26. KAPITEL

 

Heathers Augen gewöhnten sich langsam an das schummrige Licht in Jean-Lucs Badezimmer. »Wie geht es dir?«

»Ich bin am Boden zerstört. Mein bester Smoking ist ruiniert.«

Wahrscheinlich waren die Schmerzen schuld an seinem Sarkasmus, nahm Heather an. »Erst dachte ich, Vampire empfinden keinen Schmerz, aber Gregori hat mir versichert, dass ihr es doch tut.«

Jean-Luc lehnte seinen Kopf zurück an den Marmorrand der Wanne und schloss die Augen. »Ich habe alle möglichen Gefühle. Wut, dass Lui mir schon wieder entkommen ist. Frustration, weil du meinen Schutz immer noch brauchst, ob du willst oder nicht.«

»Ich beschwere mich nicht darüber. Du hast eine Kugel für mich abgefangen.«

Er machte eine wegwerfende Handbewegung, als sei das nichts. »Dann sind da die ganzen positiven Gefühle. Dir ergeben sein, Begehren, und die Freude, die ich in deiner Gesellschaft empfinde.« Er öffnete die Augen. »Alles Gute in meinem Leben hat mit dir zu tun.«

Sie trat an eine Ecke der Badewanne und schlang einen Arm um eine der schlanken Säulen. Der Marmor fühlte sich an ihrer Wange kühl an. »Es gibt vieles, worauf du stolz sein kannst, Jean-Luc. Du bist sehr klug und talentiert. Du bist in deinem Leben weit gekommen, und du hast ein erfolgreiches Geschäft aufgebaut.«

Er legte seinen Kopf wieder zurück. »Ich habe hart gearbeitet, damit ich die Kontrolle behalte und nicht den Launen anderer Männer unterworfen bin.« Er seufzte. »Aber Lui kommt immer wieder, und ich habe keine Macht, ihn aufzuhalten. Nutzlos.«

Ihr Herz zog sich in ihrer Brust zusammen. »Wage es nicht noch einmal, so etwas zu sagen. Du hast dein Leben aufs Spiel gesetzt, um mich zu retten.« Sie ging die Treppe hinauf und setzte sich an den Rand der Wanne.

»Ich fühle mich aber gerade nutzlos. Wenn Lui heute Nacht auftauchen würde, könnte ich nicht gegen ihn kämpfen.« Jean-Luc lächelte schwach. »Keine Sorge. Ich würde dich dennoch beschützen.«

»Das glaube ich dir.« Er würde sogar den Tod auf sich nehmen, um sie zu retten, das wusste Heather. Sie berührte seine weichen schwarzen Locken.

»Ich habe einen Notfallplan. Ich möchte dich und Bethany zu Romatech Industries teleportieren. Dort gibt es einen Schutzraum, der ganz mit Silber ausgekleidet ist. Kein Vampir kann sich dort hinein- oder hinausteleportieren. Dort würdet ihr in Sicherheit sein.«

»Ich verstehe.« Sie streichelte seine Haare, und er schloss die Augen. »Silber ist schlecht für Vampire?«

»Mmmhm.« Die Falten, die der Schmerz in sein Gesicht gezeichnet hatte, glätteten sich langsam.

Sie fuhr weiter mit den Fingern durch seine Haare. Jetzt verstand sie, warum die silbernen Gürtel Louie so wehgetan hatten. »Gregori hat mir gesagt, dass du während deines Todesschlafes vollkommen heilst. Es wird nicht einmal eine Narbe bleiben, die an deine Heldentat erinnert.«

Er hob spöttisch einen Mundwinkel. »Es war eher Verzweiflung. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren.«

»Ich finde, du warst sehr mutig. Dafür wollte ich dir danken.«

Er öffnete die Augen und sah sie traurig an. »Wir haben uns jetzt gegenseitig das Leben gerettet, also sind wir quitt. Sobald ich Lui umgebracht habe, kannst du gehen.«

All ihren Mut nahm sie zusammen und atmete tief durch. »Ich gehe nirgendwohin.«

Ungläubig schaute er sie an. »Du willst den Job?«

Sie richtete sich auf, sodass sie auf der ersten Treppenstufe stand, die hinab in die Badewanne führte. Ihr Herz begann, wie wild zu schlagen. »Ich will dich.«

Er hob die Augenbrauen und setzte sich auf.

