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Es ist zwei Uhr morgens. Ich liege im Bett und spüre die ersten Anzeichen eines Katers.

Ich habe nichts mehr getrunken, nachdem ich mit Summer wieder hineingegangen bin. Die ersten Gäste brachen bereits auf, sagten zu mir danke für die tolle Party, wir müssen uns bald mal wieder treffen, bla bla bla. Ich ging alleine, da Richard sich noch um die Rechnung und ein Taxi für seine Schwester und ihre beiden Freundinnen kümmern wollte und da ihm jeder Vorwand recht war, um mir aus dem Weg zu gehen.

Ich weiß, dass er zu Hause ist, weil ich vor einer halben Stunde gehört habe, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Was macht er da unten?

Meine selbstverschuldete Demütigung vorhin quält mich immer noch. Wie dämlich ich mich verhalten habe. Aber ich habe bereits einen Plan, wie sich alles wieder einrenken lässt. Ich werde mit einer Entschuldigung anfangen. Ich werde mich auch mehrmals entschuldigen, wenn nötig. Danach kümmere ich mich um meine Versprechen. Keine Paranoia-Anfälle mehr. Ein ganz neues Ich. Das Leben beginnt mit vierzig? Pah! Wenn ich mich im rüstigen Alter von siebenunddreißig neu erfinde, werde ich dem Zeitplan um Jahre voraus sein. Gleich am Montag werde ich Isabel und Harvey wegen der Sprechrolle anrufen. Ich habe da richtig Lust drauf. Schade, dass ich das erst durch meine Dummheit heute Abend begriffen habe, aber man muss erst am Boden liegen, um wieder hochzukommen, nicht wahr?

Das alles werde ich Richard sagen, wenn er gleich ins Schlafzimmer kommt.

Selbstverständlich werde ich ihm auch die Hotelrechnung zeigen, zumal sie ja der Auslöser dieses Missverständnisses war. Aber sie spielt ja nun keine Rolle mehr, weil ich bereits weitergedacht habe. (An dieser Stelle bietet es sich an, eine kurze Pause einzulegen, um Richard die Gelegenheit zu einer absolut harmlosen Erklärung zu geben.) Natürlich treibt mein Mann es nicht mit Karen, und es ist völlig normal, wenn Arbeitskollegen sich gegenseitig »Tiger« nennen. Oder »Wildkatze«. Oder »Pudel«. Und es wird auch nicht nötig sein, für die Zukunft darauf zu bestehen, dass sich alle in Richards Firma mit dem Taufnamen anreden, weil mein brandneues Ich schließlich überhaupt nicht mehr eifersüchtig ist.

Nein, Richard und ich werden ein wunderbares Gespräch haben und uns anschließend im Bett versöhnen. Dort bleiben wir auch den ganzen nächsten Tag, wie John und Yoko, nur ohne politische Aussage. Molly wird begeistert sein. Sie steht auf Romantik. Wer kann es ihr verübeln?

Romantik ist eine tolle Sache. Nehmen wir zum Beispiel Summer. Was ist nur mit ihr los? Aber wissen Sie was? Es spielt keine Rolle. Summer bekommt nämlich ein Baby! Und wenn sie sich dabei auch noch in den Vater verliebt hat (Summer und ein Kerl?), wäre das einfach fantastisch. Ich werde unsere Unterhaltung im Regen bei Gelegenheit fortsetzen und Summer sagen, dass nur zählt, dass sie glücklich ist, ob mit einem Mann, einer Frau oder einem Tier. Gut, vielleicht nicht gerade mit einem Tier. Das würde die Sache mit der Romantik etwas erschweren, aber Sie verstehen schon, worauf ich hinauswill.

Ich bin bereit, mein Leben zu ändern. Beziehungsweise, um es mit Don Corleone zu sagen – ein Lieblingsspruch von Richard: Heute ist der Tag, an dem ich mich um Familienangelegenheiten kümmere.

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe nicht vor, mir an dem Film ein Beispiel zu nehmen und das nördliche London mit Leichen zu pflastern. Richard, erdrosselt mit seiner Lieblingskrawatte, Summer mit einem Loch im Kopf, ihr Gehirn über eine Theaterfachzeitschrift verteilt, Sureya, die tot in ihrem Kräutergarten liegt. Nein, ich will nur alles wieder gutmachen bei denen, die ich mehr oder weniger vernachlässigt habe, angefangen bei mir.

