21. Kapitel


Erzählt das hohe Abenteuer und die preisliche Eroberung von Mambrins Helm, nebst anderen Dingen, die dem unüberwindlichen Ritter zufließen.

Indem fing es an ein wenig zu regnen, und Sancho schlug vor, in die Walkmühle einzukehren; aber Don Quixote hatte wegen des vorgefallenen Spaßes einen solchen Abscheu gegen sie erfaßt, daß er durchaus nicht einkehren wollte, sondern er schlug einen Weg rechts ein, und so gerieten sie auf eine andere Straße, als auf welcher sie erst gereist waren. Es währte nicht lange, so erblickte Don Quixote einen Menschen, der beritten war und auf dem Kopfe ein Ding trug, das wie Gold glänzte. Kaum hatte er ihn bemerkt, als er sich auch schon gegen Sancho kehrte und sagte: »Ich bin der Meinung, Sancho, daß es kein Sprichwort gebe, welches nicht eine Wahrheit enthalte, denn alle sind Sprüche, die aus der Erfahrung, der Mutter aller Wissenschaften, geschöpft sind, so auch jenes, welches heißt: Schließet sich dir eine Tür zu, tut sich die andere auf. Wenn nämlich das Glück heut nacht die Tür vor uns zuschloß, uns das Gesuchte nicht finden ließ und uns mit Walkmühlen täuschte, so schließt sie uns zur Vergeltung jetzt ein schöneres und unbezweifeltes Abenteuer auf, wobei es nur meine Schuld sein dürfte, wenn ich es nicht bestände, denn jetzund kann ich es nicht auf meine Unkenntnis der Walken, oder auf die Finsternis der Nacht schieben. Dieses wird gesagt, weil, falls ich nicht irre, uns dorten einer entgegenkommt, der auf seinem Kopfe den Helm Mambrins trägt, wegen dessen ich den Schwur getan, wie dir wissend ist.«

»Bedenkt, gnädiger Herr, was Ihr sagt, und seht, was Ihr tut«, sagte Sancho, »daß es ja nicht wieder Walken sind, die uns am Ende noch recht walken und alle Sinne zusammenklopfen möchten.«

»Du Satan statt Mensch!« versetzte Don Quixote, »was tun denn Helm und Walken miteinander?«

»Das weiß ich nicht,« antwortete Sancho, »aber wahrhaftig, dürfte ich nur so wie sonst reden, so würde ich schon solche Sachen sagen, daß Ihr einsehen müßtet, Ihr irret Euch in Eurer Behauptung.«

»Wie kann ich mich in meiner Behauptung irren, nichtswürdiger Zweifler?« versetzte Don Quixote, »sprich, siehst du denn nicht jenen Ritter, der uns auf einem Apfelschimmel entgegenkommt und auf dem Kopfe einen goldenen Helm trägt?«

»Alles, was ich sehen und worin ich Euch unterstützen kann«, antwortete Sancho, »ist nichts als ein Mensch, der auf einem grauen Esel, so wie meiner ist, reitet, und der auf dem Kopfe ein Ding hat, das blitzert.«

»Und dieses ist eben der Helm Mambrins«, sagte Don Quixote; »gehe irgendwo beiseite und laß mich allein mit ihm, so sollst du sehen, wie ich ohne ein Wort zu sprechen zur Ersparung der Zeit dieses Abenteuer beendigen will und mir den Helm verschaffen, den ich mir so herzlich gewünscht habe.«

»Das Beiseitegehen ist gar nicht nötig«, versetzte Sancho.

»Aber«, fing er wieder an, »mag uns Gott nur Tausengüldenklee und keine Walke bescheren.«

»Ich habe dir befohlen, Mensch, du sollst niemals, ja nicht in Gedanken einmal der Walken erwähnen«, so rief Don Quixote, »oder ich gelobe – – – ich will nicht mehr sagen, aber ich möchte dir die Seele zusammenwalken.«

