18. Kapitel


Hier wird das Gespräch erzählt, welches Sancho Pansa mit seinem Gebieter Don Quixote führte, nebst anderen Abenteuern, die der Erzählung würdig sind.

Sancho kam so zermalmt und ermattet zu seinem Herrn, daß er sich kaum auf seinem Tiere erhalten konnte. Als ihn Don Quixote sah, sagte er: »Jetzt bin ich völlig überzeugt, mein getreuer Sancho, daß jenes Kastell oder Schenke verzaubert sein muß, denn jene, die sich ein so unmenschliches Spielwerk mit dir machten, was können sie wohl sein als Gespenster und Wesen aus einer anderen Welt! Was mich hierin bestätigt, ist dieses, daß, da ich außerhalb der Mauer des Hofes deiner kläglichen Tragödie zusah, es mir nicht möglich war, die Mauer zu besteigen oder mich nur vom Rosinante herunterzuheben, weil sie mich gleichfalls bezaubert hatten. Aber ich schwöre dir bei meiner Ehre, hätte ich nur hinaufsteigen oder mich herunterheben können, so wollte ich dich so gerächt haben, daß diese Spitzbuben und Mörder ewig ihres Spaßes hätten gedenken sollen, wenn ich auch hierin die Gesetze der Ritterschaft hätte übertreten müssen, die, wie ich dir schon oft gesagt habe, nicht erlauben, daß ein Ritter gegen einen, der es nicht ist, das Schwert ziehe, wenn er es nicht zur Verteidigung seines Lebens und seiner Person oder im dringendsten Falle der Not tut.«

»Ich hätte mich gerächt, ich mochte nun Ritter oder nicht Ritter sein, aber ich war nicht imstande: dabei aber glaube ich immer noch, daß die, welche den Spaß mit mir trieben, keine Gespenster oder verzauberte Menschen waren, wie Euer Gnaden sagen, sondern Menschen von Fleisch und Bein wie wir, denn ich habe sie auch alle, als sie mich in die Luft schmissen, bei ihrem Namen nennen hören; so hieß der eine Peter Martin, der andere Tenario Hernandez und der Wirt Hans Palomeque der Linkische: so, gnädiger Herr, seid Ihr auch gewiß nicht verzaubert gewesen, als Ihr nicht auf die Hofmauer kommen oder nicht vom Pferde heruntersteigen konntet, sondern was ich davon halte, ist, daß wenn wir weiter so nach Abenteuern herumsuchen, es bald mit uns Abend und gute Nacht werden wird, so daß wir am Ende nicht wissen, was an uns Kopf oder Bein ist. Das klügste und beste wäre nach meinem Verstande, jetzt gleich, da die Erntezeit ist, nach unserem Dorfe zurückzugehen und nicht so von Hinz nach Kunz, von Brot in Not und Tod herumzuziehen.«

»Wie wenig verstehst du, Sancho«, antwortete Don Quixote, »von den Elementen der Ritterschaft! Fasse dich in Geduld, denn die Zeit, in welcher du es mit Augen siehst, wird kommen, wie ehrenvoll es sei, dieses Gewerbe zu treiben. Wenn nicht, so sprich, gibt es auf der Welt ein größeres Vergnügen, läßt sich der Freude irgend etwas anderes vergleichen, wie wenn man eine Schlacht gewinnt oder über seinen Feind triumphiert? Wahrlich, nichts anderes kommt diesem bei.«

»Das kann wohl sein«, antwortete Sancho, »doch kann ich’s nicht begreifen; ich begreife nur das, daß seit wir irrende Ritter sind, oder vielmehr Ihr es seid (denn ich darf mich nicht zu so trefflichen Herren rechnen), wir doch keine einzige Schlacht gewonnen haben, außer die mit dem Biscayer, und da kamt Ihr nur mit halbem Ohre und zerschlagenem Helme durch; seitdem aber hat es nichts als Prügel und Prügel, Püffe und Püffe gegeben, ich bin zum Überschuß noch geprellt und obendrein von verzauberten Personen, an denen ich keine Rache nehmen kann, um das Vergnügen über einen überwundenen Feind zu schmecken, wie Ihr es nennt.«

