41. Kapitel
Von der Ankunft des Zapfenhölzern nebst dem Beschlusse dieses weitläufigen Abenteuers.
Indem brach die Nacht an und mit ihr die festgesetzte Zeit, in welcher das berühmte Roß Zapfenhölzern ankommen sollte, über dessen Zögerung Don Quixote schon sehr verdrießlich ward, da es schien, daß Malambruno es ihm nicht senden wolle, entweder weil er der Ritter nicht sei, für welchen dies Abenteuer aufbehalten, oder daß Malambruno es nicht wagte, mit ihm den Zweikampf zu bestehen. Aber siehe da, plötzlich traten vier Wilde in den Garten, über und über mit grünem Efeu bekleidet, die ein großes hölzernes Pferd auf ihren Schultern trugen. Sie stellten es auf die Erde, und einer von den Wilden sagte: »Es besteige nun der Ritter diese Maschine, der Herz dazu hat.«
»Also denn«, sagte Sancho, »werde ich nicht hinaufsteigen, denn ich habe kein Herz dazu, auch bin ich kein Ritter.« Der Wilde fuhr fort: »Hintenauf sitzt der Stallmeister, wenn einer da ist, und man vertraue dem tapferen Malambruno, denn er wird sich bloß auf sein Schwert und keine Bosheit oder Hinterlist verlassen, man braucht nur diesen Zapfen zu drehen, den es über dem Halse hat, und es führt die Reitenden durch die Luft, wo Malambruno sie erwartet; damit aber die große Höhe keinen Schwindel verursache, müssen die Augen so lange verbunden werden, bis das Pferd wiehert, denn dies wird das Zeichen sein, daß die Reise beendigt ist.«
Nach diesen Worten ließen sie den Zapfenhölzern stehen und gingen mit gutem Anstande wieder zurück, woher sie gekommen waren. Sowie die Schmerzenreich das Pferd sah, sagte sie mit tränenden Augen zu Don Quixote: »Tapferer Ritter! Die Versprechungen des Malambruno sind zuverlässig gewesen, das Pferd ist da, unsere Bärte wachsen, und jede von uns, ja jedes Haar von uns fleht dich an, daß du uns scheren und putzen mögest, wozu nichts weiter gehört, als daß du und dein Stallmeister aufsteigen und ihr eure seltsame Reise glücklich beginnt.«
»Dieses werde ich tun, Frau Gräfin Dreischleppina, mit dem besten Willen und dem größten Vergnügen, ohne auch nur ein Kissen unterzulegen oder die Sporen anzuschnallen, so groß ist mein Verlangen, Euch, Señora sowie alle diese Dueñas, geschoren und glatt zu erblicken.«
»Dieses werde ich nicht tun«, sagte Sancho, »weder mit dem schlimmsten noch mit dem besten Willen, sondern auf gar keine Weise, und wenn dieses Scheren nicht anders vor sich gehen kann, als daß ich da hinten aufsteige, so kann mein Herr sich einen anderen Stallmeister suchen, der ihn begleite, und diese Damen mögen ein anderes Mittel erdenken, ihre Gesichter rein zu kriegen, denn ich bin keine Hexe, um Vergnügen daran zu finden, durch die Luft zu fahren. Ei! Was würden meine Insulaner wohl sagen, wenn sie hörten, daß ihr Statthalter sich oben zwischen den Winden herumtriebe? Und was noch das Schlimmste ist, so sind es ja von hier bis Candaya dreitausend und mehr Meilen, wenn das Pferd nun müde wird oder der Riese einen Einfall kriegt, so können wir auf der Rückreise ein halbes Dutzend Jahre zubringen und nachher ist keine Insel und kein Pinsel in der Welt mehr, die mich wiederkennen würden. Und so wie es im Sprichwort heißt, im Verzögern liegt die Gefahr, und wenn sie dir schenken die Kuh, so lauf mit dem Stricke hinzu, so mögen es mir die Bärte dieser Damen nicht übelnehmen, aber dem Sankt Peter geht es in Rom gut; ich meine, daß es mir hier im Hause gut geht, wo mir so viele Gnade widerfährt, und wo ich von seinem Herrn ein so großes Glück erwarte, nämlich Statthalter zu werden.«