Sancho schwieg still, weil er fürchtete, sein Herr möchte das Gelübde vollführen, welches er ihm so kräftig in den Bart geworfen hatte. Mit dem Helme, dem Pferde und dem Ritter aber, welche Don Quixote sah, verhielt es sich also: In jener Gegend waren nämlich zwei Dörfer, von denen das eine so klein war, daß es keinen Barbier hatte, das andere benachbarte aber war mit einem versorgt, und daher bediente der Barbier des größeren Dorfes zugleich das kleinere, in welchem ein Kranker gerade einen Aderlaß nötig hatte und ein anderer sich wollte den Bart scheren lassen, weshalb der Barbier eben kam und ein Bartbecken von Messing mit sich führte, und da es das Schicksal um die Zeit gerade regnen ließ und er seinen Hut, der wohl neu sein mochte, nicht gern verderben lassen wollte, setzte er das Becken auf den Kopf, welches wohl, da es geschliffen war, eine halbe Meile weit schimmerte. Er ritt in der Tat, wie Sancho gesagt hatte, auf einem grauen Esel, und dies zusammen war dem Don Quixote der Apfelschimmel, der Ritter und der goldene Helm, denn es war ihm nur ein leichtes, alle Dinge, die er sah, nach seiner verrückten Ritterschaft und seinen irrenden Gedanken einzurichten. Als er nun bemerkte, daß der arme Ritter ihm nahe genug war, legte er, ohne sich in weitere Reden einzulassen, die Lanze im vollsten Trabe des Rosinante ein, mit dem Vorsatze, jenen durch und durch zu rennen; als er ihm nahe genug gekommen, schrie er ihm zu, ohne seinen wütenden Lauf anzuhalten: »Verteidige dich, nichtswertes Geschöpf, oder überliefere freiwillig, was mir nach allem Rechte zukommt!«

Der Barbier, der, ohne zu wissen, weshalb er dieses Gespenst auf sich anrennen sah, fand kein besseres Mittel, den Lanzenstoß von sich abzuhalten, als sich vom Esel herabfallen zu lassen. Er hatte aber kaum die Erde berührt, als er sich leichter wie eine Gemse wieder erhob und mit so großer Behendigkeit über das Feld rannte, daß ihn der Wind selbst nicht eingeholt hätte. Das Bartbecken ließ er auf der Erde liegen, womit sich Don Quixote zufriedenstellte und sagte, daß der Heide verständig genug gewesen, und daß er dem Biber trefflich nachgeahmt habe, der sich auch, wenn ihn die Jäger verfolgen, das mit den Zähnen abbeiße, weshalb sie Jagd auf ihn machen, wie ihn der Instinkt seiner Natur lehre. Er befahl dem Sancho den Helm aufzuheben, der ihn in die Hände nahm und sagte: »Mein Seel! ein köstliches Bartbecken, unter Brüdern ist es seinen Taler wert«; zugleich gab er es seinem Herrn, der es sich stracks auf den Kopf setzte und es rund herum drehte, um das Visier zu finden; wie er es aber nicht antraf, sagte er: »Jener Heide, der nach seinem Maße diesen berühmten Helm zuerst schmieden ließ, muß in der Tat ein gewaltiges Haupt gehabt haben, und was noch schlimmer ist, so fehlt die eine Hälfte.«

Als Sancho das Bartbecken einen Helm nennen hörte, konnte er das Lachen nicht unterdrücken, aber da ihm der Zorn seines Herrn wieder in die Gedanken kam, brach er in der Mitte ab. »Worüber lachst du, Sancho?« fragte Don Quixote.

»Ich lache nur«, gab er zur Antwort, »wenn ich mir den gewaltigen Kopf denke, den der Heide muß gehabt haben, dem die Sturmhaube gehörte, die für mich einem Barbierbecken so ähnlich sieht wie ein Ei dem anderen.«

»Weißt du, was ich mir einbilde, Sancho? dieses weltberühmte Rüststück, dieser bezauberte Helm muß durch einen ganz außerordentlichen Zufall in die Hände eines solchen geraten sein, der seine Herrlichkeit nicht zu schätzen verstand, und so in seiner Unwissenheit, da er sah, wie er das feinste Gold sei, die eine Hälfte abbrach, um sich damit zu bereichern, und somit die andere Hälfte zu einem Dinge machte, das, wie du bemerkst, einem Barbierbecken gleichsieht. Scheine dieser Helm aber was er wolle, für mich, der ich ihn kenne, ist diese Verwandlung ohne Bedeutung, überdies will ich ihn im ersten Orte, wo sich ein Schmied befindet, fertig machen, und zwar so, daß ihn jener Helm nicht übertrifft, ja ihm nicht einmal gleichkommt, den der Gott der Schmiede für den Gott der Schlachten arbeitete. Unterweilen aber will ich ihn tragen, so gut ich kann, denn etwas ist besser als nichts und wenigstens wird er doch hinreichend sein, mich gegen einen Steinregen zu beschützen.«

