20

Als der Bus zum Feriencamp auf den Parkplatz des Freizeitcenters einbiegt, wirbelt er jede Menge Staub auf. Er legt sich auf meine schweißnasse Haut und weht mir in die Augen.

Wir haben eine Hitzewelle. Heute sollen es angeblich fast achtunddreißig Grad sein. Und als Krönung ist es auch noch schrecklich schwül.

Ich möchte absolut nicht hier sein.

Aber Erin wollte, dass wir sie beide zum Abschied begleiten. Deshalb hat Jason uns zum Busparkplatz gefahren. Erin ist total aufgeregt, weil sie dieses Jahr zur Betreuerin ausgebildet werden soll.

Sie wird zwei Monate lang in Vermont sein.

Und Jason und ich bleiben hier.

Allein.

Eltern bringen ihre Kinder zum Bus. Jugendliche zerren ihre Campingtaschen über den Kies. Alles ist von klebrigem Staub überzogen.

»Hoffentlich hat der Bus eine Klimaanlage«, sage ich zu Erin.

»Hoffentlich«, antwortet sie. »Noch heißer kann es nicht werden.«

Jason streckt die Hand aus und pflückt mir ein Stück Straßendreck vom Arm.

Ich erstarre. Ich glaube, er hat gar nicht gemerkt, was er getan hat. Er steht einfach da, Hand in Hand mit Erin, und blinzelt in die Sonne. Ein Stückchen Dreck vom Arm zu wischen, ohne darüber nachzudenken, das macht nur ein enger Freund. Aber so einfach ist das nicht bei uns. Jedes Mal, wenn Jason in Erins Beisein so etwas gemacht hat, bin ich vor Angst erstarrt, dass sie etwas merken könnte.

An dem Tag, als Jason mir gesagt hat, dass er mich mag, hätte ich ihn für mein Leben gern geküsst. Aber natürlich habe ich ihn nicht geküsst. Ich hätte Erin nie mehr in die Augen sehen können. Es ist ausgesprochenes Pech, dass sie bereits mit dem Jungen zusammen ist, mit dem ich zusammen sein möchte. Vielleicht hat das Schicksal uns verwechselt.

Jason an diesem Tag nicht zu küssen, war das Schwerste, was ich je getan habe. Wir standen nur schweigend voreinander und haben uns lange angesehen. Dann kam er näher, so als wolle er mich küssen. Aber ich machte einen Schritt rückwärts. Und sagte ihm, ich könnte Erin unmöglich derartig wehtun.

Man fängt nichts mit dem Freund der besten Freundin an. Selbst dann nicht, wenn er vorher mit ihr Schluss macht. Was ich ihr auf keinen Fall zumuten möchte, von daher ist es sinnlos, überhaupt darüber nachzudenken. Ich muss mir diese Gedanken für immer aus dem Kopf schlagen.

Die ganze Situation ist von vorne bis hinten vertrackt und es gibt keine Lösung.

In einem verzweifelten Versuch, die Aufmerksamkeit von der Tatsache wegzulenken, dass Jason mich eben berührt hat, fuchtele ich mit den Armen und rufe: »Du hast recht, dieses Wetter macht einen wahnsinnig. Und seht euch nur diesen Dreck an!«

Erin kneift die Augen zusammen. Aber nicht wegen der grellen Sonne. Sie schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an.

Weil sie Bescheid weiß.

Moment mal. Woher soll sie Bescheid wissen? Es gibt doch gar nichts, worüber sie Bescheid wissen kann.

Ich muss meine Paranoia in den Griff bekommen.

»Okay, ihr zwei.« Erin stellt ihre Tasche ab und dreht ein paarmal an ihren Ringen. »Das wär’s. Wenn wir uns wiedersehen, sind wir fast schon in der Oberstufe.«

»Wahnsinn«, sagt Jason. Er hält immer noch ihre Hand.

Erin küsst ihn.

Ich gucke weg und scharre mit den Flip-Flops über den Kies.

»Denk dran zu schreiben«, sagt Jason.

»Denk du mal lieber dran!« Erin haut ihm spielerisch auf den Arm. Sie hat klargestellt, dass Schreiben Pflicht ist. Handys und Laptops sind im Camp verboten. »Ich schwöre dir, wenn ich nicht mindestens zwei Briefe in der Woche kriege, komm ich zurück und bring dich um.«

»Zwei Briefe in der Woche!« Jason greift sich tragisch an die Kehle. »Das killt mich jetzt schon!«

»Na klar«, sagt Erin, »als wäre das zu viel verlangt.«

»Jungs haben nicht so viel zu erzählen«, erklärt ihr Jason. »Ich bin sicher, dass Lani dir ständig schreiben wird.«

»Ganz bestimmt«, verspreche ich. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.

Die Jugendlichen klettern in den Bus. Ein Stöhnen geht durch die Menge. Jemand hat herausgefunden, dass es keine Klimaanlage gibt, und die Fahrt dauert drei Stunden.

»Viel Glück«, sagt Jason zu Erin. Er nimmt sie fest in den Arm.

Dann umarme ich sie. »Ich werde dich vermissen.«

»Ich dich auch.« Erin nimmt ihre Tasche und winkt wie bei einem Schönheitswettbewerb. »Seid schön brav.«

Wir sehen zu, wie sie sich im Bus auf einen Platz fallen lässt. Wir sehen zu, wie der Bus losfährt. Wir bleiben stehen, bis wir ihn nicht mehr sehen können.

Erin wirkte so hoffnungsvoll. So, als würde bei ihrer Rückkehr noch alles ganz genau so sein, wie es vorher gewesen ist.

So als würde sich während ihrer Abwesenheit nicht das Geringste ändern.

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