»Dieses ist es, was mich verdrießt und was dich ebenfalls verdrießen muß, Sancho«, antwortete Don Quixote; »aber ich will von nun an streben, mir ein Schwert von solcher Eigenschaft zu erwerben, daß derjenige, welcher es führt, keiner Art von Verzauberung unterworfen ist; das gute Glück kann mir wohl gar das des Amadis in die Hände spielen, als er sich den Ritter des brennenden Schwertes nannte. Dieses Schwert war eins der trefflichsten, das ein Ritter in der Welt nur führen kann, denn außer obengenannter Tugend schnitt es so scharf wie ein Schermesser, und keine Rüstung, so stark und verzaubert sie auch sein mochte, konnte ihm Widerstand leisten.«

»Ich bin ein Glückskind«, sagte Sancho, »daß wenn sich’s nun auch so schickt und Euer Gnaden ein solches Schwert antrifft, es doch nur wieder, wie der Balsam, für einen geschlagenen Ritter was taugen wird, der Schildknappe aber nur seine Qual daran erlebt.«

»Fürchte dieses nicht, Sancho«, antwortete Don Quixote, »der Himmel wird es besser mit dir meinen.«

Unter diesen Gesprächen zog Don Quixote mit seinem Schildknappen fort, als Don Quixote mit einem Male eine große und dichte Staubwolke bemerkte, die ihm auf seinem Wege entgegenzog; sowie er sie bemerkte, wandte er sich zu Sancho und sagte: »Dieses ist der Tag, o mein Sancho, an welchem sich zeigen wird, was mir das Schicksal aufbewahrt hat; dieses ist der Tag, sage ich dir, an dem sich mehr als an irgendeinem anderen die Tapferkeit meines Armes kundgeben wird, an welchem ich Taten zu tun gesonnen bin, die in den Büchern des Ruhmes für alle künftigen Jahrhunderte eingeschrieben werden sollen. Siehst du jene Staubwolke, Sancho, die sich dort erhebt? Ein unzähliges Heer erregt sie, welches, aus verschiedenen und zahlreichen Völkern geworben, uns von dort entgegenzieht.«

»So müssen es zwei sein«, sagte Sancho, »denn von der anderen Seite steigt eben ein solcher großer Staub auf.«

Don Quixote drehte sich um und sah, daß es wahr sei, worüber er sich sehr erfreute, denn er war überzeugt, daß es zwei Armeen wären, die hier zusammenkämen, um sich in der Mitte der großen Ebene eine Schlacht zu liefern, denn in jedem Augenblicke war seine Phantasie mit Streit, Bezauberungen, Siegen, Unglücksfällen, Liebe und Zwiespalt angefüllt, so wie er es in seinen Büchern gelesen hatte, und alles was er sprach, dachte und tat, schloß sich diesen Dingen an; die Staubwolken, die er sah, erregten zwei große Herden von Schafen und Hammeln, die auf demselben Wege von zwei verschiedenen Seiten kamen, die aber der Staub so bedeckte, daß man sie nur ganz nahe sehen konnte. Don Quixote aber behauptete so kräftig, daß es Armeen wären, daß Sancho sie ebenfalls zu sehen glaubte und nur fragte: »Was sollen wir aber dabei tun? gnädiger Herr!«

»Was?« rief Don Quixote aus, »den Unterdrückten und Hilfsbedürftigen Beistand zu leisten! Du mußt wissen, Sancho, daß diejenigen, die uns von dort entgegenziehen, unter Anführung und Kommando des großen Kaisers Alifanfaron stehen, Herrn der großen Insel Taprobana; jener aber, der hinter mir kommt, ist sein Feind, der König der Garamanten, Pentapolin mit dem aufgekrempelten Ärmel, so genannt, weil er mit entblößtem Arm in die Schlachten zu ziehen gewohnt ist.«

»Warum sind sich aber die Herren so böse?« fragte Sancho.