»Vielleicht«, sagte Sancho, »wenn die Steine nicht etwa aus Schleudern geworfen werden, so wie man sie im Kampfe der beiden Armeen warf, als sie Euch die Backenzähne ausstießen und die Ölflasche zerbrachen, in der sich der gebenedeite Balsam befand, der mich fast die Eingeweide ausbrechen ließ.«

»Es kümmert mich nicht sonderlich, diesen verloren zu haben, denn du weißt, Sancho«, sagte Don Quixote, »daß ich das Rezept davon im Gedächtnisse habe.«

»Auch ich hab’s im Gedächtnisse«, antwortete Sancho, »aber wenn ich ihn in meinem Leben mache oder gar koste, so sei die Stunde meine letzte; ich denke auch gar nicht in den Fall zu kommen, wo ich ihn nötig hätte, denn ich will mich schon mit allen meinen fünf Sinnen in acht nehmen, niemals verwundet zu werden und auch keinen anderen zu verwunden. Ob ich noch einmal geprellt werden möchte, davon will ich nichts sagen, denn solchen Unglücksfällen läßt sich nicht gut vorbeugen, und wenn sie eintreffen, so kann man nichts weiter tun, als die Schultern einziehen, den Atem anhalten, die Augen zudrücken, und sich dann in Gottes Namen gehen lassen, wohin es das Schicksal und das Bettuch meint.«

»Du bist ein schlechter Christ, Sancho«, sagte Don Quixote bei diesen Worten, »denn du vergissest niemals eine Beleidigung, die dir einmal widerfahren ist; edlen und großmütigen Seelen aber ist es anständiger, auf dergleichen Nichtswürdigkeiten keineswegs Rücksicht zu nehmen. Auf welchem Beine bist du lahm? Welche Rippe hast du zerbrochen? Wo den Kopf zerschlagen? Daß du diesen Spaß gar nicht wieder vergessen kannst? Denn beim Lichte den Vorfall besehen, war er nur Spaß und Zeitvertreib, und hätte ich ihn anders genommen, so wäre ich schon längst umgekehrt und hätte, um dich zu rächen, mehr Unheil angerichtet, als die Griechen wegen der geraubten Helena stifteten, die, wenn sie zu dieser Zeit oder Dulcinea zu jener Frist gelebt hätte, überzeugt sein dürfte, nicht den großen Ruf der Schönheit erlangt zu haben, den sie nun davongetragen hat.«

Bei diesen Worten schickte er einen tiefgeholten Seufzer in die Luft und Sancho antwortete: »So mag’s denn für Spaß gelten, da aus der Rache kein Ernst werden wollte; ich weiß aber doch auch, was Ernst und was Spaß ist, und ich weiß auch, daß der Spaß mir niemals aus dem Gedächtnisse kommen wird, wie er sich auch auf ewig meinen Schultern eingeprägt hat. Wir wollen aber von was anderem reden und nun sagt mir doch, gnädiger Herr, was machen wir mit dem Apfelschimmel, der mir wie ein grauer Esel aussieht, den der arme Kerl uns hier überlassen hat, den Ihr überwunden habt? Denn nach der Art, wie er sich auf die Beine machte und in Gottes Welt hineinlief, läßt sich wohl schließen, daß er nicht Lust hat, jemals umzukehren, und bei meinem Barte, der Graue ist wacker.«

