EPILOG

 

Drei Wochen später...

 

Erst als sie nach der Hochzeit nach Hause fuhren, wurde Heather richtig bewusst, dass sie jetzt ein Doppelleben lebte. Und in zwei Welten zu leben, bedeutete auch, dass sie zwei Hochzeitsempfänge geben mussten.

Sterbliche und Vampire hatten an der kleinen Hochzeit in Heathers Kirche teilgenommen. Während die Vampire sich diskret zurückgezogen hatten, hatten sich Heathers sterbliche Freunde im Gemeindehaus der Kirche versammelt, um Hochzeitskuchen zu essen und Bowle zu trinken.

Jean-Luc hatte es Spaß gemacht, Heather ein Stück der Torte in den Mund zu schieben, aber sie hatte absichtlich daneben gezielt und ihm die Creme nur an die Wange geschmiert. Jeder hatte gelacht, und niemand hatte gemerkt, dass Jean-Luc überhaupt keinen Kuchen gegessen hatte. Dann hatte Heather den Brautstrauß geworfen.

»Und er trifft!« Coach Gunter fing das Bouquet und hob beide Arme, wie nach einem Touchdown.

Heather und Jean-Luc hatten sich früh verabschiedet und die Limousine genommen, die auf sie wartete. Ihre Freunde dachten, sie müssten ein Flugzeug erwischen, aber ihr nächster Halt war der Empfang für Vampire in seinem Studio.

Es war für Heather ganz einleuchtend, dass die Vampire für sich feiern wollten. Wie konnten sie sonst Bubbly Blood trinken und alte Tänze wie das Menuett tanzen? Auf die Tänze freute sie sich richtig. Jean-Luc hatte die letzten zwei Wochen damit verbracht, ihr die Schritte beizubringen, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, sie zu lieben oder die Fertigung ihres Hochzeitskleides zu beaufsichtigen.

Sie strich die elfenbeinfarbene Seide glatt und versuchte, den Rock nicht auf dem Rücksitz der Limousine zu zerknittern. »Es ist das schönste Hochzeitskleid aller Zeiten.«

»Für die schönste Braut aller Zeiten.« Jean-Luc küsste ihre Wange und liebkoste ihr Ohr. »Ich habe vor, mich heute Nacht gründlich an dir zu vergehen.«

»Psst.« Heather wollte nicht, dass ihre Tochter ihn hörte.

Bethany war damit beschäftigt, alle Schränke in der Limousine zu öffnen und wieder zu schließen. Sie sah in dem blauen Blumenmädchenkleid, das Heather für sie gemacht hatte, bezaubernd aus.

Fidelia, die erste Trauzeugin, war auf den Sitz hinter dem Fenster zum Chauffeur gerutscht. Sie klopfte an das Glas. »Hola, Roberto!«

Die Limousine beschleunigte.

Heather lachte. Armer Robby.

Vor Jean-Lucs Studio hielt der Wagen - vor ihrem Zuhause, berichtigte sich Heather selbst. Robby öffnete ihnen die Tür, und Fidelia richtete noch einmal die lange Schleppe an ihrem Rock.

»Bereit?« Jean-Luc nahm ihre Hand.

»Ja.« Gemeinsam stiegen sie die Treppe hinauf. Robby öffnete ihnen die Tür.

Die Ausstellung erstrahlte hell vom Licht, das der polierte Marmor reflektierte. Für den Hochzeitsempfang hatten sie den Raum völlig leer geräumt. An den Wänden standen einige runde Tische mit weißen Tischdecken und je einem Blumenstrauß in der Mitte. Es gab ein kleines Buffet mit richtigem Essen, Bowle und Champagner für die wenigen Sterblichen, die anwesend waren, und noch einen weiteren Tisch mit Champagnergläsern und Bubbly Blood in großen Eiskübeln.

Die Mitte des Raumes hatte man zum Tanzen freigelassen. Eine Band namens High Voltage Vamps hatte sich aus New York teleportiert und unter der Galerie Platz genommen. Vom Geländer der Galerie hingen üppige Bahnen aus Voile und Blumengirlanden hinab, die die Luft mit dem Duft von Rosen und Gardenien erfüllten.

Es war keine Überraschung für Heather, weil sie mit den Planungen und den Dekorationen geholfen hatte, aber sie verspürte trotzdem ein aufgeregtes Kribbeln, als sie es sah. Es war einfach perfekt.

