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Erin und ich haben gestern noch lange geredet. Wir blieben am Green Pond, bis es dunkel wurde. Obwohl es ihr ziemlich schwerfiel, gab sie sich echt Mühe, wieder meine Freundin zu sein.
Gestern habe ich es aufgegeben, meine Gefühle zu verstecken. Heute fühle ich mich frei.
Ich schwinge mich auf mein Fahrrad und radle zu Jasons Haus. Ich weiß nicht mal, ob er da ist. Ich weiß nur, dass ich mit ihm zusammen sein muss.
Die Plastikblumen an meinem Fahrradkorb flattern im Wind. Ich zische den Hügel runter. Die Blumen flattern immer stärker.
Als ich an Jasons Haustür klopfe, macht niemand auf. Drinnen bellt Phil. Ich höre, wie er an der Tür scharrt.
»Keine Sorge, Phil«, sage ich ihm durch die Tür. »Ich bin’s nur.«
Phil hört mit dem Scharren auf.
Ich setze mich auf die Treppenstufen vor der Tür und warte, dass Jason nach Hause kommt.
Eine Taube gurrt.
Ich versuche herauszufinden, in welchem Baum sie sitzt.
Die Sonne sinkt tiefer. Jason ist immer noch nicht da.
Schlagartig weiß ich es. Ich weiß, wo er ist.
Ich fahre zu dem Platz, zu dem er mich am letzten Schultag geführt hat. Jason hat gesagt, es sei der beste Ort, um auf den Gleisen zu laufen, weil er dort die ganze Welt hinter sich lassen kann.
Ich stelle mein Fahrrad neben seinem Jeep ab. Ich laufe, immer wieder Bäumen ausweichend, die Gleise ab. Vor mir blitzt ein rotes T-Shirt auf.
Ich behalte das rote T-Shirt im Blick. Dann rutsche ich auf einem Ast aus und lande kopfüber in der Böschung neben den Gleisen.
»Hübscher Auftritt«, sagt Jason.
»Wirklich? Ich hab das nämlich so oft geübt.«
Jason sieht mir dabei zu, wie ich wieder auf die Gleise kraxele.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Ich glaube, ich habe nicht damit gerechnet, dass alles plötzlich in Ordnung sein würde. Eine Menge heftiges Zeug liegt noch immer zwischen uns. Dieser Kuss im Schulflur. Jason, der mir sagt, dass er mich liebt. Ich, die ihn stehen gelassen hat. Trotz allem hatte ich irgendwie gehofft, Jason würde erleichtert sein, dass ich zu ihm zurückgefunden hatte.
»Es tut mir leid, was passiert ist«, sage ich. »Ich hätte dich nicht so stehen lassen sollen.«
»Warum hast du es dann getan?«
»Ich hatte Angst. Ich wollte mein Versprechen Erin gegenüber nicht brechen. Gestern habe ich mit ihr gesprochen und… wir haben nicht wirklich alles geklärt, aber zumindest ist ihr klar, dass wir zusammen sein sollten.«
»Das hat sie gesagt?«
»Ziemlich genau so, ja.«
»Also… was jetzt?«
»Jetzt können wir zusammen sein.«
Jason schaut in die Ferne, wo die Zuggleise zwischen den Bäumen verschwinden. »Hast du dich je gefragt, wie ich mich fühle, nachdem du entschieden hast, dass wir uns nicht mehr sehen können?«, fragte er. »Kannst du dir vorstellen, wie schwer das für mich war? Es hat nämlich echt wehgetan, Lani. Ich habe zugestimmt, weil ich es nicht aushalten konnte, dich so traurig zu sehen. Aber du hast nie gefragt, was ich wollte.«
»Ich weiß. Und es tut mir leid, aber ich habe keinen anderen Weg für uns gesehen, jemals wieder zusammenzukommen.«
»Wir hätten einen finden können, wir beide. Du hast mich ausgeschlossen. Es ist, als ob dir nichts je genug sein könnte. Ich sage dir, dass ich dich liebe, und du lässt mich einfach stehen. Wie konntest du das tun?«
In meinem Bauch macht sich Panik breit. Jason hat versucht, mich davon zu überzeugen, dass wir trotz Erin zusammen sein können. Jetzt muss ich ihn davon überzeugen, dass ich eine echte Beziehung führen kann.
»Ich hatte noch nie einen Freund«, sage ich. »Ich weiß noch nicht, wie man mit manchen Dingen umgeht. Glaub mir, ich habe nie gewollt, dass es zwischen uns so einseitig ist. Ich hätte nicht alles allein entscheiden sollen. Mit dir zusammen zu sein, ist das Einzige, was mir wichtig ist. Das sollst du wissen.«
Jason streckt seine Hand nach mir aus. »Komm her«, sagt er.
Wir laufen die Bahngleise entlang, bis dorthin, wo sie zwischen den Bäumen verschwinden. Wir haben kein Ziel. Alles, was ich weiß, ist, dass ich zusammen mit Jason dort ankommen will.
Das Unbekannte ist beängstigend. Ich werde mich immer davor fürchten, was als Nächstes passiert. Allerdings kann das Unbekannte auch aufregend sein.
Jederzeit könnte ein einziger Augenblick dein Leben verändern. Aber manchmal ist diese Veränderung das Beste, was dir je passieren kann.
Vielleicht musst du dein Schicksal nicht kennen, um zu wissen, dass es für alles eine Lösung gibt. Wohin mein Weg mich am Ende auch führt – ich bin sicher, genau dort gehöre ich hin.