»Sie sind sich deshalb böse«, antwortete Don Quixote, »jener Alifanfaron ist ein verstockter Heide, dabei aber in die Tochter des Pentapolin verliebt, die eine sehr schöne und überaus liebenswürdige Dame und eine Christin ist, ihr Vater will sie aber dem Heidenkönige nicht überliefern, wenn er nicht vorher dem Glauben seines falschen Propheten Mahomed entsagt und den unsrigen annimmt.«

»Bei meinem Bart«, sagte Sancho, »Pentapolin tut recht, und ich will ihm dazu helfen, soviel in meinen Kräften steht.«

»So sprichtst du, wie du sollst, Sancho«, sagte Don Quixote, »denn um an dergleichen Schlachten teilzunehmen, braucht man den Ritterschlag nicht erhalten zu haben.«

»Das trifft sich ja gut«, antwortete Sancho, »aber wo lassen wir den Esel solange, wo wir ihn wiederfinden, wenn die Schlägerei aus ist, denn so auf ihm als Reiter in die Schlacht zu ziehen, ist doch bisher wohl nicht gebräuchlich gewesen?«

»Du hast recht«, sagte Don Quixote, »was du mit ihm vornehmen kannst, ist, ihn auf gut Glück laufen zu lassen, er mag sich nun verlieren oder nicht, denn sobald wir nur Überwinder sind, werden wir eine solche Menge von Pferden erbeuten, daß selbst Rosinante Gefahr läuft, gegen ein anderes Roß vertauscht zu werden. Nun sei aber aufmerksam, denn ich will dir die vornehmsten Ritter kenntlich machen, die sich in diesen beiden Heeren befinden, damit du sie aber besser sehen und bemerken kannst, so wollen wir uns auf diese Anhöhe zurückziehen, von wo aus wir beide Heere genau beobachten können.«

Sie taten es und stellten sich auf einen kleinen Hügel, von wo man die beiden Herden, die für Don Quixote eine Armee waren, gut genug hätte sehen können, wenn die Staubwolken, die sich erhoben, sie nicht verdeckt und den Augen entzogen hätten. Er sah aber dennoch mit seiner Einbildung alles, was er nicht wirklich sehen konnte, und fing nun mit erhabener Stimme an: »Jenen Ritter, den du in gelber Rüstung siehst und der in seinem Schilde einen gekrönten Löwen führt, zu den Füßen einer Jungfrau hingeschmiegt, ist der tapfere Laurcalco, Herr von der silbernen Brücke. Jener dort, dessen Harnisch mit goldenen Blumen bestreut ist und der in seinem Schild drei silberne Kronen im blauen Felde führt, ist der Großherzog von Quiraloia. Jener Riese dort, der ihm zur Rechten steht, ist der nie genug gepriesene Brandarbaran, von der Kegelbahn, Herr von den dreien Arabien, der mit einer Drachenhaut bedeckt ist und als Schild eine Tür führt, welche, wie man sagt, von jenem Tempel genommen ist, den Simson einriß, als er sich durch seinen eigenen Tod an seinen Feinden rächte. Nun wende aber die Augen einmal auf jene Seite und schaue in dem Vortrabe jenes Heeres den stets siegenden und niemals besiegten Timonel von Carcajona, Herrn des neuen Biskayas, dessen Rüstung mit vier verschiedenen Farben prangt, mit Blau, Grün, Weiß und Gelb, in seinem Schilde führt er eine goldene Katze im hellen Felde, mit einem einzigen Worte zur Unterschrift, nämlich Miau, als den Anfang des Namens seiner Dame, die, wie man sagt, Miulina ist, die Tochter des Herzogs Alfenriquen von Algarbien. Jener dort, der so gewaltig den Rücken des ungeheuren Rosses belastet und dessen Rüstung so weiß wie der Schnee ist, ist ein neuer Ritter von französischer Nation, genannt Pierre Papin, Herr der Baronie Utrique. Jener, der die eisernen Fersen in die Seiten des bunten und gewandten Zebras stößt und ganz blaue Waffen führt, ist der ansehnliche Herzog von Nervia, Espartafilardo vom Walde, der als Sinnbild auf seinem Schilde ein Spargelfeld führt, mit der Unterschrift: Mein Glück wächst noch.«

