21. KAPITEL
Heather rannte die Treppe hinauf ins Erdgeschoss. Vampire? Wie konnte das sein? Aber warum sollte Jean-Luc über etwas so Furchtbares lügen? Ich weiß, dass du mich liebst. Seine Worte folterten sie. Nein! Sie konnte keinen Vampir lieben. Vampire waren Monster, die Unschuldige jagten, um zu überleben.
Sie knallte die Kellertür hinter sich zu und eilte den Flur hinab. Vampire. In Texas. Vielleicht sollte sie die Einwanderungsbehörde informieren. Sie eilte an der Tür zum Designstudio vorbei. Lieber Gott, ihr Boss war ein Vampir. Und fantastisch im Bett. Sie zuckte zusammen und versuchte, den letzten Gedanken zu verdrängen.
Ich weiß, dass du mich liebst.
Verdammt noch mal, sie würde sich nicht in einen Blut saugenden Unhold verlieben. Ein Satz aus einem alten Film fiel ihr ein, als zusätzliche Folter. Sie brauchte dazu nur ein Schluchzen und einen breiten Südstaatenakzent. Ich verliebe mich immer in die falschen Männer.
Jepp, das passte. Nach einem Ehemann, der ein Kontrollfreak war, hatte sie sich einen Vampir als Liebhaber ausgewählt. Wenigstens konnte ein Vampir sie tagsüber nicht kontrollieren. Er war tot. Sie konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Lieber Gott, sie stand kurz davor, den Verstand zu verlieren.
Auf halbem Weg zur Ausstellung blieb sie stehen, als die Tür zum Sicherheitsbüro aufging.
Robby kam heraus und blickte sie besorgt an. »Alles in Ordnung?«
Vampir. Sie trat einen Schritt zurück.
Er versuchte, sie zu beruhigen. »Keine Angst.«
Klar. Robby war bloß ein riesiger, mit Muskeln bepackter Vampir mit einem Schwert auf dem Rücken, einem Dolch in der Socke und Fangzähnen im Mund. Sie drehte sich um und rannte die Freitreppe hinauf. Als sie die Galerie überquerte, bemerkte sie ihn in der Ausstellung, wie er ihr nachsah.
Verdammt, nein, sie würde keine Angst haben. Sie hatte der Angst den Krieg erklärt. Sie schlüpfte in ihr Schlafzimmer.
»Ich habe eine Pistole auf deinen Hintern gerichtet«, flüsterte Fidelias Stimme aus der Dunkelheit.
»Ich bin es nur.« Heather schloss die Tür hinter sich ab. »Wir müssen reden. Behalt deine Waffe in der Hand.«
»Ich habe keine Waffen im Bett. Ich habe nur geblufft.«
»Hol sie.« Heather tastete sich durch den Raum zum Badezimmer. »Und komm hier rein. Ich will Bethany nicht aufwecken.«
Eine Minute später tappte Fidelia, ihre Handtasche gegen die Brust gepresst, ins Bad.