»Es war niemals meine Gewohnheit«, sagte Don Quixote, »die zu berauben, die ich überwinde, auch ist es keine Rittersitte, die Pferde den Überwundenen zu nehmen und sie unberitten zu lassen, wenn es sich nicht etwa fügt, daß der Sieger im Kampfe sein eigenes Roß verlor, dann ist es ihm allerdings vergönnt, das des Besiegten zu nehmen, als einen Preis, der ihm nach dem Kriegsrechte zusteht. Also, Sancho, laß dieses Roß oder diesen Esel, oder wofür du es halten magst, denn sowie uns sein Herr in der Entfernung sehen wird, kehrt er ohne Zweifel zu ihm zurück.«

»Gott weiß, wie gern ich ihn mitnehmen möchte«, sagte Sancho, »oder wenigstens gegen meinen austauschen, der mir nicht so wacker scheint! Wie sind doch die Gesetze der Ritterschaft so genau, daß man nicht einmal einen Esel gegen den anderen austauschen darf; ich möchte aber doch wissen, ob ich nicht zum allerwenigsten das Sattelzeug austauschen dürfte.«

»Hierin bin ich nicht sonderlich sicher«, sagte Don Quixote, »im Zweifelsfalle aber, bis ich besser unterrichtet sein werde, entscheide ich so, daß du es austauschen magst, wenn du dessen nämlich im äußersten Grade bedürftig bist.«

»So zum äußersten bedürftig«, antwortete Sancho, »daß ich’s für meine eigene Person nicht nötiger hätte.« Mit dieser Erlaubnis tauschte er die Kleider sogleich um und zierte seinen Esel so köstlich, daß er ihm wohl zehnmal besser schien als vorher. Nachdem dieses geschehen war, frühstückten sie mit dem, was ihnen noch als Beute von dem Küchenesel übriggeblieben war und tranken von dem Wasser des Stromes, der die Walkmühlen trieb, ohne den Kopf nach diesen hinzudrehen; so heftig war der Haß, den sie wegen ihrer Furcht gegen die Mühlen gefaßt hatten. Nachdem sie ihren Zorn und die Schwermut ertränkt hatten, stiegen sie wieder auf und ohne einen bestimmten Weg einzuschlagen (weil es irrenden Rittern gut ansteht, sich keinen festen Weg vorzusetzen), zogen sie die Straße, die Rosinante erwählte, dieser Wahl folgte sein Herr und auch der Esel, der immer nachging, wohin sein guter Freund und trefflicher Gesellschafter führte. Sie gerieten demungeachtet auf die große Straße und zogen ihr auf gut Glück nach, ohne sich eine Absicht vorzusetzen.

Indem sie so fortzogen, sagte Sancho zu seinem Herrn: »Gnädiger Herr, wollt Ihr mir nicht vielleicht die Erlaubnis geben, ein wenig mit Euch zu schwatzen? Denn seit mir das harte Gebot, stillzuschweigen, auferlegt ist, sind mir wohl an vier Dinge im Magen verdorben und jetzt habe ich eins auf der Zungenspitze, was ich nicht gern möchte umkommen lassen.«

»So sprich es aus«, sagte Don Quixote, »und befleißige dich der Kürze, denn das Weitläufige macht nie Vergnügen.«

»Ich sage also, gnädiger Herr«, sprach Sancho, »daß ich seit etlichen Tagen meine Betrachtungen darüber angestellt habe, wie Ihr ohne Nutzen und Erquickung Abenteuer sucht, hier in den Wüsten und auf den Kreuzwegen, denn wenn Ihr auch die allergefährlichsten übersteht, so sieht und weiß das kein Mensch, und alles bleibt im ewigen Stillschweigen vergraben, zum Nachteil Eurer Absicht und Eurer Verdienste. Es scheint mir also (mit Eurer Erlaubnis) besser, daß wir irgendeinem Kaiser oder einem anderen großen Herrn dienen sollten, der irgend Krieg führt, in seinem Dienste könnt Ihr dann Eure tapfere Gesinnung, Eure gewaltige Macht und Euren trefflichen Verstand an den Tag legen. Sieht nun der Herr, dem wir dienen, dies alles, so muß er uns ja eine Belohnung geben, jedem nach seinem Werte, dann würden gewiß Eure großen Taten zum ewigen Angedenken aufgeschrieben; meine Taten will ich nicht erwähnen, denn die bleiben natürlich in den Schranken des Stallmeistertums, aber das kann ich behaupten, daß, wenn es bei der Ritterschaft Gebrauch wäre, die Taten der Stallmeister aufzuzeichnen, meine Verrichtungen gewiß auch schwarz auf weiß erscheinen würden.«