Worauf der Herzog sagte: »Freund Sancho, die Insel, die ich Euch versprochen habe, ist nicht beweglich noch auf flüchtigen Füßen, sie hat so tiefe Wurzeln, daß sie damit in den Kern der Erde verwachsen ist, so daß man sie da nicht ausreißen kann, wo sie steht, und wenn man auch Pferde vorspannte. Zugleich könnt Ihr Euch denken, wie es mir nicht unbekannt ist, daß es keine Art von Dienstleistung von einiger Wichtigkeit gibt, die nicht durch eine gewisse Art von Bestechung erkauft wird, sei sie nun ansehnlich oder gering. Diejenige, welche ich nun für die Statthalterschaft von Euch verlange, ist, daß Ihr mit Eurem Herrn Don Quixote geht, um diesem merkwürdigen Abenteuer Ziel und Ende zu setzen; und mögt Ihr nun in weniger Zeit, wie es seine Flüchtigkeit verspricht, auf dem Zapfenhölzern zurückkehren oder ein widriges Schicksal Euch zu Fuß und als Pilgrim wieder zu uns führen, von Haus zu Haus und von Schenke zu Schenke, so werdet Ihr immer, wenn Ihr zurückkommt, eine Insel da wiederfinden, wo Ihr sie gelassen habt, und Eure Insulaner mit der nämlichen Sehnsucht, die sie immer gehabt haben, ihren Statthalter zu besitzen; sowie auch mein Wille immer der nämliche bleiben wird, wogegen Ihr Euch keinen Zweifel erlauben dürft, teurer Sancho, weil Ihr dadurch jemanden kränken würdet, der immer Euch zu dienen bereit ist.«
»Nicht weiter, gnädiger Herr«, sagte Sancho; »ich bin nur ein armer Stallmeister, und so große Höflichkeit ist mein Rücken zu schwach zu tragen; mein Herr mag nur aufsteigen, und man mag mir nur die Augen verbinden und mich Gott empfehlen, wenn ich erst weiß, ob wir, wenn wir uns auf diese Reiherbeize in die Höhe begeben, uns dem lieben Gott empfehlen oder die Engel um ihren Beistand anrufen dürfen.«
Worauf die Dreischleppina antwortete: »Sancho, Ihr dürft Euch wohl Gott empfehlen oder wem Ihr nur immer wollt, denn Malambruno, wenn er auch ein Zauberer ist, ist doch ein Christ und stellt seine Verzauberungen mit aller Vorsicht und Klugheit an, ohne sich mit sonst jemand einzulassen.«
»Nun denn«, sagte Sancho, »so stehe mir Gott bei und die heilige Dreifaltigkeit von Gaeta.«
»Seit dem merkwürdigen Abenteuer mit den Walkmühlen«, sagte Don Quixote, »habe ich den Sancho nie in solcher Furcht als heute gesehen, und wenn ich wie manche andere auf Vorbedeutungen hielte, so könnte mir sein Kleinmut einige Bedenklichkeiten im Gemüte erregen. Aber komm hierher, Sancho, denn mit Erlaubnis dieser Gnädigen will ich dir zwei Worte beiseite sagen.« Worauf er sich mit Sancho unter einige Bäume des Gartens entfernte, seine beiden Hände faßte und sagte: »Du siehst, liebster Sancho, welche weite Reise wir vor uns haben, und Gott weiß, wann wir zurückkommen oder ob uns unsere Geschäfte Gelegenheit und Muße vergönnen werden; ich wünschte also, daß du dich auf dein Zimmer zurückzögest, als wenn du etwas Nötiges zur Reise suchen wolltest, und dir dort eiligerweise auf Abschlag der dreitausendunddreihundert Hiebe, die du dir geben mußt, ungefähr fünfhundert zuteiltest, was dir gut bekommen würde, denn wenn man eine Sache nur anfängt, so ist sie schon halb vollendet.«