Heather schloss die Tür hinter sich und machte das Licht an. »Wir sind in großer Gefahr.«
»Das dachte ich mir.« Fidelia stellte die schwere Handtasche auf der Marmoranrichte ab. Ihr Haar stand in verschiedene Richtungen vom Kopf ab, und auf ihrem voluminösen pinkfarbenen Nachthemd prangten die Worte Hot Stuff. »Die Karten haben mich gewarnt.«
Heather hockte sich auf den Rand der Badewanne. Eine unpassende Erinnerung kam ihr in Sinn. Jean-Lucs Badewanne war unglaublich schön. Und es gab darin Platz genug für zwei. Sie verdrängte den Gedanken sofort. »Ich habe mich in den Keller geschlichen, um herauszufinden, was die hier zu verbergen haben.«
»Uh-huh.« Fidelia klappte den Toilettendeckel herunter und setzte sich darauf. »War der Sex gut?«
Heather sperrte den Mund erstaunt auf. »Wie bitte?«
»Ich kann hellsehen.« Fidelia zeigte auf sie. »Und du hast dein Hemd verkehrt herum an.«
Heather blickte zu Boden, und ihr Gesicht wurde heiß. Sie wechselte schnell das Thema. »Ich habe etwas Wichtiges herausgefunden. Ich hatte recht damit, dass Jean-Luc Jahrhunderte alt ist. Er ist 1485 geboren worden.«
Fidelia nickte langsam mit dem Kopf. »Das erklärt vieles. Er hat eine Menge Erfahrung. Er muss sehr gut im Bett gewesen sein.«
Heather schnaufte. »Das tut doch jetzt nichts zur Sache.«
»Aber, war er gut?«
»Fidelia, seine Augen sind rot geworden. Sie haben geglüht.«
Sie wurde blass. »Santa Maria.« Sie bekreuzigte sich schnell. »Hast du weiße, gefletschte Zähne gesehen?«
»Nein. Aber er hat sie. Er ist ein Vampir. Sie sind alle Vampire. Bis auf Phil. Und den armen Pierre. Sogar Louie ist ein Vampir.«
Fidelias braune Augen weiteten sich. »Bist du sicher? Hat Jean-Luc gestanden?«
Ja.«
Sie legte ihre Hände zusammen, schloss ihren Mund und flüsterte ein Gebet auf Spanisch, dann bekreuzigte sie sich wieder. »Ich habe immer gespürt, dass sie... anders sind, aber ich habe nie...« Sie erstarrte. »Hat er dich gebissen?«
»Nein. Er hat seine Fangzähne gar nicht ausgefahren.« Heather verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass hässliche Reißzähne aus Jean-Lucs schönem Mund wachsen.
Fidelia beugte sich vor und untersuchte ihren Hals. »Du hast keine Wunden.«
»Er hat mich nicht gebissen«, sagte Heather mit Nachdruck. »Er sagt, er hatte sich vollkommen unter Kontrolle.«
»Kontrolle, ja.« Fidelia lehnte sich zurück und zog die Augenbrauen zusammen. »Ich habe gehört, dass sie sehr gut darin sind, Gedanken zu kontrollieren. Er könnte dich beißen und dann die Erinnerung daran löschen.«
»Das glaube ich nicht. Jean-Luc hat gesagt, er erlaubt in seinem Haushalt nicht, dass gebissen wird. Sie trinken alle Blut aus Flaschen.«
»Wirklich?« Fidelia hob ihre dunkeln Augenbrauen. »Dann hat keiner dieser Vampire dich angegriffen?«
»Nein.«
»Jean-Luc hat deine Gedanken nicht kontrolliert und dich so gezwungen, etwas gegen deinen Willen zu tun?«
Heather schüttelte den Kopf und spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Er hatte sie zum Schreien gebracht, aber das hatte sie freiwillig getan. »Ich glaube nicht, dass er mich kontrolliert hat. Ich war irgendwie außer Kontrolle. Ich habe ihn angeschrien und ihn geohrfeigt.«
»Hat er zurückgeschrien?«
»Nein.« Heather verlagerte ihr Gewicht auf dem schmalen Wannenrand. »Er hat mich gebeten, das Haus nicht zu verlassen. Er hat sich... um unsere Sicherheit Sorgen gemacht.«
Mit einem tiefen Atemzug verschaffte sich Fidelia einen klaren Kopf. »Lass mich das wiederholen. Er hat dich nicht angegriffen, oder dich gebissen, oder dich irgendwie kontrolliert?«
»Nein.«
»Warum hast du dann gebrüllt und ihn geohrfeigt?«
»Weil sie Vampire sind. Ist das nicht Grund genug?«
Fidelia zuckte mit den Schultern. »Soweit ich das sagen kann, haben sie sehr viel dafür getan, damit wir es bequem haben, und es ist ihnen ernst damit, uns zu beschützen. Sie haben heute einen aus ihren eigenen Reihen verloren.«
»Pierre war sterblich.«
»Er war ihr Kamerad, und sie waren von seinem Tod sehr betroffen. Es hätte jedem von ihnen passieren können. Oder auch uns. Wir sind alle in Gefahr.«
Heather seufzte. »Du meinst, wir sollten hierbleiben? Uns mit diesen... Vampiren gegen den gemeinsamen Feind verbünden?«
»Louie ist auch ein Vampir, oder? Ich würde sagen, unser bester Schutz sind noch mehr Vampire. Wir sollten auf jeden Fall bleiben.«
Das war wahrscheinlich die richtige Einstellung zu ihrer Lage. »Das finde ich auch. Aber sobald sie Louie umgebracht haben, verschwinden wir.«
»Und was ist mit Jean-Luc? Du magst ihn, oder nicht?«
»Ich kann doch nicht mit einem Mann zusammen sein, der jahrhundertelang davon gelebt hat, Frauen das Blut auszusaugen.«
»Ich wette, er macht einen verdammt guten Knutschfleck.«
»Fidelia! Der Mann ist ein Monster.«
Sie griff nach ihrer Handtasche. »Willst du, dass ich ihn erschieße? Ich bringe ihn noch heute Nacht um.«
»Nein!« Heather sprang auf.
