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Shi-Zhong-Xin-Park, Föhrental, Denbar Herzogtum Vestallas, St. Ives-Pakt7. Februar 3061
Zhong-shao Ni Tehn Dho watete in seinem Victor durch den seichten, im Sonnenlicht glitzernden See im größten Erholungspark Föhrentals, und mit jedem Schritt schleuderte er Sprühwasser hoch und wirbelte die dünne Schlammschicht auf dem Grund auf. Er konnte die dünne Betonschicht unter den achtzig Tonnen Gewicht des BattleMechs bersten spüren. Rings um seinen Mech brachte Autokanonenfeuer das Wasser zum Schäumen. Verfehlte PPK- und Laserschüsse verdampften große Wassermengen, und der dabei entstehende Dunst verlieh der Luft über dem See einen spiegelnden Schimmer. Es war fast, als stürze der Victor auf seinem Weg eine sonst friedliche Szenerie in heilloses Chaos.
Der BattleMech ließ allerdings auch etwas zurück, in Form zerschmolzener Pfützen und zerborstener Bruchstücke seiner Panzerung. Dho kämpfte mit den Kontrollen, als eine gutplazierte Salve Langstreckenraketen in die obere Brustpartie und den Kopf des Victor einschlug. Wir haben uns gewünscht, daß sie stehenbleiben und kämpfen. Jetzt haben wir unseren Wunsch erfüllt bekommen und müssen zusehen, daß wir es überleben.
Soweit der Bataillonskommandeur es beurteilen konnte, bestand ihr Gegner aus zwei SöldnerMechkompanien, ein paar zerbeulten Miliz-Mechs, die in einem Museum besser aufgehoben gewesen wären, und einem kompletten Panzerbataillon. Zum Teil kämpfte der Feind noch in den Straßen und Gassen Föhrentals und verteidigte seine letzte Zuflucht, aber die meisten seiner Truppen hatten sich hier im Park versammelt. Was seine eigenen Leute betraf, wußte Dho nur, wo sich seine BefehlsLanze befand, der größere Teil der 2. Kompanie und die Arcaderanger-Lanze der 3. Kompanie. Der Rest war in alle Winde zerstreut.
Oder jedenfalls über zweihundertzwei Quadratkilometer Stadt. Was die Garnisonstruppen auf der Basis nicht geschafft haben, ist ihnen hier hervorragend gelungen: uns aufzuspalten.
Dho sah zwei fahrbare KSR-Lafetten gemeinsam tödliche Breitseiten aus sechzig Kurzstreckenraketen auf Sao-shao Evans' frisch reparierten Jenner abfeuern. Über die Hälfte trafen ihr Ziel, sprengten die Panzerung des Mechs nahezu bis auf den letzten Rest ab und schlugen ein halbes Dutzend tiefe Breschen in seine interne Struktur. Evans stieg aus. Sein Kanzeldach wurde von speziell plazierten Richtladungen abgesprengt, und seine Pilotenliege stieg auf den Flammenzungen der Rettungsdüsen in den Himmel. Den Bruchteil einer Sekunde später flog der Fusionsreaktor in einem Feuerball auseinander und verzehrte den leichten Mech völlig.
Zhong-shao Dho bemerkte, daß nach dieser Demonstration purer Vernichtungskraft keiner der Hustaing-Rabauken den Selbstfahrlafetten zu nahe kam. Kann nicht sagen, daß ich ihnen das verüble. Es gibt nicht viele Mechs, die so ein Bombardement aushalten könnten. Er erreichte das andere Ufer des Sees, stieg aus dem Wasser und verwüstete die sorgsam gepflegte Anlage, als er das nähere der beiden Fahrzeuge anvisierte. Die langsamen Fahrzeuge verließen sich auf die Drohung der schweren Raketenlafetten, um BattleMechs auf Distanz zu halten. Aber sein Mech hatte die passende Antwort auf diese Drohung: ein Gaussgeschütz.
Dho preßte den rechten Feuerknopf ein, und das Gaussgeschütz im rechten Arm des Victor sog Energie aus seinen Kondensatoren, um die Nickeleisenkugel im Lauf auf Überschallgeschwindigkeit zu beschleunigen. Das Geschoß zuckte silbrig glänzend durch den verwüsteten Park in die Flanke der Selbstfahrlafette, zerschmetterte die Panzerplatten und hämmerte sich durch ins Besatzungsabteil. Dho konnte sich die Vernichtung nur vorstellen, die eine derartige Menge fliegenden Metalls bei dieser Geschwindigkeit in der Enge einer Fahrzeugkabine anrichten mußte. Kein schöner Tod, aber welcher ist das schon? Skrupellosigkeit und blinde Hingabe an die Erfüllung der Wünsche des Kanzlers waren entscheidende Schlüssel zum Sieg.
