im Schilf und im Gebüsch am See schnatterten und flatterten Scharen kleiner Vögel. Als wir vorbeischritten, sah ich am gegenüberliegenden Ufer zehn Jabirus, ungefähr ein Meter zwanzig große Ibisse, die mit ernstem Ausdruck an ihrem langen Schnabel entlangblickten. Als wir den See hinter uns hatten und wieder die Steppe betraten, wurde alles von neuem leblos, und als einzigen Laut hörte man die Pferdehufe durch das hohe Gras zischen.
Daraufhin wurde mir klar, daß die wasserlosen Steppen von den Tieren gemieden wurden, und daß man sie nur bei den Seen und Wasserlöchern finden würde. Infolgedessen konnte man meilenweit reiten, ohne irgendwelches Leben zu sehen; aber wenn man zu einer Vertiefung gelangte, auf deren Grund sich Wasser angesammelt hatte, bemerkte man die Fauna des Landes.
Gegen Mittag erreichten wir endlich die Stelle in der Steppe, die Francis als das Gebiet des Ameisenbären bezeichnete, und hier zügelten wir die Pferde. Francis sagte, am besten wäre es, wenn wir in einer Reihe durch das hohe Gras ritten und dabei möglichst viel Radau machten, um den Ameisenbären aus seinem Schlafloch zu schrecken. Dann könnten wir ihn zu einem Gebiet links von uns treiben, wo kürzeres Gras wuchs, und ihn zu Pferde leichter über-1 holen. So durchfurchten wir das hohe Gras, das unseren Pferden bis zur Brust reichte, und grölten dabei mit aller Lungenkraft.
Die Erde unter dem Gras war von der Sonne so hart gebacken wie Ziegelstein und so durchsetzt von Rissen und Löchern, daß unsere Pferde oft stolperten und uns beinahe abwarfen. Plötzlich stieß Francis einen lauten Ruf aus, und als ich zu ihm hinüberschaute, sah ich gerade vor seinem Gaul eine dunkle Gestalt im Gras umherspringen. Mein Freund und ich ritten sofort dorthin, um unserem Jäger beizustehen. Der Ameisenbär trachtete immer tiefer in das hohe Gras zu gelangen, aber es glückte uns, ihm den Weg abzuschneiden und ihn zu dem freieren Gelände zu treiben. Er galoppierte dahin, seine dicken, stämmigen Beine stampften den Boden, der lange, eiszapfenförmige Kopf schwang hin und her, und der große Schwanz flatterte hinter ihm wie eine Fahne.
Wir ritten ihm so schnell wie möglich nach, ich auf der einen Seite, um ihm die Rückkehr ins hohe Gras abzuschneiden, auf der anderen Seite Francis, der seinen Lasso aufrollte, während er seinen Gaul anspornte. Allmählich geriet er auf gleiche Höhe mit dem galoppierenden Ameisenbären, und endlich ließ er seinen Lasso kreiseln und warf ihn. Leider hatte er sich mit der Größe der Schlinge geirrt. Sie war viel zu groß, und obwohl sie genau vor den Ameisenbären fiel, galoppierte das Tier einfach hindurch und setzte seinen Lauf schnaubend und fauchend fort. Francis zügelte sein Pferd, rollte das Seil wieder auf und nahm die Verfolgung von neuem auf. Abermals warf er seinen Lasso, als er auf gleicher Höhe mit dem Tier war. Diesmal hatte er Glück, und er konnte das Seil um den Leib des Ameisenbären festziehen.
Im Nu saß er ab, hängte sich ingrimmig ans Ende des Seiles und wurde mitgeschleift, während der zornige Ameisenbär weiterrannte. Ich sprang vom Pferd, lief hinüber und hängte mich auch mit meinem ganzen Gewicht ans Seil. Es war erstaunlich, welche Kraft der Ameisenbär in seinen kurzen Beinen hatte, denn er schleppte uns kreuz und quer über die Steppe, bis wir recht erschöpft waren und das Seil in unsere Hände einschnitt.
Francis warf einen Blick über die Schulter und stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus. Als ich mich ebenfalls umschaute, sah ich, daß uns unser Kampf ziemlich nahe zu einem etwa vier Meter hohen Baum gebracht hatte. Es war tatsächlich der einzige Baum, den man meilenweit sehen konnte.
