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Khingangebirge, Nashuar Herzogtum St. Ives, St. Ives-Pakt

 

24. April 3061

Die Morgenschatten lagen über Nashuars Großem Khingangebirge, als Lance Sergeant Maurice Fitzgerald in den flachen Tälern des Vorgebirges, in dem eine Kompanie der 7. VerCom-RKG als Vorkehrung gegen feindliche Flankenbewegungen auf Streife geschickt worden war das Schlachtfeld fand. Er ließ den J. Edgar auf der Mitte der Lichtung ausgleiten, wo er keinerlei Deckung mehr hatte, und schaltete die Hubpropeller aus, die mit einem letzten Windstoß durch die Schürzen des Luftkissenpanzers zum Stillstand kamen. Dann packte er ein Sturmgewehr und ein Handfunkgerät, vergewisserte sich, daß die Batterien in Ordnung waren, und öffnete die Luke. Fitz wußte sehr gut, daß man ein Fahrzeug nicht auf einem ungesicherten Schlachtfeld verließ, aber er mußte hinaus und es sich selbst ansehen.

Außerdem ist hier niemand mehr.
»Fitz, hast du sie nicht mehr alle?« Das war Lance Corporal Chi Kung in Schleicher Zwo, deren Stimme kaum mehr als ein schockiertes Flüstern war. »Knöpf dich wieder zu.«
Fitzgerald stand an der Vorderkante seines Panzers und sah sich um. Die Frühlingssonne wärmte ihn durch die gepolsterte Uniform. Soweit sein Blick reichte, bis zu Goldkiefernwäldern und Berghängen, sah er ein Trümmerfeld. Zerschossene Mechs und Panzer, die in kleinen Gruppen beisammenliegenden Leichen von Infanteristen. Gute zwanzig Meter von den nächsten Toten entfernt stieg ihm noch der durchdringende süßliche Gestank des Todes in die Nase. Viele Fahrzeuge waren nur noch ausgebrannte Wracks, und manche Mechs schienen so mitgenommen, daß in den Haufen verdrehter Metallschlacke nur noch wenige Einzelteile halbwegs erkennbar waren. Das fröhliche Zwitschern der Vögel wirkte angesichts dieser Verwüstung und Schlächterei besonders fehl am Platze.
Wir haben es schon erwartet. Zwei Tage ohne Kontakt. Fitzgerald rieb sich grob mit einer Hand den Nacken und versuchte, entspannter zu atmen. Aber es mit eigenen Augen zu sehen...
Die über Jahrhunderte der Nachfolgekriege gewachsenen Bergepraktiken der Inneren Sphäre machten Schlachtfelder wie dieses selten. Üblicherweise strömten Bergungsmannschaften der Siegerseite, wenn nicht sogar beider Seiten, auf das Gelände, noch bevor alle Feuer ausgebrannt waren. Sie sammelten die eigenen Gefallenen ein, beerdigten die der Gegenseite und suchten das Feld nach verwertbarer Ausrüstung ab. Von seiner Position aus konnte Fitz mindestens drei BattleMechs im Wert von Millionen C-Noten sehen, die nur ein fehlendes Bein oder ein zertrümmertes Gyroskop daran hinderte, aus eigener Kraft das Schlachtfeld zu verlassen. Haben sie bis zum letzten Mann gekämpft? Keine Gnade, keine Gefangenen?
Danach sah es zumindest aus. Fitzgerald suchte nach einer Bewegung. Er fand keine, außer dem Wind, der durch ein paar spärliche, aber hohe Gräser fuhr. Er nahm den Helm ab und lauschte nach Hilferufen oder dem Stöhnen von Verwundeten, doch er hörte nur den Wind in den Bäumen. Er warf den Helm zurück in die Panzerkabine und hob das Funkgerät an den Mund. »Schleicher Drei und Vier, das Gelände erkunden«, befahl er mit gepreßter Stimme. »Ich will eine genaue und getrennte Zählung der Fahrzeuge und Mechs. Soweit möglich inklusive Typ und Farben.« Von seiner Position aus konnte er auf mehreren BattleMechs die Insignien der Lyranischen Allianz erkennen, aber ihre rauchblaue Bemalung hatte sie ohnehin schon identifiziert. »Ich will sofort benachrichtigt werden, wenn ihr einen Überlebenden oder einen Konföderations-Mech findet.«
Warum ein capellanischer Mech für ihn irgendeine besondere Bedeutung haben sollte, abgesehen von der Bestätigung, daß Einheiten Haus Hiritsus dabei gewesen waren, als die Lyraner die 7. angegriffen hatten, konnte Fitz nicht mit Sicherheit sagen. Er sprang auf den Boden und ging zu den nächsten Leichen hinüber. Ein Infanterietrupp, nur mit leichten Gewehren bewaffnet, und so, wie sie zugerichtet waren, von schwerem Autokanonenfeuer zerfetzt. Er wandte sich ab und ging weiter zu einem verwüsteten Goblin-Panzer.
Vielleicht hoffe ich, daß keine Capellaner an diesem Gemetzel beteiligt waren, nicht einmal von denen, die jetzt gerade unsere Feinde sind, denn wenn die zu so etwas fähig waren, sind wir es auch. Das war nicht die Art, wie eine Schlacht ausgetragen wurde. Irgendwann trat die eine oder andere Seite den Rückzug an oder bot die Kapitulation an. Es wurden Lösegelder gezahlt oder Bergungsrechte ausgehandelt. Während er von einem Wrack zum nächsten ging, von einer Leiche zur nächsten, versuchte Fitzgerald herauszufinden, was hier anders gewesen war.
»Haben sie sich gegenseitig umgebracht?« fragte Chi Kung einmal.
Fitzgerald ließ seinen Blick über das Schlachtfeld gleiten, versuchte sogar, ein Gefühl dafür zu entwikkeln, was hier geschehen war, und schüttelte den Kopf. »Negativ. Jedenfalls glaube ich es nicht. In wenigstens eine Richtung humpeln ein paar Soldaten heimwärts. Wahrscheinlich in beide, aber allesamt ohne auch nur ein funktionierendes Funkgerät.« Er setzte seinen Rundgang fort.
»Schleicher Eins von Drei«, wurde er schließlich angerufen, als er bereits wieder auf dem Rückweg zum J. Edgar war. »Keine Überlebenden, keine Konföderations-Einheiten. Ich zähle dreiundzwanzig, das ist Zwo-drei, BattleMechs oder Überreste und zwölf Panzerfahrzeuge. Ich kann, glaube ich, bestätigen, daß alle VerCom-Mechs anwesend sind. Und die Lyraner haben keine Panzerunterstützung mitgebracht.« Schleicher Vier bestätigte die Zählung.
Also war die Verbundwaffenpatrouille der Siebten von einer Kompanie lyranischer Mechs angegriffen und vollständig aufgerieben worden, hatte aber zumindest bis auf einen alle feindlichen Maschinen mit in den Tod genommen. In Anbetracht der größeren Erfahrung der lyranischen Angreifer war das gar kein schlechtes Ergebnis für den Abschlußbericht. Fitzgerald kletterte zurück in seinen J. Edgar und warf noch einen letzten Blick auf den Mordacker. Mag sein, aber so etwas taucht in keinem Abschlußbericht auf.
Er verstaute Handfunkgerät und Gewehr, zog den Helm wieder über und schnallte sich an. »In Ordnung«, sprach er ins Helmmikro und bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Ton. Nach dem Anblick dieses Massakers fühlten sich seine Leute wahrscheinlich reichlich verwundbar. »Wir haben einen einzelnen lyranischen Mech, der vermutlich mit zertrümmertem Funkgerät nach Hause humpelt. Das macht es zu einem Wettrennen, und wir brauchen das Bergegut hier, um im Spiel zu bleiben.« Beim letzten Teil des Satzes hatte er Schwierigkeiten, die Stimme unter Kontrolle zu halten. Ein tödliches Spiel. »Reisegeschwindigkeit, bis wir die Ebene erreichen, dann mit Höchstgeschwindigkeit heim.« Und mit etwas Glück werden wir eine derartige Erkundung nie wieder machen müssen.