»Nicht übel sprichst du, Sancho«, antwortete Don Quixote; »bevor ich aber zu jenem Ziele gelange, ist es vonnöten, durch die Welt zu ziehen, gleichsam zur Beglaubigung, um Abenteuer aufzusuchen, damit, wenn ich etwelche beendige, mich der Ruhm bekränze. Wenn sich nun ein solcher Ritter an den Hof eines großen Monarchen verfügt, so ist er durch seine Taten schon gekannt, so daß, wenn ihn die Knaben nur durch die Tore der Stadt einziehen sehen, ihm alle folgen, ihn mit Geschrei umgeben und ausrufen: Dieses ist der Ritter von der Sonne, oder von der Schlange, oder von irgendeinem anderen Sinnbilde, unter welchem er denkwürdige Taten vollbracht hat. Dieser ist es, werden sie sagen, der im einzelnen Zweikampfe den Riesen Brocabruno von der gewaltigen Kraft überwand, er löste den mächtigen Zauber, in welchem der große Mameluk von Persien fast seit neun Jahrhunderten schmachtete. Also werden von Mund zu Mund seine Taten gepriesen und über dem Geschrei der Knaben und des übrigen Volkes tritt der König des Reiches an die Fenster seines herrlichen Palastes; sowie er den Ritter gewahrt, erkennt er ihn an der Rüstung oder an dem Sinnbilde des Schildes und ruft erfreut: Auf! alle meine Ritter, so viele sich deren nur am Hofe befinden, ihr sollt die Blume der Ritterschaft, die sich dorten naht, in Empfang nehmen. Alle stürzen diesem Gebote zufolge hinaus, er selbst begibt sich bis auf die Mitte der Treppe, umarmt ihn inbrünstig und willkommt ihn, küßt ihn auf den Mund und führt ihn an der Hand in das Gemach Ihrer Majestät der Königin; hier findet der Ritter die Infantin, seine Tochter, eine Jungfrau, so schön und von solcher Trefflichkeit, wie man sie gewiß nicht auf einem großen Teile dieser Welt finden wird. Es begibt sich sogleich im ersten Augenblicke, daß sie die Augen auf den Ritter wirft, er wirft die Augen auf sie, und jeder erscheint dem anderen mehr eine Gottheit als ein menschliches Wesen, und ohne zu wissen, was oder wie es geschieht, fühlen sich beide in dem hinter listigen Liebesnetze gefangen und vestrickt, worüber ihre Herzen in großen Sorgen stehen, weil sie nicht wissen, was sie reden oder wie sie ihre Gefühle und ihre Pein entdecken sollen. Von dorten führen sie ihn wohl in ein anderes Quartier des Palastes, das reich geschmückt ist, wo er die Rüstung abtut und sie ihn mit einem kostbaren Scharlachmantel bedecken; schien er in der Rüstung trefflich, so erscheint er im Hauskleide noch trefflicher. Der Abend kommt und er speist mit dem Könige, der Königin und der Infantin, wobei er niemals die Augen von ihr wendet und sie verstohlen beschaut, ohne daß es die Umstehenden merken, sie tut das nämliche mit der nämlichen Vorsicht, denn wie ich schon einmal gesagt, sie ist eine sehr verständige Jungfrau. So wie die Tafel aufgehoben ist, kommt alsbald durch die Tür des Saales ein häßlicher kleiner Zwerg mit einer schönen Dame, die sich zwischen zwei Riesen befindet und ein solches Abenteuer mit sich bringt, welches ein uralter Weiser eingerichtet hat, daß der, der es vollführt, für den allertrefflichsten Ritter von der Welt gehalten werden muß. Sogleich gibt der König Befehl, daß sich alle, die zugegen sind, in dem Abenteuer versuchen sollen, keiner aber bezwingt und beendigt es, als der fremde Ritter, wodurch er seinen Ruhm um ein großes vermehrt, zum großen Vergnügen der Infantin, die sich glücklich und selig preist, ihr Herz einem so glorreichen Manne zugewandt zu haben. Das hauptsächlichste aber ist, daß dieser König oder Fürst, oder was er nun sein mag, in einem gefährlichen Krieg