Mit einer einzigen Handbewegung ließ sie die Träger ihres Nachthemds von den Schultern gleiten und schob dann das Oberteil nach unten, bis ihre Brüste frei lagen. Seine Augen verdunkelten sich.

Sie musste sich etwas hin und her bewegen, damit das Nachthemd über ihre Hüften rutschte. Seine Augen begannen zu glühen. Das Nachthemd fiel zu einem Haufen zu ihren Füßen zusammen.

Ihr Herz schlug jetzt so heftig, dass sie es in ihren Ohren widerhallen hörte. Die Angst und Unsicherheit, die sie in den letzten zwei Wochen empfunden hatte, waren geschmolzen und einem unbestimmten Hochgefühl gewichen. Sie hatte sich entschieden. Sie folgte ihrem Herzen. Und sie verkündete den Sieg über die Angst. »Erinnerst du dich daran, was du gesagt hast? Du hattest recht damit.«

Die Farbe seiner Augen wechselte zu hellrot. »Was habe ich gesagt?«

»Du hast gesagt, dass ich dich liebe.« Sie ging die Treppe hinab und ließ sich von dem wunderbaren Gefühl einer neu gefundenen Macht umspülen. »Und das tue ich.« Sie ließ sich in das heiße Wasser gleiten.

»Tust du?« Er rutschte zur Seite, um ihr Platz zu machen.

Sie ließ sich neben ihn sinken. »Ja, das tue ich. Ich habe die ganze Woche über nur an dich gedacht und versucht, den Mut aufzubringen, meinem Herzen zu folgen.«

»Dann hast du die Angst besiegt?«

»Ja. Es gibt eine Bibelstelle, die mir geholfen hat. Die, die besagt, dass es für alles unter Gottes Himmel einen Grund gibt. Ich habe gemerkt, dass du aus einem edlen Grund hier bist. Du beschützt die Unschuldigen vor den schlechten Vampiren.« Sie berührte sein Gesicht. »Wie könnte ich dich nicht lieben?«

Er sah sie leicht amüsiert an. »Versuchst du gerade, mich zu einem edlen Wesen zu verklären?«

»Du bis edel, du dummer Kerl. Komm damit zurecht.«

»Ich liebe dich auch.« Er warf einen Blick auf seinen verbundenen Arm. »Aber es könnte mir etwas schwerfallen, das zu beweisen.«

»Du musst überhaupt nichts tun.« Sie schmiegte sich an seine linke Seite und rieb ihren Schenkel an seinem Bein. »Ich bin hier, um dich zu verführen.«

»Wirklich?«

»Oh ja.« Sie setzte kleine Küsse auf seine Schulter und seinen Hals hinauf. »Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Ich weiß, dass du es hasst, dich machtlos zu fühlen.«

Seine Mundwinkel zuckten. »Komischerweise finde ich das hier ganz in Ordnung.«

»Gut.« Sie fuhr mit der Hand seine Brust hinab, erreichte seinen Bauch und stieß gegen die Spitze seiner Erektion. »Oh. Du bist doch nicht ganz außer Gefecht gesetzt.«

»Nein.« Er sog scharf die Luft ein, als ihre Hand ihn umschloss und leicht zudrückte.

Sie streichelte seine Härte und freute sich daran, wie er immer breiter und steifer wurde. Die Spitze blieb samtig und weich. Sie küsste seine Brust. »Ich könnte dir nie widerstehen. Ich wollte dich vom ersten Augenblick, in dem wir uns begegnet sind.«

»Heather, ich liebe dich so sehr.« Mit dem linken Arm zog er sie halb auf sich. Er küsste sie auf den Mund. Es war ein hungriger, fordernder Kuss.

Sie schmeckte einen Hauch Whisky auf seiner Zunge, erkündete seinen Mund und fuhr über den Rand seiner Zähne. Die scharfen Spitzen seiner Eckzähne machten ihr nichts aus. Sie wusste, wer er war, und sie liebte ihn.

Rittlings setzte sie sich auf ihn, und sie küssten sich weiter. Mit der linken Hand streichelte er ihren Rücken. Sie schmiegte sich an seine Erektion und rieb sich an seiner Länge. Ihre Brüste bewegten sich gegen seinen Brustkorb.

