Fendor
Söldnerhauptquartier

 

 

Die Türwache schaute erst Nova an, betrachtete die Montur, das Gesicht und das Stirnrunzeln. Der zweite Blick galt Liz, die entspannt nickte und zwei Finger in einem schwachen Gruß zur Stirn hob. Der Wachsoldatin nickte zurück.

»Identifikation?«

»Lizardi«, sagte Liz und schaute gehorsam in die Aufnahmelinse des Retinascanners. Er piepte positiv und die Soldatin schob ihn sich wieder über die Schulter.

»Sie?« Ein Kopfzucken in Richtung Nova, die leise dastand und erstaunlich geduldig wirkte.

»Sie gehört zu mir.«

»Rekrut?« Offensichtlicher Unglauben schwang in der Frage mit.

»Will Leute anheuern.«

Das Gesicht der Soldatin entspannte sich. Sie nickte Nova zu und berührte etwas an ihrem Gürtel. Die Tür hinter ihr glitt auf und die Wachfrau trat zur Seite, um sie hindurchzulassen. »Sie dürfen eintreten. Benötigen Sie einen Führer, Commander?«

»Ich erinnere mich an den Weg, danke«, sagte Liz und schritt vorwärts. Nova yos'Galan folgte respektvoll zwei Schritte hinter ihr.

 

Fendors Hauptquartier war gleichzeitig eine Unterkunft und dauernd in Bewegung. An diesem Abend war das Gebäude von Wand zu Wand mit Söldnern vollgestopft, viele mit ihrer Ausrüstung auf dem Rücken. Liz war irritiert. Etwas war im Gange. Etwas Großes. Sie blieb eine halbe Sekunde stehen und ließ eine sechsköpfige Truppe vollbepackter Techniker vorbei.

»Könnte schwer für sie werden anzuheuern«, murmelte sie, als Nova zu ihr aufschloss. »Sieht so aus, als seien alle sehr beschäftigt.«

»Führen Sie mich einfach zur Abfertigung. Ich erwarte keine Probleme.«

Liz schnaubte und vergrößerte ihren Schritt, soweit es die Umstände erlaubten.

Ein paar Minuten später bog sich nach rechts ab in die Abfertigung, in der ein noch größeres Durcheinander herrschte als in der Haupthalle, und kämpfte sich zum Schalter durch, ohne sich darum zu kümmern, ob die Liadenfrau mitkam.

Sie drängelte sich an einen freien Platz und lächelte in plötzlicher Freude.

»Hey, Roscoe!«

Der gedrungen gebaute Mann hinter dem Hauptschirm schaute hoch, sein kahler Kopf schimmerte im Licht. Rosinenfarbene Augen durchsuchten die Menge, fanden sie. Der enorme Schnurrbart – schwarz, als sei der Mann noch zwanzig und nicht schon über sechzig – verzog sich zu einem breiten Grinsen.

»Lizzie! Ich wusste doch, dass dich das hier aus deinem Versteck hervorholt! Komm rüber und zeig mir, wen du da hast!«

Sie schüttelte den Kopf und ging zu ihm, griff über den Empfangstisch und packte ihn an den Schultern.

»Was ist mit deinem Zopf passiert?«, fragte sie und erinnerte sich an das schimmernde, dreißig Zentimeter lange Flechtwerk, das einmal sein ganzer Stolz gewesen war, wichtiger selbst als der Schnurrbart. Roscoe machte ein langes Gesicht.

»Ah, ich habe ihn verkauft, um meiner Frau eine Uhr zu kaufen, aber weißt du was? Die Zicke hat mich trotzdem verlassen.« Er lachte – ein Donnern, das zu einem Mann doppelter Größe gehörte –, ergriff sie an den Unterarmen und drückte sie, sanft, denn Roscoe war stärker, als er aussah. »Lizzie, du siehst toll aus. Ich werde in zwei Stunden abgelöst. Bleibst du hier und wir testen die Matratzen danach, hm? Ich buche dir einen Platz in der zweiten Gruppe!« Er ließ ihre Arme fallen und beugte sich nach vorne. »Zeig mir, wen du da hast!«

»Ich habe niemanden«, sagte Liz leise.

»Wir möchten Leute anheuern«, ergänzte Nova von der Seite. Roscoe sah auf, seine kleinen, harten Augen blinzelten.