mit einem anderen, ebenso mächtigen, verwickelt ist, der fremde Ritter bittet ihn hierauf (nachdem er sich zuvor einige Tage am Hofe aufgehalten) um die Erlaubnis, ihm in diesem Kriege Dienste zu leisten; mit Freuden gibt sie der König und der Ritter küßt ihm für die erteilte Gnade mit vieler Artigkeit die Hand. In derselben Nacht nimmt er von seiner Gebieterin, der Infantin, Abschied, die er im Garten hinter einem Gitterfenster spricht, denn ihr Schlafzimmer stößt auf den Garten, hier hat er sie auch schon oftmals gesprochen, denn eine Jungfrau, die das völlige Vertrauen der Infantin besitzt, ist Vermittlerin und Mitwisserin. Er seufzt, sie sinkt ohnmächtig nieder, das Mägdlein bringt Wasser, sehr in Sorgen, daß der Tag anbrechen möchte, der zum Nachteil ihrer Gebieterin alles entdecken würde; endlich kommt die Infantin wieder zu sich, durch das Gitter reicht sie ihre schneeweißen Hände dem Ritter, der sie tausend- und tausendmal küsst und sie in seinen Tränen badet. Von beiden wird endlich die Weise beschlossen, wie sie sich ihr Glück oder Unglück mitteilen wollen, es fleht die Prinzessin, daß er so schnell als möglich zurückkommen möge, er verspricht es mit vielen Schwüren, wieder küßt er ihr hierauf die Hände und nimmt mit solchen Gefühlen Abschied, daß sie ihm fast das Leben rauben. Er begibt sich hierauf in sein Gemach, wirft sich auf sein Lager, aber der Schmerz der Abreise läßt ihn nicht schlafen. Früh mit der Morgenröte geht er, um sich vom Könige, der Königin und der Infantin zu beurlauben, er erfährt, nachdem er sich von den beiden beurlaubt, daß die gnädige Infantin sich übel befinde und keinen Besuch annehmen könne; der Ritter merkt, wie dies Schmerz über seine Abreise ist, das Herz schlägt ihm und es fehlt wenig, so läßt er seine Empfindungen laut werden. Die Jungfrau, die die Vermittlerin ist, bemerkt alles, sie geht, um es ihrer Gebieterin zu sagen, die sie mit Tränen empfängt und ihr klagt, wie ihre allergrößte Sorge sei, zu erfahren, wer der Ritter sei und ob er von königlichem Geschlecht abstamme oder nicht. Die Jungfrau tröstet sie, wie er unmöglich so große Artigkeit, Anstand und Tapferkeit besitzen könne, wenn er nicht von königlichem Geschlechte sei; mit diesem Troste beruhigt sie sich, sie gibt sich zufrieden, um ihren Eltern keinen Argwohn zu erregen, und nach Verlauf von einigen Tagen zeigt sie sich öffentlich. Schon ist der Ritter abgereist, er streitet im Kriege, er überwindet den Feind des Königs, er erobert viele Städte, er triumphiert in vielen Schlachten. Er kehrt an den Hof zurück, am gewöhnlichen Platze sieht er seine Dame, sie fassen den Schluß, daß er sie von ihrem Vater zum Lohne seiner Dienste zum Weibe begehren soll. Der König verweigert sie ihm, weil er nicht weiß, wer er ist. Aber dennoch, sei’s nun, daß er sie entführt oder auf welche Weise es sonst geschehen mag, genug, die Infantin wird seine Gemahlin, und der Vater selbst preist sich deshalb glücklich, denn es findet sich, daß der Ritter der Sohn eines mächtigen Königs, ich weiß nicht von welchem Königreiche, ist, denn es mag wohl in der Landkarte gar nicht verzeichnet sein. Der Vater stirbt, die Infantin erbt den Thron, und wie man die Hand umdreht, ist der Ritter König. Nun steht es in seiner Gewalt, seinen Stallmeister und alle diejenigen zu belohnen, die ihm darin beigestanden haben, sich emporzuschwingen. Er verheiratet seinen Stallmeister mit einer Dame der Infantin, wahrscheinlich derselben, die die Mitwisserin seiner Liebe war; sie ist die Tochter eines sehr vornehmen Herzogs.«