So nannte er noch viele Ritter, von einer wie von der anderen Schwadron, die er sich einbildete, allen gab er aus dem Stegreife ihre Waffen, Farben, Sinnbilder und Inschriften, die er aus dem Schatze seiner unerhörten Torheit schöpfte, er fuhr daher auch, ohne einzuhalten, so fort: »Jenes mächtige Geschwader vor uns ist aus verschiedenen Nationen gebildet und zusammengesetzt. Dort sind die, welche die süßen Gewässer des berühmten Xantus kosten, die Montuasen, die die masilischen Gefilde bewohnen, diejenigen, die das feine und reichhaltige Gold des glücklichen Arabiens sichten, die, welche die berühmten und frischen Wasser des klaren Thermodon trinken, jene, die in Kanälen nach verschiedenen und fernen Gegenden den goldführenden Pactoius zu sich leiten, die Numidier dort, die in ihren Versprechungen unzuverlässig, die Perser, in Bogen und Pfeilen berühmt, die Parther und Meder, die im Fliehen streiten, die Araber, deren Wohnung veränderlich, die Skythen, die ebenso weiß als grausam, die Äthiopier, deren Lippen durchlöchert sind, nebst anderen unzähligen Nationen, deren Antlitz ich sehe und erkenne, deren Namen ich mich aber nicht erinnere. – In jener Schar dort ziehen diejenigen, die die kristallenen Gewässer des ölbekränzten Betis trinken, Männer, die ihr Angesicht in den Wellen des prächtigen, goldführenden Tajo waschen, andere, die die heilsamen Wasser des göttlichen Genil genießen, die die tartesischen Fluren, an Triften reich, bewohnen, diejenigen, die sich auf den himmlischen Xeronischen Wiesen ergötzen, die reichen Manchaner dort, mit roten Ähren gekrönt, mit Erz bekleidet, Nachkommen aus dem Blute der alten Goten, diejenigen, die sich im Pisuenga baden, berühmt wegen seines anmutigen Stromes, andere, die ihre Herden auf den ausgebreiteten Fluren des gekrümmten Guadiana weiden, dessen verborgener Lauf so oft gefeiert wird; jene, die im Frost der beschneiten Pyrenäen, andere, die auf den weißen Gipfeln der hocherhabenen Apenninen zittern: kurz, alle Völkerschichten, die nur das ganze Europa in sich faßt und begreift.«

Hilf Himmel, wie viele Provinzen nannte er noch, wie viele Nationen zählte er auf, indem er jeder mit erstaunlicher Behendigkeit die ihr zukommenden Attribute erteilte, trunken und entzückt von dem, was er in seinen lügenhaften Büchern gelesen hatte! Sancho Pansa stand über diese Reden verwundert, ohne ein Wort zu sagen, er drehte nur von Zeit zu Zeit den Kopf hin und her, ob er die Ritter oder Riesen, die sein Herr aufzählte, nicht erblicken möchte, da er aber durchaus keinen entdeckte, sagte er: »Gnädiger Herr, hol’ mich der Teufel, wenn ein Mensch oder Riese oder Ritter von allen, die Ihr da nennt, zu finden ist, wenigstens kann ich sie nicht sehen, und es muß wohl wieder alles Verzauberung sein, wie mit den Gespenstern voriger Nacht.«

»Wie sprichst du also?« antwortete Don Quixote, »hörst du nicht das Wiehern der Rosse, der Trompeten Schmettern, das Gelärm der Trommeln?«

»Ich höre nichts weiter«, antwortete Sancho, »als Blöken von Schafen und Hämmeln.« – Und dies war es auch, denn die beiden Herden waren nun ziemlich nahe gekommen.

»Deine Furchtsamkeit«, sagte Don Quixote, »macht, Sancho, daß du weder richtig siehst noch hörst, denn eine von den Wirkungen der Furcht besteht eben darin, die Sinne zu verwirren und dadurch die Dinge anders erscheinen zu lassen, als sie in der Tat sind: trägst du also so große Bangigkeit, so abseitige dich und laß mich allein, denn allein bin ich hinreichend, der Partei den Sieg zu verschaffen, zu welcher ich mich schlage.« Und mit diesen Worten gab er dem Rosinante die Sporen, faßte in der Rechten die Lanze, und somit schoß er wie ein Sonnenstrahl von dem Erdhügel herunter. Sancho schrie laut und rief: »Haltet doch, mein gnädiger Herr Don Quixote, ich schwör’s zu Gott, Hammel und Schafe sind das, was Ihr angreifen wollt! Haltet! Oh, um Gottes Barmherzigkeit willen, was sind das für Tollheiten! Da ist ja kein Riese, kein Ritter, keine Katze, keine Rüstung, weder ganze noch geteilte Schilde, noch blaue Felder, noch der Teufel und seine Großmutter. Was, ums Himmels willen, nehmt Ihr für Dinge vor?«