Aber daran glaubte Fitzgerald nicht. Keine Sekunde glaubte er das.

 

* * *

Allein an seinem Tisch in der Messe, und immer noch nicht sonderlich hungrig, ignorierte Fitzgerald die Gespräche ringsum und starrte auf sein Tablett. Panierter Fisch mit Reis. Ein typisches Essen, das selbst in der Messe meistens annehmbar war. Er schob es hin und her und verlor sich in den Mustern, die er im Reis erzeugen konnte.

»Hast du vor, das zu essen, oder willst du es einrahmen lassen, wenn du fertig bist?« Danielle Singh setzte ihr Tablett auf dem Tisch ab und schob sich neben ihn. »Ich habe von der Erkundung heute morgen gehört«, erwiderte sie. »Ich hatte gedacht, du würdest das Bergungsteam da raus begleiten.«

Fitz spielte weiter mit seinem Essen. »Meine Lanze hat vierundzwanzig Stunden Ausgang. Wir waren in letzter Zeit sehr beschäftigt.« Er sah zu ihr hinüber und fragte sich, ob Danielle zufällig oder absichtlich hier war. Wollte sie ihn wieder überreden, in die Mechkompanie zu kommen? »Was ist mit dir? Liefert die Heimatmiliz keine Deckung?«

»Nur das Panzerkorps. Sie wollten so schnell wie möglich sein.« Danielle steckte sich ein Stück Fisch in den Mund und kaute langsam darauf herum. »Hat sich als gute Entscheidung herausgestellt. Bevor sie halb fertig waren, ist ein Bataillon Canopische Füsiliere aufgetaucht und hat das Gebiet für die Konföderation gesichert.«

Das erregte sein Interesse. Er stieß das Tablett weg. »Füsiliere? Stehen die nicht auf Milos?« Fitz hatte die Berichte über Truppenbewegungen verfolgt, als ob das Wissen darum irgendeinen Unterschied gemacht hätte. Fast versuchte er, den Krieg wie ein riesiges Solaris-Match auszukalkulieren, und die Chancen standen miserabel.