Schwitzend und keuchend zogen wir den widerstrebenden Ameisenbären dorthin, dann wickelten wir das lose Ende des Seiles um den Stamm und verknoteten es. Gerade hatte ich den letzten Knoten gemacht, da schaute Francis in das Geäst hinauf und schrie erschrocken auf. Als ich seinem Blick folgte, gewahrte ich einen Meter über unseren Köpfen ein großes rundes Wespennest von der Größe eines Fußballs. Da der Ameisenbär an seinem Ende des Seiles zerrte, schwankte der Baum, neigte sich, worüber sich die Wespen so sehr ärgerten, daß sie mit zornigem Summen aus dem Nest hervorschwärmten. Hastig zogen wir uns zurück.
Nachdem der Ameisenbär unseres Erachtens sicher angebunden war, kehrten wir zu den Pferden zurück, um die Sachen zu holen — starke Schnüre und große Säcke — , die wir zum Wegschaffen der Beute mitgenommen hatten. Ich kam gerade beizeiten wieder zu dem Baum, um zu sehen, daß der Ameisenbär die Schlinge um seinen Leib gelockert hatte, sich wie ein großer Hund schüttelte und in langsamer, würdevoller Gangart über die Steppe trottete. Ich überließ es Francis, seinen Lasso von dem wespenverseuchten Baum zu holen, und rannte dem Ameisenbären nach, wobei ich im Lauf am Ende eines langen Strickes eine Zugschlinge anbrachte.
Ich holte das Tier ein und zielte mit meinem Amateurlasso nach seinem Kopf; aber da ich keineswegs so geschickt wie Francis war, traf ich natürlich daneben. Der Ameisenbär trabte weiter; ich versuchte es nochmals mit ebensowenig Erfolg und dann ein drittesmal. Den Ameisenbären stimmte es gereizt, daß er immerzu mit einem Seil beworfen wurde; er blieb jählings stehen, drehte sich um und erhob sich auf die Hinterbeine. In dieser Haltung war sein Kopf in gleicher Höhe mit meiner Brust, und ich beobachtete wachsam die gekrümmten, fünfzehn Zentimeter langen Klauen an seinen Vorderfüßen, die er in Bereitschaft hielt.
Er schnüffelte, schlenkerte die lange, schlanke Schnauze hin und her und schwang die Vorderbeine, so daß er wirklich wie ein Boxer aussah. Da ich keine Lust hatte, mich auf ein Handgemenge mit einem Geschöpf einzulassen, das offensichtlich imstande war, mit seinen Vorderklauen erheblichen Schaden zuzufügen, fand ich es besser, zu warten, bis Francis bei mir war, so daß der eine von uns das Tier ablenken konnte, während der andere es zu fangen versuchte. Ich beschrieb einen Bogen um den Ameisenbären, um ihn von hinten zu überrumpeln, aber er drehte sich wie ein Kreisel und richtete seine mächtigen Klauen immerzu drohend auf mich. Also setzte ich mich auf den Boden, um auf Francis zu warten.
Der Ameisenbär, der merkte, daß ein Waffenstillstand eingetreten war, hielt die Pause für eine gute Gelegenheit, den Schaden zu beheben, der ihm beim Kampf mit uns zugefügt worden war. Während er fauchend und schnaubend über die Steppe gerannt war, hatten sich Speichelströme aus seinem Maul ergossen. Der Speichel des Ameisenbären ist dick und klebrig, denn er benutzt ihn zum. Einspeicheln seiner langen Zunge, um sich seine Nahrung zu holen. Die klebrigen Speichelfäden waren während des Laufes hin und her geflogen, und da Holzstückchen daran hängen geblieben waren, klebte ihm all das Zeug nun an der Nase. Er setzte sich auf seine Keulen und säuberte mit Hilfe der Klauen sorgfältig seine lange Schnauze. Dann stand er mit einem tiefen Seufzer auf, schüttelte sich und begann wieder über die Steppe zu trotten.
Als Francis sich mit seinem Lasso zu mir gesellte, setzten wir dem Ameisenbären abermals nach, und sowie er uns hörte, drehte er sich um und nahm seine Abwehrstellung wieder ein; aber gegen zwei war er entschieden im Nachteil. Während ich ihn ablenkte, beschlich Francis ihn von hinten und warf ihm den Lasso sauber über. Kaum fühlte er zum zweitenmal die feste Schlinge um seinen Leib, da schoß er auch schon los, Francis und mich nachziehend, und in der nächsten halben Stunde wurden wir dahin und dorthin gezerrt, bis: es uns gelang, dem Ameisenbären so viele Schlingen um Körper und Beine zu wickeln, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Sicherheitshalber fesselten wir ihn noch mit einem zweiten Seil, bevor wir ihn in einen der großen Säcke versenkten, so daß nur sein langer Kopf und die Nase herausragten.
