Kapitel 8

 

Wie gewonnen so zerronnen

 
 

Im Innern des Château Paradizo.

 

Nr. 1 hatte einen wunderbaren Traum. Seine Mutter hatte eine Überraschungsparty für ihn organisiert, zur Feier seines Abschlusses am Zauberercollege. Es gab jede Menge leckeres Essen. Die Gerichte waren gekocht und das Fleisch größtenteils bereits tot.

Er streckte gerade die Hand nach einem verlockenden glasierten Fasan aus, der - wie im dritten Kapitel von Lady Heatherington Smythes Hecke beschrieben - in einem Korb aus geflochtenem Brotteig ruhte, da wich das Essen von ihm zurück, als würde die Wirklichkeit in die Länge gezogen.

Nr. 1 versuchte, der Leckerei zu folgen, doch sie wich immer weiter zurück, und auf einmal wollten seine Beine nicht mehr. Nr. 1 verstand nicht, warum. Er blickte an sich hinunter und sah voller Entsetzen, dass er bis zu den Achseln zu Stein geworden war. Das Versteinerungsvirus wanderte immer höher, über seine Brust und den Hals hinauf. Nr. 1 verspürte den Drang zu schreien, von Angst erfüllt, sein Mund könnte versteinern, bevor er den Schrei loslassen konnte. Das wäre das nackte Grauen: für immer versteinert zu sein, den erstickten Schrei in sich.

Nr. 1 öffnete den Mund und schrie.

Billy Kong, der auf einem Sessel lümmelte und ihn beobachtete, schnippte mit den Fingern in Richtung einer Kamera an der Decke.

»Der hässliche Kerl ist wach«, sagte er. »Und ich glaube, er ruft nach seiner Mama.«

Nr. 1 ging die Luft aus, und er hörte auf zu schreien. Wie ernüchternd, mit einem kraftvollen Heulen zu beginnen und mit einem kläglichen Wimmern zu enden.

Okay, dachte Nr. 1. Ich bin am Leben und in der Welt der Menschen. Zeit, die Augen aufzumachen und nachzusehen, wie tief die Dunggrube ist, in der ich stecke.

Vorsichtig öffnete Nr. 1 die Augen einen Spalt, als fürchte er, etwas Großes, Hartes zu erblicken, das mit hoher Geschwindigkeit auf sein Gesicht zuraste. Stattdessen sah er, dass er sich in einem kleinen, kahlen Raum befand. An der Decke hingen rechteckige Lichter, die heller waren als tausend Kerzen, und eine Wand bestand fast ganz aus einem Spiegel. Die Tür öffnete sich, und ein Menschenwesen kam herein, wahrscheinlich ein Kind, vermutlich weiblich, mit einer unglaublichen blonden Lockenmähne und fünf statt vier Fingern an jeder Hand. Das Wesen trug ein vollkommen unpraktisches togaähnliches Gewand und Schuhe mit dicken Sohlen und aufgestickten Blitzen an der Seite. Dann war da noch jemand. Ein schlaksiger, lauernder Mann, der ihn merkwürdig musterte und mit den Fingern unruhig auf sein Knie trommelte. Der Blick von Nr. 1 blieb am Haar des Mannes hängen. Es leuchtete in mindestens sechs verschiedenen Farben. Der Mann war ein Pfau.

Nr. 1 fragte sich, ob er vielleicht die Hände heben sollte, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. Doch das ist ziemlich schwierig, wenn man an einem Stuhl festgebunden ist.

»Ich bin an einem Stuhl festgebunden«, sagte er entschuldigend. Unglücklicherweise sagte er es auf Gnomisch und im Dialekt der Dämonen. Für die Menschen klang es, als versuche er, seine Kehle von einem besonders hartnäckigen Schleimpfropf zu befreien.

Nr. 1 beschloss, den Mund zu halten. Bestimmt würde er nur das Falsche sagen, und dann würden die Menschenwesen ihn am Ende noch rituell hinrichten. Zum Glück schien zumindest das Mädchen recht gesprächig zu sein.

»Hallo, ich bin Minerva Paradizo, und der Mann hier ist Mister Kong«, sagte sie. »Kannst du mich verstehen?«

Für Nr. 1 war es nur unverständliches Geschnatter. Kein einziges vertrautes Wort aus Lady Heatherington Smythes Hecke.

Er lächelte aufmunternd, um zu zeigen, dass er ihr Bemühen zu schätzen wusste.

»Sprichst du französisch?«, fragte das blonde Mädchen und wechselte dann die Sprache. »Oder vielleicht englisch?«

Nr. 1 richtete sich auf. Das kam ihm bekannt vor. Zwar merkwürdig ausgesprochen, aber die Worte stammten aus dem Buch.

»Englisch?«, wiederholte er. Das war die Sprache von Lady Heatherington Smythe. Gelernt auf dem Schoß ihrer Mutter, vertieft in den Hörsälen von Oxford, angewandt, um ihrer unsterblichen Liebe zu Professor Rupert Smythe Ausdruck zu geben. Nr. 1 verehrte das Buch. Manchmal hatte er das Gefühl, dass er der Einzige war. Selbst Abbot schien die romantischen Teile nicht wirklich zu mögen.

»Ja«, sagte Minerva. »Englisch. Der Letzte sprach es ganz gut. Ebenso wie Französisch.«

Es muss auch außerhalb von Büchern Wesen geben, die Höflichkeit zu schätzen wissen, hatte Nr. 1 stets gedacht, und so beschloss er, einen Versuch zu wagen.

Er knurrte, was auf Dämonisch die höfliche Bitte war, in Anwesenheit Höhergestellter zu sprechen. Doch in der Menschensprache bedeutete es offenbar etwas anderes, denn der dünne Mann sprang auf und zog ein Messer.

»Nicht, edler Herr«, sagte Nr. 1 und kratzte hastig ein paar Brocken aus dem Buch zusammen. »Bitte senkt Euer Schwert. Ich bringe frohe Kunde.«

Billy Kong war verwirrt. Er hatte eigentlich geglaubt, inzwischen Englisch zu können, aber dieser komische Zwerg quatschte irgendwelchen mittelalterlichen Unsinn.

Kong stellte sich breitbeinig vor Nr. 1 und hielt ihm das Messer an die Kehle. »Red gefälligst Klartext, du hässliche Kröte«, bellte er, versuchsweise auf Taiwanesisch.

»Ich wünschte, ich könnte Sie verstehen«, erwiderte Nr. 1 in seinem geschraubten Englisch. »Was ich... äh... zu sagen beliebe, ist...«

Es hatte keinen Zweck. Die Zitate aus Lady Heatherington Smythes Hecke, die er normalerweise bei jeder Gelegenheit parat hatte, fielen ihm unter diesem Druck einfach nicht ein.

»Red Klartext, oder ich bringe dich um!«, brüllte der dünne Mann erneut.

Und diesmal brüllte Nr. 1 zurück. »Wie soll ich Klartext reden, du Sohn einer dreibeinigen Hündin? Ich kann kein Taiwanesisch!«

All dies kam in perfektem Taiwanesisch heraus. Nr. 1 war verdattert. Dämonen besaßen die Gabe der Sprache nicht. Mit Ausnahme der Zauberer. Ein weiterer Beweis.

Da der messerschwingende Menschenmann inzwischen von ihm abgelassen hatte, wollte Nr. 1 einen Moment über diese neue Entwicklung nachdenken, doch plötzlich explodierte in seinem Gehirn regelrecht ein wahres Sprachfeuerwerk. Selbst seine eigene Sprache, das Gnomisch, war von den Dämonen stark verstümmelt worden. Es gab Tausende von Wörtern, die aus dem Alltagsgebrauch verschwunden waren, weil sie nichts mit dem Töten oder Essen zu tun hatten (was nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge geschah).

»Cappuccino!«, rief Nr. 1 zur allgemeinen Überraschung.

»Wie bitte?«, sagte Minerva.

»Was für ein schönes Wort. Und Manöver. Und Ballon.«

Der dünne Mann schob das Messer in die Tasche. »Jetzt quasselt er auch los. Wenn er genauso ist wie der andere, den Sie mir auf Video gezeigt haben, hält der nie wieder die Klappe.«

»Rosa!«, rief Nr. 1 begeistert. »Für diese Farbe haben wir in der dämonischen Umgangssprache kein Wort. Rosa gilt als undämonenhaft, deshalb ignorieren wir es. Was für eine Erleichterung, rosa sagen zu können!«

»Rosa«, sagte Minerva. »Fantastisch.«

»Ach bitte«, sagte Nr. 1, »was ist Zuckerwatte? Ich kenne das Wort, und es klingt... köstlich, aber das Bild, das ich im Kopf habe, kann unmöglich stimmen.«

Das Mädchen wirkte erfreut, dass Nr. 1 sprechen konnte, aber etwas verstimmt, weil er offenbar vergessen hatte, in welcher Situation er sich befand. »Über Zuckerwatte können wir später reden, kleiner Dämon. Jetzt gibt es wichtigere Dinge zu besprechen.«

»Ja«, mischte Kong sich ein. »Zum Beispiel die Invasion der Dämonen.«

Nr. 1 drehte und wendete den Satz in seinem Gehirn. »Verzeihung, meine Fähigkeiten sind wohl noch nicht voll entwickelt. Die einzige Bedeutung von Invasion, die ich kenne, ist feindseliges Eindringen einer bewaffneten Truppe in ein fremdes Territorium«

»Genau das meine ich, du kleine Kröte.«

»Jetzt bin ich wieder etwas verwirrt. Laut meinem neuen Wortschatz ist eine Kröte ein froschähnliches Tier...« Nr. 1 zog ein langes Gesicht. »Oh, ich verstehe, Sie wollen mich beleidigen.«

Kong warf Minerva einen finsteren Blick zu. »Als er noch dieses altmodische Zeug gequatscht hat, war er mir sympathischer.«

»Ich habe aus der Schrift zitiert«, erklärte Nr. 1. Er ließ jedes neue Wort auf der Zunge zergehen. »Aus dem Heiligen Buch: Lady Heatherington Smythes Hecke.«

Nachdenklich runzelte Minerva die Stirn. »Lady Heatherington Smythe. Wieso kommt mir der Name bekannt vor?«

»Lady Heatherington Smythes Hecke ist die Quelle all unseres Wissens über die Menschen. Lord Abbot hat es uns von seiner Reise mitgebracht.« Nr. 1 biss sich auf die Lippen. Er hatte schon viel zu viel gesagt. Diese Menschen waren Feinde, und er hatte ihnen den Schlüssel zu Abbots Plänen gegeben. Schlüssel. Auch ein schönes Wort.