»Bei Gott«, sagte Sancho, »Euer Gnaden muß wohl ganz unklug sein; das ist, wie man sagt, du siehst meine Schwangerschaft und verlangst eine Jungferschaft von mir. Jetzt, da ich auf nichts als einem Brette sitzen soll, verlangt Ihr, daß ich mir den Hintern entzweischlage? Wahrhaftig, wahrhaftig, Euer Gnaden hat keine Vernunft; gehn wir jetzt, um diese Dueñas, zu scheren, wenn wir wiederkommen, verspreche ich Euch, so gewiß ich ein ehrlicher Mann bin, eilige Anstalt zu machen, mich aus meiner Schuld zu wickeln, daß Ihr befriedigt werdet, und damit gut.«
Und Don Quixote antwortete: »Mit diesem Versprechen, mein lieber Sancho, bin ich getröstet, ich glaube, daß du es erfüllen wirst, denn so dumm du auch bist, so bist du doch wahrhaft und lauter.«
»Ich kann nicht lauter sprechen, als ich jetzt rede«, sagte Sancho, »aber wenn ich auch gar keine Zunge hätte, so wollte ich mein Wort doch halten.«
Hierauf gingen sie zurück, um den Zapfenhölzern zu besteigen, und im Hinaufsteigen sagte Don Quixote: »Verhülle dich, Sancho, und steige hinauf, Sancho, denn wer aus so weit entlegenen Ländern nach uns sendet, wird es nicht tun, um uns zu hintergehen, damit er die kleine Ehre davontrage, die ihm zufließen möchte, einen zu täuschen, der ihm vertraute; und wenn auch alles anders ausfiele, als ich es mir vorstelle, so wird doch keine Bosheit den Ruhm, diese Tat unternommen zu haben, verdunkeln können.«
»Auf, gnädiger Herr«, sagte Sancho; »denn die Bärte und Tränen liegen mir schwer auf der Seele, und ich werde keinen Bissen essen können, der mir gut schmeckte, bis ich sie in ihrer gehörigen Glätte wiedersehe. Steigt auf, gnädiger Herr, und verbindet Euch zuerst, denn wenn ich hinter Euch aufsitzen soll, versteht sich’s, daß der erst aufsteigen muß, der den Sattel einnimmt.«
»Dieses ist die Wahrheit«, versetzte Don Quixote, nahm aus seiner Tasche ein Tuch und bat die Schmerzenreich, es ihm gut über die Augen zu binden, und sowie es zugebunden war, band er es wieder los und sagte: »Wenn ich mich recht erinnere, so habe ich im Virgilius vom trojanischen Palladium gelesen, jenem hölzernen Pferde, welches die Griechen der Göttin Pallas gewidmet hatten, daß es mit bewaffneten Rittern angefüllt war, woraus nachher der gänzliche Untergang Trojas erfolgte; deshalb wird es gut getan sein, erst zu sehn, was der Zapfenhölzern in seinem Magen hat.«
»Es ist nicht nötig«, sagte die Schmerzenreich, »denn ich weiß, daß Malambruno weder boshaft noch verräterisch ist, steigt nur ohne alle Furcht auf, mein gnädiger Herr Don Quixote, alles Unglück, wenn eins erfolgen sollte, will ich verantworten.«
Don Quixote meinte, daß alles, was er noch zum Besten seiner Sicherheit erwidern könne, seinen Mut in ein nachteiliges Licht stellen würde, und deshalb bestieg er den Zapfenhölzern, ohne weiter zu streiten, und versuchte den Zapfen, der sich sehr leicht drehte; da er keine Steigbügel hatte und ihm die Beine herunterhingen, sah er nicht anders aus, wie eine Figur auf einer flamändischen Tapete, welche eine Gestalt aus einem römischen Triumphe vorstellte. Unwillig und mit aller Langsamkeit stieg Sancho hinauf und setzte sich hinten zurecht, so gut er nur konnte, er fand aber den Sitz ziemlich hart und durchaus nicht weich, deswegen bat er den Herzog, wenn es möglich wäre, ihm ein Kissen oder ein Pfühl zu geben, wenn es auch von der Fußbank der gnädigen Herzogin oder aus dem Bette eines Pagen wäre, denn die Hüften des Pferdes schienen mehr von Marmor als von Holz. Hierauf sagte die Dreischleppina, daß Zapfenhölzern durchaus keine Art von Decke oder Schmuck auf sich leide, was er tun könne, sei, sich nach Frauenart aufzusetzen, wodurch er die Härte weniger empfinden würde.
