Kapitel siebzehn

Am nächsten Morgen wachte Michael wieder sehr früh auf. Es war stockdunkel, und draußen auf der Straße herrschte noch kein Verkehr. Heute, so wurde ihm klar, musste er sich nicht zwingen, liegen zu bleiben. Er konnte aufstehen. Wieder sagte er sich das tröstliche Mantra vor, mit dem er im Pub angefangen hatte. Er hatte noch zu tun. Was genau er noch zu tun hatte, das wusste er zwar nicht, aber das war egal.

Die Sachen, die er am Vorabend ausgezogen hatte, lagen zusammengelegt auf einem Stuhl am Fußende des Betts. Peg war keine übereifrige Hausfrau gewesen, aber sie wollte, dass er sich sauber und ordentlich kleidete. In ihren letzten Monaten, als sie nicht mehr aufstehen konnte, hatte sie sich Sorgen deswegen gemacht. Sie zog ihn dicht zu sich herab, damit er ihrem heiseren Geflüster zuhörte. Er dachte, es wäre etwas Wichtiges, etwas Bedeutsames, eine Liebeserklärung, und vielleicht war es das auf gewisse Weise auch. Wirst du zurechtkommen? Mit dem Waschen und Bügeln? Er hatte es sich beigebracht, damit sie sich weniger Sorgen machen musste.

Bei dieser Erinnerung fiel ihm ein, dass er womöglich nicht mehr genug saubere Unterhosen hatte. Er nahm die schmutzige Wäsche aus dem Korb im Badezimmer und stopfte sie in die Waschmaschine. Noch vor einer Woche hätte die Wäsche ihn einen ganzen Tag lang beschäftigt. Erst hätte er alles genau geplant und dann in der Küche gesessen und in dem Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, seinen Unterhosen dabei zugesehen, wie sie in dem Seifenwasser umherwirbelten. Heute war es eine lästige Arbeit, die er sich vom Hals schaffen musste. Er hatte noch zu tun.

Er hatte Hunger. Hatte er am Vortag etwas gegessen, nachdem er aus dem Anchor gekommen war? Er wusste es nicht mehr. Sein Kopf war voller Pläne gewesen, und er hatte den Whisky ausgetrunken, was seine Erregung weiter schürte. Jetzt plünderte er den Kühlschrank wie ein kleiner Junge, der ausgehungert aus der Schule kommt, und briet sich Eier, Bacon und ein paar übriggebliebene Kartoffeln. Den Teller ließ er in der Spüle stehen, denn er brannte darauf, rauszukommen, ohne rechte Idee, wohin er eigentlich gehen sollte. Als er aus dem Bungalow trat, schlug die Kirchturmuhr die Dreiviertelstunde. Viertel vor acht. Immer noch zu früh für all das, was er sich gestern Abend vorgenommen hatte, aber er konnte einfach nicht länger zu Hause warten.

Der Regen hatte aufgehört. Er ging die schmale Straße hinunter, die zur Flussmündung führte. Der Weg wurde von weit auseinanderstehenden Straßenlaternen beleuchtet, und die Straße lag schwarz und nass glänzend da wie geschmolzener Asphalt. Auf der einen Seite stand eine Reihe Cottages aus Ziegelstein. Jetzt brannten auch schon Lichter, und ab und zu entwischte ein Geräusch – eine Tür wurde zugeschlagen, ein Radio dudelte los –, nur um vom Wind mitgerissen zu werden. Auf der anderen Straßenseite waren Felder mit struppigem Weideland und ein paar Schafen. Er konnte die Schafe nicht sehen, wusste aber, dass sie da waren. Er hörte, wie sie sich bewegten. Die Felder waren durch eine Steinmauer von der Straße getrennt, und er ging zügig gegen den Wind voran, bis er zu einer Lücke in der Mauer kam. Hier standen keine Häuser mehr. Er hatte den Rand des Dorfes erreicht.