Oder zumindest, verbesserte er sich, waren sie Schlüssel zu einem politisch korrekten Versuch. Sie erleichterten die Verteidigung bei der Untersuchung, die jeder Niederlage folgte - von denen es in früheren Zeiten viel zu viele gegeben hatte -, und trösteten den Krieger, dessen Pflicht es war, soviel Blut zu vergießen. Selbst nach zehn Jahren Ruhestand galten diese Prinzipien noch für ihn. Und auch wenn diesmal auf beiden Seiten capellanisches Blut floß, war es ein gutes Gefühl, die Konföderation siegen zu sehen. Und genau das würden wir hier auch gerne erreichen.
Er öffnete einen Funkkanal. »Hustaing-Rabauken von Zhong-shao Dho. Im Zentralpark sammeln.« Nicht, daß er nach drei ergebnislosen Aufforderungen noch allzuhohe Erwartungen hegte. Seine Leute wurden von Häuserblocks oder Störsendern am Empfang gehindert, waren tot oder verwundet, zu sehr in eigene Kämpfe verwickelt, um ihren Kameraden zu Hilfe zu kommen, oder konnten den Park nicht finden.
Bei einem dieser Probleme konnte er ihnen helfen. »Für diejenigen ohne Stadtplan: Der Zentralpark ist das weite, offene Gelände im Zentrum der Stadt.«
Dho bewegte den Victor unter dem Krachen von Ästen und umstürzenden Bäumen rückwärts in einen kleinen Ulmenhain und drehte die obere Rumpfhälfte des überschweren Mechs weit genug, um auf die Bedrohung durch einen nahen Söldner-Kampfschütze zu reagieren. Zusätzlich hämmerten noch mindestens drei Fahrzeuge auf seine Panzerung ein, aber vorerst konnte er es sich erlauben, sie zu ignorieren. Es hilft, wenn man der schwerste Junge auf dem Feld ist. »Ranger Zwo, nochmal fünfzehn Punkte für mich.« »Ja, aber du hinkst noch immer zwanzig hinterher.« Das Gaussgeschütz des Victor spuckte eine weitere silbrige Todesbotschaft aus. Diese Kugel krachte in das rechte Bein des Kampfschütze, verkeilte sich im Hüftgelenk und blockierte jede Bewegung. Als der Söldner-Mech umkippte, suchte Dho auf dem Sichtschirm nach dem Ursprung des Funkverkehrs, der ihn abgelenkt hatte, und entdeckte die Spielhallenranger, die das Südosteck des Parkgeländes gegen alle Angriffe verteidigten.
Er öffnete einen Kanal und wollte ihnen eine schnelle Standpauke halten, schüttelte dann aber den Kopf. Sie haben Schwierigkeiten, mit anderen zusammenzuarbeiten, und können sich die halbe Zeit nicht einmal untereinander absprechen. Wenn ich allerdings diese Einheit am Leben halten will, sollte ich besser nichts madig machen, was funktioniert, egal, welche Form es annimmt. Es störte sein Gefühl für angemessene capellanische Würde, aber alles zu seiner Zeit. Schließlich meinte er nur: »Wenn ihr Jungs eure Spielchen machen wollt, dann bitte auf einem Privatkanal.«
Seine Kommeinheit meldete sich mit einem Knistern. Dho bereitete sich auf eine gebührende Predigt vor, falls einer der Spielhallenranger auch nur den Versuch wagte, Widerworte zu geben. Statt dessen aber hörte er: »Gilt das auch für uns, Zhong-shao Dho?«
Die Stimme klang vertraut, auch wenn die Funkanlage sie verzerrte. Er versuchte, sie einem seiner Krieger zuzuordnen. Fest, nicht eingebildet, aber selbstsicher - Aris Sung! Er suchte die Sichtprojektion ab und stellte fest, daß an drei Kompaßpunkten neue Mechs eintrafen. Aris Sungs Spuk lokalisierte er ganz in der Nähe seiner eigenen Position, an der Spitze einer ganzen Mechkompanie, die aus einer nahen Straße in den Park eindrang und bereits den Kampf gegen die Verteidiger Denbars aufgenommen hatte.