Gerade beglückwünschten wir uns zu dem Fang, da ergab sich eine neue Schwierigkeit. Als wir mit dem Sack bei den Pferden erschienen, zeigten sie deutlich, daß sie zwar nichts dagegen hatten, uns zu tragen, aber keineswegs gewillt waren, ein fremdes Geschöpf in einem Sack zu befördern, das so heftig fauchte und schnaufte. Eine Viertelstunde lang bemühten wir uns vergeblich, sie zu beschwichtigen. Jedesmal wenn wir uns den Pferden mit dem Ameisenbären näherten, warfen sie den Kopf auf und scheuten ungestüm.
Francis meinte, es bliebe mir nichts anderes übrig, als sein Pferd zu führen, während er mit dem Ameisenbären auf den Schultern zu Fuß folgte. Ich bezweifelte den Erfolg, denn wir waren kilometerweit von der Ranch entfernt, die Sonne brannte heiß hernieder, und der Ameisenbär war kein Leichtgewicht. Es schien uns aber wirklich nichts anderes übrigzubleiben; also saß ich auf und führte Francis’ Pferd an der Halfter, während er mit unserer Beute auf dem Rücken hinterdreinstakste. Der Ameisenbär tat nach Kräften alles, um den Transport möglichst zu erschweren; er zappelte in seinem Sack herum, so daß es höchst ungemütlich war, ihn zu tragen. Nach ungefähr einer Stunde hatten wir nur drei Kilometer über die Steppe zurückgelegt, denn alle zwei- bis dreihundert Meter mußte Francis den Sack absetzen und ausruhen.
Schließlich sahen wir ein, daß es eine Woche dauern würde, den Ameisenbären zur Ranch zu bringen, wenn wir dieses Tempo beibehielten. Francis schlug vor, mein Freund oder ich sollte mit dem Ameisenbären Zurückbleiben, während der andere mit ihm zur Außenstation ritt, einem fernen Fleck am Horizont, den er uns zeigte. Dort könnten wir, so versicherte er uns, etwas bekommen, das er als «Zugball» bezeichnete. Da unser Jäger eine etwas seltsame Sprache führte, kamen wir nicht dahinter, was er mit einem «Zugball» meinte, doch weil er überzeugt zu sein schien, daß es für uns keinen anderen Ausweg aus der Klemme gab, blieb mein Freund mit dem Ameisenbären im Schatten eines Strauches zurück, während Francis und ich über die Steppe zu der Außenstation galoppierten.
Dort amtete ein reizender alter Indianer, der mir eine höchst willkommene Tasse Kaffee vorsetzte. Dann führte mich Francis nach draußen und zeigte mir den «Zugball». Es war in Wirklichkeit ein Zugbulle, das heißt ein Stier, der als Zugtier benutzt wurde. Nun erschien Francis’ Frau auf dem Schauplatz, und Francis erklärte mir, sie werde mit dem Stier auf die Steppe hinausreiten, während wir zu Pferde vorausgaloppierten. Die kleine Indianerin sprang tatsächlich auf den ungeheuren Stiernacken, saß dort wie im Damensattel; das lange schwarze Haar hing ihr bis zur Leibesmitte, so daß sie fast wie Lady Godiva aussah. Mit einem dicken Stecken versetzte sie dem Stier einen Klaps auf den Rumpf, worauf er einen flotten Trab über die Steppe anschlug.
Als Francis und ich bei der Stelle anlangten, wo wir meinen Freund und den Ameisenbären zurückgelassen hatten, stellten wir fest, daß es dem Unband gelungen war, uns neue Scherereien zu machen. Er hatte sich zur Hälfte aus seinem Sack gestrampelt, der ihm wie Pluderhosen ums Hinterviertel hing, und er hoppelte hin und her, hitzig verfolgt von meinem Freund. Wir fingen ihn und versenkten ihn in einen neuen Sack, der noch fester zugebunden wurde; derweil schilderte mein Freund die Schwierigkeiten, die er während unserer Abwesenheit durchgemacht hatte.