Sancho tat es und nahm Abschied, worauf er sich die Augen verbinden ließ, und als das Tuch zugebunden war, nahm er es wieder ab, schaute alle im Garten zärtlich und mit Tränen an und sagte, daß sie ihm bei dieser Unternehmung mit einigen Paternosters und Ave Marias beistehen möchten, damit Gott einen schicke, der es für sie tue, wenn sie sich in ähnlichen Unternehmungen befinden sollten. Worauf Don Quixote sagte: »Spitzbube, stehst du denn etwa unter dem Galgen oder sollst du sterben, daß dergleichen Fürbitten vonnöten wären? Sitzest du nicht, gemeine und feigherzige Kreatur, auf derselben Stelle, welche die schöne Magelone einnahm, und von wo sie nicht in ihr Grab herunterstieg, sondern um Königin von Frankreich zu sein, wenn die Historien nicht lügen? Und ich, der ich dir zur Seite bin, kann ich mich nicht mit dem tapferen Peter vergleichen, der diese nämliche Stelle belastete, welche ich jetzt belaste? Verbinde dich, herzloses Tier, und laß deinen Mund die Furcht aussprechen, die du hast, wenigstens nicht in meiner Gegenwart.«
»Verdeckt mir die Augen«, antwortete Sancho, »und da ich mich Gott nicht empfehlen soll oder mich ihm soll empfehlen lassen, ist es da so was Besonderes, daß ich fürchte, eine Region von Teufeln wird sich über uns machen und uns auf den Armensünderanger bringen?«
Sie verbanden sich, und da Don Quixote merkte, daß nun alles war, wie es sein sollte, drehte er den Zapfen, und er hatte ihn kaum mit den Fingern berührt, als alle Dueñen und alle Anwesenden ihre Stimmen erhoben und riefen: »Gott geleite dich, tapferer Ritter! Gott sei mit dir, unerschrockener Stallmeister! Schon, schon reißt ihr euch durch die Lüfte, schneller als nur ein Pfeil fliegen kann; ja schon setzt ihr alle in Erstaunen und Bewunderung, die euch von der Erde nachschauen. Halte dich, tapferer Sancho, denn du wackelst, sieh dich vor, daß du nicht fällst, denn dein Fall wäre schlimmer als der des verwegenen Jünglings, der den Sonnenwagen seines Vaters regieren wollte.«
Sancho hörte die Stimmen, drückte sich fest an seinen Herrn, den er mit den Armen umklammerte, und sagte: »Gnädiger Herr, wie sagen die doch, daß wir so hoch sind, da uns doch ihre Stimme erreicht, und es nicht anders ist, als wenn sie dicht neben uns sprächen?«
»Nimm daran keinen Anstoß, Sancho, denn da diese Dinge und dieses Flugwerk so sehr außer dem gewöhnlichen Lauf der Dinge liegen, so magst du auch wohl auf tausend Meilen sehen und hören, was du nur willst; zerre mich übrigens nicht so, denn du reißest mich herunter. Und ich weiß doch wahrlich nicht, was dich ängstet oder in Furcht setzt, denn ich möchte schwören, daß ich zeit meines Lebens kein Pferd geritten habe, das so sanft ginge: ist es doch nicht anders, als wenn wir uns nicht von der Stelle bewegten. Wirf, lieber Freund, die Furcht ab, denn die Sache geht so gut, wie sie nur immer gehen kann, und ein günstiger Wind bläst in unsere Segel.«
»Das ist wahr«, sagte Sancho, »denn von der Seite kommt ein so tüchtiger Wind her, als wenn sie mich mit tausend Blasebälgen anbliesen.« Und so verhielt es sich auch, denn etliche große Blasebälge brachten diesen Wind hervor. So gut war das Abenteuer vom Herzoge, der Herzogin und dem Haushofmeister eingerichtet, daß auch nichts Nötiges fehle, um es vollkommen zu machen. Als Don Quixote das Wehen merkte, sagte er: »Ohne allen Zweifel, Sancho, sind wir schon in die zweite Region der Luft gelangt, wo sich Hagel und Schnee erzeugen, der Donner, das Wetterleuchten und der Blitz erzeugen sich in der dritten Region; und wenn wir auf diese Art fortreisen, so werden wir bald in die Region des Feuers geraten, und ich weiß nicht, wie ich den Zapfen drehen soll, damit wir nicht zu jener Höhe steigen, wo wir verbrennen.«