Minerva klatschte in die Hände. Es war ihr wieder eingefallen. »Lady Heatherington Smythe - mein Gott, dieser alberne Liebesroman! Erinnern Sie sich, Mister Kong?«

Kong zuckte die Achseln. »Ich lese keine Romane. Höchstens Gebrauchsanweisungen.«

»Nein, ich meine die Videoaufzeichnung von dem anderen Dämon. Wir hatten ihm ein Buch überlassen, und er hat es überallhin mitgeschleppt, wie eine Schmusedecke.«

»Ach ja, stimmt. Dämlicher Kerl. Immer mit diesem dämlichen Buch in der Hand.«

»Wissen Sie was, Sie wiederholen sich«, plapperte Nr. 1 nervös. »Es gibt noch andere Wörter für dämlich. Blöd, dumm, dusslig, doof, um nur ein paar zu nennen. Ich kann's auch auf Taiwanesisch sagen, wenn Ihnen das lieber ist.«

Wie aus dem Nichts lag wieder das Messer in Kongs Hand.

»Wow«, sagte Nr. 1. »Wirklich beeindruckend. Ein richtiges Bravourstück.«

Kong ignorierte das Kompliment und wirbelte das Messer herum, bis er es an der Klinge hielt. »Halt die Klappe, du Zwerg. Sonst jag ich dir das hier zwischen die Augen. Ist mir doch egal, wie wertvoll du für Miss Paradizo bist. Für mich ist euer ganzer Haufen nur dreckiges Gesocks, das vernichtet werden muss.«

Minerva verschränkte die Arme. »Mister Kong, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie unseren Gast nicht weiter bedrohen würden. Sie sind ein Angestellter meines Vaters, und Sie werden tun, was mein Vater Ihnen sagt. Und ich bin sicher, mein Vater hat Ihnen befohlen, sich einer gepflegten Ausdrucksweise zu bedienen.«

Minerva Paradizo war zwar auf vielen Gebieten außergewöhnlich talentiert und frühreif, aber aufgrund ihres Alters mangelte es ihr an Erfahrung. Ihre Studien hatten sie gelehrt, Körpersprache zu deuten, aber sie wusste nicht, dass ein geschickter Kampfsportler seinen Körper so weit unter Kontrolle bringen kann, dass die wahren Gefühle verborgen bleiben. Ein aufmerksamer Schüler der Kampfkunst hätte die minimale Anspannung in Billy Kongs Halssehnen bemerkt: Dies war ein Mann, der sich nur zusammenriss.

Noch nicht, sagte seine Haltung. Noch nicht.

Minerva wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Nr. 1 zu. »Lady Heatherington Smythes Hecke, sagst du?«

Nr. 1 nickte. Er traute sich nicht zu sprechen, weil sein geschwätziges Mundwerk sonst womöglich noch mehr Informationen ausplaudern würde.

Minerva wandte sich zu dem großen Spiegel um. »Erinnerst du dich noch daran, Papa? Eine schauerliche Liebesschnulze, die du nicht mal mit der Kneifzange angefasst hättest. Ich habe sie verschlungen, als ich sechs war. Es geht um einen englischen Adligen im neunzehnten Jahrhundert. Wie hieß noch die Autorin... ach ja, Carter Cooper Barbison. Die Kanadierin. Sie war achtzehn, als sie es schrieb. Hat kein bisschen recherchiert. Ihre Figuren aus dem neunzehnten Jahrhundert reden, als stammten sie aus dem fünfzehnten. Absoluter Schrott, aber ein Riesenerfolg. Wie es scheint, hat unser Freund Abbot das Buch mit nach Hause genommen. Dieser hinterlistige Teufel hat es den anderen als heilige Wahrheit verkauft. Und jetzt zitieren alle Dämonen Cooper Barbison, als wäre es das Evangelium.«

Nr. 1 brach sein Schweigegelübde. »Abbot? Abbot war hier?«

»Mais oui«, sagte Minerva. »Was glaubst du denn, woher wir wussten, wo wir dich finden würden? Abbot hat uns alles erzählt.«

Eine Stimme ertönte aus dem Lautsprecher an der Wand. »Nicht alles. Seine Zahlen stimmten nicht. Aber Minerva, mein kleines Genie, ist trotzdem dahintergekommen. Dafür kriegst du von mir ein Pony, ma obere. In deiner Lieblingsfarbe.«

Minerva winkte der Spiegelwand zu. »Danke, Papa. Aber du solltest mittlerweile wissen, dass ich keine Ponys mag. Und Ballett auch nicht.«

Der Lautsprecher verbreitete ein Lachen. »Meine süße Kleine. Wie wär's mit einer Fahrt nach Disneyland bei Paris? Du könntest dich als Prinzessin verkleiden.«

»Vielleicht nach der Sitzung des Komitees«, erwiderte Minerva mit einem leicht gezwungenen Lächeln. Für solchen Kinderkram hatte sie im Moment nun wirklich keine Zeit. »Wenn ich sicher bin, dass ich den Nobelpreis bekomme. Uns bleibt nicht einmal mehr eine Woche, um unsere Untersuchungsobjekte zu befragen und den sicheren Transport zur Königlichen Akademie in Stockholm zu organisieren.«

Nr. 1 hatte noch eine wichtige Frage. »Und Lady Heatherington Smythes Hecke? Das ist nicht die Wahrheit?«

Minerva lachte amüsiert. »Wahrheit? Mein armer kleiner Freund. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Dieses Buch ist ein erbarmungswürdiges Zeugnis hormonell bedingter jugendlicher Verwirrung.«

Nr. 1 war fassungslos. »Aber ich habe dieses Buch studiert. Stundenlang. Ich habe Szenen nachgespielt. Kostüme gebastelt. Willst du mir etwa erzählen, Heatherington Hall gibt es gar nicht?«

»Nein.«

»Und der böse Prinz Karloz?«

»Reine Erfindung.«

Nr. 1 fiel etwas ein. »Aber Abbot kam mit einer Armbrust zurück, genau wie in dem Buch. Das ist ein Beweis.«

Kong mischte sich in das Gespräch ein, schließlich fiel das in seinen Fachbereich. »Armbrust? Das ist lange vorbei, Kröte. Wir benutzen jetzt so etwas.« Billy Kong zog eine schwarze Keramikpistole aus seinem Achselhalfter. »Dieses kleine Schmuckstück spuckt Feuer und Tod. Wir haben auch noch viel größere. Wir fliegen in unseren Metallvögeln um die Welt und lassen explodierende Eier auf unsere Feinde herabregnen.«

Nr. 1 schnaubte. »Das winzige Ding, Feuer und Tod? Und fliegende Metallvögel mit explodierenden Eiern? Wahrscheinlich essen Sie auch noch Blei und machen daraus goldene Luftblasen, oder wie?«

Kong konnte zynische Bemerkungen nicht leiden, erst recht nicht von einem kleinen, reptilartigen Wesen. In einer einzigen fließenden Bewegung entsicherte er die Waffe und feuerte drei Schüsse ab, die die Kopfstütze des Sessels wegfegten, auf dem Nr. 1 saß. Funken und Splitter wirbelten um das Gesicht des Knirpses, und die Schüsse hallten in dem geschlossenen Raum wie Donner.

Minerva war außer sich vor Wut. Sie begann zu schreien, lange bevor irgendwer sie hören konnte. »Verschwinden Sie, Kong. Raus!«

Das schrie sie immer wieder, oder jedenfalls etwas in diesem Sinne, bis das Summen in den Ohren der anderen nachließ. Als Minerva begriff, dass Kong ihren Befehl ignorierte, wechselte sie zu Taiwanesisch.

»Ich habe meinem Vater davon abgeraten, Sie einzustellen. Sie sind ein aufbrausender und gewalttätiger Mann. Wir führen hier ein wissenschaftliches Experiment durch. Dieser Dämon nützt mir überhaupt nichts, wenn er tot ist, haben Sie das verstanden, Sie Hitzkopf? Ich möchte mich mit unserem Gast unterhalten, und deshalb werden Sie jetzt gehen, da Sie ihm offensichtlich Angst einjagen. Verlassen Sie den Raum, sonst ist Ihr Vertrag das Papier nicht wert, auf dem er steht.«

Kong rieb sich den Nasenrücken. Er brauchte sämtliche Geduldsreserven, um diese kleine Nervensäge nicht augenblicklich abzuschießen. Selbst wenn er dann ihren Wachtrupp am Hals hätte. Doch es wäre idiotisch, alles aufs Spiel zu setzen, nur weil er unfähig war, sich noch ein paar Stunden zu beherrschen. Fürs Erste würde er sich mit einer weiteren Unverschämtheit begnügen.