Mit einem durchdringen Blick sah Fidelia ihre Freundin an. »Den Test hast du verhauen, Chica.«
Heather knirschte mit den Zähnen. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
»Dass er sehr gut im Bett ist?«
Sie setzte sich mit einem empörten Schnauben hin. »Es hat nichts damit zu tun. Mir ist nur Gewalt an sich zuwider.«
»Du hast ihn geohrfeigt.«
»Ich war aufgebracht. Und ich fühle mich deswegen jetzt fast schlecht.«
Fidelia stützte sich auf ihre Ellenbogen. »Wann hat er es gestanden? Vor oder nach dem Sex?«
»Danach.« Heather rieb sich die Stirn. Sie bekam plötzlich Kopfschmerzen.
»Ah. Deshalb hast du ihn geohrfeigt. Der Bastard. Er hat sich an dir vergangen und seine eigenen Bedürfnisse befriedigt, ehe er dir die Wahrheit gesagt hat.«
Ein dumpfer Schmerz begann hinter Heathers Schläfen zu pochen. »Im Grunde hat er nie - ich meine, er hat die ganze Zeit damit verbracht, mich zu befriedigen.«
»Oh!« Fidelias Augen leuchteten auf. »Dieser Jean-Luc. Er ist muy macho.«
Heather seufzte. Sie hatte den wunderbarsten Orgasmus aller Zeiten gehabt. Nicht, dass sie darüber je wieder nachdenken wollte.
»Er hat also nie versucht, dich zu beißen, und er hat sich auch nicht zu seiner eigenen Befriedigung an dir vergangen.« Fidelia legte den Kopf zur Seite und dachte nach. »Warum hat er dich dann mit in sein Bett genommen?«
»Er hat gesagt, er liebt mich.«
»Ah. Amor.«
Die Erinnerung an seine Worte ließ Heather zusammenzucken. »Er hat gesagt, er hat fünfhundert Jahre lang auf mich gewartet.«
»Mmm. Romantico.«
»Aber er ist ein Vampir.«
Diese Tatsache schien Fidelia gar nicht mehr so zu schockieren. »Niemand ist perfekt. Mein zweiter Ehemann - er hatte an einem Fuß sechs Zehen.«
»Das hier ist ja wohl ein wenig ernster. Jean-Luc ist die halbe Zeit wortwörtlich tot.«
Fidelia nickte. »Bei den meisten Männern wäre das eine Verbesserung.«
»Ich meine es ernst! Ich muss mich von ihm fernhalten. Ich will ein normales Leben für mich und Bethany. Wir wohnen im Moment noch hier, aber ich muss ihn um jeden Preis meiden.«
»In Ordnung«, stimmte Fidelia zu. »Du darfst nie mehr mit ihm reden, auch wenn er muy romantico ist. Und du musst versuchen, nicht daran zu denken, wie gut der Sex war. Er war wirklich gut, oder?«
»Du bist nicht sehr hilfreich. Auf wessen Seite bist du?«
Fidelia tätschelte ihr Knie. »Ich bin auf der Seite deines Herzens, Chica. Dein Herz wird dir sagen, was zu tun ist, wenn du nur hinhörst.«
Als noch ein schmerzhafter Stich ihren Kopf folterte, stöhnte Heather auf. Das war nicht der Rat, den sie hören wollte. Denn ihr Herz, fürchtete sie, war bereits verloren.