Zuerst war sein Pferd, das wir unserer Meinung nach gut angebunden hatten, plötzlich durchgegangen, und mein Freund mußte ihm ziemlich lange nachsetzen, bis es ihm gelang, den Gaul zu fangen. Bei der Rückkehr sah er mit Schrecken, daß es dem Ameisenbären geglückt war, sich aus einigen Umschnürungen herauszuwinden und den Sack mit den Klauen zu zerreißen, so daß er zur Hälfte draußen war. Mein Freund stand Todesängste aus, das Tier könnte entrinnen, rannte hin, stieß es in den Sack zurück und fesselte es von neuem. Als er sich umblickte, nahm er mit gleichem Entsetzen wahr, daß sein Pferd die Gelegenheit ergriffen hatte, sich abermals davonzumachen. Nachdem er es glücklich eingefangen hatte und zu dem Ameisenbären zurückkehrte, fand er den halbbefreiten Sackhüpfer vor. In diesem Augenblick waren wir zurückgekehrt.
Kurz darauf kam Francis’ Frau auf dem Stier angaloppiert, und sie half uns beim Verladen des Ameisenbären. Der Stier verhielt sich dabei ganz ruhig, und es schien ihm gleich zu sein, ob der Sack auf seinem Rücken voller Kartoffeln oder Klapperschlangen war, und obwohl der Ameisenbär mit aller Kraft fauchte und strampelte, trabte der Stier stetig weiter, ohne seine Fracht im geringsten zu beachten.
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit gelangten wir zur Ranch; hier holten wir unsere Beute aus dem Sack und nahmen ihr die Fesseln ab. Aus dem Seil stellte ich ein grobes Geschirr her, mit dem der Ameisenbär an einen dicken Baum gebunden wurde. Ich setzte ihm noch eine große Schüssel Wasser vor, dann wurde er in Ruhe gelassen, und ich hoffte, daß er gut schlafen würde.
Sehr früh am folgenden Morgen schlich ich hinaus, um nach ihm zu sehen, und zuerst dachte ich, er wäre nachts entwichen, denn ich erblickte ihn nicht. Nach einer Weile merkte ich, daß er zwischen den Wurzeln des Baumes lag, zusammengerollt wie eine Kugel, und seinen Schwanz wie einen großen grauen Schal über sich gelegt hatte, so daß er aus der Ferne nicht wie ein Ameisenbär, sondern eher wie ein Schlackenhaufen aussah. Da erkannte ich, wie nützlich ihm sein großer Schwanz sein mußte. In der Steppe kratzt sich der Ameisenbär zwischen den dicken Grasbüscheln ein flaches Lager, rollt sich darauf zusammen und legt den Schwanz wie eine Decke über sich, so daß es nur dem schlimmsten Regen gelingen kann, diesen Fellschutz zu durchdringen.
Für mich bestand das Problem nun darin, Amos — so nannten wir ihn — beizubringen, eine Ersatznahrung zu sich zu nehmen, denn im Zoo in England konnte man ihn nicht mit Termiten füttern. Das Futter setzte sich aus Milch, rohen Eiern und feingehacktem Ochsenfleisch zusammen, dazu kamen drei Tropfen Lebertran. Mit dieser Mischung füllte ich eine große Schüssel, die ich zu einem Termitenbau trug, den ich nicht sehr weit entfernt vom Ranchhaus fand. Ich machte ein Loch in das Nest, holte eine Handvoll Termiten hervor und bestreute damit die breiige Flüssigkeit in der Schüssel. Vorsichtig trug ich sie zurück und setzte sie an einer Stelle nieder, wo Amos daran gelangen konnte.
Ich rechnete damit, daß es einige Zeit dauern würde, bis er sich mit dieser neuen Nahrung abfand, doch als er die Schüssel sah, erhob er sich zu meiner Überraschung und trabte hin. Er schnupperte gründlich, ließ seine schlangenähnliche Zunge hervorschnellen und tauchte sie in die Mischung. Dann hielt er einen Augenblick inne, über den Geschmack nachsinnend, und nachdem er entschieden hatte, daß er ihm zusagte, stellte er sich über die Schüssel und ließ seine lange Zunge mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus und ein flitzen, bis die Schüssel ganz sauber geleckt war.