»Komm höher.« Er schlang seinen linken Arm um ihre Taille und hob sie hoch, so, dass ihre Brüste leicht mit seinem Mund zu erreichen waren. Einen der beiden harten Nippel nahm er sich nun vor und saugte mit dem Mund daran.

Sie stöhnte und bäumte sich gegen ihn auf. Kleine Schauer breiteten sich über ihren ganzen Körper aus, und ein tiefes Verlangen entbrannte in ihr. Lieber Gott, Fidelia hatte recht gehabt. Ein Mann, der jahrhundertelang Blut gesaugt hatte, wusste, wie man seinen Mund benutzte.

Irgendwann bemerkte Heather durch den Nebel der Wollust hindurch, dass er das Kommando übernommen hatte. »Hey.« Sie keuchte. »Ich bin es doch, die dich verführen wollte.«

»Du bist unglaublich erfolgreich gewesen. Ich bin schon verführt.« Mit einem Arm hob er sie aus dem Wasser und setzte sie auf den Rand der Badewanne.

Wow, Superkräfte konnten ungemein praktisch sein. Eine Gänsehaut überzog sie, als die kühle Luft ihre Haut liebkoste und ihr Rücken die kalte Marmorsäule berührte.

»Halt dich fest.« Er ließ ihre Hüften auf den Rand der Wanne nieder.

»So etwa?« Sie hob ihre Arme und legte sie um die Säule. Als er seinen Kopf zwischen ihren Beinen vergrub, stöhnte sie auf.

Oh Gott, dieser Mund. Diese Zunge. Sie presste ihre Finger fest gegen den Marmor. Ihre Hacken gruben sich in seinen Rücken.

Er streichelte sie und knabberte an ihr, bis sie nur noch stoßweise atmete und sich vor Spannung wand. Gerade, als sie bereit war zu explodieren, zog er sich zurück.

»Du bist wunderschön«, flüsterte er. Dann berührte er sie noch einmal mit der Zunge, und sie zerbarst.

Ihr Körper bebte noch immer, als er sie zurück ins heiße, blubbernde Wasser zog. Die rauschenden Wasserströme pulsierten auf ihrer empfindlichen Haut und entlockten ihr ein weiteres Beben.

»Oh Gott.« Sie ließ sich erschöpft gegen ihn fallen. »Ich sollte dich öfter verführen.«

»Jede Nacht, Chérie. Halt dich fest.«

Eine Sekunde lang wurde alles schwarz, dann spürte Heather, wie sie auf seine Bettdecke fiel. Er musste sie direkt in sein Bett teleportiert haben.

Dann sauste er zurück ins Badezimmer. Sie setze sich auf und sah, wie er mit einem Handtuch zu ihr zurückkam.

»Hier.« Er trocknete ihren Rücken ab und drückte sie dann sanft aufs Bett, damit er mit ihrer Vorderseite weitermachen konnte.

»Warte!« Sie zeigte auf die Kamera.

Er sauste an den Nachttisch und nahm die Fernbedienung heraus. »Keine Sorge. Die sind alle auf der Suche nach Lui. Niemand hat dich gesehen.« Er schaltete die Überwachungskamera aus und sprang zu ihr ins Bett.

Dann beugte sich Jean-Luc hinab, um ihre Brüste zu küssen, doch ein Schmerz ließ ihn zusammenzucken. »Einen Augenblick.« Er legte sich auf ihre andere Seite, sodass er sich mit dem linken Arm abstützen konnte.

»Ich weiß etwas Besseres.« Sie drückte ihn flach auf den Rücken. »Du bist der verletzte Held. Also leg dich einfach hin und nimm es wie ein Mann.«

Sein Mund zuckte. »Du bist niedlich, wenn du mich herumkommandierst.«

»Niedlich? Das findest du niedlich?« Sie nahm seine Hoden in die Hand und drückte sanft zu.

Ein Stöhnen war die Antwort. »Ich nehme es zurück. Du bist eine unglaublich erotische Verführerin.«

»Das ist schon besser.« Sie setzte sich neben ihn und fuhr mit den Fingern über seinen Körper. Es war das erste Mal, dass sie ihn in Ruhe nackt betrachten konnte. Er war schlank und muskulös. Einige Narben zeichneten seine blasse Haut. Sie zog sie mit einem Finger nach, und ihr wurde klar, dass sie jahrhundertealt sein mussten. Sie stammten noch aus seinen Tagen als Sterblicher. Lockiges schwarzes Haar lag wie ein Schatten auf seiner Brust. Sie fuhr die dünne Linie aus schwarzen Haaren auf seinem Oberkörper nach, bis sie zu dem dichteren Busch kam, in dem seine Erektion lag.