Kong zog einen kleinen Spiegel aus der Hosentasche und zupfte die gegelten Haarsträhnen zurecht. »Gut, ich gehe, kleines Mädchen, aber pass auf, wie du mit mir redest. Du könntest es sonst bedauern.«

Minerva zog nur die Augenbrauen hoch. »Was Sie nicht sagen.«

Kong steckte den Spiegel ein, zwinkerte Nr. 1 zu und verschwand.

Nr. 1 fand das Zwinkern alles andere als vertrauenerweckend. In der Dämonenwelt zwinkerte man seinem Gegner in der Schlacht zu. Damit gab man ihm zu verstehen, dass man vorhatte, ihn als Nächsten zu töten. Und Nr. 1 hatte ganz deutlich den Eindruck, dass der stachelhaarige Menschenmann genau dies im Sinn hatte.

Minerva seufzte, hielt einen Moment inne, um sich zu beruhigen, und widmete sich dann wieder der Befragung ihres Gefangenen. »Fangen wir von vorne an. Wie heißt du?«

Nr. 1 nahm an, dass er diese Frage unbesorgt beantworten konnte. »Ich habe keinen richtigen Namen, weil ich noch nicht gekrampft habe. Früher hat mich das ganz schön gequält, aber jetzt habe ich wohl andere Sorgen.«

Minerva erkannte, dass sie ihre Fragen eindeutiger formulieren musste. »Wie nennen die anderen dich?«

»Welche anderen? Die Menschen? Oder die Dämonen?«

»Die Dämonen.«

»Ach so... Sie nennen mich Nummer Eins.«

»Nummer Eins?«

»Genau. Es ist kein toller Name, aber einen anderen habe ich nicht. Und ich tröste mich damit, dass es immer noch besser ist als Nummer Zwei.«

»Aha. Nun, Nummer Eins, ich nehme an, du möchtest wissen, was hier vorgeht.«

Nr. 1 sah sie mit großen, flehenden Augen an. »Ja, bitte.«

»Gut.« Minerva setzte sich ihrem Gefangenen gegenüber hin. »Vor zwei Jahren ist einer von eurem Rudel hier aufgetaucht. Einfach so, mitten in der Nacht, auf der Statue von D'Artagnan im Innenhof. Er hatte Glück, dass er nicht aufgespießt wurde. D'Artagnans Schwert hat ihm den Arm durchbohrt. Die Spitze ist abgebrochen und in der Wunde stecken geblieben.«

»War das Schwert aus Silber?«, fragte Nr. 1.

»Ja, ganz recht. Später haben wir natürlich begriffen, dass das Silber ihn in unserer Dimension verankert hat, denn normalerweise wäre er ja in die eigene zurückgesogen worden. Dieser Dämon war niemand anders als Abbot. Meine Eltern wollten erst die gendarmes rufen, aber ich überredete sie, das arme, halb tote Wesen ins Haus zu tragen. Papa hat hier einen kleinen OP-Saal, für besonders öffentlichkeitsscheue Kunden. Er hat Abbots Brandwunden behandelt, aber die silberne Spitze haben wir erst ein paar Wochen später bemerkt, als die Wunde sich entzündete und Papa die Stelle geröntgt hat. Es war spannend, Abbot zu beobachten. In der ersten Zeit verfiel er jedes Mal in geradezu psychotische Raserei, sobald sich ihm ein Mensch näherte. Er wollte uns alle töten und schwor, seine Armee würde kommen und die gesamte Menschheit auslöschen. Er führte lange Streitgespräche mit sich selbst. Das war nicht nur wie bei einer gespaltenen Persönlichkeit, es war, als steckten zwei Wesen in einem Körper. Ein Krieger und ein Wissenschaftler. Der Krieger raste und schlug um sich, dann schrieb der Wissenschaftler Formeln an die Wand. Ich wusste, dass ich auf etwas Wichtiges gestoßen war. Etwas Bahnbrechendes. Ich hatte eine neue Spezies entdeckt, beziehungsweise eine alte Spezies wiederentdeckt. Und falls Abbot tatsächlich mit einer Dämonenarmee anrücken würde, war es an mir, Leben zu retten. Das von Menschen und Dämonen. Aber ich bin ja nur ein Kind, und deshalb glaubte mir niemand. Wenn ich jedoch dies alles aufzeichne und dem Komitee in Stockholm präsentiere, könnte ich den Nobelpreis für Physik bekommen und die Dämonen unter Artenschutz stellen lassen. Eine Spezies zu retten würde mir eine gewisse Befriedigung verschaffen, und bisher hat noch nie ein Kind den Preis bekommen, nicht einmal der große Artemis Fowl.«

Etwas beschäftigte Nr. 1. »Bist du nicht ein bisschen zu jung, um andere Spezies zu erforschen? Und obendrein bist du ein Mädchen. Das Angebot mit dem Pony, das die magische Stimmenkiste vorhin gemacht hat, klang doch gar nicht schlecht.«

Dieser Einstellung war Minerva offenbar schon häufiger begegnet. »Die Zeiten ändern sich, Dämon«, sagte sie barsch. »Kinder sind viel intelligenter als früher. Wir schreiben Bücher, beherrschen Computer und entlarven Mythen der Wissenschaft. Wusstest du, dass die meisten Wissenschaftler nicht einmal bereit sind, die Existenz von Magie anzuerkennen? Sobald man Magie in die Energieberechnungen aufnimmt, erweisen sich fast alle derzeit anerkannten physikalischen Gesetze als fehlerhaft.«

»Ich verstehe«, sagte Nr. 1, was jedoch nicht sehr überzeugend klang.

»Ich habe genau das richtige Alter für dieses Projekt«, fuhr Minerva fort. »Ich bin jung genug, um an Magie zu glauben, und alt genug, um zu verstehen, wie sie funktioniert. Es wird ein historischer Augenblick, wenn ich dich in Stockholm präsentiere und meine Dissertation über Zeitreisen und über Magie als elementare Energie vorlege. Die Welt wird die Frage der Magie ernst nehmen und sich auf die Invasion vorbereiten müssen!«

»Es gibt keine Invasion«, protestierte Nr. 1.

Minerva lächelte wie eine Kindergärtnerin gegenüber einem aufsässigen Kind. »Ich weiß genau Bescheid. Als Abbots Kriegerpersönlichkeit die Oberhand gewann, erzählte er uns von der Schlacht bei Taillte und dass die Dämonen zurückkommen und die Menschenwesen - so nannte er uns - in einem erbarmungslosen Krieg vernichten würden. Seine Schilderungen waren ziemlich blutrünstig.«

Nr. 1 nickte. Das klang ganz nach Abbot. »Das glaubt Abbot, aber die Dinge haben sich geändert.«

»Das habe ich ihm auch gesagt. Ich habe ihm erklärt, dass er zehntausend Jahre lang durch Zeit und Raum gewirbelt ist und dass wir uns in der Zwischenzeit ein gutes Stück weiterentwickelt haben. Wir sind sehr viel mehr geworden, und wir benutzen keine Armbrüste mehr.«

»Echt? Keine Armbrüste?«

»Du hast doch Mister Kongs Pistole gesehen. Das ist nur ein Beispiel für die Art von Waffen, die wir besitzen. Selbst wenn alle deine Dämonen zusammen hier auftauchen würden, bis an die Zähne bewaffnet, hätten wir euch innerhalb von Minuten eingesperrt.«

»Das wollen Sie tun? Uns einsperren?«

»So war es geplant, ja«, gab Minerva zu. »Sobald Abbot begriffen hatte, dass die Dämonen uns niemals besiegen könnten, wechselte er die Taktik. Er erklärte mir freiwillig, wie der Zeittunnel funktioniert, und im Gegenzug gab ich ihm Bücher zu lesen und zeigte ihm alte Waffen. Nach ein paar Tagen Lektüre erklärte er, dass er ab sofort Abbot genannt werden wolle, nach dem General Leon Abbot in einem Buch. Ich wusste, wenn ich Abbot in Stockholm vorführte, würde ich problemlos Gelder für die Einrichtung einer internationalen Einsatztruppe bekommen. Und bei jedem Erscheinen eines Dämons könnten wir ihn mit Silber festhalten und ihn zu Untersuchungszwecken in ein Dämonenreservat bringen. Der Zoo im Central Park erschien mir dafür besonders geeignet.«

Nr. 1 glich das Wort Zoo mit seinem neuen Wortschatz ab. »Sind Zoos nicht für Tiere?«

Minerva blickte auf ihre Füße. »Ja. Deshalb bin ich mir da auch nicht mehr so sicher. Vor allem seit ich dich kennengelernt habe. Du erscheinst mir sehr zivilisiert, im Gegensatz zu diesem Abbot. Der war wirklich ein Tier. Als er bei uns landete, versorgten wir seine Wunden, pflegten ihn gesund, und er hatte nichts anderes im Sinn, als uns zu fressen. Uns blieb gar nichts anderes übrig, als ihn hinter Schloss und Riegel zu setzen.«

