Kapitel 17

Der Mann, der sich Raschid nannte, warf einen Blick auf das Schild: ERFAHRENER KOCH GESUCHT. LANGE

ARBEITSZEITEN, SCHLECHTE BEZAHLUNG,

WENIG VERGÜNSTIGUNGEN, HARTER JOB,

ESSEN FREI.

Der Mann lächelte. Zumindest war es ehrlich.

Über dem heruntergekommenen Gebäude blinkte ein Reklameschild in mehreren Farben, die alle dem Auge nicht gerade schmeichelten: DER LETZTE KNALL TEESTUBE UND

RESTAURANT.

Darunter stand:

DINGISWAYO PATTIPONG, EIGTM.

Drei engumschlungene, ziemlich abgefüllte Raumfahrer torkelten aus der Bar nebenan und über den rissigen Kunststoff-Bürgersteig. Raschid lächelte höflich und trat einen Schritt zur Seite.

Einer der Raumfahrer sah ihn bedauernd an, ging jedoch weiter.

Wieder lächelte Raschid, und sein Lächeln wurde breiter, als er das Heulen des Yukawa-Antriebs hörte, mit dem sich ein Schiff von dem Landefeld direkt hinter der Schutzmauer in die Luft erhob. Der Fahrer des Lastgleiters hatte recht gehabt; der Raumhafen stand voller Schiffe, die schon längere Zeit nicht mehr abgehoben hatten und womöglich nie wieder fliegen würden. Trotzdem gab es immerhin noch einigen Verkehr.

Raschid betrat das Restaurant.

Der Mann, der ihn begrüßte, war klein und ziemlich dunkel. Die Gaststube bestand aus ungefähr zehn Tischen und einem Tresen. Der kleine Mann war der einzige Mensch im Raum.

"Sr. Pattipong?"

"Sind Sie von der Polizei?"

"Nein. Ich suche Arbeit."

"Kannst du kochen?"

"Ja."

"Aber du bist kein Koch. Vielleicht warst du mal Koch, irgendwo, wo man nicht gleich das Messer zieht, wenn die Bestellung falsch kommt. Du bist zu hübsch, um hier unten Koch zu sein."

Raschid antwortete nicht.

"Wo warst du zuletzt Koch?"

Raschid murmelte etwas Unverständliches.

Pattipong nickte. "Vielleicht bist du wirklich Koch. Köche sagen nie, wo zuletzt gearbeitet. Zu viele Frauen ... Alks ... Kinder ... Polizei. Komm.

Wir probieren."

Pattipong führte Raschid durch eine Tür in die Küche, wobei er seinen Gesichtsausdruck genau überprüfte. Pattipong nickte, als sich das entsetzte Staunen einstellte.

"Ja, nicht so hervorragend. Ich habe Station für guten Koch eingerichtet. Cnidarianer. Er blieb zwei, drei Jahre. Dann... weg. Ließ mich mit Badewanne als Kochstation zurück."

Die Cnidarianer waren intelligente,

korallenähnliche Polypenwesen. Und

Wasserbewohner. Im Reifestadium wuchsen

mehrere dieser Wesen zusammen. Wesen, die sich nicht gerade gut leiden konnten. Der Cnidarianer mußte sehr, sehr gut gewesen sein, denn Pattipong hatte die Küche speziell auf seine Bedürfnisse eingerichtet. Sie bestand aus einer jetzt ausgelassenen Wanne, um die herum sämtliche notwendigen Armaturen und Arbeitsplatten kreisförmig arrangiert waren.

"Nicht sehr gut. Nur sehr guter Koch kann damit umgehen."

Raschid kletterte in die Wanne.

"Ein Doppelauge. Auf beiden Seiten durch", bestellte Pattipong.

Raschid schaltete den Ofen an und stellte eine Pfanne aufs Feuer. Er streifte geklärte Butter aus einer Schüssel hinein, nahm - mit einer Hand - zwei Eier aus einer anderen Schüssel, schlug sie mit einer einzigen Handbewegung in die Pfanne und warf die Schalen zur Seite. Pattipong nickte unbewußt.

Raschid nahm Hitze weg und startete, bis die Eier in der Pfanne brutzelten. Pattipong blickte angestrengt auf sein Handgelenk. Genau im richtigen Augenblick warf Raschid die Eier herum, und sie glitten sanft auf ihre blinden Seiten.