Vamps stellten sich in Reihe auf, um sie zu begrüßen. Ihre Sorgen, dass sie vielleicht nicht akzeptiert würde, waren unbegründet, dachte Heather beruhigt. Angus und Emma waren die Ersten, und beide umarmten sie fest. Die beiden hatten sie und Jean-Luc eingeladen, sie in ihrem Schloss in Schottland zu besuchen, wann immer sie mochten. Als Nächstes kam ein gut aussehender italienischer Vampir namens Giacomo. Er küsste sie auf beide Wangen und lud sie in seinen Palazzo in Venedig ein. Einige der Mitglieder von Jean-Lucs Zirkel hatten die weite Reise auf sich genommen.

»Wie ich sehe, haben Simone und Inga es nicht geschafft, hier zu sein«, flüsterte Heather Jean-Luc zu. Die zwei Models hatten sich nach der Modenschau nach Paris zurückteleportiert.

Er grinste. »Schade aber auch.«

»Hast du je herausgefunden, wohin sich Simone in der Nacht, in der der Alarm losgegangen ist, geschlichen hat?«

Jean-Luc nickte und lächelte immer noch. »Du wirst es nicht glauben. Sie war angeln.«

»Nach Männern?«

»Nach Fischen. Im Fluss. Anscheinend angelt sie wirklich gern, würde es aber nie zugeben.«

»Merkwürdig.« Heather versank in den Gedanken, dass es Simone wahrscheinlich Spaß machte, den Haken in die Würmer zu bohren. Plötzlich fand sie sich in einer festen Umarmung wieder.

»Ich freue mich so sehr für euch!« Shanna Draganesti drückte sie fest und trat dann einen Schritt zurück. »Ich habe Jean-Luc noch nie so glücklich erlebt. Du tust ihm gut.«

Tränen verschleierten Heathers Blick. Sie war auch noch nie so glücklich gewesen. »Wo ist dein kleiner Junge?«

»Ich habe ihn bei deiner Tochter und Fidelia gelassen.« Shanna zeigte auf ihren Tisch. »Er hatte Hunger, und Fidelia war so lieb, ihm einen Teller am Buffet zusammenzustellen. Sie ist wirklich klasse.«

Heather lächelte. »Ja, das ist sie.«

»Oh nein.« Shanna schüttelte den Kopf. »Nicht schon wieder.«

Mit aufgesperrtem Mund schaute Heather nach oben. Constantine schwebte hinauf zur Decke. Bethany quietschte vor Vergnügen.

»Er gibt nur an«, murmelte Shanna. »Er liebt die Aufmerksamkeit.«

Heather legte eine Hand auf ihre Brust. »Aber er - er ist sterblich.«

»Mit einem Vampir als Vater.« Shanna lächelte ihren Ehemann an.

Heather wendete sich an Jean-Luc. »Wusstest du davon?«

Fasziniert beobachtete er Constantine, während er antwortete. »Nein. Ich habe gehört, dass unsere DNS sich ein wenig von menschlicher unterscheidet, aber mir war nicht klar...«

»Oh nein.« Shanna sah sie besorgt an. »Ich hoffe, das hält euch nicht davon ab, selber Kinder zu bekommen. Constantine ist ein sehr liebes und nettes Kind.«

»Da bin ich mir sicher.« Heather sah ihm zu, wie er in seinen Stuhl hinabschwebte. Er kicherte zusammen mit Bethany. »Kann er sonst noch etwas?«

»Seine größte Gabe scheint die Heilung zu sein«, erklärte Roman. »Jeder, der ihm begegnet, fühlt sich hinterher besser.«

»Oh.« Na, das war überhaupt nicht schlimm. Heather sah zu, wie der kleine Junge sich einige Cracker in den Mund stopfte.

»Constantine ist so etwas Besonderes, dass wir uns entschlossen haben, noch ein Kind zu bekommen.« Shanna grinste. »Es ist schon unterwegs!«

»Du meine Güte!« Heather umarmte sie. »Das ist wunderbar!«

»Herzlichen Glückwunsch, mon ami.« Jean-Luc klopfte Roman auf die Schulter.

Roman lächelte. Er sah gut aus in dem Smoking von Echarpe, den Jean-Luc ihm für seinen Trauzeugen entworfen hatte.

»Ich bin sehr stolz auf dich, Jean-Luc. Du hast es weit gebracht.« Roman warf einen verschmitzten Seitenblick auf Heather. »Hat er dir erzählt, dass ich ihm lesen und schreiben beigebracht habe?«

»Nein.« Heather legte ihre Hand um Jean-Lucs Arm und ihren Kopf gegen seine Schulter.