Sie streichelte den Schaft, und er zuckte. »Es lebt!«

Er sah sie amüsiert an. »Ich muss in dir sein.«

»Alles zu seiner Zeit.« Sie beugte sich vor und küsste die weiche Spitze.

Ein Beben durchfuhr seinen Körper. »Ich muss wirklich in dir sein.«

»Wir haben die ganze Nacht Zeit.« Sie leckte mit der Zunge einmal der Länge nach am Schaft entlang und umschloss ihn dann mit ihrem Mund.

»Nimm mich endlich. Jetzt.«

Sie wirbelte mit der Zunge um seine Spitze und zog sich dann von ihm zurück. »Hmm, lecker.«

»Verdammt, Weib!« Seine Augen blitzten rot auf. »Reite mich endlich.«

Sie blinzelte ihn überrascht an. »Oh. Du bist so niedlich, wenn du mich herumkommandierst.«

»Ich kommandiere nicht. Ich sterbe.« Er zog sie auf sich.

»Ich habe nicht viel Erfahrung mit - aaah!« Sie keuchte, als er in sie eindrang und sie gleichzeitig mit ihren Hüften hinunterdrückte. »Okay, so funktioniert es auch.«

Sie ließ sich auf ihn hinabsinken, bis er sie vollkommen ausfüllte. »Du fühlst dich so gut an.«

»Du auch.« Er streichelte ihre Brüste. »Liebe mich.«

»Das tue ich schon.« Langsam bewegte sie sich auf und ab, beugte sich dann vor, um ihn zu küssen.

Er zog sie auf seine Hüften hinab und drängte sie, schneller zu machen. Das tat sie und spürte, wie die Spannung zwischen ihnen sich fester und fester zusammenzog. Er fasste zwischen ihre Beine, um ihren Knopf zu berühren, und sie verlor die Kontrolle. Heather wurde plötzlich bewusst, dass sie noch nie so zügellos und ungehemmt geliebt hatte. Es war befreiend. Es war wunderbar.

Als sie hart auf ihm kam, wurde sie von einem Beben geschüttelt, bis ihr Körper auf ihm zusammensackte. Sie ließ sich neben ihn fallen. Er rollte sich zu ihr und packte ihren Hintern, um sich wieder in ihr zu vergraben. Er stöhnte und presste seine Hüften fest gegen ihre, als sein Höhepunkt ihn durchfuhr.

Langsam kamen sie wieder zu Atem und legten sich auf die Seite. Sie sahen einander ins Gesicht.

»Wow«, sagte Heather atemlos.

»Ja, das kann man wohl sagen.« Das rote Leuchten in seinen Augen wurde langsam schwächer.

Sie berührte die Locken auf seinem Kopf. »Ich liebe dich.« Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. »Ich liebe dich so sehr.«

»Willst du mich heiraten?«

Ehe sie antworten konnte, setzte er sich auf und fuhr fort. »Ich verspreche dir, dass ich Lui vernichte. Du wirst kein Leben in Gefangenschaft führen müssen. Wir können reisen und das Leben genießen. Und wir können...«

Sie legte entschlossen einen Finger auf seinen Mund. »Die Antwort ist: ja.«

Er lächelte strahlend und küsste erst den Finger, dann ihre Handfläche.

Es wurde kalt. »Lass uns unter die Decke kriechen.«

Befriedigt und ermattet kuschelten sie sich zwischen die Laken. Er zuckte zusammen, als sie aus Versehen gegen seinen verletzten Arm kam.

»Oh, das tut mir leid.« Ein Kuss auf seine Schulter war ihre Entschuldigung.