Das ist wirklich ein großartiger Plan, und ich bin bereit, ihn in die Tat umzusetzen, sobald Richard nach oben kommt.

 

Es ist jetzt Viertel vor drei. Offensichtlich hat Richard nicht vor, nach oben zu kommen. Um mit mir zu reden, mit mir zu schlafen oder was auch immer. Ich habe die ganze Zeit wach gelegen und nachgedacht. Ich finde, dass Summer eine Lügnerin ist. Was spielt sie für ein Spiel? Summer hat mit einem Mann geschlafen. Dabei hasst Summer Männer – das behauptet sie zumindest seit zwanzig Jahren. Hat sie mich die ganze Zeit angelogen? Und hat sie Phoebe mit ihren Lügen hingehalten? Die arme Kleine ist erst zwanzig! Aber dafür bin ich schon siebenunddreißig, und ich werde Summer nicht so einfach davonkommen lassen.

Und sie ist nicht die Einzige. Richard ist ebenfalls ein beschissener Lügner. Ich blicke auf die Hotelrechnung. Das ist keine Einbildung – sie liegt in meiner Wäscheschublade, wo ich sie hingesteckt habe. Die Spesenabrechnung eines Mitarbeiters von Richard. Wie kam ich denn auf so etwas? Schließlich steht oben auf der Rechnung Richards Name. Er ist ein verdammter Lügner, weil dies der unwiderlegbare Beweis ist, dass er es doch mit Karen treibt. Ich bin mir dessen nun sicher, und dieses Mal wird er sich nicht wieder herauswinden können.

Ich klettere aus dem Bett und ziehe meinen Bademantel über. Auf Zehenspitzen schleiche ich an den Kinderzimmern vorbei die Treppe hinunter.

Richard liegt im Wohnzimmer auf der Couch und schläft. Obwohl seine teure Anzughose ganz zerknittert und sein Gesicht unvorteilhaft in die Kissen gedrückt ist, sieht er immer noch zum Anbeißen aus. Das gleiche Gesicht wie Molly, nur leicht ergraut. Aber warum machen seine grauen Schläfen ihn nur noch attraktiver? Ist das fair? Wieso lassen seine grauen Haare ihn nicht alt und verbraucht aussehen, wie es bei mir der Fall ist? Und warum ist er immer noch so schlank? Und so muskulös, obwohl er keinen Sport treibt und in der Woche ab und zu sogar zweimal am Tag warm isst. Ich verzichte immer auf das Mittagessen, und sehen Sie sich dagegen meine Figur an. Und dann seine Hände – gebräunt, glatt, ohne Schwielen. Wen haben diese Hände berührt? Mistkerl.

»Richard, wach auf.«

Er bewegt sich, windet sich unruhig hin und her. Er öffnet halb die Augen und greift sich mit der Hand in den Nacken, um die Stelle zu massieren, auf der er unbequem gelegen hat.

»Wie spät ist es?«, fragt er verschlafen.

»Höchste Zeit, dass wir reden.«

Ich setze mich vor ihn auf den Couchtisch, eine Pobacke auf den Zeitschriften, die dort liegen. Richard und ich starren uns an, und jeder wartet darauf, dass der andere den ersten Schritt macht. Offensichtlich wird Richard das nicht sein. Es ist an mir, den Ball ins Rollen zu bringen.

»Okay, es mag ja sein, dass du vorhin nicht mit Karen telefoniert hast, aber du hast mich trotzdem belogen. Du hast doch was mit ihr.«

Keine Antwort, nur ein ausdrucksloses Starren.

»Ich habe die hier gefunden.«

Mein Magen zieht sich zusammen, als Richard mir die inzwischen zerknitterte Rechnung abnimmt und darauf blickt.

»Oh«, sagt er schließlich. Er richtet mühsam den Oberkörper auf und verzieht kurz das Gesicht, als er die Beine ausstreckt. »Ja ...« Er zieht seine Antwort in die Länge, um Zeit zu schinden.

Es ist wie bei einem Polizeieinsatz mitten in der Nacht, wenn die Verdächtigen aus ihren Betten gezogen und verhört werden, bevor sie die Chance haben, richtig wach zu werden und sich Lügengeschichten auszudenken. »Also, was hat das zu bedeuten?«, frage ich. Ich werde Richard sicher nicht die Zeit geben, sich eine Ausrede einfallen zu lassen.