»So wünsche ich’s, und das ist der Weg des Rechtens«, sagte Sancho, »und buchstäblich wird es Euer Gnaden so begegnen, genannt der Ritter von der traurigen Gestalt.«

»Du darfst nicht zweifeln, Sancho«, versetzte Don Quixote, »denn auf dieselbe Weise und auf die vornehmliche Art, wie ich dir eben erzählt habe, haben sich alle irrenden Ritter so hoch emporgeschwungen, Könige und Kaiser zu werden; jetzt muß ich nur darauf mein Augenmerk richten, wo ich einen christlichen oder heidnischen König antreffe, der Krieg führt und eine schöne Tochter hat, aber es wird uns noch Zeit übrigbleiben, darauf zu denken, denn wie gesagt, vorher muß ich einen herrlichen Ruhm erlangen, der bis an den Hof erschalle. Mir fehlt aber auch noch ein anderes Ding, denn gesetzt, ich finde einen König mit Krieg und einer schönen Tochter, und daß ich unglaublichen Ruhm im ganzen Universum erhalten habe, so weiß ich nicht, wie es sich ausweisen soll, daß ich von königlichem Geschlecht abstamme, oder wie ich wenigstens ein Nebenverwandter eines Kaisers sein kann. Denn der König wird mir seine Tochter niemals zur Gemahlin geben wollen, wenn nicht nebenher auch dieses berichtigt ist, mögen gleich meine glorreichen Taten noch größeren Ruhm verdienen, so werde ich dieses Mangels halber den Lohn meines tapferen Armes verlieren. Ich bin freilich wohl ein Edelmann aus einem bekannten Geschlechte, ich besitze ein Eigentum, und meine Einnahme erstreckt sich wohl über fünfhundert Taler; es mag auch wohl sein, daß der Weise, der meine Geschichte niederschreibt, meine Verwandtschaft und Abkunft dermaßen auseinandersetzt, daß erweislich wird, wie ich fünfter oder sechster Urenkel des Königs bin: denn du mußt wissen, Sancho, wie es zwei Arten von Geschlechtern in der Welt gibt, eine Art, die ihre Herkunft von Fürsten und Monarchen ableitet, die aber die Zeit nach und nach erniedrigt hat, so daß sie sich endlich gleichsam in der Basis einer Pyramide verlieren; andere entspringen aus niedrigem Geschlechte und steigen und steigen nach und nach, bis sie vornehme Leute werden; der Unterschied zwischen beiden liegt also darin, daß jene waren, was sie nicht mehr sind, und diese sind, was sie nicht waren, und zu diesen mag ich gehören, weil es sich enthüllen wird, daß mein Ursprung groß und berühmt ist, wobei sich dann auch der König, mein Schwiegervater, zufriedenstellen muß. Will er aber durchaus nicht, so wird mich die Infantin auf solche Weise lieben, daß sie ihrem Vater zum Trotze, wenn sie auch bestimmt wüßte, ich sei der Sohn eines Tagelöhners, mich zum Herrn und Gemahl annehmen wird; wo nicht, so raube ich sie dann und entführe sie, wohin es mir gefällt, bis Zeit oder Tod endlich den Zorn ihrer Eltern vertilgen.«

»Es paßt hier schön«, sagte Sancho, »was manche Schelme sagen: Bitte das nicht im Guten, was du dir mit Gewalt nehmen kannst; man könnte auch noch besser sagen: Das Rauben eines Spitzbuben ist besser als das Bitten eines braven Mannes; ich sage das nur, weil, wenn der Herr König, Euer Schwiegervater, sich nicht zum Ziele legen und Euch die gnädige Infantin übergeben will, so tut Ihr freilich am besten, sie zu rauben und wegzunehmen. Das Unglück ist nur, daß, bis wieder Friede gemacht ist und Ihr im Königreiche ruhig sitzet, der arme Stallmeister unterdes mit leeren Backen auf den Lohn passen muß, wenn nicht etwa die Jungfrau, die Vermittlerin, die seine Gemahlin werden soll, mit der Infantin wegläuft und er sein Unglück mit ihr teilt, bis es der Himmel anders beschert; denn ich glaube, sein Herr ist doch imstande, sie ihm gleich zur rechtmäßigen Frau zu geben.«

»Niemand kann ihm solches verweigern«, sagte Don Quixote.