Pattipong lächelte. "Du bist Koch. Macht sonst keiner richtig."

"Möchten Sie etwas zu Ihren Eiern?"

"Nein. Ich möchte keine Eier. Ich hasse Eier. Eier machen mich immer..." Pattipong wedelte mit seiner Hand hinter seinem Hinterteil herum. "Aber alle anderen mögen Eier. Ich biete Eier an. Du hast die Stelle. Fang an zu kochen."

Raschid blickte sich in der ziemlich dreckigen Küche um. "Ich koche später. Bis zum Mittag ist noch eine Stunde Zeit. Ich mache erst ein bißchen sauber."

Pattipong überlegte einen Augenblick und nickte dann. "Mach jetzt sauber. Koch später. Ich helfe dir."

So nahm die Legende von Pattipongs Eiern ihren Anfang.

Auf Pattipongs Speisekarte waren sie als Imperiale Eier Benedikt angekündigt. Aus irgendeinem Grund behagte Raschid der Name nicht. Er wollte ihn umändern, doch Pattipong schickte ihn in die Küche zurück. "Imperial ist ein guter Name. Beste Elefanten in Thailand sind Königliche Elefanten. Hat man mir erzählt."

Zunächst war alles ein Ausbund an Langeweile.

Zum Mittagessen war so gut wie niemand

gekommen, und jetzt dauerte es noch einige Stunden bis zum Abendessen. Raschid war noch nicht müde genug, um zu dem kleinen Zimmer, das er gemietet hatte, zurückzukehren und ein Schläfchen zu halten.

Er hatte keine Lust, etwas zu trinken, und auch keinerlei Bedürfnis nach einem Spaziergang. Er fing an zu backen. Raschid hatte zum Backen, jedenfalls meistens, das gleiche Verhältnis wie Pattipong zu Eiern. Es war viel zu unvorhersehbar, und er wußte nie genau, inwieweit die Zutaten an die Temperatur angepaßt werden mußten, oder an die Luftfeuchtigkeit, das Barometer, oder was auch immer daran schuld war, daß seine Brotlaibe aussahen, als seien sie nicht aufgegangen. Doch es gab Ausnahmen, und das war eine davon.

Er hatte den Sauerteig vor ungefähr einer Woche zubereitet -warmes Wasser, einen gleichen Anteil Mehl, ein wenig Zucker und Hefe. Das alles in einer nichtmetallischen Schüssel zugedeckt stehenlassen, bis es stinkt.

Diese Masse benutzte er als Basisprodukt für etwas, das noch immer English Muffins genannt wurde. Sie waren ebenso einfach herzustellen. Für ungefähr acht Muffins brachte er eine Tasse Milch zum Kochen, nahm sie dann vom Ofen, schüttete ein wenig Salz hinein, einen Teelöffel Zucker und zwei Tassen eines vorgefertigten Bisquitmehls. Nachdem alles zusammengerührt war, ließ er es bis auf doppelte Größe anschwellen, rührte noch eine Tasse Mehl darunter und ließ den Teig erneut steigen.

Die an beiden Seiten offenen Zylinder wurden halb mit Teig gefüllt. Raschid erwähnte niemandem gegenüber, daß es sich bei den kurzen Zylindern um Tierfutterdosen handelte, denen Böden und Deckel entfernt worden waren. Selbst in dieser Gegend war man vor heiklen Essern nicht sicher.

Er bestrich seinen mittelheißen Grill mit Butter und legte die Zylinder darauf. Sobald das offene Ende einige Sekunden lang gebräunt war, drehte er den Zylinder um, bräunte die andere Seite und nahm den Zylinder herunter, wobei er sich regelmäßig die Finger verbrannte.

Er gab mehr Butter hinzu und ließ die Muffins fast schwarz werden, bevor er sie zum Abkühlen auf ein Regal stellte. Kurz vor ihrem Einsatz, der nicht länger als vier Stunden in der Zukunft liegen durfte, teilte er sie mit der Gabel und toastete sie.

Als nächstes entdeckte er den besten Schinken, den er, oder besser gesagt Pattipong, sich leisten konnte. Er war dünn geschnitten und in einer Wein-Butter-Kümmel-Mixtur gebräunt worden.