Nachdem die Gausskondensatoren wieder aufgeladen waren, feuerte Dho erneut auf den Kampfschütze, der Schwierigkeiten hatte hochzukommen. Diesmal setzte er mit den mittelschweren Impulslasern nach. Die smaragdgrünen Lichtimpulse schnitten in die Torsohöhlung der Feindmaschine und schalteten dessen Gyroskop aus. »Sie sind in der Stadt nicht zufällig irgendwelchen meiner abgängigen Rabauken begegnet, oder?«
Die Impulslaser des Spuk zerfetzten die Panzerung eines Hetzer-Sturmgeschützes, das augenblicklich abdrehte und aus der Gefahrenzone verschwand. »Doch, haben wir«, informierte Aris ihn. »Sie antworteten nicht auf Ihre Funksprüche, weil wir zur Deckung unseres Anmarschs Kommstille verhängt haben.«
Jetzt, da die denbarischen Truppen sich von allen Seiten ins Zentrum des Parks zurückzogen, hatte Ni Tehn Dho plötzlich keinen Feind mehr zur Hand. Er drehte sich, feuerte einen weiten Schuß auf eine fliehende Cicada ab und verfehlte sie. Aris' Spuk landete schräg links hinter dem mittelschweren Mech, und seine Impulslaser trafen das Ziel mit größerer Genauigkeit, aber ohne die schiere, alles zertrümmernde Wucht einer Gausskugel.
Dho holte den Spuk auf dem Sichtschirm heran und sah nur die Wappen Haus Hiritsus und der Konföderation Capella. »Sie scheinen keine Sternenbund-Insignien zu tragen, Aris Sung.«
»Alles zu seiner Zeit, Zhong-shao. Shiao-zang
Non wird dazu in Kürze Stellung nehmen.«
Der Kommandeur der Hustaing-Rabauken nickte, obwohl er allein in
seinem Cockpit saß. Mit anderen Worten, der
Kanzler und Erste Lord hat eine neue Überraschung für
uns.
Aber als der Kampf sich dem Ende zuneigte und Ni Tehn Dho den Blick
über die stille Verwüstung des Parkgeländes schweifen ließ, stiegen
erneut nagende Zweifel in ihm auf. Zertrümmerte
Spielplatzeinrichtungen, von Laserschüssen in Brand gesetzte Bäume,
tief aufgerissener und verkohlter Boden.
Dho zupfte sich an den dünnen Bartsträhnen, die unter dem Rand des
Neurohelms hervorlugten. Skrupellosigkeit und
blinde Hingabe. Vergiß nicht, daß du selbst hierher zurück
wolltest, alter Mann. Natürlich hättest du den Ruf des Kanzlers zu
den Waffen kaum zurückweisen können, selbst wenn das
Pensionärsleben dir behagt hätte, aber vielleicht solltest du in
Zukunft vorsichtiger sein, was du dir wünschst...
Nach dem Ende der Kämpfe glitt Aris Sungs Blick über dieselbe Szenerie wie der Zhong-shao Dhos. Der Park war früher sicher einmal ein wundervoller Ort für Picknicks und Familienausflüge gewesen, zur Entspannung und Muße. Jetzt sah er aus wie so ziemlich jedes andere Schlachtfeld in seiner Erinnerung: zerbombt und verwüstet. Der See besaß noch eine Aura der Ruhe, aber nur, weil Wasser sich nicht so leicht vernichten ließ wie Wiese und Rasen.
Und Häuser.
Rings um den Rand des Parkgeländes wiesen die Wohnblocks und
vereinzelten Geschäftshäuser Gefechtsschäden auf. Herausgesprengte
Fenster. Zerborstene oder eingestürzte Wände. Feuer. Die Bevölkerung Denbars zahlt einen herben Preis für
Herzogin Liaos Befehl des gewaltlosen Widerstands.
Aris bewegte den Spuk am Außenrand des
Parks entlang. Von dort aus konnte er Shiao-zang Nons neuen
Yu Huang deutlich erkennen. Der
überschwere Mech überragte mit dreizehn Metern Größe selbst andere
Kampfkolosse. Der Haus-Meister überwachte die Sicherung aller
gegnerischen Fahrzeuge und BattleMechs in der Mitte des Parks.
Feindliche, versuchte Aris sich
einzureden, feindliche Fahrzeuge und
BattleMechs!
Es fiel ihm schwer. Er sah Maschinen mit den Insignien der
Heimatmiliz, identisch mit dem der planetaren Milizen Capellas, die
unter den Waffen der Konföderationseinheiten zu Boden gegangen
waren. Einen Trupp Gefangener unter HiritsuInfanteriegeleit, viele
mit den üblichen asiatischen Zügen, alle in bis auf die purpurrote
Farbe vertrauten Uniformen. Es ist alles zu vertraut, um es leicht
zu machen.
