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Die Wolken zogen hoch am Himmel dahin, und die Strahlen der Vormittagssonne drangen durch das Laubwerk der Bäume im Rosengarten. Der Präsident saß hinter seinem Schreibtisch, die Ellbogen auf die mit Kevlar bezogenen Armlehnen seines Ledersessels gestützt. Er hatte die Hände unter dem Kinn verschränkt, sodass die frisch gebügelten Ärmel seines weißen Hemdes einen Winkel bildeten. Aufmerksam hörte er auf das, was ihm Mitch Rapp zu berichten hatte.

Während dieser, das Jackett seines dunklen Anzugs geöffnet und die Hände in die Hüften gestemmt, mit athletischer Eleganz auf dem blauen Teppich des Oval Office auf und ab schritt, erläuterte er seine Vorstellungen. Kennedy und General Flood hörten schweigend zu. Rapp sprach seit nahezu fünf Minuten ohne Unterbrechung. Gerade als er ansetzte, die Endphase seines Vorhabens zu erläutern, ließ er im letzten Augenblick eine Pause eintreten und sagte mit einem Blick auf den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs: »General, ich hätte volles Verständnis, wenn Sie jetzt einen Vorwand suchten, den Raum zu verlassen.«

Flood kratzte sich am Kinn und gab in erstaunlich munterem Ton zurück: »Ich glaube, ich kann mir denken, worauf Sie hinauswollen. Vermutlich haben Sie keine Bedenken, mich zu kränken.«

Rapp lächelte breit. »Ich bin nicht sicher, ob ich das mit bloßen Worten könnte.«

Lachend erwiderte der General: »Solange Sie dabei meine Frau und meine Kinder aus dem Spiel lassen, denke ich, dass Sie Recht haben. Ich vermute, Sie wollen mir Gelegenheit geben, das Schlimmste nicht mit anhören zu müssen, für den Fall, dass die Sache schief geht.«

»So ist es.«

Nach einer längeren Pause sagte der General: »Meine Frau wirft mir oft vor, dass ich ein selektives Gedächtnis habe.« Er schaute Rapp durchdringend an. »Verstehen Sie, was ich damit sagen will?«

»Ich glaube schon.« Lächelnd wandte er sich wieder dem Präsidenten zu. »Ich halte es für eine gute Idee, General Moro einen kurzen Besuch abzustatten, wenn ich schon mal drüben auf den Philippinen bin.«

Hayes rutschte unbehaglich auf seinem Sessel hin und her. Eine Stimme in seinem Hinterkopf forderte ihn auf, einfach zu nicken, Rapp eine gute Reise zu wünschen und dann mit seinen Tagesgeschäften fortzufahren, aber ein anderer Teil seines Ichs wollte mehr erfahren. »Und worüber werden Sie mit ihm sprechen?«

Rapp blieb unmittelbar vor dem Präsidenten stehen und sah einen Augenblick lang auf seine Schuhspitzen.

»Sir, wirft Ihnen die First Lady mitunter vor, dass Sie ein selektives Gedächtnis haben?«

»Seit dem Tag, an dem wir uns kennen gelernt haben. Offen gestanden, hat sie damit auch Recht. Aber das ist in diesem Zusammenhang unerheblich.« Er drehte seinen Sessel um neunzig Grad und sah zum Fenster hinaus. »Mir ist einfach nicht wohl bei der Vorstellung, dass Sie sich so weit vorwagen.«

»Machen Sie sich um mich keine Gedanken, Sir. Dafür werde ich bezahlt.«

Der Präsident nickte. »Das ist mir bekannt. Doch gibt das uns anderen nicht das Recht zu sagen, wir hätten nichts davon gewusst, wenn etwas nicht nach Plan verläuft.«

»So sollte es aber sein, Sir«, sagte Kennedy. Ihre Stimme klang aufrichtig.

»Deswegen muss es mir noch lange nicht gefallen. Ehrlich gesagt, bin ich nicht einmal sicher, ob wir nicht einfach unseren kurzfristigen Blutdurst stillen würden, indem wir General Moro aus dem Weg schafften.«

Bei diesen Worten verfinsterte sich Rapps Gesicht.

»Blutdurst« kam in seinen taktischen Erwägungen nicht vor. Er überlegte lediglich, ob Moro den Tod verdient hatte oder nicht.

»Mr. President«, sagte er mit einer Stimme, in der weder eine Bitte noch Herablassung lag, »General Moro ist ein Verräter, der ganz persönlich die Schuld am Tod zweier SEALs der Marine der Vereinigten Staaten trägt. Sollten Sie fürchten, die Präsidentin der Philippinen zu verärgern, wenn wir ihn umbringen, kann ich Ihnen versichern, dass uns Frau Quirino dafür dankbar sein wird, sobald sie erfährt, dass er sich nicht nur von den Chinesen hat bezahlen lassen, sondern auch von den Abu Sayyaf, denen er im Gegenzug Informationen zugespielt hat.«

Hayes tippte sich noch einige Male mit dem Zeigefinger auf die Lippen, beugte sich dann vor und nahm eine Akte zur Hand. »Ich werde es mir überlegen. Sie hören von mir.«

Man brauchte kein altgedienter Washingtoner Bürokrat zu sein, um die darin liegende Zurückweisung zu erkennen. Rapp wollte sich nicht so leicht abspeisen lassen.

»Und wann darf ich mit Ihrer Antwort rechnen, Sir?«

Der Präsident sah ihn einen Augenblick lang abschätzend an und sagte dann: »In einigen Tagen.«

»Das wird nicht gehen, Sir. Wenn die Öffentlichkeit erst einmal vom Fehlverhalten des Botschafters und der Ministerialdirektorin erfährt, werden wir uns hinsichtlich General Moros nicht mehr so frei bewegen können.« Hayes lehnte sich erneut zurück und stieß die Luft aus. »Hören Sie«, sagte er. »Nach allem, was Sie mir gerade berichtet haben, verdient es dieser Mann, den Rest seines Lebens in einer Zelle zu verfaulen. Ihn aber einfach zu töten… Ich weiß nicht recht. Das könnte überaus schlimme Folgen haben, und wir sind bei diesem Kampf offen gesagt darauf angewiesen, die Regierung der Philippinen auf unserer Seite zu haben. Wie schon gesagt, ich brauche ein paar Tage, um alle Möglichkeiten zu überdenken.« Nach diesen Worten drehte er sich mit seinem Sessel, bis er Rapp den Rücken zukehrte, und öffnete die Akte, die er vom Schreibtisch genommen hatte.

Nach längerem Schweigen sah Rapp fragend zu seiner Vorgesetzten hin. Sie erhob sich, wies stumm auf die Tür und wiederholte die Geste gegenüber General Flood. Während Rapp ihre Aufforderung zögernd befolgte, ging ihm die Frage durch den Kopf, wie viele Menschen sich wohl im Lauf der Jahre auf ähnliche Weise unbefriedigt gefühlt haben mochten. Als er die Hand auf den Türknauf legte, hörte er, wie Kennedy zum Präsidenten sagte: »Sir, ich muss unter vier Augen mit Ihnen reden.«

Rapp sah sich zu ihr um. Der Anflug eines Lächelns trat auf seine Lippen. Trotz ihrer zurückhaltenden und gelassenen Art stand ihr eine verblüffende Überredungskunst zu Gebote. Er war zuversichtlich, dass sie das Büro des Präsidenten nicht ohne seine Zusage verlassen würde.