»Ich werde in ein paar Stunden keine Schmerzen mehr haben.«

»Wenn die Sonne aufgeht?«

»Ja. Heather, gehst du bitte, ehe ich in den Todesschlaf falle?«

»Das macht mir keine Angst, Jean-Luc. Ich habe Ian jeden Nachmittag so gesehen.«

»Ich weiß. Aber ich will, dass unsere erste gemeinsame Nacht für dich perfekt ist. Ich will nicht, dass du dich als Letztes an meinen toten Körper erinnerst.«

»In Ordnung.« Vielleicht würde er es mit der Zeit nicht mehr peinlich finden. Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich liebe dich genau so, wie du bist.«

****

Heather erwachte gegen Mittag in ihrem Schlafzimmer im ersten Stock. Sie reckte sich und lächelte, als die Erinnerung an ihr Liebesspiel in ihren Gedanken abzulaufen begann. Nachdem sie sich eine Stunde ausgeruht hatten, hatte Jean-Luc vorgeschlagen, dass sie eine andere Position fanden, in der sein verletzter Arm nicht belastet wurde.

Sie hatten lachend in den Laken gewühlt, bis sie auf seinem Schoß gesessen hatte, ihm zugewendet, während sie sich küssten und streichelten. Nach weiterem lustvollem Vorspiel hatte Heather schließlich auf allen vieren gestanden, während er von hinten in sie eindrang. Er hatte ihren Knopf massiert, während er sich in ihr bewegte, und diese Kombination brachte sie erneut zum Höhepunkt.

Vollkommen erschöpft war sie in seinen Armen eingeschlafen. Gegen halb sechs Uhr morgens wurde sie mit Küssen geweckt, zog sich ihr Nachthemd an und schlich nach oben. Nach einem langen heißen Bad entspannten sich ihre überforderten Muskeln langsam. Dann hatte sie Pyjamas angezogen und war neben Bethany ins Bett gekrochen.

Sie erinnerte sich dunkel daran, dass Bethany versucht hatte, sie irgendwann danach aufzuwecken. Sie hatte etwas gemurmelt, und Fidelia hatte gelacht.

»Deine Mama ist zu erschöpft, Kleines. Und das wurde auch Zeit. Lass sie schlafen.«

Jetzt lag sie noch halb benommen im Bett, ruhte sich aus und dachte an Jean-Luc. Sie hatte eingewilligt, ihn zu heiraten! Ihre Angst, dass es nicht funktionieren würde, hatte sie einfach ignoriert.

Sie zog sich an und ging hinab in die Küche. Ian und Phil hatten die Möbel zurückgebracht. Sie begrüßte die beiden und umarmte Bethany.

Fidelia hievte sich aus dem Liegestuhl und ging langsam in die Küche. »Komm, iss was zum Frühstück.«

Heather folgte ihr.

Fidelia grinste, als sie eine Packung Frühstücksflocken aus der Speisekammer holte. »Und, wie war’s?«

Schnaufend sah Heather sie an. »Es war sehr privat.«

»So gut, was?« Fidelia schüttete die Flocken in eine Schüssel, während Heather die Milch holte.

»Ich hatte letzte Nacht einen schlechten Traum.« Fidelia senkte ihre Stimme. »Die rot glühenden Augen und die weißen, gefletschten Zähne.«

»Wir wissen schon, was das bedeutet.« Heather goss Milch in ihre Schüssel.

»Ich bin mir nicht sicher.« Fidelia runzelte die Stirn. »Ich habe wirklich das Gefühl, dass Gefahr droht. Und dann ist da noch das Gebäude aus Stein. Eine Ruine. Ich glaube, eine alte Kirche.«

»Interessant.«

Fidelia seufzte. »Ian hat mir gesagt, dass sie Louie immer noch nicht gefunden haben. Heute Nacht gehen sie wieder auf die Jagd.«

Und Jean-Luc würde auch wieder gesund sein und bereit zu kämpfen. Heathers Atem stockte, als ihr klar wurde, dass er sein Leben noch einmal riskieren würde. Sie starrte in ihre Schüssel. Der Appetit war ihr auf einmal vergangen.

»Ein Auto kommt die Auffahrt hoch«, verkündete Ian.

Heather folgte Ian und Phil zur Eingangstür.