Danielle zuckte die Schultern. »Wer kommt da noch nach? Gerüchteweise sind die Lyraner abgezogen worden, und die Füsiliere sollen ihren Platz einnehmen.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick auf sein Tablett. »Warum ißt du nichts, Fitz?«

»Hab keinen Hunger«, antwortete er und wollte es dabei belassen, aber dann gab er nach. Wenn es irgend jemanden gab, dem er sich öffnen konnte, dann war es Danielle. »Das Schlachtfeld«, meinte er nur. »Es macht mir zu schaffen.« Er starrte ihr in die Augen, und plötzlich fragte er sich nicht mehr, ob sie zufällig hier aufgetaucht war. »Du hast nach mir gesucht.«

Sie nickte. »Ich bin Chi Kung begegnet. Sie hat mir erzählt, daß es ein herber Anblick war und du nicht mit den anderen dreien nach Hazlet essen gehen wolltest.« Danielle musterte ihn nachdenklich. »Ich hätte nie gedacht, daß du einen nervösen Magen hast«

Kein Hirn, ja. Einen nervösen Magen, nein. Fitzgerald schüttelte den Kopf. »Sicher, es hat mich etwas mitgenommen. Aber das ging vorüber. Es war etwas anderes. Mit dem leichten Panzer über ein Schlachtfeld zu fahren, auf dem BattleMechs vernichtet worden waren.« Er schüttelte wieder den Kopf. »Da frage ich mich, was ich als Scout erreichen kann.« Was wir gegen die Konföderation hoffen können zu erreichen.

Danielle legte die Gabel hin und schob ihr Tablett ebenfalls beiseite. »Sie konnten fünf bergungsfähige Maschinen wegschaffen, bevor die Canopier sie vertrieben haben. Wir brauchen MechKrieger für sie. Denkst du daran, Nevarrs Angebot zu akzeptieren?« In ihrer Stimme lag ehrliche Hoffnung.

»Ich denke ständig daran, Danielle.« Er atmete scharf aus. »Aber ich glaube nicht, daß ich schon soweit bin. Ich habe in den Simulationen böse versagt. Das kommt nicht wieder vor.«

»Klar wird es das.«

Fitzgeralds Kopf flog herum. Nach dem Gespräch mit ihr und Nevarr hatte er nicht erwartet, sie das sagen zu hören.

»Ich behaupte nicht, daß du denselben Fehler nochmal machen wirst«, erklärte Danielle hastig. »Dieses Problem hast du beseitigt. Aber du wirst da draußen Fehler machen. Das passiert jedem von uns. Und gelegentlich kosten sie Leben.« Ihre braunen Augen suchten seinen Blick. »Die 7. RKG und die Arcadians können nicht überall sein, Fitz. Wir brauchen mehr MechKrieger.«

»Wir brauchen Gruppe W, aber die ist auf Taga, nur für den Fall, daß sich die Kämpfe tiefer ins Paktgebiet ausweiten.« Oder für den Fall, daß Kai Allard-Liao und seine 1. St.-Ives-Lanciers eine Wende bringen können, wenn er erst zurück ist. Falls er es rechtzeitig schafft. Fitzgerald schluckte heftig, als die Wut ihm die Kehle zuschnürte. »Ein MechKrieger wird hier auf Nashuar keinen großen Unterschied machen.«

Danielle war überrascht und klang plötzlich besorgt. »Das hört sich an, als wärst du bereit, gegen uns zu wetten.«

Fitz beruhigte sich und brachte sogar so etwas wie ein Lächeln zustande. »So übel geht es mir nicht. Noch nicht. Wir halten hier schon durch, und mit der neuen Verstärkung durch ein ArcadianSöldnerbataillon haben wir eine Hoffnung, die Canopier und selbst Haus Hiritsu eins auf die Nase zu geben. Aber vergiß nicht, daß die zurückschlagen.«

»Vergiß du nicht«, erwiderte Danielle, als sie ihr Tablett nahm und aufstand, »daß wir keine BattleMechs in Reserve halten, während ein einzelner MechKrieger sich überlegt, was er will. Im Augenblick sind Maschinen frei. Wer weiß, wann das wieder vorkommt.«

Er sah ihr hinterher, als sie das Tablett zurückgab und die Messe verließ. Eher als uns lieb sein kann, schickte er ihr nach. Und das ist eine sichere Wette.

Battletech 45: Gefaehrlicher Ehrgeiz
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