»Damit es aber so komme«, antwortete Sancho, »müssen wir brav zu Gott beten und das Glück dann gehen lassen, wohin es uns führen will.«

»Gott wird es fügen«, antwortete Don Quixote, »wie ich es wünsche und du, Sancho, es brauchst, und gemein bleibe der, der sich für gemein hält.«

»Das weiß Gott«, sagte Sancho, »daß ich ein alter Christ bin, und mehr braucht’s nicht, um Graf zu sein.«

»Überflüssig genug ist es«, sagte Don Quixote, »und wärst du es nicht, so wäre auch dieses ohne Bedeutung, denn wenn ich König bin, so kann ich dir den Adel erteilen, ohne daß du ihn kaufst oder durch Verdienste erwirbst, weil, wenn ich dich zum Grafen mache, ich dich zugleich zum Ritter mache, und sie mögen sich dann stellen, wie sie wollen, so müssen sie dir denn durchaus deinen gnädigen Herrn geben.«

»Und denkt nur nicht, daß ich mich nicht in Hauterdiät setzen werde«, sagte Sancho.

»Auktorität und nicht Hauterdiät mußt du sagen«, erwiderte sein Herr.

»Auch gut«, antwortete Sancho Pansa, »ich sage nur, daß ich mich schon dareinschicken will, denn mein Seel’, ich war nur einmal Hochzeitbitter, und es stand mir so gut, daß alle sagten, ich könnte wohl gar einen Küster vorstellen. Wie wird es aber vollends werden, wenn sie mir den Herzogsmantel um die Schultern hängen oder ich ganz voll Gold und Perlen sitze wie ein fremder Graf! Gewiß kommen sie hundert Meilen her, um mich nur zu sehen.«

»Du wirst gut aussehen«, sagte Don Quixote, »doch wirst du dir den Bart müssen dünner scheren lassen, denn so dick, häßlich und unordentlich dein Bart ist, mußt du ihn wenigstens einen Tag um den anderen unter das Messer bringen, sonst weiß doch jeder schon auf einen Steinwurf, wer du bist.«

»Was gilt es«, sagte Sancho, »ich nehme mir lieber einen Barbier und lasse ihn bei mir im Hause wohnen, und wenn es nötig tut, muß er mir allerwege nachfolgen, wieder Bereiter eines Großen!«

»Aber wie weißt du«, fragte Don Quixote, »daß die Großen ihren Bereiter hinter sich führen?«

»Ich will es sagen«, antwortete Sancho, »ich war vor etlichen Jahren einmal vier Wochen lang in Madrid, da sah ich einen sehr kleinen Herrn vorbeireiten, von dem die Leute sagten, er wäre sehr groß, ein Mann folgte ihm auf allen seinen Schritten und Tritten zu Pferde nach, so daß er mir wie sein Schwanz vorkam; ich fragte die Leute, warum der Mann nicht neben dem anderen ritte, sondern nur immer hinter ihm herzöge, da antworteten sie, daß er sein Bereiter wäre und daß es die Großen in der Art hätten, sie so hinter sich zu führen; das weiß ich seitdem so gut, daß ich es niemals wieder vergessen habe.«

»In der Tat hast du recht«, sagte Don Quixote, »und auf die Weise kannst du deinen Barbier mit dir führen, denn die Gebräuche entstehen nicht auf einmal und werden nicht alle zu einer Zeit erfunden, und so kannst du vielleicht der erste Graf sein, der seinen Barbier hinter sich führt; und überdies ist den Bart in Ordnung halten ein wichtiger Geschäft als ein Pferd satteln.«

»Das mit dem Barbier laßt nur meine Sorge sein«, sagte Sancho, »Ihr braucht nur darauf zu denken, wie Ihr König werdet und mich zum Grafen macht.«

»So sei es«, antwortete Don Quixote, und indem er die Augen erhob, sah er, was das folgende Kapitel erzählen wird.

Don Quixote von la Mancha: Roman
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