Phil spähte aus dem Fenster. »Eine Frau am Steuer. Sie sieht wie eins der Models von gestern Nacht aus.«

»Es ist Miss Gray«, rief Alberto, der mit einem Rollkoffer den Flur hinabkam. »Sie ist wegen mir hier. Ich fliege zurück nach Paris, und Linda fährt mich zum Flughafen.«

Heather spähte aus dem Fenster. Linda Gray war eine ihrer Freundinnen von der Guadalupe High. »Ich wusste nicht, dass Sie sich kennen.«

»Nicht, bis letzte Nacht.« Alberto betrat das Foyer. »Als Sasha angefangen hat zu schießen, habe ich mich über Miss Gray geworfen, um sie zu beschützen.« Er grinste. »Sie findet, ich bin ein Held.«

»Das sind Sie dann wohl auch.« Heather reichte ihm die Hand. »Gute Reise.«

Alberto schlug ein. »Ich komme vielleicht bald wieder her, wenn es mit Miss Gray gut funktioniert.«

Als Phil die Tür öffnete, verbarg Ian sich in einer dunkleren Ecke, um das Sonnenlicht zu umgehen.

»Viel Glück euch allen.« Alberto rollte seinen Koffer aus der Tür. »Ciao.«

Heather ging zurück in die Küche, um einen freien Tag mit ihrer Tochter zu genießen. Um die Abendbrotzeit herum brach Ian auf dem Küchenboden zusammen.

Bethany kicherte. »Er schläft wie ein Baby.«

»Ja.« Heather lächelte. Aber er sah nicht mehr wie ein Baby aus. Ian war in den letzten zwölf Tagen zwölf Jahre älter geworden.

»Wenn ich schlafen gehe, werde ich dann auch älter?«, fragte Bethany.

»Liebling, du wirst jeden Tag älter, nur viel langsamer als Ian.«

»Aber ich will schneller groß werden«, schmollte Bethany.

»Ich weiß, aber ich will dich nicht schneller verlieren, als ich muss.« Heather stand auf. »Komm, wir suchen uns etwas zum Abendessen.«

Nach ihrer Mahlzeit klingelte es an der Tür. Gleich darauf klopfte es heftig. Heather und Phil sahen nach, wer es war. Cody stand draußen und ging unruhig auf der Veranda auf und ab.

Sie seufzte. Schade, dass Jean-Luc nicht wach war. Er musste diesen Schabenzauber dringend löschen. Vielleicht konnte sie Cody dazu bringen, nach Sonnenuntergang wiederzukommen. Aber bis dahin dürfte es ungefährlich sein, sich mit ihm zu unterhalten. Er stand unter Jean-Lucs Kontrolle. Und Bethany war mit Fidelia in der Küche. Sollte Cody also anfangen, sich seltsam zu verhalten, würde ihre Tochter es nicht sehen.

Heather öffnete die Tür.

Ihr Ex kam hastig auf sie zu. »Ich habe Bethany dieses Wochenende nicht bekommen.«

»Du hast gesagt, du kannst sie nicht zu dir nehmen.«

»Ich weiß.« Cody kratzte sich am Kopf. »Ich weiß aber nicht, warum. Irgendetwas stimmt mit mir nicht.«

Irgendwie tat er Heather leid. Sie trat auf die Veranda heraus. »Alles wird gut, Cody. Du kannst Bethany nächstes Wochenende sehen.«

»Geht es ihr gut? Ich habe gehört, dass es hier letzte Nacht Arger gegeben hat.«

»Ja, es geht ihr gut. Wir haben dafür gesorgt, dass sie nichts Schlimmes zu sehen bekommt.«

»Okay.« Cody ging die Treppe hinab und auf sein Auto zu, dann drehte er sich noch einmal um. »Ich wette, diese Hexe hat irgendetwas damit zu tun.«

»Welche Hexe?«

»Diese hellsehende Zigeunerin, die auf unsere Tochter aufpasst. Sie ist ein schlechter Einfluss.«

Heather seufzte. Eben noch war Cody ganz vernünftig, jetzt ruinierte er es mit so einer Dummheit. »Fidelia ist eine wunderbare, liebevolle Person, und sie tut alles, um Bethany zu beschützen.«

»Klar! Zum Beispiel mich mit einem Zauber belegen.« Cody ging vor seinem Auto auf und ab. »Ich werde euch verklagen, genau. Ich lasse sie verhaften.«

»Weswegen? Sie hat nichts getan.« Heather bemerkte, dass Billys Dienstwagen die Auffahrt hinaufkam. Phil trat auf die Veranda heraus.

Cody grinste. »Tolles Timing. Ich lasse Billy diese Hexe ins Gefängnis schleifen.«

»Fidelia hat dir nichts getan.« Heather ging die Verandastufen hinab.