"Am besten ist Schinken von der Erde. Aus Virginia. Oder Kerry "

Pattipong machte große Augen. "Ich wußte nicht, daß du schon jemals auf der Erde warst!" Raschid sah verwirrt aus. "Ich ... Ich war noch nie auf der Erde. Glaube ich."

Jetzt war Raschid an der Reihe, große Augen zu machen. "Dingiswayo - wie hast du denn eben geredet?"

"Du meinst, normal? Nur so rausgerutscht.

Sprechen zu viel Arbeit. Wie Eier. Nur heiße Luft.

Außerdem ... Immer kurz sprechen, dann meinen die Leute, du verstehst nichts. Sie geben sich Mühe, wenn sie sagen, was sie wollen. Aber passen nicht auf, wenn sie erzählen, was du nicht verstehst.

Und in dieser Gegend hier", sagte Pattipong und wechselte wieder zu normalen, ganzen Sätzen, "mußt du jeden Vorteil nutzen, der sich dir bietet."

Das war richtig. Auch wenn der Verkehr auf dem Raumhafen beinahe zum Erliegen gekommen war, gab es hier immer noch Stauer, einfache Raumfahrer, Huren und jede Menge kleine

Halsabschneider, die sich nach ein wenig Abwechslung umsahen; oft genug gipfelte ihr Verständnis von Spaß darin, herauszufinden, wie lange es dauerte, bis jemand mit aufgeschlitzter Kehle in der Gosse verblutet war. Unter Pattipongs Kassentresen lag immer ein langes Messer ohne Scheide bereit.

Raschid wandte sich wieder seinem Rezept zu.

Der gebräunte Schinken wurde in den vorgewärmten Ofen geschoben. Er hatte Zitronensaft, roten Pfeffer, eine Prise Salz und drei Eigelb einsatzbereit im Mixer. Dann schmolz er in einer kleinen Pfanne Butter. Sofort sprang sein geistiger Timer an.

Muffins toasten ... die Eier wanderten ins kochende Wasser... die Muffins waren fertig... der Schinken kam auf die Muffins ... zweieinhalb Minuten exakt, und dann wurden die Eier auf den Schinken gestülpt.

Er schaltete den Mixer an und schüttete

geschmolzene Butter in die Mixtur. Nachdem er bis zwölf gezählt hatte, schaltete er den Mixer aus und goß Sauce Hollandaise über die Eier.

"Voila, Sr. Pattipong."

"Nicht schlecht", sagte er mißmutig. "Aber Eier."

Raschid probierte sie an einem Kunden aus, einem Raumfahrer, der betrunken genug war, um als Versuchskaninchen zu dienen. Der Mann kostete, machte einen überraschten Gesichtsausdruck und schaufelte dann alles in Windeseile in sich hinein, um sofort im Anschluß daran eine zweite Portion zu bestellen. Er schwor bei allem, was ihm heilig war, daß ihn dieses Gericht nüchtern gemacht hätte und er jetzt ganz von vorne anfangen könne.

"Wie Ernüchterungspille? Vielleicht große Erfindung. Heilt Krankheiten. Wir machen Versandhandel auf."

"Klappe", raunzte Raschid.

Der Raumfahrer kam am nächsten Tag wieder.

Mit sechs Kameraden.

Dann kam regelmäßig zur Mittagszeit die

Raumhafenpolizei vorbei. Aus irgendeinem Grund fühlte sich Raschid nicht sehr wohl dabei, er wußte jedoch nicht, weshalb. Sie aßen natürlich gratis. Das Mittagsgeschäft lief jetzt alles andere als schleppend.

Raschid brachte weitere Gerichte auf die Speisekarte: etwas, das er Chili nannte, und dann noch etwas namens "Atomschlag-Hühnchen". Er konnte Pattipong davon überzeugen, daß man den Kunden etwas mehr bieten mußte als den öden Flugplatzrestaurant-Standardfraß, den Pattipong zuvor servierte.

"Du sprichst. Ich höre zu. Ich versuche. Mach Curry. Curry wie meine Mutter früher. Kunden probieren - ich lache. Gibt Rache für ewiges Quak-Quak-Quak-Gequatsche."

Pattipongs Curry war zwar nicht allzu

überzeugend, doch es wurde nominiert.

"Weißt du, warum ich auf dich höre?" fragte Pattipong.