Der Durchgang wurde durch ein Tor versperrt, und einen Augenblick lang dachte er, dass es vielleicht verschlossen war und er gezwungen wäre, darüberzuklettern. Er war schon oft hier gewesen, aber nur bei Tageslicht. Für gewöhnlich am späten Nachmittag, wenn die Sonne schräg durch die Maulbeerbäume fiel. In letzter Zeit aber nicht, in letzter Zeit hatte er sogar das abgelehnt. Maulbeerbäume behielten ihr Laub immer lange in den Herbst hinein, und selbst jetzt hingen an manchen Bäumen noch Blätter. Sie rauschten im Wind, und er ließ sich kurz täuschen und meinte, die zurückweichende Flut in der Flussmündung zu hören.

Das Tor war nur eingeklinkt und ließ sich leicht öffnen. Schon stand er drinnen, auf vier Seiten von Bäumen umgeben. Er blieb nicht stehen, um die kleine Tafel auf dem Tor zu lesen. Er wusste, was da stand. Friedhof der Gemeinde Elvet. Gegründet 1853. Im Osten wurde der Himmel langsam heller, und er konnte die bleichen Platten der Grabsteine erkennen. Pegs Grab hätte er auch im Stockfinsteren gefunden. Sie hatte beerdigt werden wollen. Das war eine der Anweisungen gewesen, die sie ihm gegeben hatte, auf die gleiche Weise zwischen ihren trockenen Lippen hervorgepresst wie ihre Tipps zur Bedienung der Waschmaschine.

Er war gekommen, um seinen Frieden mit Peg zu machen. Unterwegs hatte er sich die Worte zurechtgelegt. Nach deinem Tod bin ich zusammengebrochen. Du weißt ja, wie ich bin. Zu nichts nütze ohne dich. Aber jetzt wird alles anders.

Doch anstatt zu ihr zu sprechen, erinnerte er sich auf einmal an den Moment, als ihm klargeworden war, dass sie krank war. Das war nicht lange nach dem Tod der kleinen Mantel gewesen. Der Mord hatte Peg aufgewühlt. Furchtbar aufgewühlt, als wäre sie Abigails Mutter gewesen. Und sie sagte, genau so fühle es sich auch an, so als hätte sie die Tochter verloren. Es war eine schreckliche Zeit. Jeanie lief ziellos im Haus herum und versuchte, Mantel zu erreichen, obwohl der deutlich gesagt hatte, dass er nicht mit ihr sprechen wollte. Peg trauerte um ein Mädchen, das sie kaum gekannt hatte. An jenem Morgen waren sie beide in der Küche. Peg buk Scones für irgendein Kirchenfest. Für den Herbstmarkt? Sie rollte den Teig aus und teilte ihn mit einem umgedrehten Weinglas in einzelne Stücke. Plötzlich schien sie einzuknicken, und das Glas kullerte ihr weg. Sie stand da und krümmte sich vor Schmerzen. Er war gerade erst von der Schicht heimgekommen, saß am Tisch und trank Tee. Er fing das Glas auf, bevor es herunterfiel, aber als er aufstand, um ihr zu helfen, winkte sie ihn weg, als wisse sie schon, was zu tun sei, und da wusste er, dass das nicht zum ersten Mal passiert war. Dann klingelte es an der Tür, und Peg sagte: «Geh bitte und mach auf.» Voller Ungeduld. Der Schmerz hatte sie auffahren lassen, dachte er, und jetzt brauchte sie Zeit, um sich wieder zu sammeln.

Vor der Tür standen zwei Leute von der Polizei. Nicht in Uniform, aber er erkannte sie gleich, diese Frau, Inspector Fletcher, und ihren Sergeant, den riesigen Kerl. Greenwood. Michael sah sie jetzt noch vor sich, wie sie da standen. Es schneite, und die dicken weichen Flocken blieben an ihren Mänteln hängen, schmolzen langsam und behielten dabei ihre Kristallform. Die Frau lächelte. Es war kein falsches Lächeln. Es war, als freute sie sich wirklich, Michael zu sehen, und das gefiel ihm. Wenn es um Frauen ging, hatte er sich schon immer zum Narren gemacht. Sich von ihren Schmeicheleien täuschen lassen.