Nachdem sie sich nur herumgewälzt hatte, weil in ihrem schmerzenden Kopf zu viele erotische Erinnerungen abliefen, gab Heather den Gedanken an Schlaf auf. Sie nahm eine lange heiße Dusche, zog sich an und eilte um fünf Uhr morgens hinunter ins Studio. Als sie sich dem Sicherheitsbüro näherte, ging die Tür auf.
»Guten Morgen«, begrüßte Robby sie.
Sie murmelte einen Gruß und drückte sich schnell an ihm vorbei. Wenn sie sich einfach in der Arbeit versenken konnte, die sie liebte, dann konnte sie vielleicht die ganzen Vampire vergessen, die sich hier herumtrieben. Sie wussten wahrscheinlich schon alle, dass ihr Geheimnis aufgeflogen war.
»Hey! Warte mal, Kleine!«
Sie sah sich um. Toll. Der, der Phineas hieß, folgte ihr. Sie ging weiter.
»Was geht?« Er hatte sie eingeholt.
»Nichts.« Sie blieb vor den Studiotüren stehen und gab 1485 ins Nummernfeld ein. »Ich will nur arbeiten.«
»Cool. Kümmer dich nicht um mich. Ich häng hier nur so rum.«
»Vielleicht wie eine Fledermaus?«, murmelte sie, als sie das Studio betrat.
»Eher wie dein persönlicher Leibwächter.« Er schloss die Tür hinter ihnen. »Wir wollen dich nur beschützen.«
»Irgendwie fühle ich mich sicherer, wenn mich kein Vampir verfolgt.«
Phineas blieb stehen und sah sie verletzt an. »Ich werde dir nicht wehtun.«
Hatte sie wirklich seine Gefühle verletzt? »Sie haben noch nie jemanden gebissen?«
Ihre Worte schienen ihm nicht zu gefallen. »Ich bin nicht perfekt, aber ich habe echt hart daran gearbeitet, mich zu kontrollieren. Ich weiß, dass ich früher ein Penner war. Ich war ein echter Verlierer, als ich noch gelebt habe, aber Angus glaubt an mich, und ich lasse ihn nicht hängen.«
Sie ging zu ihrem Arbeitstisch weiter und ordnete ihre Materialien. »Wollen Sie mir erzählen, Ihr Leben ist jetzt, wo sie tot sind, besser?«
»Ich bin nicht tot. Wenigstens nicht jetzt. Und ja, mein Leben ist besser. Das ist mein erster richtiger Job, und ich schlage mich ganz gut. Ich kann meiner Familie Geld schicken. Und ich lerne, wie man mit Schwertern kämpft und Nahkampf. Willst du was sehen?«
Ehe sie Nein sagen konnte, hatte Phineas sich umgedreht und der Gruppe Schaufensterpuppen in der Mitte des Raumes entgegengestellt.
»Hai-ya!« Er nahm eine Angriffspose ein. »Das war’s für euch, Weicheier!«
Er packte eine männliche Puppe am Arm, drehte daran, und beugte sich dann vor. Heather nahm an, dass die Puppe über seine Schulter fliegen und zu Boden krachen sollte, aber unglücklicherweise ging einfach der Arm ab.
Phineas sah nur eine Sekunde lang überrascht aus, dann warf er den Arm auf den Boden. »Yeah, dir hab ich’s gezeigt.« Er stolzierte mit erhobenen Fäusten zurück. »Mit mir legst du dich nicht mehr an, Weichei! Ich mach dich zum Einarmigen!«
Heather konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und wendete sich ab. Das Letzte, was sie wollte, war, sich einzugestehen, wie sehr sie diese Männer eigentlich mochte. Sie ging auf die Schneiderpuppe zu, an der sie die fertigen Teile ihres ersten Kleides festgemacht hatte. An der Puppe war mit einer Stecknadel ein Zettel befestigt. Sie überflog die schräge schwarze Schrift und las die Unterschrift darunter.
Jean-Luc. Ihr Herz machte einen Sprung. Sie nahm den Zettel ab.