Er winkte mit dem Arm aus der Durchreiche.

Raschid blickte in den Eßraum hinaus. Er war voll.

Pattipong mußte sogar Tische und Stühle nach draußen stellen. Raschid wußte, daß das Geschäft in letzter Zeit besser lief, daß es aber so gut lief, erstaunte ihn wirklich. Auch die Klientel hatte sich verändert. Es gab immer noch einige Schläger und Krakeeler, doch Raschid sah auch Anzüge und einige uniformierte Hafenangestellte. Sogar zwei in Orange gewandete Mitglieder des Kults des Ewigen Imperators saßen da draußen. Sie bereiteten ihm ebensoviel Unwohlsein wie die Polizisten - und auch hier wußte er nicht, warum.

"Letzter Knall jetzt voll angesagt. Ein Ausflug ins Unbekannte ... gut Essen. Wird eine Weile andauern.

Dann suchen sie sich einen anderen Ort. Ist schon mal passiert. Wird wieder passieren. Denke nicht gerne dran. Nicht expandieren. Nicht die alten Kunden vertreiben.

Diese Leute ... wie diese Insekten, die

herumsummen ... hierhin, dahin ... von einer Blume zur anderen. Dann sind sie weg."

"Schmetterlinge ? "

"Von mir aus, Schmetterlinge, Raschid. Arbeite.

Keine Scherze mehr."

Raschid widmete sich wieder seinem Herd.

Wieder eine verdammte Bestellung über verdammte Imperiale Eier. Allmählich fing er an, Pattipongs Abneigung gegen Eier zu teilen.

Raschid war froh, daß Pattipong Geld verdiente.

Ihm bedeutete es jedoch nichts.

Er kam sich vor... als wartete er. Auf jemanden?

Auf etwas? Er wußte es nicht.

Auch anderen war der plötzliche Wohlstand nicht entgangen.

Es war schon sehr spät. Der Letzte Knall öffnete früh und hatte bis tief in die Nacht geöffnet - doch heute war es wirklich absurd. Um Mitternacht hatten sie eine aufgekratzte Gästeschar, alle sehr formell gekleidet. Theaterbesucher.

Raschid war erschöpft. Sobald er den Grill abgerieben und eingefettet hatte, wollte er sein Zimmer aufsuchen, ab in die Naßzelle, dann einen Drink und hinein in die Bewußtlosigkeit. Sie hatten eine neue Kraft eingestellt, die ihn ablösen sollte einen Bäcker aus Pattipongs uferloser Verwandtschaft. Raschid sollte ihn einarbeiten, was ungefähr mit dem Versuch gleichzusetzen war, einem doppelt Beinamputierten das Tanzen beizubringen.

Plötzlich hörte er von vorne laute Stimmen und Gerangel. Schon wieder ein verdammter Raubüberfall. Pattipong hatte einen Einwurf in der Nähe der Kasse; fast alles Geld wanderte in einen verschlossenen, mit einer Zeituhr versehenen Safe.

Da sie bei einem Überfall also ohnehin nur wenige Credits verloren, war es einfacher, den Räubern ihre Groschen zu übergeben, als unnötig Widerstand zu leisten; außerdem gesünder. Am nächsten Morgen steckte Pattipong der Raumhafenpolizei einen kleinen Bonus zu, woraufhin sie den Dieb schnappten und ihn das Geld entweder zurückzahlen ließen oder eine Zeitlang böse in die Mangel nahmen.

Doch heute klang es anders.

Raschid schnappte sich ein schweres Hackmesser und ging zur Küchentür. Dort legte er das Hackmesser auf ein Regal und spähte hinaus.

Obwohl er sich fragte, wie das sein konnte, wußte er sofort, was da vor sich ging. Vier quadratische Kerle. Aufgedonnerte Klamotten. Hinterhältiges Grinsen. Einwandfrei unangenehme Stinkstiefel. Er ging zu Pattipong hinüber.

"Zieh Leine, Koch. Das hier geht dich nichts an", sagte einer der Halunken.

"Schutzgeld ?" fragte Raschid, ohne weiter auf den Mann zu achten.

Pattipong nickte. "Wir zahlen. Keine Scherereien.

Einrichtung nicht kaputt. Kunden beschützt."

"Hängen sie mit irgendwem zusammen?"