Indem wurde ihnen Werg, das sich leicht entzündet und schnell verlöscht, von weitem an Stangen entgegengehalten, um ihre Gesichter zu erhitzen. Sancho, der die Hitze fühlte, sagte: »Ich will sterben, wenn wir nicht schon in der Gegend des Feuers sind oder nahe dabei, denn ein großer Teil meines Bartes ist versengt, ich will mir das Tuch abnehmen, gnädiger Herr, um zu sehen, wo wir sind.«
»Tue das nicht«, antwortete Don Quixote, »und erinnere dich der wahrhaften Geschichte vom Lizentiaten Torralva, den die Teufel im Flug durch die Luft davonführten, indem er auf einem Stocke ritt, die Augen verbunden, und der sich in zwölf Stunden zu Rom befand, sich in Torre de Nona niederließ, welches eine Straße dieser Stadt ist, und das ganze Getümmel, die Eroberung und den Tod des Bourbon mit ansah, sich aber am Morgen wieder in Madrid befand, wo er alles das erzählte, was er gesehen hatte; der auch sagte, daß, als er durch die Luft gegangen, der Teufel ihm befohlen habe, die Augen aufzumachen, er tat sie auf und sah sich, wie es ihm schien, dem Monde so nahe, daß er ihn mit der Hand fassen konnte, er wagte es aber nicht, auf die Erde hinabzusehen, um nicht schwindelig zu werden. Also, Sancho, dürfen wir uns nicht die Binde öffnen, denn derjenige, der uns jetzt fortschafft, wird auch Rechenschaft von uns geben müssen; vielleicht nehmen wir auch nur einen Anlauf und steigen darum in die Höhe, um dann auf das Königreich Candaya niederzuschießen, wie es der Geier macht, oder wie der Falke auf den Reiher stößt, den er um so sicherer trifft, je höher er sich schwingt; und ob es gleich scheint, daß es noch keine halbe Stunde ist, daß wir im Garten waren, so glaube nur, daß wir doch schon einen großen Weg zurückgelegt haben.«
»Ich weiß nicht, wie es ist«, sagte Sancho Pansa, »aber das weiß ich wohl, daß, wenn die Dame Magallane oder Magalone mit ihrem Sitze zufrieden war, sie kein zartes Fleisch muß gehabt haben.«
Dieses ganze Gespräch der beiden Helden hörten der Herzog und die Herzogin und alle, die sich im Garten befanden, was ihnen ein außerordentliches Ergötzen verursachte; und da sie nun diesem seltsamen und gut durchgeführten Abenteuer ein Ende machen wollten, so hefteten sie an den Schweif des Zapfenhölzern einige brennende Lunten, und augenblicks, da das Pferd inwendig voller Schwärmer war, flog es mit Gekrache durch die Luft und warf den Don Quixote und Sancho Pansa, beide halb versengt, auf die Erde. Vorher hatte sich schon die ganze bebartete Heerschar der Dueñen auch die Dreischleppina und alles aus dem Garten entfernt, aber die übrigen lagen wie ohnmächtig auf dem Boden ausgestreckt.
Don Quixote und Sancho erhoben sich übel zugerichtet, schauten nach allen Seiten um und waren verwundert, sich in dem nämlichen Garten wiederzufinden, aus welchem sie abgereist waren, auch so viele Leute auf der Erde liegen zu sehen, aber ihre Verwunderung stieg noch höher, als sie auf der einen Seite des Gartens eine Lanze in den Boden gepflanzt sahen und an ihr mit zwei grünen Schnüren ein weißes und helles Pergament befestigt, auf welchem mit großen goldenen Buchstaben folgendes geschrieben stand:
»Der erlauchte Ritter Don Quixote von la Mancha hat das Abenteuer der Gräfin Dreischleppina, mit einem anderen Namen genannt die Dueña Schmerzenreich, und ihrer Gesellschaft bestanden und vollbracht, bloß dadurch, daß er es unternommen.