Ameisenbären haben natürlich keine Zähne; um ihre Nahrung aufzunehmen, sind sie auf ihre Zunge und den klebrigen Speichel angewiesen. Manchmal gab ich Amos als besonderen Gang eine Schüssel voll Termiten, die selbstverständlich mit Klümpchen von ihrem Lehmnest vermischt waren. Staunend sah ich dann zu, wie seine lange Zunge hervorkam und in die Schüssel eintauchte, worauf die Termiten und die Lehmklümpchen wie Fliegen an Fliegenpapier daran festklebten. Doch wenn er die Zunge in die Schnauze zurückzog, fielen die Lehmklümpchen von den Lippen ab, so daß nur die Termiten eingesaugt wurden. Darin war er wirklich außerordentlich geschickt.
Nachdem wir in unser Basislager in Georgetown zurückgekehrt waren und Amos sich in seinem neuen Gehege eingewöhnt hatte, gelang es mir, ihm eine Frau zu beschaffen. Sie kam eines Tages als zusammengeschnürtes Bündel an, das man in den Gepäckraum eines Taxis gepfercht hatte. Der Mann, der sie gefangen hatte, war nicht sehr behutsam mit ihr umgegangen; sie wies am Körper mehrere böse Wunden auf und war ganz erschöpft durch Futter- und Wassermangel. Als ich ihr die Fesseln abnahm, lag sie widerstandslos auf der Seite, nur matt fauchend, und ich glaubte nicht, daß sie am Leben bleiben würde. Ich gab ihr Wasser zu trinken, und kaum hatte sie das Wasser ausgeschleckt, da wurde sie wie durch ein Wunder höchst lebendig, sprang auf die Füße und griff jeden an, der in Sicht war.
Amos hatte sich daran gewöhnt, der einzige Ameisenbär am Ort zu sein, und er empfing seine Genossin nicht sehr freundlich. Als ich die Tür seines Geheges öffnete und das Weibchen hineinschob, begrüßte er es wenig liebevoll, indem er es mit seinen Klauen auf die Nase hieb und wütend fauchte.
Daraufhin hielt ich es für besser, sie nicht beisammen zu lassen, bis sie sich aneinander gewöhnt hätten. Da Amos ein sehr großes! Gehege hatte, brauchte ich es nur in der Mitte mit Pfosten abzuteilen.
Im Gegensatz zu Amos, dessen Fütterung gar keine Schwierigkeiten gemacht hatte, bereitete mir seine Frau große Sorgen. Sie lehnte es rundweg ab, die Mischung, die ich ihr in einer Schüssel vorsetzte, auch nur zu kosten, und vierundzwanzig Stunden lang beharrte sie bei diesem Hungerstreik. Am Tag nach ihrer Ankunft kam mir jedoch ein Gedanke. Als ich Amos fütterte, schob ich seine Schüssel nahe zu den Holzstäben, die ihn von dem Weibchen trennten. Seine Tischmanieren waren nicht die besten, und wenn er fraß, konnte jeder im Umkreis von zehn Metern, auch wenn man ihn nicht sah, deutlich merken, daß er mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt war, derartige Schmatz- und Schnüffelgeräusche gab er von sich. Als die Ameisenbärin hörte, wie sehr Amos sein Frühstück genoß, ging sie neugierig zu den Stäben, um zu sehen, was er da eigentlich fraß. Sie steckte die schlanke Nase durch die Stäbe und beschnüffelte seine Futterschale, und dann tauchte sie sehr langsam und vorsichtig die lange Zunge in die Mischung. Zwei Minuten später verschlang sie das Futter mit der gleichen Geschwindigkeit und Begeisterung, die Amos entfaltete. In den nächsten vierzehn Tagen nahm sie ihr Futter immer so zu sich, das heißt, sie steckte den Hals durch die Stäbe und beteiligte sich mit ihrer langen Zunge an der Schüssel, die eigentlich Amos gehörte.
Dadurch, daß sie immer aus derselben Schüssel fraßen, gewöhn- ten sie sich aneinander, so daß ich schließlich die trennenden Stäbe entfernte und die Tiere zusammen hausen ließ. Sie bezeigten große gegenseitige Liebe, und wenn sie dicht aneinandergeschmiegt schliefen, deckten sie sich sorgsam mit den Schwänzen zu.
Für die Schiffsreise konnte ich jedoch keinen Käfig finden, der groß genug gewesen wäre, beide zu fassen; deshalb mußte ich sie in zwei Kisten getrennt unterbringen. Aber an Bord des Schiffes schob ich die beiden Kisten eng zusammen, so daß die Ameisenbären die lange Nase hinausstecken und einander beschnüffeln konnten.