»Sie haben also nicht mehr vor, uns in einen Zoo zu sperren?«

»Ich fürchte, es gibt keine andere Möglichkeit. Nach meinen Berechnungen beginnt der Zeittunnel an beiden Enden auszufasern, und entlang des Schachts bilden sich Risse. Bald wird er unberechenbar sein. Dann wird es unmöglich sein vorherzusagen, wo und wann Dämonen auftauchen werden. Es tut mir leid, Nummer Eins, aber dein Rudel wird in absehbarer Zeit endgültig verschwinden.«

Nr. 1 wusste nicht, was er sagen sollte. Das waren mehr Informationen, als irgendein Wesen an einem Tag aufnehmen konnte. Ihm kam die Dämonin mit den roten Runen in den Sinn. »Kann man denn gar nichts dagegen tun? Wir sind intelligente Wesen, weißt du, keine Tiere.«

Minerva erhob sich und ging auf und ab, wobei sie mit einer ihrer Korkenzieherlocken spielte. »Darüber habe ich schon nachgedacht. Aber ohne Magie ist da nichts zu machen, und Abbot hat mir gesagt, dass bei dem Übergang damals alle Zauberer gestorben sind.«

»Stimmt«, sagte Nr. 1. Er erwähnte nicht, dass er möglicherweise selbst ein Zauberer war. Das konnte sich als wertvolle Information erweisen, und es war bestimmt keine gute Idee, jemandem, der einen gefesselt hielt, alle wertvollen Informationen preiszugeben. Er hatte schon zu viel gesagt.

»Wenn Abbot das mit dem Zeitbann gewusst hätte, wäre er vielleicht gar nicht so erpicht darauf gewesen, nach Hybras zurückzukehren«, überlegte Minerva. »Papa hatte ihm gesagt, dass er eine Silberspitze im Arm hat, und noch in derselben Nacht hat er sie mit seinen Krallen herausgeholt und ist verschwunden. Wir haben alles auf Video. Seither habe ich mich jeden Tag gefragt, ob er es wohl nach Hause geschafft hat.«

»Und ob«, sagte Nr. 1. »Der Zeitbann hat ihn wieder zum Ausgangspunkt zurückgeholt. Von seinem Besuch hier hat er allerdings nie etwas verraten. Er ist nur mit dem Buch und der Armbrust aufgetaucht und hat sich als unser Retter ausgegeben. Es war alles gelogen.«

»Tja«, seufzte Minerva, und es schien ihr wirklich leidzutun. »Ich habe nicht die geringste Idee, wie wir euer Rudel retten könnten. Vielleicht kann uns deine kleine Freundin nebenan helfen, wenn sie aufwacht.«

»Welche kleine Freundin?«, fragte Nr. 1 verdutzt.

»Die, die meinen Bruder Bobo ausgeschaltet hat. Die wir bei dem Versuch, dich zu retten, gefangen haben«, erklärte Minerva. »Oder genauer gesagt bei dem Versuch, eine leere Golftasche zu retten. Sie sieht aus wie ein magiebegabtes Wesen. Vielleicht weiß sie, was zu tun ist.«

Warum sollte jemand eine leere Golftasche retten wollen?, fragte sich Nr. 1.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, und darin erschien Juan Sotos Gesicht.

»Minerva?«

»Nicht jetzt«, sagte sie barsch und bedeutete dem Mann zu verschwinden.

»Da ist ein Anruf für Sie.«

»Ich bin nicht zu sprechen. Notieren Sie die Nummer.«

Doch der Chef des Sicherheitsdienstes blieb hartnäckig. Er betrat den Raum, eine Hand über die Muschel des schnurlosen Telefons gelegt. »Ich glaube, für diesen Anrufer werden Sie zu sprechen sein. Er sagt, sein Name ist Artemis Fowl.«

Jetzt hatte Soto Minervas volle Aufmerksamkeit.

»Geben Sie her«, sagte sie und streckte die Hand nach dem Telefon aus.

 
* * *
 

Der Einsatzhelm der ZUP-Aufklärung ist bereits eine beeindruckende technische Leistung, aber der Einsatzhelm von Abteilung Acht ist ein Wunder moderner Technik. Die beiden Modelle verhalten sich ungefähr zueinander wie ein Steinschlossgewehr zu einem Sturmgewehr mit Laserzielvorrichtung.

Foaly hatte das nahezu unbegrenzte Budget dazu genutzt, seine technischen Fantasien umzusetzen und den Helm mit sämtlichen Erkennungs-, Überwachungs- und Verteidigungsfunktionen auszustatten, die er darin unterbringen konnte - plus einigen coolen Extras.

Der Zentaur machte ohnehin keinen Hehl daraus, wie stolz er auf sein Meisterwerk war, aber wenn man ihn fragte, was daran er besonders gelungen fand, hob er jedes Mal die Sprungpolster hervor.

Sprungpolster an sich waren gar keine Neuheit. Jeder Zivilistenhelm hat bei den Unterirdischen zwischen der Innen- und der Außenschale Gelpolster, die bei einem Unfall als zusätzliche Puffer fungieren. Doch Foaly hatte die starre Außenschicht des Helms durch ein elastisches Polymer ersetzt und das elektrosensible Gel gegen elektrosensible Kügelchen ausgetauscht. Diese Kügelchen konnten über elektronische Impulse dazu gebracht werden, sich auszudehnen oder zusammenzuziehen, zu verteilen oder zu gruppieren, was dem Helm eine einfache, aber überaus wirkungsvolle Möglichkeit der Fortbewegung gab.

Dieses kleine Wunderwerk kann zwar nicht fliegen, aber es springt überallhin, wo du willst, hatte Foaly gesagt, als Holly sich ihre Ausrüstung abgeholt hatte. Helme mit Turboantrieb kriegen nur die Commander. Aber ich würde sie dir ohnehin nicht empfehlen, das Magnetfeld des Motors hat schon Dauerwellen geglättet. Womit ich natürlich nicht andeuten will, du hättest eine Dauerwelle. Oder könntest eine gebrauchen.

Während Nr. 1 von Minerva befragt wurde, ließ Foaly die Finger über der Fernbedienung für Hollys Spezialhelm spielen. Derzeit befand sich ihr Helm in einem Maschendrahtverschlag an der Rückwand der Sicherheitszentrale des Château Paradizo.

Foaly sang bei der Arbeit gerne ein kleines Liedchen. Jetzt wählte er den Riverbend-Klassiker »Wenn es aussieht wie ein Zwerg und stinkt wie ein Zwerg, dann ist es auch ein Zwerg (oder eine Latrine in Latzhosen)«. Das war ein relativ kurzer Titel für einen Riverbend-Song, das unterirdische Gegenstück zum Country & Western der Menschen.

 

Wenn ich aufwach und merke,

ich hab verpennt,

Wenn mir die Sonne den Schädel verbrennt,

Wenn der Kiefer hakt und das Auge tränt,

Dann denk ich an dich...

 

Foaly hatte vorsichtshalber sein Mikrofon abgeschaltet, damit Artemis sich nicht über das Gesinge beschweren konnte. Er benutzte sowieso eine uralte Drahtantenne zum Senden, in der Hoffnung, dass niemand im Polizeipräsidium die Signale auffing. Haven City stand unter Abschottung, und das bedeutete, es gab legal keinen Kontakt zur Erdoberfläche. Doch Foaly genoss es, gegen Commander Ark Sools Befehle zu verstoßen.

Der Zentaur setzte sich eine V-Brille auf, durch die er alles sehen konnte, was im Sichtbereich des Helmvisiers war. Zusätzlich lieferte der Helm ihm dank der Bild-im-Bild-Technik die Aufzeichnungen der seitlichen und rückwärtigen Helmkameras. Das Überwachungssystem des Herrenhauses hatte Foaly bereits unter Kontrolle; nun wollte er sich mal ein bisschen in den Computerdateien der Paradizos umsehen, und das war gar nicht so einfach, erst recht nicht jetzt, wo die ZUP sämtliche Signale abfing, die von der Stadt ausgingen.

Der Helm war natürlich mit einem drahtlosen Omnisensor ausgestattet, aber je eher er eine direkte Verbindung zu einer Festplatte hatte, desto schneller ließ sich der Check durchführen.

Foaly drückte eine Kombination auf seiner virtuellen Tastatur. Für einen Betrachter sah es so aus, als ob der Zentaur auf einem unsichtbaren Klavier spielte, doch die V-Brille interpretierte die Bewegungen als Tastenbefehle. Aus einem verborgenen Fach über dem rechten Ohrpolster von Hollys Helm glitt ein kleiner Laserstift.

Mit ihm zielte Foaly auf das Schloss des Drahtverschlags.

»Ein-Sekunden-Strahl. Feuer.«

Nichts geschah. Foaly fluchte, schaltete sein Mikro ein und versuchte es erneut.

»Ein-Sekunden-Strahl. Feuer.«

Diesmal pulsierte ein roter Strahl aus der Stiftspitze, und das Schloss zerschmolz zu Stahlbrei.

Kann nicht schaden, die Geräte vorher einzuschalten, dachte Foaly, froh, dass niemand die kleine Panne mitbekommen hatte, vor allem Artemis Fowl nicht.

Mit den Augen nahm Foaly einen Computer an der gegenüberliegenden Wand des Büros ins Visier und blinzelte dreimal, um ihn zu markieren.