»Wir haben knapp außerhalb der Mondbahn gewartet«, stellte Ty Wu
Non fest, der Zhong-shao Dho über einen sicheren Kommkanal vom
Stand der Dinge unterrichtete. Aris durfte das Gespräch als
Lienzhang, als Kompanieführer, mithören. »Nachdem Aris Sung
meldete, daß Sie die Wartungsanlagen gesichert hatten und er daher
in Kürze mit einer größeren Auseinandersetzung rechnete, sind wir
im Vorgebirge östlich von Föhrental gelandet und haben der Dinge
geharrt, die da kamen. Es war die beste Methode, den Widerstand auf
Denbar zu brechen.«
»Ich kann nicht behaupten, daß es mir gefällt, als Köder benutzt zu
werden, Shiao-zang. Aber es hat meinen Rabauken Gelegenheit
gegeben, sich eine Menge Schwächen abzugewöhnen.«
Aris kam an einem schrottreifen Kampfschütze und einem Schlackehaufen vorbei, der
möglicherweise einmal ein Jenner
gewesen sein mochte. Sie haben noch einen
weiten Weg vor sich, Zhong-shao. Ihre Leute brauchen alle eine
weitere Runde im Ausbildungslager. So ungefähr ein Jahr. Er
bremste ab, um einer kleinen Gruppe Schaulustiger auszuweichen.
Allmählich wagten sich wieder Menschen in den Park, um nachzusehen,
ob der Tanz vorüber war und wer gewonnen hatte. Aris drehte zum
Parkinneren ab, um ihnen aus dem Weg zu gehen.
Ty Wu Non klang beinahe amüsiert über Dhos Haltung. »Sie werden
noch mehr Krieger bekommen, denen Sie ihre Schwächen abgewöhnen
können, wie Sie es nennen. Der Kanzler wünscht, seiner dauerhaften
Unterstützung für die Hustaing-Rabauken Ausdruck zu geben.« Seine
Stimme nahm einen etwas ernsteren Ton an. »Abgesehen vom
unmittelbaren Bergungsbedarf Haus Hiritsus, und der wird minimal
ausfallen, gehören die Maschinen und BattleMechs Ihnen, als
Grundstock für ein zweites Bataillon.«
Ni Tehn Dhos Stimme klang besorgt. »Ich hoffe, Sie haben nicht vor,
das bekanntzugeben, bis Ihre Infanteristen auch das letzte Cockpit
ausgeräumt haben.« Er stockte. »Das ist die Art von Mitteilung, die
MechKrieger oder Panzerfahrer zu Selbstmördern werden
läßt.«
Aris schaltete ab. Er hatte das Interesse an dem Gespräch verloren.
Mehr noch, es machte ihm zu schaffen. Die kleinen Grüppchen von
Zivilisten, die sich vorsichtig in den Park drängten, machten ihm
zu schaffen. Die Feuerwehrzüge, Krankenwagen und sonstigen
Hilfsfahrzeuge rund um die zertrümmerten Gebäude machten ihm
ebenfalls zu schaffen. Aber das alles waren keine ernsthaften
Probleme. Als Krieger, als Janshi, hatte Aris selbst dazu
beigetragen, Situationen zu schaffen, die derartige Gespräche und
Umstände hervorbrachten. Aber ich verstehe
nicht mehr warum!
Und das war ein Problem.
Unter der Deckung der Haus-Hiritsu-BattleMechs wanderten Li Wynn und der Rest der Hausinfanterie von einem Fahrzeug und Mech zum nächsten, um alle Gegner unter Arrest zu stellen, die sich den Sternenbund-Besatzungstruppen widersetzt hatten. Li stieß seinen Gefangen mit dem Lauf des Sturmgewehrs in die Rippen, damit er sich schneller zum Gefangenenlager bewegte, das in Wahrheit nicht mehr als ein von Seilen markierter viereckiger Parkbereich war, der von zwei Mechs und einem Dutzend Fußtruppen bewacht wurde. Das abgesperrte Gebiet befand sich in der Nähe eines Fahnenmastes, an dem normalerweise die Paktfahne mit dem elfenbeinfarbenen Pferdekopf wehte. Jetzt allerdings schlugen nur die Seile in der leichten Brise gegen den Metallmast. Das gefiel Li.