Der Polizeiwagen kam zum Stehen, und Billy stieg aus.

»Du kommst gerade rechtzeitig, Sheriff.« Cody ging zu ihm. »Ich will, dass du diese Zigeunerin verhaftest. Sie hat mich verflucht.«

»Das ist doch lächerlich«, fuhr Heather ihn an. »Fidelia ist keine Zigeunerin, und zaubern kann sie auch nicht.«

»Warum hat sie mich dann gezwungen, Bethany dieses Wochenende nicht zu sehen?«

»Cody, komm nächstes Wochenende wieder. Du kannst Bethany dann bekommen.«

»Du sagst mir nicht, was ich zu tun habe!«, brüllte Cody. »Billy, ich will, dass du Heather verhaftest. Sie verletzt unseren Scheidungsbeschluss.«

Ohne Streit ging es zwischen den beiden nie aus. »Billy, sorgst du bitte dafür, dass er verschwindet?«

Billy hatte sich die Auseinandersetzung in Ruhe angesehen. Er ging an den Kofferraum seines Wagens und bedeutete Cody, ihm zu folgen.

»Ein Vater hat auch Rechte, weißt du.« Cody blieb neben Billy stehen und sah Heather hasserfüllt an.

Mit einer schnellen Bewegung zog Billy seine Pistole und schlug Cody mit dem Griff auf den Kopf. Cody brach zusammen.

Panisch rannte Heather die Treppe hinab. »Was machst du da? Ich wollte nur, dass du mit ihm redest.«

Billy stopfte seine Pistole zurück in den Halfter. Dann öffnete er die Hintertür seines Wagens und schob Cody hinein.

»Billy?« Heather trat einen Schritt näher.

Phil rannte zu ihr und packte ihren Arm. »Komm wieder rein. Irgendetwas stimmt nicht.«

Völlig unvorhersehbar zog Billy erneut seine Pistole und schoss Phil ins Bein.

Heather schrie auf, als Phil auf der Auffahrt zusammensackte. Blut quoll aus seiner verwundeten Wade.

»Was zum Teufel?« Fidelia spähte aus der Vordertür und zog dann eine Waffe aus ihrer Handtasche.

»Mama!«, schrie Bethany.

Fidelia schob sie zurück ins Haus, ließ ihre Handtasche fallen, und arbeitete fieberhaft daran, das Schloss an ihrem Abzug zu lösen.

»Geh ins Haus!«, zischte Phil von der Auffahrt.

Heather starrte ihn an und zögerte. Wie konnte sie Phil einfach so zurücklassen?

»Steig in den Wagen.« Billy zeigte mit der Pistole auf die offene Tür seines Autos.

Sie bemerkte den glasigen Blick in seinen Augen.

Die Pistole war auf Phils Kopf gerichtet. »Steig in den Wagen.«

Phil biss die Zähne zusammen. »Tu es nicht.«

Billy zuckte mit seiner Pistole.

»Warte! Ich mach ja schon.« Heather stieg in den Wagen.

»Lass die Waffe fallen, du Schwein!«, brüllte Fidelia und richtete ihre Glock auf Billy.

Schnell zog er Phil an sich, um ihn als Schild zu benutzen. Dann ging er zurück zum Wagen und schleifte den Mann hinter sich her. Er öffnete den Kofferraum und schob Phil hinein. Sobald er die Klappe zugeschlagen hatte, drückte Fidelia ab.

Sie schoss daneben. Feuerte noch einmal. Heather duckte sich. Fidelia konnte nicht gut zielen.

Billy hechtete auf den Fahrersitz und gab Gas.

Eine Scheibe trennte Heather von den Vordersitzen. Sie setzte sich auf und hämmerte mit den Fäusten dagegen. »Billy, wach auf! Du stehst unter Louies Bann.«

Doch der Sheriff fuhr stur weiter.

Heather sah aus dem Rückfenster Fidelia, die in der Mitte der Auffahrt stand. Bethany lief weinend dem Wagen nach, dann zog Fidelia sie an sich.

Ein eiskalter Schauer überlief Heather. Hatte sie ihre Tochter gerade zum letzten Mal gesehen? Nein, den Gedanken konnte sie nicht ertragen. Jean-Luc würde sie retten. Die Sonne stand schon am Horizont. Er würde bald aufwachen.

Unglücklicherweise galt das Gleiche auch für Louie.