»Sprung berechnen«, befahl er dem Helm, und sofort erschien ein kleiner Pfeil auf dem Bildschirm, bewegte sich zum Fußboden und von dort auf den Schreibtisch.

»Sprung ausführen«, sagte Foaly und lächelte, als seine Erfindung sich in Bewegung setzte. Mit einem Pong schlug der Helm auf dem Fußboden auf, sprang wie ein Basketball quer durch den Raum und landete auf dem Schreibtisch. »Perfekt! Du bist ein Genie«, gratulierte Foaly sich. Manchmal trieben ihm die eigenen Leistungen buchstäblich die Tränen in die Augen.

Schade, dass Caballine das nicht gesehen hat, dachte er. Und dann: Wow, das wird ja langsam richtig ernst mit uns beiden.

Caballine war eine Zentaurin, die er in einer Galerie in der Stadt kennengelernt hatte. Tagsüber arbeitete sie als Rechercheurin bei HavenTV, nachts als Bildhauerin. Eine sehr kluge Frau, und bereits bei ihrer ersten Begegnung wusste sie alles über Foaly. Sie war ein großer Fan seiner Stimmungsdecke - ein homöopathisches Kleidungsstück mit eingebauten Massagesensoren, das Foaly speziell für Zentauren entwickelt hatte. Also unterhielten sie sich eine halbe Stunde darüber. Eins führte zum anderen, und nun joggte er jeden Abend mit ihr. Sofern kein Notfall vorlag.

Und das hier ist ein Notfall!, ermahnte er sich und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Arbeit zu.

Der Helm lag neben der Computertastatur, der Omnisensor war genau auf die Festplatte ausgerichtet.

Foaly visierte die Festplatte an und markierte sie mit einem dreifachen Blinzeln.

»Alle Dateien von diesem und sämtlichen weiteren angeschlossenen Computern herunterladen«, befahl der Zentaur, und der Helm begann sofort, die Informationen aus dem Apple Mac abzusaugen.

Ein paar Sekunden später war die animierte Flasche auf dem Bildschirm der V-Brille bis zum Rand gefüllt und rülpste. Datentransfer abgeschlossen. Jetzt konnten sie überprüfen, über welche Informationen diese Menschenwesen verfügten - und woher sie überhaupt so viel wussten. Da war natürlich noch das Problem der Sicherungskopien. Diese Leute konnten ihre Informationen auf CDs gebrannt, als E-Mails versendet oder irgendwo im Internet gespeichert haben.

Mithilfe der V-Tastatur öffnete Foaly einen der Dateiordner und schickte eine Datenbombe in den Computer der Oberirdischen. Der Virus würde sämtliche Rechner des Netzwerks ruinieren, aber vorher würde er noch alle Internetpfade verfolgen, auf denen diese Menschenwesen je recherchiert hatten - und die Seiten vernichten. Foaly wäre gerne subtiler vorgegangen und hätte nur die Seiten gelöscht, die mit den Unterirdischen zu tun hatten, aber bei dieser geheimnisvollen Bande wollte er lieber kein Risiko eingehen. Allein die Tatsache, dass sie so lange unbemerkt geblieben war, zeigte, dass man sie ernst nehmen musste.

Die Datenbombe war für das Computersystem der Menschen ein gefährlicher Virus. Sie würde wahrscheinlich Tausende von Seiten zerstören, einschließlich der von Google und Yahoo, aber soweit Foaly sehen konnte, blieb ihm keine andere Wahl.

Die Datenbombe tänzelte als rote, tanzende Flamme über Foalys Bildschirm, bevor sie mit einem hinterhältigen Lachen in den Datenstrom des Omnisensors eintauchte. Innerhalb von fünf Minuten wären die Festplatten der Paradizos rettungslos verschmort. Zusätzlich würde die Bombe auf sämtliche Speichermedien innerhalb der Reichweite des Sensors übergreifen, die die Signatur des Netzwerks trugen. Dadurch würde sich jede Datei, die auf einer CD oder einem Flashdrive gespeichert war, auflösen, sobald jemand versuchte, sie zu laden. Der Virus war ein echter Knaller, und weder Firewalls noch Antivirenprogramme konnten etwas dagegen ausrichten.

Aus den zwei Gellautsprechern, die in Glasbehältern auf Foalys Schreibtisch standen, ertönte auf einmal Artemis' Stimme.

»In dem Büro befindet sich ein Wandsafe, in dem Minerva ihre Notizen aufbewahrt. Sie müssen alles, was darin liegt, verbrennen.«

»Wandsafe«, wiederholte Foaly. »Schauen wir doch mal.«

Der Zentaur tastete den Raum mit einem Röntgenstrahl ab und entdeckte den Safe hinter einer Regalreihe. Wenn Zeit genug gewesen wäre, hätte er sich den Inhalt gerne genauer angesehen, aber er war schließlich abends zum Joggen verabredet. Er schickte einen konzentrierten, fadendünnen Laserstrahl ins Innere des Safes und verwandelte den Inhalt in ein Häufchen Asche. Hoffentlich hatte er nicht nur die Familienjuwelen verkohlt.

Da der Röntgenscan sonst nichts Interessantes zutage förderte, versetzte Foaly die Gelkügelchen in Bewegung, sodass Hollys Helm vom Tisch herunterfiel. Mit geradezu virtuoser Fingerfertigkeit aktivierte der Zentaur den Laser, noch während der Helm in der Luft war, und schnitt damit ein Loch in den unteren Teil der Bürotür. Mit zwei genau berechneten Sprüngen hüpfte der Helm durch das Loch und hinaus in den Flur.

Foaly grinste zufrieden. »Hat noch nicht mal das Holz berührt«, sagte er. Dann rief er einen Grundriss des Château Paradizo auf den Bildschirm und legte ein Gitternetz darüber. Auf dem Gitternetz blinkten zwei Punkte. Einer war der Helm und der andere Holly. Es war Zeit, dass die beiden wieder zusammenkamen.

Gedankenverloren sang Foaly die nächste Strophe des melancholischen Riverbend-Songs.

 

Wenn mein Kumpel sich ins Fäustchen lacht,

Wenn die Hose aus allen Nähten kracht,

Wenn der Stinkwurm in meinen Tunnel macht,

Dann denk ich an dich...

 

Oben auf der Erde zuckte Artemis zusammen, als das Lied durch sein kleines Handtelefon dröhnte. »Bitte, Foaly«, sagte er gequält. »Ich versuche auf der anderen Leitung zu verhandeln.«

Foaly wieherte überrascht. Er hatte Artemis ganz vergessen.

»Manche Leute haben eben keinen Riverbend im Blut«, sagte er und schaltete sein Mikro aus.

 
* * *
 

Billy Kong beschloss, sich ein wenig mit dem anderen Gefangenen zu unterhalten. Dem Weibchen. Falls es überhaupt ein Weibchen war. Wie sollte er sich da auskennen? Es sah aus wie ein Mädchen, aber vielleicht waren Dämonenmädchen anders als Menschenmädchen. Bei der Gelegenheit konnte Billy es gleich fragen, was es nun genau war. Vielleicht weigerte sich das Wesen zu antworten, aber das kümmerte Billy nicht. Schließlich gab es Mittel und Wege, Leute zum Reden zu bringen. Man konnte sie höflich bitten. Oder ihnen Süßigkeiten geben. Doch Billy Kong zog es vor, sie zu quälen.

Anfang der achtziger Jahre, als Billy Kong noch Jonah Lee hieß, lebte er mit seiner Mutter Annie und seinem großen Bruder Eric in Malibu an der kalifornischen Küste. Annie hatte zwei Jobs, um sich und ihre Jungs über Wasser zu halten, und so war Jonah abends mit Eric allein. Das hätte eigentlich gut funktionieren müssen. Eric war sechzehn und alt genug, um auf seinen jüngeren Bruder aufzupassen. Aber wie die meisten Sechzehnjährigen hatte er anderes im Sinn, als den Babysitter zu spielen. Auf Jonah aufzupassen hieß weniger Zeit für seine Freunde.

Aus Erics Sicht lag das Problem darin, dass Jonah nicht allein zu Hause blieb. Sobald Eric fortging, um sich mit seinen Freunden zu treffen, schlug Jonah die Anordnungen seines Bruders in den Wind und stromerte durch das nächtliche Los Angeles. Und die Straßen einer Großstadt waren nun mal nicht der richtige Ort für einen Achtjährigen. Also musste Eric sich eine Strategie ausdenken, wie er Jonah dazu kriegte, zu Hause zu bleiben, damit er selbst ungestört umherziehen konnte.

Die perfekte Lösung fand sich rein zufällig eines Nachts, als er nach einem Gerangel mit dem anderen Freund seiner Freundin und dessen Brüdern nach Hause kam.

Ausnahmsweise war Jonah mal nicht ausgeflogen, sondern hockte vor dem Fernseher und sah sich auf einem illegal angezapften Privatsender Horrorfilme an. Eric, der schon immer impulsiv und leichtsinnig gewesen war, hatte mit der Freundin eines Gangsters aus dem Viertel angebandelt. Der hatte Wind davon gekriegt, und jetzt war die ganze Bande hinter ihm her. Sie hatten ihn in die Mangel genommen, aber er war ihnen entwischt. Er war blutverschmiert und müde, und trotzdem machte ihm das Ganze irgendwie Spaß.

»Schließ die Tür ab«, rief er seinem kleinen Bruder zu, der erschrocken aus seiner Trance vor dem Fernseher hochfuhr.