Im Zoologischen Garten belustigten sie die Zuschauer immer damit, Boxkämpfe zu veranstalten. Sie stellten sich auf die Hinterbeine, ließen die lange Nase wie ein Pendel hin und her schwingen, und hieben mit den mörderisch aussehenden Klauen aufeinander los, wobei der Schwanz über den Boden fegte. Diese Boxkämpfe sahen bedrohlich und wild aus, aber kein einziges Mal gab es dabei eine Verletzung.
Der zweitgrößte Ameisenbär in Guayana ist der waldliebende Tamandua. Er sieht dem Großen Ameisenbären ziemlich ähnlich, hat die gleiche lange, gebogene Schnauze, die kleinen Knopfaugen und die kräftigen Vorderfüße mit großen Hakenklauen. Sein kurzes Fell ist hellbraun, sein Schwanz lang und gekrümmt. Der Tamandua benutzt seinen Schwanz nicht wie der Große Ameisenbär als Bedeckung, sondern wie die Baumstachelschweine und die Affen in Guayana als Greifschwanz, der ihm beim Erklettern der Bäume dient. Die Tamanduas waren die dümmsten Tiere, die wir in Guayana fingen.
Im Urwald erklimmen sie die hohen Bäume und arbeiten sich an den Ästen entlang, bis sie ein Nest Baumameisen finden. Mit ihren großen sichelförmigen Klauen reißen sie die Ameisenfestung auf und lecken mit der langen, klebrigen Zunge die Ameisen heraus. Ab und zu reißen sie ein neues Stück des Nestes auf und lecken dann weiter.
Es fällt ihnen schwer, diese Angewohnheit in der Gefangenschaft aufzugeben, und wenn man ihnen eine Schüssel mit gehacktem Fleisch, rohen Eiern und Milch vorsetzt, hauen sie mit den Klauen hinein, lecken ein wenig auf und kratzen weiter. Gewöhnlich endet es damit, daß sie den Futternapf umwerfen.
Auch meine Tamanduas unterlagen dem Eindruck, die Schüssel wäre eine Art Ameisennest, das zerbrochen werden müßte, wenn man an den Inhalt gelangen wollte, und nur dadurch, daß ich den Futternapf am Drahtgitter befestigte, konnte ich verhindern, daß sie sich und den Käfig mit ihrer Nahrung bespritzten.
Der erste Zwergameisenbär, den ich erhielt, stammte aus einem Indianerdorf im Wassernetzgebiet. Den ganzen Tag war ich mit dem Kanu gefahren, hatte verschiedene Siedlungen besucht und alle Tiere erworben, die nur verkäuflich waren. In diesem Dorf nun hielt ich eine recht gute Ernte, und ich verbrachte eine unterhaltsame Stunde damit, auf übliche Weise mit den Bewohnern zu schachern. Das wickelte sich mit Zeichensprache ab, da sie mich ebensowenig verstehen konnten wie ich die Indianer.
Durch die Menge, die mich umringte, bahnte sich auf einmal ein ungefähr sieben- bis achtjähriger Knabe einen Weg; in der einen Hand hatte er einen langen Stock, auf dem etwas saß, das ich zuerst für die Riesenraupe eines der großen Urwaldschmetterlinge hielt. Doch als ich näher hinsah, stellte ich fest, daß es ein Zwergameisenbär war, der sich mit geschlossenen Augen an den Stecken klammerte. Ich kaufte dem Jungen das Tierchen ab, und als ich es näher kennenlernte, entdeckte ich viele interessante Punkte, die in keinem der mir bekannten zoologischen Bücher erwähnt worden waren.
Die kleinen Geschöpfe sind sechzehn bis zwanzig Zentimeter lang und vollständig bedeckt von einem dichten, weichen, goldbraunen Fell, so daß sie wie winzige Teddybären aussehen. Auch der lange Greifschwanz ist dicht bepelzt. Die rosa Sohlen ihrer Hinterfüße sind leicht gehöhlt, so daß die Tierchen beim Bäumeklettern die Füße um die Zweige krümmen können, wodurch sie einen sehr festen Griff haben. Wenn sich ein Zwergameisenbär mit den Hinterfüßen und mit dem Schwanz festhält, ist es fast unmöglich, ihn von dem Zweig wegzuziehen, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. Wie bei seinen großen Verwandten sind die kurzen, sehr kräftigen Vorderpfoten mit drei sichelförmigen Krallen bewaffnet, einer großen in der Mitte und zwei kleinen zu beiden Seiten. Die Innenfläche der Pfote ist wie ein kleines Seidenkissen; wenn das Tier mit den Vorderpfoten zugreift, schnappen die langen Krallen mit ungeheurer Kraft auf das Kissen hinunter, ähnlich wie die Klinge eines Taschenmessers in den Schlitz paßt.