"He! Hast du nicht verstanden? Hau ab!"

"Hab sie noch nie gesehen. Neu. Arbeiten auf eigene Faust. Momentan keine Verbindungen. Alter Boß abgekratzt. Babybosse prügeln sich noch."

"Hör mit dem Scheiß auf. Unser Angebot steht.

Höfliche Menschen geben einem 'ne höfliche Antwort."

Pattipong warf Raschid einen Blick zu. "Wir zahlen?"

Raschid schüttelte langsam den Kopf - und schleuderte einem der Männer die schwere Glasschüssel, die auf der Theke stand, ins Gesicht.

Pattipong trat dem zweiten, einem beinahe zwei Meter großen Kerl, voll unter das Kinn. Der Mann taumelte nach hinten und legte sich flach.

Der dritte griff sich einen Stuhl, holte hoch über dem Kopf zum Schlag aus ... Raschid duckte sich darunter hinweg und stieß ihm den Kopf in den Magen. Der Mann ließ den Stuhl fallen und sackte zusammen. Raschid verpaßte ihm eine Doppelfaust ins Genick, und der Mann rührte sich nicht mehr.

Als Pattipong sein langes Messer halb hinter dem Tresen hervorgezogen hatte, veränderten sich plötzlich die Regeln. Die Hand des letzten Mannes glitt zu seinem Gürtel hinab. Eine Pistole.

Raschid, der alle Zeit der Welt hatte, drehte sich herum... zwei Schritte zurück, Richtung Küche, ein Griff nach hinten. Herumwirbeln ... die Pistole kam heraus. Der Finger legte sich auf den kurzen Abzug.

Raschid schleuderte das Hackmesser. Es bohrte sich mit einem dumpfen Knacken in den Schädel wie eine Axt, die einen Kloben verfaultes Holz spaltet.

Pattipong eilte zur Tür. "Keine Bullen."

Er kam zurück und schüttelte angesichts des Schlachtfelds und der angerichteten Sauerei den Kopf. "Das nicht gut."

"Tut mir leid. Aber er wollte -"

"Du verstehst nicht. Nicht schlimm, daß er tot ist.

Schlimm, daß er nicht sauber tot ist. Sauerei. Dauert zwei, drei Stunden saubermachen. Morgen langer Tag. Müde." Dann ging er ans Com. "Ich rufe Vetter. Holt alles ab. Läßt vielleicht vor Polizeistation liegen. Drei andere sollen Nummer vier erklären, wenn aufwachen."

Er tippte eine Nummer ein.

"Du kein schlechter Kämpfer. Für einen Koch."

Raschid warf einen Blick auf den stöhnenden oder bewußtlosen menschlichen oder ehemals menschlichen Müll hinab. Ein Gefühl ... er fühlte sich, als stünde ein neugieriger Beobachter direkt hinter ihm. Er spürte ... er spürte ... schieb ihn weg ...

nichts Besonderes. Eine notwendige Tat.

Er machte sich wieder an die Arbeit und half Pattipong.

Zwei Mann saßen an Pattipongs Tresen. Beide trugen etwas, das man nach angemessener Entfettung, Säuberung, Ausbesserung und kräftigem Bügeln wohl als Uniformen hätte betrachten können.

Neben einem der Männer lag die Mütze eines Captains, mit ehemals goldenen Litzen über dem Schirm. Raschid hatte schon Litzen gesehen, die vom Alter grün, sogar schwarz geworden waren, doch das hier war die erste Mütze, die aussah, als wäre sie von Pilzen befallen. Die Mütze mochte den Rang des Mannes anzeigen - sonst jedoch nichts. Es war nicht nur der Dreck: er war eine kleine, kaninchenhafte Person, deren krankhaftes Zucken ebenfalls an dieses Tierchen erinnerte.

Der andere, ein wahrer Schrank von einem Mann, konnte an den Ärmeln die an einigen Stellen bereits abfallenden Litzen eines Raumschiffsoffiziers vorweisen, und auf seiner Brust ein Befehlsabzeichen. Auf der Schulter des Mannes erkannte Raschid einen runden Aufnäher: PEASE

SHIPPING.

