Lufkit
Lufkit Raumhafen
Ihre Schritte hallten in den runden Metallwänden des Servicetunnels wider. Liz lief einen Schritt hinter Nova yos'Galan, die Tragetasche über die rechte Schulter geworfen und die Pistole in ihrem Gürtel, beobachtete die metallene Dunkelheit über den Kopf der kleinen Blonden hinweg.
Der Korridor bog sich, verlief nach einem abrupten Knick gerade und ermöglichte Liz einen Blick auf das Ende des Tunnels und den dunstigen Schimmer der Flughafenbeleuchtung vor dem Blauschwarz der einbrechenden Nacht.
Nova yos'Galan setzte ihre schnellen, beständigen Schritte fort, lief über den Rand des Tunnels auf das Flugfeld und wandte sich nach links, Liz direkt hinter ihr.
Es gab keinen großen Zweifel, wohin sie unterwegs waren, nur ein Schiff wartete auf einer Rampe in diesem Teil des Landeplatzes – ein schlanker, kleiner Scooter, dessen ungewohnter Schnitt vom abgezirkelten Licht eines Arbeitsscheinwerfers erhellt wurde, das auch einige karmesinrote Arbeitsoveralls sichtbar machte.
»Ich dachte, Sie seien bereit zum Start«, zischte Liz. »Sieht so aus, als wäre die Wartungscrew noch nicht fertig!«
Die Liadenfrau warf ihr einen scharfen Blick zu. »Wartungscrew! Das ist ein Hotpad!«
Und fort war sie, rannte auf das Licht und die drei rotgekleideten Figuren zu.
Liz blinzelte und fluchte, dann rannte sie hinterher. Sie hatte kapiert, dass die Liadenfrau in Eile war, aber die Kosten eines Hotpads auf sich zu nehmen – was einen Schnellstart rund um die Uhr garantierte und die Versicherung bot, dass sich keine Wartungscrew dem Schiff auch nur nähern würde …
Vorne hatte Nova nachgesehen; Liz holte sie ein. »Könnte einfach ein Irrtum sein«, murmelte sie, aber ihr Bauch glaubte das nicht, und ihr Kopf arbeitete bereits an den Bewegungen wegen der drei Ziele in Sichtweite; sie fragte sich, wie viele weitere außer Sicht waren, etwa auf der anderen Seite; fragte sich, ob sie zu dem kämpfenden oder dem rennenden Typ gehörten. Die Liadenfrau widmete ihr nicht einmal einen Blick.
Einer der Anzüge drehte sich, rannte los, schrie etwas, die Hand ging zum Gürtel. Der Schuss sauste an Liz' Ohr vorbei, als die drei Anzüge sich voneinander trennten, losrannten.
»Ich nehme den Linken«, schnappte Nova und Liz wirbelte herum, ein Ziel markiert; Waffe heraus und hoch; schoss – einmal – und bewegte sich weiter, schwang zurück zur Mitte, duckte sich, Waffe bereit. Ein Schuss warf Steine in der Nähe ihrer Füße hoch und ihre Antwort riss den Kopf des Schützen hoch und nach hinten, bevor der Mann flach hinschlug und sich gar nicht mehr bewegte.
Der dritte Anzug lag am Boden, wie Liz sah, und erschlaffte langsam: ein wirrer Haufen verschwommenen Rots im Schatten des Scheinwerfers. Nova rannte auf das Schiff zu.
Der vierte Anzug brach hinter dem Schiff hervor, gerade als Nova den Scheinwerfer erreichte.
Klein, dünn – höchstwahrscheinlich Liaden, dachte Liz und hielt ihr Feuer zurück –, auf den Tunnel zusprintend, keine Waffe draußen, kein Blick zurück.
Liz erhob sich. Verrückt vor Angst, dachte sie. Kann man laufen lassen.
Neben dem Scheinwerfer drehte sich Nova um, die Knie gebeugt, die Waffe oben in einem stabilen Zweihandgriff, wie aus dem Lehrbuch.
Die schmächtige Läuferin war auf halbem Weg zum Tunnel, ihre Arme pumpten.
Ein Schuss, nur einer, und die Flüchtende stolperte, torkelte noch einen Schritt nach vorne.
Ein weiterer Schuss – und die Flüchtende fiel mit wirbelnden Armen. Liz schluckte ihren Aufschrei herunter, nahm einen tiefen Atemzug, als ihr die Galle hochkam, und ging langsam auf den Scheinwerfer zu.
Angeschnallt im Sitz des Co-Piloten starrte sie auf das perfekte, goldene Profil; auf die wohlgeformten Hände, ruhig und sicher über dem ungewohnten Kontrollfeld. Mord. Nichts als sinnloses Töten, ungeachtet der Tatsache, dass Liaden selten Gefangene machten. Es hätte nicht geschadet, ihn laufen zu lassen, hatte Liz sagen wollen, die Worte dann ihre Kehle wieder heruntergedrückt. Nicht ihre Angelegenheit.
Nova legte einen Schalter um. »Tower, hier ist KV5625, Solcintra. Wir starten in fünf Sekunden. Ende.«
»Hier Tower, KV5625. Ich … äh …«
Liz musste sich anstrengen, um nicht zu grinsen. Sie versuchte sich zu erinnern, ob sie jemals einen Piloten sich selbst die Starterlaubnis erteilen gehört hatte.
»Ist das eine Startfreigabe?«, schnappte Nova.