»Leute anheuern? Da müsst ihr warten. Suzuki nimmt alles unter Vertrag, das eine Waffe trägt.« Er machte eine abwinkende Handbewegung. »Kommt in zwei oder drei Tagen wieder, vielleicht haben wir dann noch ein paar Frischlinge übrig.«

Nova schüttelte den Kopf. »Meine Angelegenheit ist dringend und ich werde Soldaten anheuern«, sagte sie bestimmt, aber nicht mit jener Wut, die Liz erwartet hatte. »Bitte machen Sie bekannt, dass ich Suzukis Sold verdoppele.«

Roscoe starrte sie einen Moment lang an, ehe er zu Liz rübersah.

»Wer zum Teufel ist das?«

»Ich werde zahlen«, stellte Nova fest und schnitt damit Liz ab, ehe sie sprechen konnte. »In Cantra.«

Roscoe spitzte seine Lippen. »Ist sie verrückt?«, fragte er Liz.

»Könnte man sagen.«

»Fein.« Roscoe sah Nova an. »Sie sind verrückt. Sie wollen Leute anheuern. Sie zahlen in Cantra. Ich kann da nichts machen. Sie müssen mit Suzuki reden, mit Ihr einen Deal vereinbaren. Dann werde ich das absegnen. Ichi?«

»Su bei«, erwiderte Nova überraschenderweise. »Wo finde ich Suzuki?«

»Hier bleiben. Ich bringe sie her. Das will ich auf keinen Fall verpassen.« Er grinste und kippte einen Schalter auf dem Pult um. »Suzuki, komm doch bitte zur Abfertigung«, sagte er in ein Mikrofon. »Jemand will mit dir sprechen.«

 

Sie hatte eine zweite Person wie Angela Lizardi erwartet – breit, hart und groß. Aber die Frau, vor der sich die Menge Minuten später teilte, war nicht größer als sie selbst, wirkte kraftvoll und effizient. Ihr Haar war sehr kurz und sehr schwarz. Ihre Augen waren wie Scheiben aus blauem Eis, saßen etwas geneigt in einem entschlossenen, beherrschten Gesicht.

Nova reckte sich, denn wenn Val Con selbst Angela Lizardi als Erste Sprecherin bezeichnet hatte, dann war diese Frau ganz sicher ein Delm.

Die Frau stoppte am Rande der Menge mit einem Kopfnicken.

»Liz«, sagte sie und ihre Stimme war ruhig und klar. »Wir können dich gebrauchen!«

»Das hat Roscoe auch gesagt«, erwiderte Angela Lizardi lakonisch. »Aber ich bin mit ihr hier.« Sie deutete mit dem Kopf und Nova fand sich im Blick der schräg sitzenden, eisblauen Augen gefangen.

Die Besitzerin der Augen verbeugte sich. Es war keine terranische Verbeugung, die das Händeschütteln ersetzte, sondern etwas, das der angemessenen Form einer Liaden-Verbeugung zwischen zwei Fremden ungewissen Ranges entsprach.

»Suzuki Rialto, Senior Commander, Gerfalken.«

Nova verbeugte sich wie eine Gleiche unter Gleichen und sah das Interesse in den blauen Augen. »Nova yos'Galan, Clan Korval«, sagte sie. Es war vielleicht nicht allzu weise, ihren wahren Namen preiszugeben, aber man sollte ehrenvoll mit Menschen von Ehre umgehen. Sie richtet sich auf.

»Sie kennen uns vielleicht als die Baum-und-Drache-Familie.«

Das Interesse der anderen Frau wurde intensiver. »Ja, meine Einheit hat in der Vergangenheit bereits Geschäfte mit Baum-und-Drache abgewickelt. Was habe ich die Ehre für Sie tun zu können, Ma'am?«

Gut. Eine integre Person mit schneller Auffassungsgabe. Nova neigte ihren Kopf. »Ich benötige Soldaten, Commander. Viele Soldaten, und zwar sofort. Ich wurde von diesem Mann hier informiert«, sie zeigte mit ihrem Kinn auf Roscoe, »dass Sie alles anheuern, das eine Waffe trägt. Ich behaupte, dass mein Bedürfnis mindestens so groß ist wie das Ihre, und bitte darum, dass wir hier gleichberechtigt vorgehen.«

Sie hörte das Schnauben Angela Lizardis, schaute sie aber nicht an. Suzuki Rialtos Gesicht zeigte sanftes Interesse und ein Anzeichen von Bedauern.