«Dürfen wir kurz hereinkommen?», fragte sie. Sie stampfte auf die Fußmatte, um den Schnee abzuklopfen. Ihre Stiefel hatten schmale Absätze, fast schon spitz, und obwohl sie sonst elegant gekleidet war, fand er, dass die Stiefel etwas Frivoles, sogar Nuttiges hatten. Der Mann, Dan Greenwood, wirkte unruhig, nervös. Später, als er ins Dorf zog, kursierten allerlei Gerüchte. Michael hörte, er habe einen Zusammenbruch erlitten. Vielleicht war er ja damals schon kurz davor, krank zu werden. Michael spürte, dass es ihn große Willenskraft kostete, seiner Vorgesetzten ins Haus zu folgen.

«Ist Jeanie da?», fragte Fletcher, aber es klang nicht so, als müsste sie dringend mit ihr reden. Eher als wäre sie sowieso in der Nähe gewesen, und da könnte sie ja auch mal kurz mit ihr plaudern. Durch die offenstehende Küchentür warf Peg ihm einen eindringlichen Blick zu. Sie schien ihm etwas sagen zu wollen, aber er verstand nicht, was das war. Er spürte die Gefahr nicht kommen.

«Sie ist oben», sagte er und rief hoch, dass Jeanie herunterkommen solle. Peg drehte sich verzweifelt weg. Sie war immer klüger gewesen als er. Sie musste in dem Moment schon gewusst haben, weswegen die Polizei da war.

Jeanie kam nicht gleich aus ihrem Zimmer, und sie standen im Flur und blickten die Treppe hoch, verrenkten sich erwartungsvoll die Hälse. Auf Michaels Aufforderung hatte sie nicht geantwortet, man hörte kein Geräusch und keine Regung, und die Spannung wurde immer intensiver, er sah sie vor sich wie ein Gummiband, das jeden Moment reißen konnte. War ihm da klargeworden, weshalb die Polizei wirklich gekommen war? Oder hatte er es immer noch nicht kapiert?

Dann hörte man das leise Klicken, mit dem die Tür geöffnet wurde, und Jeanie erschien oben am Treppenabsatz. Sie trug Jeans und einen grünen Pullover mit einem großen Kragen. Keine Schuhe, nur dicke Wollsocken, man hörte ihre Schritte nicht. Die Socken waren das Erste, was sie durch das Geländer sahen, als Jeanie die Treppe herunterkam. Seit Abigail ermordet worden war, hatte sie an Gewicht verloren. Das fiel Michael auf, als er so zu ihr hochsah. Ohne jedes Mitleid dachte er, dass sie wohl kaum aus Trauer um das Mädchen nichts mehr aß. Es war ganz erbärmlicher Liebeskummer. Sie schwand dahin, weil Mantel nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte.

Genau da kam Peg aus der Küche. Sie hielt sich ganz steif, als hätte sie Angst, der Schmerz würde wiederkommen, und war trotzdem zum Kampf bereit.

«Was wollen Sie denn jetzt schon wieder von ihr?» Sie spuckte der Kommissarin die Worte entgegen.

Fletcher drehte sich zu Peg um. Ihre Haare schwangen durch die Luft wie in einer Shampoo-Werbung, sie glänzten und fielen gehorsam wieder in den perfekten Sitz zurück. Sie sah Peg einen Moment lang an, als überlege sie, ob sie überhaupt antworten musste.

«Wir würden Jeanie gern noch ein paar Fragen stellen. Auf dem Revier. Wir brauchen ihre Hilfe bei den Ermittlungen.»

«Ohne Anwalt reden Sie nicht mehr mit ihr!»

«Gut», sagte die Kommissarin und nickte anerkennend, als wäre Peg neben ihr der einzige Mensch im Raum, der gescheit genug war, den Ernst der Lage zu erkennen. «Dann sorgen Sie besser dafür, dass ihr Anwalt so schnell wie möglich kommt.» Sie schwieg kurz und fügte dann hinzu: «Und vielleicht wollen Sie ja eine kleine Tasche für Jeanie packen. Nur das Nötigste. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Anklage gegen sie erhoben wird.» Ihre Stimme klang bedächtig, melodiös, doch im Rückblick verstand Michael, dass dies für sie der Augenblick des Triumphs war.