»Ich … ja«, erwiderte der Tower mit verzögerter Entscheidungsfreude, »Sie haben Startfreigabe, KV5625. Ende.«
»Registriert. KV5625 Ende.« Der Schalter wurde erneut umgelegt und schnelle, goldene Finger tanzten über das Pult, grüne Kontrollleuchten erwachten unter der magischen Berührung zum Leben. Liz hörte das zahnschmerzerregende Kreischen, als die Magnetfelder sich aufbauten; fühlte den Andruck einsetzen – und wurde plötzlich in den Sitz gepresst, die Sicherheitsgurte saßen stramm.
»Uuuuuuff!«
Violette Augen flackerten kurz in ihre Richtung und die Beschleunigung ließ etwas nach. Liz holte tief Luft und versuchte, ihr pochendes Herz zu beruhigen.
»Ihr Bruder wirkt gegen Sie wie ein Sonnenschein!«, schnarrte sie und sah wieder die Flüchtende fallen, in den Rücken geschossen, und die Frau neben ihr die Waffe ruhig einstecken und sich umdrehen, um die Hülle des Schiffes auf Schäden zu untersuchen.
Nova lächelte schwach. »Warten Sie, bis Sie meinen älteren Bruder treffen«, sagte sie, während ihre Hände weiter über die Kontrollen blitzten. Es gab nur ein leichtes Zittern, als sie auf volle Triebwerkskraft schaltete. »Er braucht eine Stunde, um Ja zu sagen – und zwei für ein Nein.«
»Wahnsinn«, murmelte Liz und versuchte, irgendwie ordentlich in dem viel zu kleinen Sessel zu sitzen. Sie gab es auf, als sie den Orbit erreichten und der Antrieb runtergeschaltet wurde; dann schaute sie zur Pilotin und holte tief und vorsichtig Luft.
Nova yos'Galan saß steif in ihrem Sessel, die Fäuste um die Lehnen geklammert, die Augen zugedrückt, die Lippen zu einem schmalen, bleichen Streifen zusammengepresst. Sie zitterte. Stark.
Liz räusperte sich. »Sind Sie getroffen worden?«, fragte sie, obgleich sie wusste, absolut wusste, dass das nicht sein konnte.
Nova bewegte sich, öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder, als könne sie den Anblick des Kontrollpultes nicht ertragen. Sie holte stoßweise Luft und lehnte sich dann mit einer hölzernen Bewegung zurück.
»Ich habe nie zuvor jemanden … getötet«, sagte sie, ehe sie erneut zu atmen versuchte.
»Ah, verdammt …« Liz dachte darüber nach, sah den Tod des Rennenden nun in einem ganz anderen Licht. Sie machte ihre Gurte los und holte den Flachmann aus ihrer Tasche, öffnete ihn und goss einen großzügigen Schluck ein.
»Bitte!«
Violette Augen verengten sich zu Schlitzen. Liz reichte ihr den kleinen Becher, ermunterte sie. Nova schloss ihre Augen.
Liz seufzte. »Als Rotkopf – Miri – ihre erste Action hatte«, sagte sie, als ob sie Konversation betriebe, »hat sie einen Schluck hieraus genommen.«
Die Augen öffneten sich wieder, schauten auf den Becher. »Hat es geholfen?«
»Das Zittern«, sagte Liz leichthin. »Es hilft gegen das Zittern, Mädchen. Gegen das andere hilft nur Erfahrung.«
Eine kleine Hand auf der Armlehne entspannte sich, nahm den Becher. Liz nickte.
»Auf einen Schluck runterstürzen«, riet sie. »Nicht dran nippen wie an hundertjährigem Brandy. Es ist nur Kynak. Los!«
Gehorsam hob Nova den Becher und schluckte den Inhalt herunter wie Medizin.
»Ah!« Tränen standen in ihren Augen und rannten die Wangen hinunter, sie hustete und Liz schlug ihr auf den Rücken und nahm ihr dann den Becher ab.
»Getrunken wie ein Söldner!«, sagte sie fröhlich und schüttelte dann, plötzlich wieder ernst, den Kopf.
»Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass man nicht jeden auf dem Schlachtfeld töten muss«, sagte sie in leichtem Tonfall, ohne Urteil oder Verdammung darin. »Es gab keinen echten Grund, die Letzte zu töten. Sie lief einfach nur fort.«
Nova schüttelte den Kopf, öffnete die Gurte und seufzte. »Sie verstehen nicht.«
»Erklären Sie es«, bat Liz, immer noch mit leichtem Tonfall.
Nova seufzte. »Es gibt Gefahr«, sagte sie. »Ich sagte Ihnen, dass es Gefahr gibt. Mein Bruder … es gibt … Personen … die ihn jagen. Diese hier – sie feuerten auf die Erste Sprecherin. Es ist die Pflicht der Ersten Sprecherin zu überleben, um dem Clan zu dienen.«
Liz starrte sie an. »Erste Sprecherin? Mädchen, ich bin keine Erste Sprecherin – das war nur, was der Liadenfreund von Rotkopf …«
»Ich bin Erste Sprecherin«, sagte Nova mit flacher Stimme. »Erste Sprecherin von Clan Korval. Ich darf kein Risiko eingehen.«
Liz dachte darüber nach, als sie die Flasche erneut öffnete und sich selbst einen Schluck genehmigte, und schüttelte schließlich den Kopf.
»Ich kann verstehen, warum Sie das so sehen. Aber Sie sagten, dieser Bruder hat seinen eigenen Ärger – zusätzlich zu den Problemen, die er und Rotkopf loszuwerden versuchen?«
Nova seufzte wieder und lehnte sich vor, um die Kontrollen zu begutachten. »Die Situation ist nicht ganz klar, Angela Lizardi.« Sie schaute sie an, die violetten Augen blank und wunderschön. »Ich habe viele verschiedene Dinge mit meinem Bruder zu besprechen, wenn ich ihn treffe.«
»Ja«, murmelte Liz nachdenklich, »das scheint mir auch so.«