Aber Don Quixote hielt deshalb nicht an, sondern rief vielmehr mit lauter Stimme: »Auf, ihr Ritter, die ihr unter den Fahnen des tapferen Kaisers Pentapolin mit dem aufgekrempelten Ärmel streitet, folgt mir alle, und ihr sollt sehen, wie leicht wir ihn an seinem Feinde Alifanfaron von Trapobana rächen wollen!« Sowie er dieses sprach, stürzte er mitten in das Heer der Schafe hinein und begann ein so verwegenes und wütiges Lanzenstechen, als wenn er wirklich mit Todfeinden zu kämpfen hätte. Die Schäfer und Hirten, die die Herde führten, riefen ihm zu, daß er nicht also verfahren möchte, da sie aber sahen, daß sie damit nichts ausrichteten, griffen sie zu ihren Schleudern und begannen seine Ohren mit Steinen, wie die Faust groß, anzureden. Don Quixote kümmerte sich um die Steine nicht, sondern sagte, indem er sich von allen Seiten herum tummelte: »Wo bist du, stolzer Alifanfaron, hierher zu mir, der ich ein einzelner Ritter bin, damit ich Mann gegen Mann deine Kräfte erproben und dir das Leben nehmen kann, als vergeltende Schmach, die du dem tapferen Pentapolin Garamanta beweist.« Indem führte eine Schleuder ein Korn herbei, das ihm in die Seite traf und zwei Rippen hineinschlug. Wie er diese üble Behandlung sah, hielt er sich für tot oder schwer verwundet, gedachte seines Getränkes, nahm seine Flasche, setzte sie an den Mund und fing an, sich das Getränk einzugießen; aber er hatte noch nicht so viel hin unter getrunken, als ihm nötig schien, so kam eine zweite Zuckermandel und traf die Hand und Flasche mit solcher Gewalt, daß sie in Stücke ging, auf dem Wege drei oder vier Zähne und Backenzähne eingeschlagen und zwei Finger der Hand grausam zerquetscht wurden. So heftig war der erste Wurf und so heftig der zweite, daß der arme Ritter gezwungen war, sich vom Pferde herunter zu begeben. Die Schäfer kamen herbei und meinten, daß sie ihn umgebracht hätten, sie trieben also hastig die Herde zusammen, luden die ermordeten Stücke, die sich bis auf sieben beliefen, und so entfernten sie sich, ohne etwas anderes abzuwarten.

In der ganzen Zeit stand Sancho auf dem Hügel, sah den Tollheiten seines Herrn zu und riß sich den Bart aus, indem er die Stunde und den Augenblick verfluchte, in welchem er seine Bekanntschaft gemacht hatte. Da er nun sah, daß er auf der Erde lag, und daß die Hirten fortgingen, stieg er den Hügel hinunter, ging zu ihm und fand ihn in einem sehr schlimmen Zustande, ob er gleich noch Besinnung hatte, er sagte also zu ihm: »Sagte ich’s Euch nicht, mein Herr Don Quixote, daß Ihr halten möchtet und daß das, was Ihr angriffet, keine Soldaten, sondern eine Herde Hämmel war?«