Jonah sprang auf und machte große Augen, als er das Blut an Erics Nase und Mund sah. »Was ist denn mit dir passiert?«

Eric grinste. Das war typisch für ihn - erschöpft und angeschlagen, aber bis zu den Haarspitzen mit Adrenalin vollgepumpt. »Die haben mich... Da waren ein paar...«

Und dann hielt er inne, weil ihm plötzlich eine Idee kam. Er musste ziemlich übel aussehen. Vielleicht konnte er das dazu nutzen, den kleinen Jonah im Haus zu halten, während Mom arbeitete.

»Das darf ich dir nicht verraten«, sagte er und verschmierte mit dem Ärmel das Blut im Gesicht. »Ich musste es schwören. Schließ einfach die Tür ab und lass die Rollos herunter.«

Normalerweise ließ Jonah sich von der theatralischen Art seines Bruders nicht beeindrucken, aber diesmal war da Blut, dazu der Horror im Fernsehen, und er hörte Schritte draußen in der Einfahrt.

»Mist, sie haben mich gefunden«, fluchte Eric, als er durch den Spalt eines Rollos spähte.

Der kleine Jonah packte seinen Bruder am Ärmel. »Wer hat dich gefunden, Eric? Du musst es mir verraten.«

Eric tat, als denke er darüber nach. »Also gut«, sagte er schließlich. »Ich gehöre zu einem... äh... Geheimbund. Wir kämpfen gegen einen verborgenen Feind.«

»Eine Bande?«

»Nein«, sagte Eric. »Wir kämpfen gegen Dämonen.«

»Dämonen?«, sagte Jonah, halb zweifelnd, halb verängstigt.

»Ja. Sie sind überall in L. A. Tagsüber sind sie ganz normale Leute, Buchhalter und Basketballspieler und so. Aber nachts schlüpfen sie aus ihrer Haut und machen sich auf die Jagd nach Kindern unter zehn.«

»Unter zehn? So wie ich?«

»Ja, so wie du. Ich habe diese Dämonen dabei überrascht, wie sie an Zwillingen kauten. Mädchen, ungefähr acht Jahre alt. Die meisten von ihnen habe ich getötet, aber ein paar sind mir offenbar gefolgt. Wir müssen ganz still sein, vielleicht verschwinden sie dann.«

Jonah rannte zum Telefon. »Wir müssen Mom Bescheid sagen.«

»Nein!«, sagte Eric und entriss ihm den Hörer. »Willst du etwa, dass sie Mom umbringen?«

Bei der Vorstellung, dass seine Mutter sterben könnte, fing Jonah an zu weinen. »Nein. Mom darf nicht sterben.«

»Genau«, sagte Eric sanft. »Überlass den Kampf gegen die Dämonen mir und meinen Jungs. Wenn du fünfzehn bist, wirst du in den Bund aufgenommen, aber bis dahin muss das unser Geheimnis bleiben. Ich tue meine Pflicht, und du bleibst zu Hause, versprochen?«

Jonah nickte nur. Er schniefte zu sehr, um antworten zu können.

Und so kauerten die beiden Brüder aneinandergelehnt auf dem Sofa, während die Brüder des Freunds von Erics Freundin gegen die Fenster hämmerten und ihn aufforderten rauszukommen.

Was für ein gemeiner Trick, dachte Eric. Aber ich bleibe lieber ein paar Monate dabei, bis die Sache sich beruhigt hat, damit der Kleine mit denen keinen Ärger kriegt.

Der Trick funktionierte gut. Die nächsten Wochen über setzte Jonah nach Einbruch der Dämmerung keinen Fuß mehr vor die Tür. Er saß mit angezogenen Knien auf dem Sessel und wartete darauf, dass Eric mit seinen dramatischen Geschichten vom Kampf gegen die Dämonen nach Hause kam. Jede Nacht hatte er Angst, dass sein Bruder nicht wieder auftauchte, dass die Dämonen ihn getötet hatten.

Und eines Nachts bestätigten sich seine Befürchtungen. Die Bullen sagten nur, Eric sei von einer berüchtigten Bande getötet worden. Die Brüder hätten es schon länger auf ihn abgesehen. Irgendeine Mädchengeschichte. Jonah wusste jedoch, was wirklich geschehen war. Die Dämonen hatten es getan. Sie hatten ihre Gesichter abgestreift und seinen Bruder getötet.

Diese Kindheitserinnerungen lasteten schwer auf Jonah Lee, jetzt bekannt unter dem Namen Billy Kong, als er zu Holly hineinging. Um nicht den Verstand zu verlieren, hatte er sich im Laufe der Jahrzehnte überzeugt, dass es keine Dämonen gab und dass sein Bruder ihn belogen hatte. Dieser Betrug hatte ihn jahrelang gequält, ihn daran gehindert, dauerhafte Beziehungen einzugehen, und es ihm leicht gemacht, anderen Menschen wehzutun. Und nun bezahlte diese verrückte Minerva ihn ausgerechnet dafür, dass er ihr half, echte Dämonen zu jagen - und wie sich herausgestellt hatte, gab es sie wirklich. Er hatte sie mit seinen eigenen Augen gesehen.

Mittlerweile wusste Billy Kong nicht mehr, was Wahrheit und was Lüge war. Manchmal kam es ihm so vor, als hätte er einen schweren Unfall gehabt und läge im Koma und alles, was er jetzt erlebte, wären nur Halluzinationen. Doch eines wusste Billy ganz genau: Wenn auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass diese Dämonen für Erics Tod verantwortlich waren, dann würden sie dafür bezahlen. Er wollte Rache.

 
* * *
 

Holly hatte es allmählich satt, immer die Opferrolle übernehmen zu müssen. Das hatte sie schon auf der Akademie zur Genüge getan. Jedes Mal, wenn der Lehrplan ein Rollenspiel vorsah, musste Holly, da sie in der Klasse die einzige Frau war, die Geisel spielen. Oder die Elfe, die allein im Dunkeln nach Hause geht. Oder die Schalterbeamtin, der ein Bankräuber gegenübersteht. Sie hatte vorgebracht, das seien Klischees. Der Ausbilder hatte darauf nur erwidert, Klischees seien nicht ohne Grund Klischees, und ob sie jetzt bitte die blonde Perücke aufsetzen würde. Als Artemis vorgeschlagen hatte, sie solle sich gefangen nehmen lassen, war Holly alles andere als begeistert gewesen. Jetzt saß sie an einen Holzstuhl gefesselt in einem dunklen, feuchten Kellerraum und wartete darauf, dass ein Menschenwesen kam, um sie zu quälen. Das nächste Mal, wenn Artemis einen Plan entwickelte, bei dem jemand als Geisel genommen werden sollte, konnte er die Rolle selbst übernehmen. Es war einfach lächerlich. Sie war schließlich ein Captain mit jahrzehntelanger Felderfahrung, und Artemis bloß ein vierzehnjähriger Zivilist, und trotzdem erteilte er Befehle, und sie gehorchte.

Ja, weil Artemis ein strategisches Genie ist, argumentierte die Vernunft.

Ach, halt die Klappe, entgegnete ihr gereiztes Ich schnippisch.

Und dann betrat Billy Kong den Raum und reizte Holly noch mehr. Wie ein bleicher, gelgestylter Geist schlich er ein paarmal schweigend um sie herum, bevor er den Mund aufmachte.

»Sag mal, Dämon, kannst du dir die Haut vom Gesicht ziehen?«

Holly sah ihm in die Augen. »Womit denn? Mit den Zähnen? Meine Hände sind gefesselt, du Trottel.«

Billy Kong seufzte. In letzter Zeit schien jeder unter eins fünfzig es darauf abgesehen zu haben, ihn zu beleidigen.

»Du denkst wahrscheinlich, dass ich Order habe, dich nicht zu töten«, sagte Billy und zupfte seine Haarstacheln zurecht. »Aber ich tue oft Dinge, die ich nicht tun soll.«

Holly beschloss, ein bisschen an seinem menschlichen Selbstbewusstsein zu kratzen. »Ja, das weiß ich, Billy - oder vielmehr Jonah. Du hast im Lauf der Jahre eine Menge schlimme Dinge getan.«

Kong wich einen Schritt zurück. »Du kennst mich?«

»Wir wissen alles über dich, Billy. Wir beobachten dich seit Jahren.« Das war natürlich nicht ganz korrekt. Holly wusste nur das, was Foaly ihr gesagt hatte. Und wenn ihr Billys dämonische Vorgeschichte bekannt gewesen wäre, hätte sie vielleicht eine andere Taktik gewählt.

Für Billy Kong war diese schlichte Aussage die Bestätigung all dessen, was Eric ihm erzählt hatte. Schlagartig brach das mühsam aufrechterhaltene Fundament, brach alles, was er glaubte und wovon er überzeugt war, in sich zusammen.

Es war die Wahrheit. Eric hatte nicht gelogen. Es gab Dämonen auf der Erde, und sein Bruder hatte versucht, ihn zu beschützen, und dafür mit seinem Leben bezahlt.

»Erinnerst du dich an meinen Bruder?«, fragte er mit zitternder Stimme.

Holly nahm an, dass es sich um einen Test handelte. Foaly hatte in der Tat von einem Bruder gesprochen.