Malambruno meint, seine völlige Befriedigung und Genugtuung erhalten zu haben, die Bärte der Dueñas, sind schon hinweg und verschwunden und die Herrscher Don Clavijo und Antonomasia in ihrem ehemaligen Zustande. Und sobald die stallmeisterliche Geißelung erfüllt sein wird, soll die weiße Taube von den giftigen Geiern befreit sein, die sie verfolgen, und in den Armen ihres geliebten Täubers ruhen, denn so ist es verordnet von dem weisen Merlin, Protozauberer aller Zauberer.«
Als Don Quixote die Schrift des Pergamentes gelesen hatte, sah er deutlich ein, daß von der Entzauberung der Dulcinea die Rede sei; er dankte dem Himmel vielmals, mit so weniger Gefahr ein so großes Werk bestanden zu haben, die Gesichter der ehrwürdigen Dueñas, die nicht mehr zu sehen waren, in ihre alte Verfassung zu setzen. Er ging hierauf zum Herzog und der Herzogin, die noch nicht zu sich gekommen schienen, zog den Herzog bei der Hand und sagte zu ihm: »Auf, edler Herr, seid guten Muts, denn alles ist vorüber, das Abenteuer ist schon ohne Gefahr und Schaden bestanden, wie es die Schrift deutlich beweist, die sich an jenem Pfeiler befindet.«
Der Herzog kam nach und nach zu sich, als wenn er aus einem schweren Traum erwachte, ebenso machten es die Herzogin und die übrigen, die im Garten ausgestreckt lagen, mit solchen Gebärden des Erstaunens und der Verwunderung, daß sie beinahe selbst das Gefühl bekamen, als wäre ihnen das wirklich begegnet, was sie im Scherze so täuschend nachzuspielen wußten. Der Herzog las das Blatt mit halb geschlossenen Augen, worauf er sogleich die Arme ausstreckte, um Don Quixote zu umarmen, indem er sagte, daß er der größte Ritter sei, den nur irgendein Jahrhundert hervorgebracht habe. Sancho ging umher und suchte die Schmerzenreich, um zu sehen, was sie für ein Gesicht ohne Bart habe und ob sie ohne diesen so schön sei, wie man nach ihrem edlen Anstande erwarten konnte; aber man sagte ihm, daß, sowie Zapfenhölzern brennend durch die Luft herniedergekommen und zu Boden gestürzt sei, alsbald die ganze Schar der Dueñas, samt der Dreischleppina verschwunden, sie aber auch schon glatt bis auf die Wurzeln geschoren gewesen wären. Die Herzogin fragte Sancho, wie es ihm auf der weiten Reise ergangen sei.
Worauf Sancho antwortete: »Ich, gnädige Frau, merkte, daß wir, wie auch mein Herr sagte, durch die Region des Feuers flogen, und so wollte ich mir die Augen ein wenig frei machen; aber mein Herr, den ich deswegen um Erlaubnis bat, wollte es nicht bewilligen; ich aber, der ich so einen gewissen Kitzel von Neugier habe und der ich gern weiß, was mir im Wege liegt, schob mir sachtchen und ohne daß es einer sehen konnte, über die Nase ein kleines bißchen von dem Tuche hinweg, das mir die Augen verband, und so sah ich auf die Erde herunter und sie schien mir im ganzen nicht größer zu sein als ein Senfkorn, und die Menschen, die darauf herumliefen, nur etwas größer als die Nüsse; woraus Ihr merken könnt, wie hoch wir dazumal gewesen sein müssen.«
Hierauf sagte die Herzogin: »Freund Sancho, bedenkt, was Ihr sagt, denn nach Eurer Beschreibung könnt Ihr nicht die Erde gesehen haben, sondern die Menschen, die darauf herumliefen, und es ist klar, wenn die Erde Euch so groß wie ein Senfkorn vorkam, jeder Mensch aber wie eine Nuß, daß ein einziger Mensch die ganze Erde bedeckt haben muß.«
»Das ist wahr«, sagte Sancho; »aber doch sah ich sie so ein wenig von einer Seite, und da sah ich sie ganz.«
»Bedenkt, Sancho«, sagte die Herzogin, »daß man von einer Seite nicht das Ganze sehen kann, was man betrachtet.«