»Natürlich schmerzt es mich, diese Bitte der Baum-und-Drache-Familie abzuschlagen«, sagte sie höchst angemessen. »Dennoch übertrifft mein Bedürfnis jedes denkbare in dieser Galaxis oder der nächsten. Ich werde offen zu Ihnen sein, Ma'am. Vergeben Sie mir, wenn ich sage, dass ich Leute habe, die auf einer Welt gefangen sind, die von den Yxtrang attackiert wird.« Sie machte eine kleine, ausholende Geste in Richtung der nunmehr schweigend zuhörenden Menge.

Was Sie hier sehen, ist eine Rettungstruppe. Sie können mich überbieten – in der Tat zweifle ich nicht daran, dass Sie das können. Aber ich glaube nicht, dass Sie auch nur einen Soldaten anheuern können, bis wir unsere Leute gerettet haben.«

Aber Nova starrte sie nur an, fühlte eine gewisse Verwunderung in sich aufsteigen, und sie schmeckte den Hauch von Glück, Korvals Fluch und Korvals Segen.

»Ein Yxtrang-Angriff?«, wiederholte sie, um Zeit zu gewinnen, die Perspektive in sich aufzunehmen und dann ihren Kopf zu schütteln, wie es ihre Mutter oft getan hatte, weniger als Ausdruck der Verneinung als vielmehr der Verwunderung.

»Commander Rialto, es könnte sein, dass wir das gleiche Ziel haben.«

Suzuki Rialto nickte ihr zu. »Bitte erklären Sie!«

»Mein Bruder ist auf jener Welt – sie heißt Lytaxin. Und die Lebenspartnerin meines Bruders ebenso.«

»Sie spricht da über Rotkopf«, warf Angela Lizardi ein und die andere Frau sah sie scharf an.

»Sie sagt es«, fügte Liz hinzu. »Ich würde das auch nicht glauben. Das letzte Mal nannte sie ihn ihren Partner.« Sie zeigte mit dem Finger, und Nova liftete eine Augenbraue. »Zeig Suzuki dein Foto, Goldie!«

Sie griff in ihre Ärmeltasche nach dem Etui, öffnete es und hielt es Suzuki Rialto hin, die schnell draufblickte und lachte.

»Der? Als ich die beiden das letzte Mal sah, hätte sie ihn genauso gut töten anstatt küssen können!«

Nova fühlte, wie ihre Lippen zuckten, plötzlich voller Anteilnahme mit ihrer unbekannten und neuen Schwester. »Das ist ein durchaus bekanntes Dilemma, wenn man eng mit meinem Bruder zu tun hat«, sagte sie gelassen, schloss das Etui und steckte es weg.

Suzuki grinste, dann zeigte ihr Gesicht einen eher berechnenden Gesichtsausdruck. »Es scheint, als hätten wir in der Tat ein gemeinsames Ziel, Ma'am, wie Sie schon richtig bemerkt haben. Ich glaube, dass ich recht gut darin bin, Soldaten anzuheuern und auszurüsten, wie auch Commander Lizardi hier. Sie selbst haben möglicherweise andere Fähigkeiten, wo meine Erfahrung zu wünschen übrig lässt.«

Nova neigte höflich ihren Kopf, erkannte die Wahrheit in den Worten der Frau an und zeigte ihre Bereitschaft, mehr zu hören.

»Auf welche Weise kann ich Sie unterstützen, unser gemeinsames Ziel zu erreichen, Commander?«

Die blauen Augen sahen sie direkt an – wahrhaftig der Blick einer Delm.

»Wir brauchen Schiffe«, sagte Suzuki Rialto.

Nova lächelte und verbeugte sich.

»Zufällig kann ich Schiffe besorgen.«

»Das dachte ich mir«, sagte Suzuki würdevoll und bot ihren Arm an. »Wir sollten uns zurückziehen und die Details besprechen.« Sie sah zu Miri Robertsons Erster Sprecherin. »Liz? Bist du dabei?«

»Nicht einmal ein Bataillon könnte mich davon abhalten.«

Flucht nach Lytaxin: Ein LIADEN-Roman
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