Sie sah sie beide abwechselnd an. «Sie verstehen doch, was ich sage? Wenn wir Ihre Tochter verhaften, bleibt sie in Untersuchungshaft, bis sie vor Gericht gestellt wird. Sie wird nicht auf Kaution freikommen. Das ist völlig ausgeschlossen, wenn die Anklage auf Mord lautet. Es ist nur recht und billig, dass Sie verstehen, dass so etwas passieren könnte.» Sie lächelte sie an, als täte sie ihnen einen Gefallen damit, dass sie sie ins Vertrauen zog.

«Was passiert, wenn sie sich weigert, mit Ihnen zu gehen?», fragte Peg.

«Dann nehmen wir sie jetzt gleich fest.»

Peg sah aus, als hätte man sie ins Gesicht geschlagen, doch Michael begriff nicht, was die Szene, die sich da vor ihm abspielte, bedeutete. Er sah, wie der Mund der Kommissarin auf- und zuging, aber seine Aufmerksamkeit wurde von dem Mann gefesselt, der direkt hinter ihr stand. Dan Greenwood war einen Schritt nach vorn getreten, meinte Michael sich jetzt nach all den Jahren zu erinnern, er hatte sogar etwas gesagt, um sich einzumischen. «Ma’am –» Eine erhobene Hand. Ein geöffneter Mund. Ein einziges Wort. «Ma’am.» Der Schnee auf seiner Jacke war nun ganz geschmolzen. Das Wasser schimmerte auf dem Gewebe wie Tautropfen.

Inspector Fletcher warf ihm einen Blick über die Schulter zu. «Ja, Greenwood?» So eisig wie das Wetter draußen. Und Michael dachte, dass es da etwas Persönliches geben müsse zwischen den beiden, mehr als nur berufliche Rivalität. Eine gescheiterte Liebesbeziehung? Vielleicht. Es herrschte genau diese Art von Spannung. Das alles dachte Michael, während Peg immer nur denken konnte, dass ihr einziges Kind wegen Mordes verhaftet würde. Und was dachte Jeanie? Über Jeanies Gefühle machte er sich damals überhaupt keine Gedanken.

Der Sergeant antwortete nicht gleich, und die Kommissarin roch ihren Vorteil und fragte schärfer: «Nun, Greenwood? Was gibt es?»

Und aus irgendeinem Grund verließ den Sergeant der Mut. Er zerfiel in Stücke. «Nichts, Ma’am.» Und schon hasste er sich für seine Feigheit, Michael sah es ihm an. Schließlich hatte er sich selbst einst an einen Tisch mit Keith Mantel gesetzt. Auch das war ein Verrat gewesen.

In dem Moment wurde Michael klar, dass von ihm etwas erwartet wurde. Sein Blickwinkel verschob sich, und er sah das ganze Bild, nicht mehr nur einzelne Splitter: Peg in Tränen, Jeanie leichenblass. Als Herr des Hauses hatte er eine Rolle zu spielen, und er spielte sie auf die einzige Art, die er kannte, er tobte und schrie.

«Mit welchem Recht kommen Sie in mein Haus und beschuldigen meine Tochter, einen Mord begangen zu haben?»

Aber er war nicht mit dem Herzen dabei, und das spürten sie. Jeanie ging zwischen den beiden Polizisten nach draußen zu dem Auto, sah einmal zurück, mit dem leeren, ausdruckslosen Blick, mit dem sie ihre Eltern schon immer ausgeschlossen hatte. Als eine Schneeflocke auf ihre Wange fiel, schien sie zusammenzuzucken.

Michael erschauderte, als er jetzt auf Pegs Grab hinabsah. Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung auf der anderen Seite des Friedhofs. Noch ein Trauernder. Ihm wurde klar, wie merkwürdig er aussehen musste, wie er da im Dämmerlicht stand, vom Wind zerzaust und den Tränen nah. Ein Geistesgestörter, der aus dem Irrenhaus entkommen war. Aber die Gestalt, die gerade durch das schmiedeeiserne Tor gekommen war, schien ebenso verzweifelt zu sein wie er selbst und hatte Michael offenbar nicht bemerkt. Sie waren wesensgleich. Auch wenn der andere jünger war, groß und drahtig, steckte er anscheinend genauso in einem Gefühlschaos. Er trug einen langen Anorak, der offen stand. Die Hände hatte er tief in den Taschen vergraben, und er bewegte sich roboterhaft, warf die Arme vor und zurück, sodass der Anorak vorne auf- und zuklappte wie ein Flügelschlag. Einmal blieb er mit dem Rücken zu Michael stehen und hielt sich die Hand ans Ohr. Er schien leise mit sich selbst zu sprechen. Dann ging er die Reihe Gräber weiter entlang. Jeder anständige Passant musste allmählich zu dem Schluss kommen, dass es einen Massenausbruch aus dem Irrenhaus gegeben habe, dachte Michael.