»Ich verstehe von diesem Bedenken nichts«, versetzte Sancho, »aber das weiß ich, daß es gut wäre, wenn Eure Hoheit einsehen wollte, daß, da wir durch Zauberei flogen, ich auch wohl durch Zauberei die ganze Erde sehen konnte und alle Menschen, von wo ich sie nur immer sehen wollte; und wenn Ihr das nicht glaubt, so wird Euer Gnaden ebensowenig glauben, daß, da ich das Tuch bei den Augenbrauen niederschob, ich mich dicht am Himmel sah, denn er war nicht zwei Handbreit über mir, und das kann ich wohl beschwören, gnädige Frau, daß er ganz erstaunlich groß ist. Hierauf geschah es, daß wir an die Stelle kamen, wo die sieben Zicklein stehen, und bei Gott und meiner Seele, da ich doch als Kind bei mir zu Hause Ziegenhirt war, so sah ich sie nicht so bald, als mir auch die Lust ankam, ein Weilchen mit ihnen zu spielen, ich mußte es durchaus tun, so war mir zumut, oder ich wäre geplatzt. Was habe ich zu tun? Ohne einem Menschen oder meinem Herrn ein Wörtchen zu sagen, steige ich still und sachtchen vom Zapfenhölzern herunter und gehe zu den Ziegen, die nicht anders wie Levkoien und Blumen sind, spiele mit ihnen fast dreiviertel Stunde, und Zapfenhölzern rührte sich indessen nicht vom Fleck und setzte keinen Fuß fort.«
»Und während sich der wackere Sancho mit den Ziegen unterhielt«, fragte der Herzog, »womit unterhielt sich denn indessen der gnädige Herr Don Quixote?«
Worauf Don Quixote antwortete: »So wie alle diese Dinge und dergleichen Begebenheiten die natürlichen Grenzen überschreiten, so ist es auch nicht zu verwundern, daß Sancho das erzählt, was er erzählt; von mir muß ich gestehen, daß ich die Binde weder oben noch unten losgebunden habe und weder Himmel noch Erde, weder Meer noch Küsten sah. Das ist wahr, daß ich es fühlte, wie ich durch die Region der Luft kam und mich selber der des Feuers näherte; daß wir aber durch dieselbe gegangen sind, kann ich nicht glauben, denn da die Region des Feuers zwischen dem Himmel des Mondes und der äußeren Region der Luft liegt, so konnten wir nicht zu dem Himmel kommen, in welchem die sieben Zicklein stehen, von denen Sancho erzählt, ohne zu verbrennen; da wir aber nicht gebraten sind, so lügt entweder Sancho, oder es hat dem Sancho geträumt.«
»Er lügt weder, noch hat es ihm geträumt«, antwortete Sancho, »Ihr könnt mich ja nach den Wahrzeichen dieser Ziegen fragen, und daraus werdet Ihr sehen, ob ich die Wahrheit gesprochen habe oder nicht.«
»So sagt sie uns also, Sancho«, sagte die Herzogin.
»Es sind«, antwortete Sancho, »zwei davon grün, zwei fleischfarben, zwei himmelblau und eine bunt.«
»Das ist eine neue Art von Ziegen«, sagte der Herzog, »und in unserer Gegend sind dergleichen Farben nicht gebräuchlich, ich meine Ziegen von diesen Farben.«
»Das ist natürlich«, sagte Sancho, »daß es einen Unterschied zwischen den Ziegen des Himmels und der Erde geben muß.«
»Sagt mir doch, Sancho«, fragte der Herzog, »saht Ihr unter diesen Ziegen nicht auch einen Bock?«
»Nein, gnädiger Herr«, antwortete Sancho; »denn ich habe mir sagen lassen, daß keiner über die Hörner des Mondes hinüber kann.«
Sie wollten ihn nicht weiter über seine Reise befragen, denn Sancho schien Stoff genug zu haben, um sie durch alle Himmel zu führen und ihnen Nachrichten von allen Dingen, die sich dort zutrugen, geben zu können, ohne daß er aus dem Garten gekommen war.
Dieses war nun endlich der Beschluß des Abenteuers mit der Dueña Schmerzenreich, welches dem Herzogspaar zu lachen gab, nicht nur für diese Zeit, sondern für ihr ganzes Leben, und dem Sancho Jahrhunderte zu erzählen, wenn er so lange gelebt hätte. Don Quixote näherte sich dem Ohr des Sancho und sagte: »Sancho, wenn Ihr wollt, daß man Euch das glauben soll, was Ihr im Himmel gesehen habt, so verlange ich auch, daß Ihr mir das glaubt, was ich in der Höhle des Montesinos gesehen habe, und mehr will ich nicht sagen.«