»Früher oder später wird jemand euch Kriegerhäusern eine Lektion erteilen«, erklärte sein Gefangener, ein Heimatmiliz-Panzerfahrer mit leicht asiatischem Einschlag, über die Schulter. »Ich hoffe nur, ich erlebe es noch.« Er schüttelte den Kopf. »Früher oder später«, wiederholte er.
Li stieß ihn noch einmal, nicht gerade sanft, dann drehte er das Gewehr um und schlug dem Panzerfahrer den Kolben hart in den Rücken. Der Mann stolperte unter dem Schlag in Richtung Absperrung. Er fing sich und wirbelte herum, aber Li Wynn hatte bereits das Gewehr auf seine Brust gerichtet. Sein Finger krümmte sich um den Abzug, als er den Haß in den dunklen Mandelaugen seines Gegenübers sah. »Du solltest um ein Später beten, du räudiges Stück Dreck.«
Der Soldat verzichtete angesichts des Gewehrs auf Dummheiten, drehte langsam um und duckte sich unter den Seilen durch. Li grinste ihm hinterher.
»Sie werden mir alle zuhören!« Die Ankündigung dröhnte aus Lautsprechern, die an Shiao-zang Nons Yu Huang angeschlossen waren.
Li sah kurz hinüber, aber dann konzentrierte er sich wieder auf die Gefangenen. Das gilt euch, nicht mir. Er lächelte dünn, als er einen kleinen Trupp Infanteristen auf den Fahnenmast zumarschieren sah.
»Als Preis für Denbars Angriff auf die capellanische Welt Hustaing und angesichts der offensichtlichen Tatsache, daß die planetaren militärischen wie zivilen Kräfte die Autorität der SternenbundFriedenstruppen nicht respektieren, beansprucht Haus Hiritsu Denbar für die Konföderation Capella. Dieses System wird auf unbestimmte Zeit in den capellanischen Staatsverband eingegliedert, und von nun an wird jeder Widerstand entsprechend dem capellanischem Kriegsrecht geahndet.«
Wütende Proteste und das Drängen der Gefangenen auf die Absperrung zu fanden schnell ein Ende, als einige Infanteristen Warnschüsse in die Luft abgaben. Li hielt das Gewehr im Anschlag und den Blick starr auf die ihm am nächsten stehenden Gefangenen gerichtet. Bei mir ist schon der erste Schuß gezielt. Seine Miene spiegelte wider, was er dachte, und sie wichen zurück.
»Die Fahne der Konföderation Capella wird über allen Städten dieser Welt wehen«, setzte Ty Wu Non seine Ansprache fort. »Die Fahne St. Ives darf auf Halbmast gehißt werden. Jeder Verstoß gegen diese Vorschrift wird als Rebellion gewertet. Kehren Sie in Ihre Wohnungen zurück und machen Sie Ihren Familien und allen noch bewaffneten Kameraden klar, daß die Konföderation Capella nach Denbar zurückgekehrt ist und einen von St. Ives sanktionierten Widerstand nicht länger duldet. Alle Fahrzeuge werden beschlagnahmt und an capellanische Einheiten oder eine loyale Planetare Miliz übergeben. Das war alles.«
Der Yu Huang drehte
sich um und ging langsam davon. Unter seinen Schritten erzitterte
der Boden. Die Sperrseile fielen herab, und ein Lien-zhang der
Infanterie zeigte den Gefangenen, in welche Richtung sie abziehen
durften. Nur ein paar vereinzelte Männer hoben den Blick zum
Fahnenmast, aber ihre überraschten Rufe brachten auch ihre
Kameraden schnell dazu, es ihnen gleichzutun. Li Wynn gestattete
sich selbst eine Sekunde lang einen Blick nach oben.
Während Shiao-zang Nons Rede war die Konföderationsfahne gehißt
worden. Aber es war nicht die aus alten Zeiten vertraute Fahne...
Ihr Aussehen hatte sich auf subtile Weise verändert. Das Katana war
von einem Schwert erkennbar chinesischer Herkunft ersetzt worden,
einer Damdaovariante, und der aus dem Dreiecksrand ragende
Schwertarm wirkte schlanker als zuvor und deutete auf ein stärkeres
asiatisches Erbe hin. Die Fahne war ein Zeichen dafür, daß die Xin
Sheng in ihre letzte Phase eingetreten war, dachte Li Wynn voller
Stolz. Aber von noch größerer Bedeutung als die Veränderungen am
Flaggenbild war eine einfache Tatsache, die niemand auf dem Platz
ignorieren konnte.
Zum ersten Mal seit über dreißig Jahren wehte wieder die Fahne der Konföderation Capella über einer Welt der Kommunalität St. Ives.