Beide Männer tranken Kaff und stritten sich heftig. Der "Captain", falls er wirklich einer war, betrachtete wohlwollend die hinter dem Tresen aufgereihten Alkflaschen. Der andere Mann - sein Maat? - schüttelte den Kopf. Das Kaninchen seufzte und nörgelte weiter. Raschid verstand nur Bruchstücke von dem, was er sagte.

"Zuwenig Mannschaft... verdammte Agentur ...

der Wandler leckt ... Fracht unter Zollverschluß ...

unbekanntes Ziel ... von dem Kunden hab ich noch nie was gehört. Nicht sehr gut, Herr Maat. Das ist überhaupt nicht gut."

Raschid wienerte die Theke und kam näher.

"Ist der Vertrag wenigstens gut?" fragte der Maat.

"Hab ihn heute früh eingelöst", sagte das Kaninchen mürrisch.

"Was machst du dann noch für ein Theater? Wir kriegen nur noch verdammt wenig Fracht mit Treibstoffgarantie rein, Captain. Wen kümmert's, was wir da transportieren?"

"Ich habe keine große Lust, meine Karriere als geschnappter Schmuggler zu beenden."

Der Maat musterte den kleinen Mann von oben bis unten. "Karriere? Pattipong, noch mehr Kaff!"

Pattipong füllte die Tassen mit versteinertem Gesicht.

"Wo kann man hier am besten ein paar Hilfskräfte anheuern?" fragte der Maat.

"Für Sie? Für Pease Lines? Schon im Hafenknast probiert?"

"Vielen Dank, Patty. Ich liebe dich auch."

Raschid ergriff das Wort: "Welche Jobs habt ihr noch offen?"

Der Maat musterte Raschid sorgfältig.

"Schmierer. Koch/Funker. Zweiter Ingenieur. Aber nur mit Papieren."

"Was haben Sie für eine Funkausrüstung?"

"Die älteste der Welt: Vx-314. Kannte vielleicht dein Großvater schon. Bei mir heißt sie Stotternde Susie."

"Bezahlung?"

"Standard. Dreihundert im Monat. Einschließlich Unterkunft und Verpflegung. Unser Ziel ist geheim.

Du kannst dort abmustern oder weiter an Bord bleiben, wenn wir neue Ware aufnehmen und zu einem neuen Hafen fliegen."

"Dreihundert ist ein Gehalt für Anfänger."

"Das ist unser Angebot."

Pattipong signalisierte von der Küche aus.

"Tut mir leid", sagte Raschid. Er spürte aus irgendeinem Grund, daß er zusagen mußte.

Der Captain wollte gerade etwas losblöken, doch der Maat bremste ihn.

"Wie gut kannst du denn kochen?"

"Bestell etwas."

"Was ist mit dem Com?"

"Ich wette um die Rechnung, daß der letzte Idiot, den ihr hattet, die Kiste nicht dreifach geerdet hat", sagte Raschid. "Da verschluckt sich jeder Vexie." Er ging in seine Küche zurück.

"Bist du betrunken? Drogen? Was ist schlecht mit Job?" fragte ihn Pattipong.

"Nichts, Dingiswayo. Es ist nur ... Zeit zu gehen."

"Halt. Ich gebe mehr Lohn. Gebe dir ... ein Viertel Umsatz. Nein, ein Achtel. Bleib hier."

Die beiden Handelsoffiziere stritten sich unhörbar.

"Die zwei da ... Jarvis, Moran. Schlecht. Er schwach. Trinker. Moran ... degradiert von Skipper.

Hat Leute getötet. Schiff ... Santana. Reinster Friedhof. Recycled. Alle Pease-Schiffe gleich.

Schrott. Zertifikate gefälscht. Abgelaufen. Holen sich Fracht, wo was zu holen. Egal, wohin. Ist ihnen egal, ob Schiff verloren, Mannschaft tot.

Versicherung zahlt immer prompt."

"Hört sich nach Abenteuer an."

"Du spinnst. Abenteuer ist anders, in Livie. Paß nur auf - Abenteuer! Du gehst tief, tief in Dreck."

"Du. Koch", brummte Moran. "Wir starten um 450."

"Und Klamotten?" fragte Raschid. "Meine Ausrüstung ist auf dem letzten Schiff geblieben."

"Kommt vor, wenn man davonläuft. Aber von mir aus. Wir haben noch was für dich übrig."

Das Warten hatte ein Ende.