Ein ausgezeichneter Anfang für dein erstes Kleid. Die Show wird wie geplant ablaufen, Samstag in einer Woche. Limitierte Anwesenheit. Ich wünsche Dir viel Glück mit Deinen Entwürfen, aber an erster Stelle steht weiterhin Deine Sicherheit.
Das war alles. Höflich und geschäftsmäßig. Sie war fast enttäuscht. Er hätte noch schreiben können, Tut mir leid, dass ich ein Vampir bin, oder, Ich würde eher noch einmal sterben, als Dich zu beißen. Aber nein, er erwähnte seine Rolle als Blut saugender Unhold nicht einmal. Und er schrieb auch nichts Romantisches.
Sie knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den Papierkorb. So war es besser. Er war ihr Boss, weiter nichts. Und sobald Louie tot war, hatte sie mit der Sache nichts mehr zu tun. Sie setzte sich an die Nähmaschine, um ihren Rock fertigzustellen.
Phineas setzte sich auf die Kante des Tisches. »Robby glaubt, du hast Angst vor ihm. Deshalb hat er mich geschickt, um dich zu beschützen.«
»Ich habe keine Angst.« Ich raste nur total aus. Sie trat auf das Pedal, um die Maschine anzulassen.
»Es braucht ein bisschen, sich an uns zu gewöhnen. Alter, ich bin total ausgerastet, als ich gemerkt habe, dass ich ein Vampir bin.«
Heather hörte auf zu nähen. Hatte er ihre Gedanken gelesen? Wahrscheinlich war total ausrasten einfach die normale Reaktion auf Vampire. »Wie lange sind... bist du schon... so?«
»Etwas mehr als ein Jahr.« Phineas beschrieb die Verwandlung durch die Hand, oder eher die Zähne, eines bösen Vampirs, und wie Angus ihn gerettet hatte.
»Die Bösen ernähren sich immer noch von Menschen?«, wollte Heather jetzt wissen.
»Yeah. Sie bringen sogar Leute um. Wir hassen die.« Phineas streckte seine Brust stolz vor. »Wir sind die Guten.«
»Dann gibt es gute und böse Vampire?«
»Yeah. Wie sagt Connor? Der Tod kann das Herz eines Mannes nicht verändern. Also bleibt ein fieser Typ immer bei den Bösen, verstehst du.«
»Und ein guter Mann bleibt gut?« Wie Jean-Luc. Sie hatte immer gespürt, dass er ein guter Mann war. Ein wunderbarer Mann. Ich weiß, dass du mich liebst. Seine Worte verfolgten sie.
»Yeah, das stimmt.« Phineas begann eine lange Geschichte um einen wirklich bösen Typen namens Casimir.
Heather nähte weiter, aber bald fesselte sie die Geschichte, und sie begann, Fragen zu stellen. Anscheinend gab es zwei Splittergruppen, genannt Vamps und Malcontents, und sie standen kurz vor dem Ausbruch eines echten Krieges. Angus MacKay war im großen Vampirkrieg von 1710 der General der Vamps.
»Hat Jean-Luc auch gekämpft?«, fragte sie.
»Alter, natürlich, er war zweiter Befehlshaber. Connor hat gesagt, dass Jean-Luc nie von Romans Seite gewichen ist. Er hat ein paar echt fiese Wunden eingesteckt, um Roman zu beschützen.«
Das bestätigte nur Heathers Vermutung. Er war ein loyaler Freund, ein Held seiner Art. Aber seine Welt lag außerhalb ihrer Reichweite. Und es war eine gefährliche Welt. Kein guter Ort für sie und Bethany. Sie versuchte, nicht an ihn zu denken. »Wer ist Connor?«
»Romans erste Leibwache. Ich bin normalerweise auch bei Roman, aber Connor hat darauf bestanden, sie zu verstecken.«
»Sie sind in Gefahr?« Heather erinnerte sich daran, Roman kurz begegnet zu sein. Seine Frau war sehr nett gewesen, und - Heather hörte mit einem Keuchen auf zu nähen. »Sie haben ein Kind!«
»Yeah. Roman ist ein wissenschaftliches Genie oder so. Er macht das synthetische Blut, das wir trinken. Und als Shanna ein Baby wollte, hat er einen Weg gefunden, wie das Kind von ihm sein kann.«
Heather konnte es nicht glauben. »Dieser niedliche kleine Junge ist der Sohn eines Vampirs?«
»Yeah. Er ist ein lieber kleiner Kerl, was?«
»Aber wie konnte Shanna ein Baby bekommen? Vampire sind doch tot, irgendwie.« Das war alles zu verwirrend.