Er kneift sich kurz in die Nase und stößt einen tiefen Seufzer aus. »Du hast recht«, sagt er. »Höchste Zeit, dass wir reden.«

Und als diese Worte aus seinem Mund kommen, wird mir bewusst, dass es nun kein Zurück mehr gibt. Ich werde keine harmlose Erklärung bekommen, worauf ich so sehr gehofft hatte. Es gibt etwas, worüber wir reden müssen.

»Ich habe nichts mit Karen«, sagt Richard. »Aber es gibt ... eine andere Frau.«

Oh Gott ...

»Wer?«

»Sie heißt Bel, eigentlich Belinda. Sie arbeitet bei Gucci. Sie ist meine Kundin. Nun, anfangs, als wir uns kennen gelernt haben, noch nicht, aber das ist, tja, schon eine Weile her. Inzwischen ist sie befördert worden. Sie leitet jetzt die Marketingabteilung.«

Himmel. Was soll das? Warum erzählt er mir ihren halben Lebenslauf? Dummes, blödes Arschloch ...

»Seit wann?«, frage ich.

»Ich kenne sie seit ungefähr einem Jahr. Aber anfangs ist überhaupt nichts passiert.«

»Seit wann?«

»Wirklich, das geht erst seit ein paar Wochen. Ungefähr seit drei Monaten. Allerhöchstens.«

Erst seit drei Monaten. Soll mich das jetzt trösten?

»Verdammt, was spielt das schon für eine Rolle?«, brülle ich.

»Fran, die Kinder.«

»Sag es mir. Was spielt es für eine Rolle, wie lange du sie schon vögelst? Ob drei Monate oder drei Jahre, na und? Entscheidend ist, dass DU SIE FICKST!«

»Es tut mir leid ... wirklich. Ganz ehrlich, ich wollte das nicht ...«

Und warum hast du es dann getan?

»... Ich habe versucht, es zu beenden ... Sie wollte das auch. Aber wir hatten beruflich viel Kontakt. Solche Dinge passieren eben manchmal ... Sie weiß, dass ich verheiratet bin. Ich habe von Anfang an klargestellt, was für mich auf dem Spiel steht.«

»Was für dich auf dem Spiel steht? Was sind wir denn? Eins von deinen Aktienpaketen?«

»Nein, so ist das nicht –«

»Denn wenn du es so siehst, Richard, dann ist heute dein ganz persönlicher Schwarzer Freitag, weil du dich nämlich auf der Stelle verpissen kannst!«

Ja, ich schreie immer noch.

»Ich dachte mir, dass du so reagierst.« Richard steht langsam auf und sieht überall hin, nur nicht zu mir.

»War’s das? Gehst du jetzt einfach zur Tür hinaus?«

»Nun, das willst du doch, oder? Hast du das nicht eben gesagt?«

Am liebsten würde ich ihn weiter anbrüllen, aber mir fehlen die Worte. Ich habe keine Ahnung, was ich will. Aber eins weiß ich sicher. Wie schon Al Pacino in Der Pate III sagt: Nein, Richard, DAS IST NICHT DAS, WAS ICH WOLLTE.

»Wir brauchen ein bisschen Abstand voneinander«, sagt er jetzt in ruhigem Ton. »Es ist nun einmal Fakt, dass es bei uns seit einiger Zeit ... nicht mehr so toll läuft. Und zwar schon länger, als das mit mir und Bel geht, wenn wir ehrlich sind ... Du hast recht, Fran. Besser, ich gehe.«

Ich fasse es nicht. Jetzt dreht er den Spieß auch noch um. Als wäre es meine Entscheidung, dass er geht. Warum fleht er mich nicht an, bleiben zu dürfen? Warum bittet er mich nicht um Verzeihung, nachdem er den Mut hatte, mir alles zu gestehen? Warum kämpft er nicht für das, was für ihn auf dem Spiel steht?

Das ist das, was mich am meisten schockiert. Dass Richard offenbar denkt, er hat nichts zu verlieren.

»Ich packe nur noch rasch ein paar Sachen zusammen«, sagt er und verlässt das Wohnzimmer.

Zehn Minuten später ist er weg.