»So hat sie der Schelm von Weisen, mein Feind, verwandelt und entstellt, und du mußt wissen, Sancho, daß es diesen Wesen etwas Leichtes ist, alles so scheinen zu lassen, wie sie es wollen; dieser Boshafte also, der mich verfolgt, neidisch über den Ruhm, den ich, wie er merkte, in dieser Schlacht erwerben möchte, hat den Zug der Feinde in eine Herde Schafe verwandelt. Glaubst du dieses nicht, so tue, Sancho, ich beschwöre dich, ein Ding, damit du deines Irrtums los werdest und merkest, wie ich die Wahrheit rede: besteige deinen Esel und reite ihnen nach, so wirst du gewahr werden, daß, sowie sie nur eine kleine Strecke entfernt sind, sie ihre erste Gestalt wieder annehmen, keine Hämmel mehr sind, sondern Menschen so recht und gerecht, wie ich sie dir erst beschrieben habe. Doch entferne dich für jetzt nicht, denn ich bedarf deiner Hilfe und Liebe: komm her und sieh, wie viele Backen- und Vorderzähne mir mangeln, denn mir ist, als hätte ich keinen einzigen mehr im Munde behalten.«

Sancho machte sich so nahe an ihn, daß er die Augen fast in seinen Mund steckte und dies geschah, indem der Balsam schon im Magen Don Quixotes gewirkt hatte; indem sich also Sancho an ihn machte, um in seinen Mund zu schauen, schoß er heftiger wie eine Büchse das von sich, was er in sich führte, und alles in den Bart des mitleidigen Stallmeisters hinein.«Heilige Mutter Gottes!« rief Sancho, »was ist mir da zugestoßen? Gewiß ist der arme Sünder auf den Tod verwundet, denn das Blut stürzt ihm aus dem Halse.« Da er sich aber ein wenig sammelte und an Farbe, Geschmack und Geruch merkte, daß es kein Blut, sondern der Balsam aus der Flasche sei, den er ihn hatte trinken sehen, ergriff ihn ein so heftiger Ekel, daß auch sein Magen sich umwandte und er seinen Gebieter bespie, worauf sie sich beide wie Brillanten ausnahmen. Sancho lief nach seinem Esel, um aus dem Schnappsacke etwas zu holen, sich abzutrocknen und seinen Herrn zu heilen, da er aber diesen nicht fand, war er im Begriff, den Verstand zu verlieren. Er fluchte von neuem und nahm sich im Herzen vor, seinen Herrn zu verlassen und nach Hause zu gehen, wenn er auch sein Gehalt und die Hoffnung auf die Regierung der versprochenen Insel verlieren sollte.

Jetzt erhob sich Don Quixote, steckte die linke Hand in den Mund, weil ihm die Zähne immer noch weh taten, mit der anderen faßte er die Zügel des Rosinante, der sich nicht von der Seite seines Herrn gerührt hatte (so redlich und schön war sein Gemüt), und ging zu seinem Stallmeister, der sich mit der Brust über seinen Esel lehnte und die Backen zwischen den beiden Händen hielt, wie ein Mensch, der in den tiefsten Gedanken versunken ist. Als Don Quixote diese Zeichen einer so gewaltigen Schwermut bemerkte, sagte er: »Wisse, Sancho, daß ein Mensch nicht mehr ist, als ein anderer, wenn er nicht mehr tut, als ein anderer; alle diese Stürme, die uns verfolgen, sind Beweise, daß sich das Wetter bald aufheitern muß und daß unsere Sachen zum Glücke ausschlagen müssen, denn es ist unmöglich, daß so viel Glück als Unglück immer daure. Hieraus folgt, daß, da wir viel Unglück überstanden, das Glück uns nahe sein muß. Darum laß die Betrübnis über Widerwärtigkeiten, die mir zustoßen, da sie dich nicht mit betreffen.«

»Also nicht?« antwortete Sancho; »war denn der, den sie gestern prellten, ein anderer als ich in eigener Person? Und der Schnappsack, der heute mit allen meinen Habseligkeiten weg ist, gehört wohl einem anderen als mir?«

»Also der Schnappsack ist weg?« fragte Don Quixote.«Freilich ist er weg«, antwortete Sancho.

»Auf diese Weise haben wir heute nichts zu essen«, erwiderte Don Quixote.