»Und ich habe Roman beigebracht, wie man kämpft«, sagte Jean-Luc. »Er hat nur sehr langsam gelernt.«

Roman schnaufte. »Ich wollte niemanden umbringen. Meine Mission ist es immer gewesen, Leben zu retten.«

»Ist er nicht wunderbar?« Shanna umarmte ihn. »Ich habe noch mehr Neuigkeiten. Ich habe mich entschlossen, mich verwandeln zu lassen, und zwar in etwa zehn Jahren. Ich will, dass die Kinder alt genug sind, um damit umgehen zu können.«

»Wie bitte?« Heather war sich nicht sicher, ob sie wusste, worum es ging.

»Shanna hat sich entschlossen, ein Vampir zu werden«, sagte Roman ruhig.

Heathers Herz machte einen Sprung. Sie ließ Jean-Lucs Arm los. »Oh. Gratuliere...« Lieber Gott, die Frau wollte freiwillig ein Vampir werden!

Roman und Shanna gingen weiter, um nach ihrem Sohn zu schauen. Der Rest der Reihe der Gratulanten zog wie in einem Nebel an ihr vorbei.

»Geht es dir gut?«, flüsterte Jean-Luc. »Musst du dich hinsetzen? Du siehst blass aus.«

»Ich - ich glaube, ich werde mich wirklich setzen.«

Jean-Luc führte sie an den Tisch, der für sie reserviert war, und eilte dann in Vampirgeschwindigkeit davon, um ihr einen Teller mit Essen und einen Becher Bowle zu bringen.

»Ich wusste nicht genau, was du magst«, sagte er und stellte den Teller vor sie hin.

»Das sieht alles gut aus, danke.« Sie steckte sich eine Traube in den Mund.

Er setzte sich neben sie. »Was Shanna gesagt hat, hat dich schockiert.«

»Ja. Es ist mir noch nie in den Sinn gekommen, dass wir diese andere... Möglichkeit haben. Ich kann verstehen, dass sie für immer bei ihrem Mann sein will, aber sie muss die Tage mit ihren Kindern dafür aufgeben.«

»Ich weiß.« Jean-Luc nahm ihre Hand in seine. »Ich würde dich nie um so etwas bitten.«

»Aber du hoffst, dass ich es tue.«

Er hob ihre Hand an seinen Mund und küsste ihre Fingerknöchel. »Lass uns das Leben einfach Tag für Tag leben. Oder eher Nacht für Nacht.«

»Ich hätte gerne Kinder mit dir. Auch wenn sie dann durch das Kinderzimmer fliegen.«

Das alles hatte Jean-Luc nie zu träumen gewagt. »Gut. Ich möchte noch mehr kleine Mädchen, die wie ihre Maman aussehen.«

Sie zerzauste mit einer Hand seine schwarzen Locken.

»Ich will einen kleinen Jungen, der genauso wundervoll aussieht wie sein Vater.«

Er beugte sich zu ihr, um sie zu küssen, als ein Blitzlicht sie ablenkte.

»Hab euch!« Gregori hielt eine Digitalkamera in der Hand und grinste.

Die Musik begann mit einem Walzer.

»Der erste Tanz.« Jean-Luc stand auf und streckte eine Hand aus. »Ich würde ihn gern mit meiner Frau tanzen.«

Heather stand auf und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Alle Gäste applaudierten. Hoffentlich stolperte sie jetzt nicht und legte sich vor allen auf die Nase, dachte Heather aufgeregt.

Die Musik wurde langsamer.

»Kein Walzer?«, fragte Heather.

»Den können wir später tanzen.« Jean-Luc legte seine Arme um ihre Taille. »Erst einmal möchte ich dich nur halten.«

»Klingt gut.« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals.

Sie wiegten sich langsam im Takt mit der Musik.

Jean-Luc küsste ihre Stirn und legte seine Wange dann an ihre Schläfe. »Ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben.«

Mit einem Seufzen schloss sie die Augen. »Ich liebe dich auch.«

Er schloss seine Arme fester um sie. »Von jetzt an bekämpfen wir unsere Angst gemeinsam.« »Ja.«

»Hast du Höhenangst, Chérie?«

»Ein bisschen. Warum?«

»Mach die Augen auf«, flüsterte er.

Das tat sie. »Lieber Gott.«

»Guckt mal! Mama fliegt!« Bethany stand auf und deutete in die Luft.

Heather klammerte sich fester an seinen Hals. Sie flogen hinauf zur Decke und drehten sich dabei langsam um sich selbst. Die lange Schleppe ihres Rockes beschrieb in der Luft eine Kurve.

»Jean-Luc«, sagte sie atemlos. »Du unanständiger Mann.«

Er lachte leise. »Bleib bei mir, Chérie, und ich bringe dich an Orte, von denen du nicht zu träumen gewagt hast.«

Ende - Love at Stake 04 - Vampire tragen keine Karos