»Shanna ist sterblich.« Phineas grinste. »So wie du.«
Eine Sterbliche war mit einem Vampir verheiratet? Und hatte ihm einen Sohn geboren. Wie konnte Shanna das tun? Aber sie hatte glücklich ausgesehen. Und der kleine Junge war wunderschön.
»Mama!« Bethany kam in den Raum gehüpft, dicht gefolgt von Fidelia, die ihre Handtasche an sich drückte, und Ian.
Heather sah auf die Uhr. Es war nach sechs. Sie umarmte ihre Tochter. »Du bist ja früh auf.«
»Ich habe Hunger«, verkündete Bethany.
»Komm und frühstücke mit uns.« Fidelia trat näher und flüsterte: »Sie wollen, dass wir den ganzen Tag zusammenbleiben.«
»Aber ich muss arbeiten«, widersprach Heather.
»Keine Sorge«, sagte Ian. »Wir schaffen ein paar Möbel hier rein, damit Sie es alle gemütlich haben.«
Bald saßen Heather und ihre Familie um den Küchentisch und aßen Frühstücksflocken, während Phineas Wache stand. Ian hob einen Sessel hoch und trug ihn über dem Kopf als würde er nicht mehr als fünf Pfund wiegen.
»Hmm, muy macho.« Fidelia beugte sich zur Seite, um ihm hinterherzusehen.
Laut schluckend schlang Heather ihre Cornflakes herunter. Anscheinend waren Vampire sehr stark. Sie erinnerte sich daran, wie leicht es Jean-Luc gefallen war, sie hochzuheben und aufs Bett zu werfen. Andere Erinnerungen folgten. Liebe Güte, er war so heiß. Aber verboten. Wieder musste sie die Erinnerungen zur Seite schieben.
»Es ist ein bisschen warm hier drinnen, was?« Fidelia grinste sie listig an.
Heather stöhnte innerlich auf. Es konnte wirklich nerven, eine Freundin zu haben, die Hellseherin war.
Robby kam herein, hob, ohne ein Wort zu sagen, das Zweisitzersofa auf seine Schulter und schlenderte wieder hinaus.
»Ooh.« Fidelia wackelte mit ihren dunklen Augenbrauen. »Roberto. Ich frage mich, ob er unter seinem Rock etwas anhat.«
»Das ist ein Kilt.« Heather deutete mit dem Kopf auf ihre Tochter. »Lass uns jugendfrei frühstücken, okay?«
»In Ordnung. Ich werde es mir einfach vorstellen.« Fidelia sah ihr Frühstück grimmig an. »In meinem Alter ist das alles, was noch bleibt.«
Phineas grinste. »Verglichen mit einigen der Oldtimer hier, bist du das reinste Baby.«
»Gracias, Muchacho.« Fidelia sah ihn dankbar an. »Ich mag die Männer hier. Sie sind alle muy macho.« Sie sah Heather eindringlich an. »Meinst du nicht auch?«
Sie warf einen wütenden Blick zurück. »Übertreib es nicht.«
Ian und Robby kamen zurück, um den Fernseher und die Anrichte zu holen.
»Danke!«, rief Fidelia ihnen nach. »Jetzt verpasse ich meine Seifenopern nicht. Diese Männer wissen genau, was wir brauchen, findest du nicht auch?«
Heather schnitt ihr eine Grimasse.
Aus Phineas Lachen wurde ein Gähnen. »Die Sonne geht auf. Ich kann es fühlen. Ich werde euch bald verlassen müssen.«
Sollte heißen, er würde bald tot sein. Auch Jean-Luc würde tot sein. Heather schüttelte sich bei dem Gedanken daran. Wo war er? Kletterte er gerade in sein großes Bett, damit er den ganzen Tag über mausetot darin herumliegen konnte?