»Es wäre übel«, versetzte Sancho, »wenn hier auf den Wiesen nun auch alle die Kräuter weg wären, die Euer Gnaden kennt, wie Ihr sagt, mit denen sich, wenn alles weg war, unglückliche irrende Ritter, wie Ihr einer seid, behelfen.«

»Mit alle dem«, antwortete Don Quixote, »wäre mir jetzt ein Laib Brot oder ein Stückchen Hering viel erwünschter, als alle Kräuter, die Dioskorides beschreibt, selbst mit den Erläuterungen des Doktor Laguna. Aber vor allen Dingen besteige dein Tier, Sancho, mein Getreuer und folge mir; denn Gott, der für alles sorgt, wird auch uns nicht vergessen, da wir besonders alles was wir arbeiten, zu seinem Dienste arbeiten, denn er speist die Fliegen in der Luft, die Gewürme der Erde und die kleinen Kreaturen der Flut; seine Güte läßt die Sonne über Böse und Gute aufgehen, es regnet auf die Gerechten und Ungerechten.«

»Euer Gnaden«, sagte Sancho, »taugt besser zum Prediger als zum irrenden Ritter.«

»Die irrenden Ritter, Sancho, verstehen alles und müssen alles verstehen«, antwortete Don Quixote, »denn ein irrender Ritter aus den verflossenen Jahrhunderten mußte, wenn es die Gelegenheit gab, eine Rede oder Predigt mitten auf freiem Felde halten können, so gut, als wenn er auf der Universität Paris den Gradus empfangen hätte: woher es sich auch schreibt, daß die Lanze nicht die Feder schmäht, die Feder nicht die Lanze.«

»Es gehe so wie Euer Gnaden sagt«, antwortete Sancho, »wir wollen weiter und für die Nacht ein Unterkommen suchen, und Gott möge uns nur an einen Ort führen, wo es keine Bettücher und Preller gibt, keine Gespenster oder verzauberte Mohren, denn wenn das wiederkommt, so mag der Teufel vollends Sack und Pack holen.«

»Bitte du Gott, mein Sohn«, sagte Don Quixote, »und nimm du selbst den Weg, welchen du willst, denn dieses Mal soll es auf deine Wahl in Ansehung des Unterkommens beruhen. Gib mir aber die Hand und fühle mit dem Finger, wie viele Vorder- und Backzähne mir rechts in der oberen Kinnlade fehlen, denn dort fühle ich den Schmerz.«

Sancho steckte die Finger hinein, fühlte aufmerksam und fragte: »Wieviel Backzähne hatten Euer Gnaden denn sonst auf dieser Seite?«

»Vom Augenzahne vier«, antwortete Don Quixote, »alle vollständig und gesund.«

»Bedenkt wohl, was Ihr sagt«, antwortete Sancho.

»Viere sage ich, oder gar fünf«, erwiderte Don Quixote, »denn weder Vorder- noch Backzahn habe ich mir jemals in meinem Leben ausziehen lassen, auch ist mir keiner von Krankheit oder Flüssen ausgefallen.«

»Hier auf der unteren Kinnlade«, sagte Sancho, »habt Ihr zwei Backzähne und einen halben, in der oberen aber keinen halben und keinen ganzen, denn alles ist so platt wie meine flache Hand.«

»O ich Elender!« rief Don Quixote aus, als ihm sein Stallmeister diese traurige Neuigkeit hinterbrachte, »ich hätte lieber einen Arm hingegeben, nur nicht den, der das Schwert regiert, denn du mußt wissen, Sancho, ein Mund ohne Backenzähne ist wie eine Bäckerei ohne Backofen, und ein Zahn ist viel höher als ein Diamant zu achten. Aber allem diesen sind die unterworfen, die wir uns zum strengen Orden der Ritterschaft bekennen, also steige auf, mein Freund, und führe an, denn ich will dem Wege folgen, den du aussuchst.«

Sancho tat es und richtete sich dahin, wo er eine Herberge erwartete, ohne den Weg zu verlassen, auf dem er sich eben befand. So zogen sie langsam fort, denn der Schmerz der Kinnbacken erlaubte Don Quixote nicht, still zu sein oder sehr zu eilen. Sancho bemühte sich also, ihm einige Unterhaltung und Ergötzung zu verursachen, und unter anderen Dingen, die er vortrug, war auch das, was man im folgenden Kapitel erzählen wird.

Don Quixote von la Mancha: Roman
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