Er rührte sich nicht. Er wollte den Fremden nicht stören, der von seinen eigenen Gedanken offenbar so stark in Anspruch genommen war, dass er nichts sah, was nicht unmittelbar vor ihm lag. Der junge Mann fand den Grabstein, nach dem er gesucht hatte, und blieb stehen. Zögernd streckte er eine Hand aus und berührte ihn mit einer sanften, zärtlichen Geste, als striche er einem geliebten Menschen das Haar aus der Stirn. Dann drehte er sich abrupt um und marschierte davon.

Michael raffte sich auf, um ebenfalls zu gehen, doch dann überkam ihn die Neugier. Er ging zu dem Grab, vor dem der junge Mann gestanden hatte. Als er den Namen las, war er nicht überrascht. Es war unvermeidlich gewesen. Abigail Mantel.

Als Michael die schmale Straße wieder erreichte, war der verstörte junge Mann nirgends zu sehen. Vielleicht war er ja in die andere Richtung gegangen, zum Fluss hinab, obwohl man sich bei diesem Stand der Gezeiten dort nirgends unterstellen konnte, da waren nur eine weite Schlickwüste, ein paar aufgelaufene Boote, Silbermöwen auf Beutezug.

Als er zurück ins Dorf kam, wartete eine Horde Teenager vor dem Kirchentor auf den Schulbus. Es war ein verwahrloster Haufen, völlig außer Rand und Band. Seine Jeanie hatte sich nie so aufgeführt. Nie hätte sie einen Rock getragen, in dem man ihren Hintern sah, und sich so viel Schminke ins Gesicht geschmiert wie ein Schauspieler, der eine Frau geben wollte. Das sagte Michael sich im Näherkommen. Dass er so etwas missbilligte und dass die Eltern es doch besser wissen sollten. Vor allem zwei Mädchen, die ein Stück abseits standen, erregten sein Missfallen. Eine von beiden rauchte, und die andere sprach in ihr Handy. Die Art, wie sie dastand und sich das Telefon ans Ohr hielt, rief eine Erinnerung in ihm wach, und er war wieder auf dem Friedhof vor Pegs Grab, wieder in der Vergangenheit verschwunden. Das Mädchen lachte schrill auf, das brachte ihn zurück in die Gegenwart. Und da wusste er, dass er sich etwas vormachte. Sie erregten nicht im Mindesten sein Missfallen. Er bewunderte sie. Sie hatten die gleiche Lebenslust wie Abigail Mantel. Und sie erregten ihn auch mit ihren lockigen Haaren, die sie am Hinterkopf zusammengebunden hatten, ihrem herausfordernden Blick und den seidigen Beinen. Er hätte gern etwas zu ihnen gesagt, nichts Wichtiges, nur kurz gegrüßt, um eine Beziehung herzustellen, doch da kam schon der Bus die Straße hochgeächzt. Die Mädchen warfen sich ihre Taschen über die Schultern. Die eine ließ ihre Zigarette fallen und trat sie mit ihrem klobigen Schuh aus. Auch gut, dachte Michael. Er hätte sich sowieso nur zum Narren gemacht.

Als der Bus davonfuhr, sah er, dass er nicht der einzige Beobachter war. Vor der Alten Schmiede stand der Expolizist, dieser Mann, der mit Fletcher gekommen war, um Jeanie zu verhaften. Auf dem Gesicht des Mannes zeigte sich der gleiche wehmütige Ausdruck, der wahrscheinlich auch auf seinem eigenen Gesicht lag, dachte Michael. Was war es, das an ihm nagte? Der Sex oder das Alter. Eins von beiden musste es sein. Michael eilte weiter, um Vera Stanhope anzurufen.