Phineas stand auf. »Yo, Alter! Was geht?«
»Hey.« Phil kam zu ihnen herein. »Guten Morgen.«
Mit einem Lächeln begrüßte Heather ihn. Endlich ein normaler Mensch.
Phil betrachtete den leeren Wohnbereich. »Was ist passiert?«
»Wir haben alles ins Studio gebracht, damit Heather arbeiten kann«, erklärte Ian, der gerade wieder in die Küche kam. Er neigte den Kopf zu Heather. »Wir haben alles für den Tag vorbereitet.«
»Danke.« Heather sammelte die Schüsseln ein und brachte sie zur Spüle.
»Phineas, du kannst runtergehen«, sagte Ian ihm. »Robby ist schon auf dem Weg.«
»Klar. Bis dann.« Phineas winkte Heather zu. »Bis morgen Nacht.«
»Schlaf gut.« Was sollte man in so einem Augenblick sonst sagen? Stirb gut?
»Was ist mit dir, Alter?«, forderte Phineas Ian auf, ihm zu folgen.
»Ich habe die Formel genommen«, erklärte Ian mit gesenkter Stimme. »Ich bleibe wach.«
Phineas verzog das Gesicht. »Alter, das ist total krass.«
Phil sah sich den jung aussehenden Schotten genau an. »Alles in Ordnung?«
Seine Antwort war ein Schulterzucken. »Am Anfang war mir ein bisschen schwindelig, aber jetzt geht es mir gut.«
Phineas schüttelte den Kopf. »Ich hatte schon mit ganz anderen Drogen zu tun. Da kommt nie was Gutes raus, Alter.«
»Mir geht es gut«, sagte Ian bestimmt. »Geh jetzt nach unten.«
Heather ging zu den beiden verbliebenen Wachen. »Was ist los?«
»Nichts.« Ian verschränkte die Arme und runzelte die Stirn.
»Er hat eine experimentelle Medizin genommen, die es ihm erlaubt, tagsüber wach zu bleiben«, erklärte Phil.
»Ist das gefährlich?« Heather machte sich ungewollt Sorgen.
»Nay«, antwortete Ian, »ich fühle mich gut, und wir brauchen hier tagsüber mehr als eine Wache.«
Sie biss sich auf die Unterlippe. Diese Vampire brachten wirklich viele Opfer, um sie und ihre Familie zu beschützen. Es wurde immer schwerer, sie nur als Monster zu sehen.
Auf dem Weg zurück ins Designstudio bemerkte sie die Dunkelheit. An allen Fenstern waren die Läden geschlossen worden. Das Licht war an, aber ohne Tageslicht war es dennoch düster.
»Sie haben eine Menge erledigt, während wir gefrühstückt haben«, flüsterte sie Phil zu.
»Sie können sich sehr schnell bewegen«, antwortete er.
Super schnell und super stark. Und super sexy. Für die letzte Bemerkung ohrfeigte sie sich in Gedanken. »Warum muss es so dunkel sein?«
»Sonnenlicht würde Ian verbrennen«, flüsterte Phil. »Es bringt ihn um, wenn er zu viel davon ausgesetzt ist.«
Der junge Schotte setzte sich zu großer Gefahr aus. »Ich weiß nicht, wieso wir tagsüber zwei Wachen brauchen. Louie ist auch ein Vampir, oder nicht?«
Phil nickte.
»Dann greift er auch nur nachts an«, schlussfolgerte Heather. »Es sei denn, er nimmt das Gleiche wie Ian.«
»Ich bin mir sicher, dass er das nicht tun wird. Aber er ist ein Experte darin, die Gedanken von Sterblichen zu kontrollieren. Er hat Sterbliche benutzt, um die französischen Könige zu ermorden. Er könnte jeden dazu bringen, hierherzukommen und uns umzubringen, auch tagsüber.«
Heather schluckte hörbar. »Also könnte jeder, der hier an die Tür kommt, ein Attentäter sein? Sogar... der Postbote?«
»Korrekt.«
Es klingelte an der Tür.