»Ja, natürlich. Derek, nicht wahr?«

Kong zog ein Messer aus der Brusttasche und packte es so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Eric!«, brüllte er. »Er hieß Eric! Erinnerst du dich auch noch, was mit ihm passiert ist?«

Holly wurde nervös. Dieser Oberirdische war labil. Sie brauchte nur eine Sekunde, um sich von diesen Fesseln zu befreien, aber hatte sie diese eine Sekunde noch? Artemis hatte sie gebeten, so lange wie möglich gefesselt zu bleiben, aber Billy Kongs Blick verriet, dass das ein tödlicher Fehler sein konnte.

»Erinnerst du dich, was mit ihm passiert ist?«, wiederholte Kong die Frage und schwenkte dabei das Messer wie einen Dirigentenstock.

»Ja, ich erinnere mich«, sagte Holly. »Er ist gestorben. Gewaltsam.«

Kong war wie vom Blitz getroffen. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Er lief im Raum umher und redete mit sich selbst, was Holly nicht gerade ermutigte.

»Es stimmt also. Eric hat mich nie belogen! Mein Bruder hat mich geliebt. Er hat mich geliebt, und sie haben ihn mir weggenommen!«

Holly nutzte die Gelegenheit, um sich von den Plastikfesseln an den Handgelenken zu befreien. Dazu wandte sie einen alten ZUP-Trick an, den Commander Vinyáya ihr damals in der Akademie verraten hatte. Sie rieb die Handgelenke an den rauen Kanten, bis die Haut wund war. Als ihr die heilenden Magiefunken aus den Fingerspitzen sprangen, lenkte sie ein paar davon ab, bis das Plastik so weit geschmolzen war, dass sie sich mit einem Ruck losmachen konnte.

Als Kong sich Holly wieder zuwandte, waren ihre Hände frei. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken.

Kong kniete sich vor sie, sodass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren. Er blinzelte hektisch, und die Ader an seiner Schläfe pulsierte. Er sprach langsam, und in seiner Stimme lagen nur mühsam unterdrückte Raserei und Gewalt. Er hatte zu Taiwanesisch gewechselt, seiner Muttersprache.

»Ich will, dass du dir die Haut vom Gesicht ziehst. Sofort.«

Das, so dachte Kong, wäre der letzte Beweis. Wenn diese Dämonin das konnte, würde er ihr den Dolch ins Herz jagen, ganz egal, was die Folgen waren. »Ich kann nicht«, sagte Holly. »Meine Hände sind gefesselt. Warum ziehst du sie mir nicht ab? Wir haben jetzt neue Masken. Wegwerfmasken. Die gehen ganz leicht ab.«

Kong hustete überrascht und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Dann fing er sich und streckte zitternd die Hände aus. Seine Hände zitterten nicht vor Angst, sondern aus Wut und Kummer darüber, dass er je an seinem Bruder gezweifelt und die Erinnerung an ihn so schnöde entehrt hatte.

»Oben am Haaransatz«, sagte Holly. »Einfach ziehen, es macht nichts, wenn du sie zerreißt.«

Kong sah auf, direkt in Hollys Augen. Mehr brauchte sie nicht, um den magischen Blick einzusetzen. »Sind deine Arme nicht schwer?«, fragte sie mit melodischer, betörender Stimme.

Kong runzelte unwillkürlich die Stirn, und in den Falten sammelte sich Schweiß. »Was? Meine Arme? Schwer wie Blei. Wie zwei Bleirohre. Ich kann sie kaum noch...«

Holly verstärkte den Blick noch ein wenig. »Setz dich doch einfach hin. Entspann dich. Gönn dir die Ruhe.«

Kong setzte sich auf den Beton. »Nur für einen Moment. Wir machen das noch mit der Haut. Vom Gesicht abziehen. Aber gleich. Ich bin so müde.«

»Dir ist vielleicht nach Reden zumute.«

»Weißt du was, Dämonin? Ich hab Lust zu reden. Worüber sollen wir reden?«

»Diese Leute, für die du arbeitest, Billy. Die Paradizos. Erzähl mir von ihnen.«

Kong schnaubte. »Die Paradizos! Hier hat nur ein Paradizo was zu melden, und das ist dieses Gör Minerva. Ihr Vater liefert bloß die nötige Kohle. Wenn Minerva etwas haben will, zückt Papa das Portemonnaie. Er ist so stolz auf seine geniale kleine Tochter, dass er alles tut, was sie sagt. Sie hat es tatsächlich geschafft, ihn dazu zu kriegen, dass niemand etwas von dieser Dämonengeschichte erfährt, bis das Nobelpreiskomitee über ihre Nominierung beraten hat.«

Das war eine gute Nachricht. »Heißt das, niemand außerhalb dieses Hauses weiß etwas von den Dämonen?«

»Es weiß auch kaum jemand innerhalb des Hauses davon. Minerva hat einen Riesenbammel davor, dass irgendein anderer Klugscheißer ihr das Projekt abluchst. Die Hausangestellten glauben, dass wir einen politischen Gefangenen bewachen, der ein neues Gesicht braucht. Nur Juan Soto, der Chef des Sicherheitsdienstes, und ich sind eingeweiht.«

»Hat Minerva irgendwelche Aufzeichnungen?«

»Machst du Witze? Sie schreibt alles auf, was die Dämonen tun, und ich meine wirklich alles, bis zu den Klogängen. Sie hat jedes Nasebohren auf Video. Hier unten ist nur deshalb keine Kamera, weil wir dich nicht erwartet hatten.«

»Wo bewahrt sie diese Aufzeichnungen auf?«

»In einem Wandsafe in der Sicherheitszentrale. Minerva denkt, ich wüsste die Kombination nicht, aber da irrt sie sich. Es ist das Datum von Bobos Geburtstag.«

Holly berührte das hautfarbene Mikrofon an ihrem Hals. »Ein Wandsafe in der Sicherheitszentrale«, wiederholte sie laut und deutlich. »Ich hoffe, das habt ihr mitgekriegt.«

Es kam keine Antwort. Ein Ohrlautsprecher wäre zu riskant gewesen, deshalb hatte Holly sich mit dem Halsmikro und der Iriskamera begnügen müssen, die wie eine Kontaktlinse auf ihrem rechten Auge saß.

Kong war noch immer in Redelaune. »Weißt du, ich werde euch Dämonen alle töten. Ich habe einen Plan. Einen richtig guten. Miss Minerva denkt, sie fährt mit euch nach Stockholm, aber so weit wird's nie kommen. Ich warte nur auf den richtigen Moment. Ich weiß, dass Silber das Einzige ist, was euch in dieser Dimension hält. Also werde ich euch nach Hause schicken und euch ein nettes kleines Geschenk mitgeben.«

Das wollen wir doch mal sehen, dachte Holly.

Kong sah sie mit fragendem Lächeln an. »Machen wir jetzt das mit der Haut? Vom Gesicht ziehen? Kannst du das wirklich?«

»Na klar«, sagte Holly. »Bist du sicher, dass du es sehen willst?«

Kong nickte mit offenem Mund.

»Also gut. Dann pass mal auf.«

Holly hob die Hände vor das Gesicht, und als sie sie wieder wegnahm, war ihr Kopf verschwunden. Arme, Beine und der Rest folgten alsbald.

»Ich kann nicht nur mein Gesicht abziehen«, sagte Hollys Stimme aus dem Nichts, »sondern meinen ganzen Körper.«

»Es ist wahr«, krächzte Kong. »Es ist alles wahr.«

Dann sauste eine kleine, unsichtbare Faust durch die Luft und schlug ihn bewusstlos. Billy Kong lag auf dem Betonboden und träumte, er wäre wieder Jonah Lee, und sein Bruder stand vor ihm und sagte: Ich hab's dir doch gesagt, Kleiner. Ich hab dir gesagt, es gibt diese Dämonen. Sie haben mich umgebracht, damals in L. A. Was willst du jetzt tun? Und der kleine Jonah antwortete: Mir fällt schon was ein, Eric.

 
* * *
 

Minerva nahm Soto das Telefon ab.

»Hallo, hier ist Minerva Paradizo.«

»Und hier ist Artemis Fowl«, sagte eine Stimme in perfektem Französisch. »Wir haben uns neulich in Sizilien zugenickt, von Loge zu Loge.«

»Ich weiß, wer du bist. Wir wären uns beinahe auch in Barcelona über den Weg gelaufen. Und ich weiß, dass du es bist. Ich habe mir dein Stimmmuster und deinen Tonfall bei einem Vortrag über die Balkanpolitik eingeprägt, den du vor zwei Jahren am Trinity College gehalten hast.«

»Sehr gut. Ich bin überrascht, dass ich noch nie von dir gehört habe.«

Minerva lächelte. »Ich bin nicht so unbedacht wie du, Artemis. Ich ziehe es vor, anonym zu bleiben, bis ich etwas wirklich Außergewöhnliches vorweisen kann.«

»Wie zum Beispiel die Existenz von Dämonen«, ergänzte Artemis. »Das wäre in der Tat außergewöhnlich.«

Minerva packte das Telefon fester. »Ganz recht, Master Fowl. Das wäre nicht nur außergewöhnlich. Das ist außergewöhnlich. Also lass deine irischen Pfoten von meinem Forschungsgebiet. Ich habe nicht die geringste Lust, dass mir ein eingebildeter Teenager wie du die ganze Arbeit im letzten Moment ruiniert. Du hattest deinen eigenen Dämon, aber das genügte dir nicht, du musstest obendrein versuchen, mir meinen wegzunehmen. In dem Moment, als ich dich in Barcelona sah, wusste ich, dass du hinter meinem Forschungsobjekt her warst. Und ich wusste auch, dass du versuchen würdest, uns auszuräuchern und jemanden ins Auto zu schmuggeln. Das lag auf der Hand, also habe ich entsprechende Vorkehrungen getroffen. Aber warum hast du meinen kleinen Bruder betäubt? Wie konntest du nur so was tun?«