Die Tierchen haben eine sehr merkwürdige Gewohnheit, die ihnen bei den Eingeborenen von Guayana den Namen «Gottseidank» eingetragen hat. Wenn sie schlafen, klammern sie sich mit Hinterfüßen und fest umgewickeltem Greifschwanz an und sitzen aufrecht wie ein Wächter mit hocherhobenen Vorderpfoten. Werden sie irgendwie gestört, so fallen sie auf den Feind hinunter, und die Krallen fahren kratzend und schlitzend auf den Angreifer los. Diese seltsame Haltung nimmt der Zwergameisenbär auch ein, wenn er erschrickt; er sitzt dann so bis zu einer halben Stunde mit hocherhobenen Vorderpfoten und geschlossenen Augen, während er auf eine Gelegenheit zum Angriff wartet.
Mein kleiner Ameisenbär bewegte sich außerordentlich langsam und verschlafen, und er schien sich so sehr in seine Gefangenschaft ergeben zu haben, daß ich ihn nicht einmal in eine Schachtel zu setzen brauchte, sondern einfach den Stecken, auf dem er saß, im Bug des Kanus anlehnte, und dort ragte er ganz steif empor wie die Galeonsfigur eines alten Schiffes, ohne sich zu rühren, bis wir unser Lager erreichten. Ich war keineswegs sicher, welche Nahrung das Kerlchen zu sich nehmen würde; ich wußte nur aus Büchern, daß dieses kleine Geschöpf vom Nektar verschiedener Waldblumen lebt. Deshalb bereitete ich am ersten Abend eine Mischung aus Honig und Wasser und hängte ihm einen kleinen Napf in den Käfig.
An diesem Abend begann er gegen acht Uhr lebendig zu werden. Er gab seine steife, aufrechte Haltung auf und begann langsam und vorsichtig zwischen den Zweigen in seinem Käfig herumzuklettern; er benahm sich wie ein alter Mann auf einer schlüpfrigen Straße. Plötzlich entdeckte er den Honignapf, der gerade über ihm an den Stangen hing. Äußerst vorsichtig schnüffelte er mit seiner kurzen rosa Nase daran, und dann entschied er, daß der Napf wahrscheinlich etwas Eßbares enthielt. Ehe ich ihn hindern konnte, hatte er die eine Klaue über den Rand des Schüsselchens gehakt, so daß es umkippte, und im nächsten Augenblick ergoß sich eine Honigwasserdusche über ihn. Darüber war er sehr entrüstet, und noch gereizter wurde er, als ich ihn aus dem Käfig nahm und mit einem Stückchen Watte abrieb. Den übrigen Abend saß er auf einem Zweig und reinigte sein Fell von den klebrigen Resten.
Honigwasser schmeckte ihm sehr gut, aber ich mußte es ihm in einem Töpfchen mit sehr kleiner Öffnung reichen, sonst steckte er den ganzen Kopf hinein, kletterte dann zum Boden hinunter und wanderte umher, so daß er am Morgen wie eine bewegliche Kugel aus klebrigem Sägemehl aussah. Da Honigwasser aber als Ernährung nicht genügte, versuchte ich, dem Tierchen Ameiseneier zu reichen. Zu meiner Überraschung weigerte er sich standhaft, sie zu fressen. Dann setzte ich ihm Ameisen vor, die ihn noch weniger zu interessieren schienen als ihre Eier. Schließlich entdeckte ich durch reinen Zufall, daß ihm Heuschrecken und Falter zusagten, auf die er jeden Abend mit großer Begeisterung in seinem Käfig Jagd machte.
Die Ameisenbären von Guayana gehören gewiß nicht zu den Tieren, die in Gefangenschaft leicht zu halten sind; aber sie sind so bezaubernd und fesselnd, daß sich die Mühe mit ihnen lohnt.