»Ich glaube, damit habe ich dir eher einen Gefallen getan«, entgegnete Artemis leichthin. »Der kleine Bobo ist eine ziemliche Nervensäge.«

»Hast du deshalb angerufen? Um meine Familie zu beleidigen?«

»Nein«, erwiderte Artemis. »Tut mir leid, das war kindisch. Ich habe dich angerufen, weil ich versuchen wollte, dich zur Vernunft zu bringen. Hier geht es um sehr viel mehr als den Nobelpreis, womit ich den Preis natürlich nicht herunterspielen will.«

Minerva lächelte wissend. »Artemis Fowl, du kannst mir erzählen, was du willst, du hast mich angerufen, weil dein Plan fehlgeschlagen ist. Ich habe deine Dämonin, und du willst sie zurück. Aber wenn es dir Spaß macht, fahr ruhig fort mit deiner Predigt über das Wohl der Menschheit.«

Draußen auf der Anhöhe oberhalb des Château Paradizo runzelte Artemis die Stirn. Dieses Mädchen erinnerte ihn sehr daran, wie er selbst vor anderthalb Jahren gewesen war. Damals hatten für ihn nur Leistung und Besitz gezählt, Familie und Freunde waren nebensächlich gewesen. Also war Ehrlichkeit wohl das Beste. »Minerva«, sagte er sanft. »Hör mir einen Moment zu. Du wirst merken, dass ich es ehrlich meine.«

Minerva schnalzte mit der Zunge. »Was du nicht sagst. Weil wir Seelenverwandte sind, oder was?«

»Das sind wir tatsächlich. Wir sind uns ähnlich. Beide immer die intelligentesten Menschen im Raum, egal, wo wir sind. Beide ständig unterschätzt. Beide wild entschlossen, immer die Besten auf jedem Gebiet zu sein. Beide nie frei von dem Gefühl der Verachtung und der Einsamkeit.«

»Lächerlich«, schnaubte Minerva, doch ihr Protest klang wenig überzeugend. »Ich bin nicht einsam. Ich habe meine Arbeit.«

Artemis ließ nicht locker. »Ich weiß, wie es sich anfühlt, Minerva. Und glaub mir, egal, wie viele Preise du gewinnst und wie viele Theoreme du aufstellst, es wird die Menschen nicht dazu bringen, dich zu mögen.«

»Ach, verschon mich mit deiner Laienpsychologie. Du bist schließlich nicht mal drei Jahre älter als ich.«

Artemis war verletzt. »Ich bin kein Laie. Und nur zu deiner Information, Alterszunahme ist häufig umgekehrt proportional zum Intelligenzquotienten. Ich habe in Psychology Today eine Abhandlung über das Thema veröffentlicht, unter dem Pseudonym Al Z. Heymer.«

Minerva kicherte. »Schon verstanden. Alzheimer. Nette Idee.«

Jetzt musste auch Artemis schmunzeln. »Du bist die Erste, die das kapiert.«

»Das ist immer so.«

»Bei mir auch.«

»Geht dir das nicht auf die Nerven?«

»Und wie. Ich meine, was ist denn los mit den Leuten? Alle sagen, ich hätte keinen Humor, dann denke ich mir einen gelungenen Scherz über eine bestens bekannte Geisteskrankheit aus, und keiner kapiert's. Eigentlich müssten sie sich kaputtlachen.«

»Genau«, sagte Minerva. »So geht's mir auch ständig.«

»Ich weiß. Der Witz über Murray Gell-Mann und die Quarks, den du im Zug gemacht hast, war klasse. Sehr clevere Analogie.«

Der freundschaftliche Austausch fand ein abruptes Ende.

»Woher weißt du davon? Wie lange spionierst du mir schon nach?«

Artemis war baff. Er hatte nicht beabsichtigt, so viel zu verraten. Es passte überhaupt nicht zu ihm, über Nebensächlichkeiten zu plaudern, während andere in Lebensgefahr waren. Aber er mochte diese Minerva. Sie war ihm so ähnlich.

»In dem Zugabteil war eine Überwachungskamera. Ich habe mir die Aufzeichnungen besorgt, sie vergrößert und von deinen Lippen gelesen.«

»Hmm«, sagte Minerva. »Ich habe keine Kamera gesehen.«

»Sie war in einer kleinen roten Kugel. Ein Fischauge. Tut mir leid, dass ich deine Privatsphäre verletzt habe, aber es war ein Notfall.«

Minerva schwieg einen Moment. »Artemis, wir könnten uns bestimmt über vieles unterhalten. Ich habe schon seit Ewigkeiten nicht mehr so lange mit einem Jungen geredet. Eigentlich noch nie. Aber ich muss dieses Projekt zu Ende bringen. Kannst du mich in sechs Wochen noch mal anrufen?«

»In sechs Wochen ist es zu spät. Bis dahin wird die Welt sich verändert haben, und wahrscheinlich nicht zum Besseren.«

»Hör auf, Artemis. Ich fing gerade an, dich zu mögen, und jetzt sind wir wieder da, wo wir am Anfang waren.«

»Gib mir noch eine Minute«, drängte Artemis. »Wenn ich dich in der Zeit nicht überzeugen kann, lege ich auf und überlasse dich deinen Forschungen.«

»Neunundfünfzig«, sagte Minerva. »Achtundfünfzig...«

Artemis fragte sich, ob alle Mädchen so launisch waren. Holly konnte auch so sein. Im einen Moment herzlich, im nächsten eiskalt.

»Du hältst zwei Wesen gefangen. Beide zu Empfindungen fähig. Keines davon menschlich. Wenn du auch nur eines von ihnen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit präsentierst, wird ihr ganzes Volk gejagt werden. Du wirst für die Vernichtung mindestens einer Spezies verantwortlich sein. Willst du das wirklich?«

»Aber sie wollen doch uns vernichten«, gab Minerva zurück. »Der Erste, den wir gerettet haben, hat gedroht, uns alle umzubringen und womöglich zu fressen. Er hat gesagt, die Dämonen würden zurückkehren und die Plage Mensch ausrotten.«

»Ich weiß alles über Abbot«, sagte Artemis und stützte sich dabei auf die Informationen, die ihm Minervas Überwachungskameras geliefert hatten. »Er war ein Dinosaurier. Heutzutage könnten die Dämonen nichts mehr gegen die Menschen ausrichten. Nach meinen Berechnungen muss Abbot zehntausend Jahre in die Zukunft katapultiert und dann wieder zurückgesogen worden sein. Den Dämonen den Krieg zu erklären wäre, als wollte man den Affen den Krieg erklären. Genau genommen wären die Affen sogar eine noch größere Bedrohung, weil es mehr von ihnen gibt. Außerdem können die Dämonen gar nicht richtig hier erscheinen, es sei denn, wir pumpen sie mit Silber voll.«

»Ich bin sicher, dass ihnen dazu etwas einfällt. Oder einer landet durch Zufall hier wie Abbot und holt die anderen nach.«

»Höchst unwahrscheinlich. Im Ernst, Minerva, wie groß sind die Chancen dafür?«

»Artemis Fowl will also, dass ich mein Nobelpreisprojekt einfach abhake und die gefangenen Dämonen freilasse.«

»Ja, das mit dem Nobelpreisprojekt auf jeden Fall«, sagte Artemis und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Aber ich glaube nicht, dass es notwendig ist, die Gefangenen freizulassen.«

»Ach ja? Und wieso?«

»Weil sie bereits verschwunden sein dürften.«

Minerva fuhr herum und starrte auf die Stelle, wo Nr. 1 eben noch gesessen hatte. Sie war leer: Ihr gefangener Dämon war mitsamt dem Stuhl verschwunden. Ein kurzer Blick durch den Raum bestätigte ihr, dass sie allein war.

»Wo ist er, Artemis?«, kreischte sie ins Telefon. »Wo ist mein Dämon?«

»Vergiss das Ganze«, sagte Artemis sanft. »Es lohnt sich nicht. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe dieselben Fehler gemacht. Ich melde mich bald wieder.«

Minerva umkrallte den Telefonhörer, als wäre er Artemis' Hals. »Du hast mich reingelegt!«, fauchte sie, als ihr plötzlich die Wahrheit dämmerte. »Du wolltest, dass ich deinen Dämon fange!«

Doch Artemis antwortete nicht. Er hatte widerstrebend seine Hand geschlossen und das Gespräch beendet. Normalerweise verspürte er immer ein angenehmes, warmes Kribbeln, wenn er jemanden ausgetrickst hatte, aber in diesem Moment kam er sich richtig mies vor. Was für eine Ironie: Jetzt, wo er beinahe zu den Guten gehörte, fühlte er sich wie ein Bösewicht.

Butler, der neben ihm auf der Hügelkuppe lag, betrachtete ihn von der Seite. »Na, wie ist es gelaufen?«, fragte er. »Ihr erstes längeres Gespräch mit einem Mädchen Ihres Alters?«

»Fantastisch«, erwiderte Artemis sarkastisch. »Im Juni wollen wir heiraten.«