Erobs Feste
Übungsplatz
Nelirikk entstieg geheilt dem Luxus des Autodoc, sich gut fühlend und mit sauberem Gesicht, abgesehen von der Nchaka und einem überraschenden seidenbraunen Haarwuchs zwischen Nase und Mund. Das Haar seines Kopfes war ebenfalls über den Bürstenschnitt des Soldaten hinaus gewachsen und hatte sich in ein volle vier Finger langes, gewelltes Haarbüschel verwandelt.
Während er die Stoppeln mit dem Rasierer, der ihm zusammen mit der Lederkleidung gegeben worden war, von seinem Kinn abschabte, betrachtete er im Spiegel sein neues Gesicht.
Die Augen – dunkelblau, bedeckt von dicken, kurzen Augenbrauen – waren wie immer, erstaunt über die Nacktheit seines Gesichts. Die Nchaka – das war beruhigend, obwohl es kaum mehr war als ein kleiner Streifen im Braun seines sonstigen Gesichts. Der Bart, der gleiche Bart, der sein Gesicht seit fünfundzwanzig Jahren plagte, war ebenfalls beruhigend. Als er mit der Rasur fertig war, meinte er, sich durchaus selbst erkennen zu können, sollte er versehentlich mal auf sein Spiegelbild stoßen.
Ein gewisser Winston – ein altgedienter Soldat, wie Nelirikk sah – kam an, als er sein Frühstück beendete, das ihm gebracht worden war, und eine Stunde lang gab es Drill: Signale, Embleme, Insignien und Rufsignale – bis der alte Soldat meinte, dass es genug sei.
»Das ist okay. Du erinnerst dich gut daran, oder? Ich muss dich erschießen, wenn du ein Rufsignal missachtest!«
Sich an seinen Status als Rekrut erinnernd, salutierte Nelirikk genau so, wie es ihm gezeigt worden war. »Sir. Ich werde Ihre Lehren nicht beschämen!«
Winston lachte und winkte ab, bewegte sich bereits in Richtung Tür. »Ich bin kein ›Sir‹, mein Junge. Einfach am Leben bleiben und Captain Rotkopf am Leben halten, und du hast mir alle Ehre erwiesen, die ich mir wünschen kann.«
Die Tür öffnete sich und Winston war verschwunden, sie blieb offen, um eine Technikerin sowie den Scout hereinzulassen. Die Technikerin schob einen Rolltisch mit einem Computer. Der Scout hatte eine Kabelrolle über der Schulter.
»Erkunder, Sie sind in Ordnung?«
Nelirikk verbeugte sich, Hand auf dem Herzen, wie er den Scout im Umgang mit dem Captain beobachtet hatte, und erwiderte auf Terranisch, wie er auch angesprochen worden war.
»Scout, ich fühle mich so gut wie seit vielen Zyklen nicht mehr.«
Der kleine Mann nickte, als die Technikerin den Rolltisch an die Wand schob, die Räder blockierte und das Keyboard herauszog.
»Der Medtech berichtete, dass Sie erbärmlich unternährt waren. Er hat sich die Freiheit genommen, Ihnen Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel zu injizieren.« Er lächelte. »Wir haben den Auftrag, Sie zu füttern, was Sie hoffentlich als Befehl akzeptieren werden.«
Er bewegte sich zum Tisch. Die Technikerin nahm das Kabel, steckte die Verbindungen, nickte ihnen beiden zu und rollte das Kabel ab, als sie ging.
Die Tür blieb offen, als sie hindurch war.
Nelirikk sah den Scout an, aber der stand am Computer, drückte den Einschalter und nickte, als der Schirm hell wurde.
»Ich habe ein Programm geschrieben«, murmelte er, »wie es der Captain befohlen hat. Kommen Sie bitte zu mir!«
Nelirikk schritt vorwärts und stand zur Rechten des Scouts, wunderte sich erneut über die scheinbare Zerbrechlichkeit des Mannes. Dennoch hatte er wie ein Soldat gekämpft, sein Ziel erreicht, trotz der Tatsache, dass die Logik sagte, er sei dafür zu klein.
Eine dünne Hand bewegte sich auf den Tasten. Der Schirm flackerte und zeigte terranische Worte.
»Ihnen wird eine Frage gestellt werden. Mit zwei aufeinanderfolgenden Returns signalisieren Sie, dass Ihre Antwort vollständig ist. Sollte ein Punkt zusätzlicher Erklärung bedürfen, zeigt das System das an. Wenn alles klar ist, kommt die nächste Frage.« Er schaute mit leuchtenden, grünen Augen auf.
»Fragen und Antworten sind auf Terranisch, um Ihnen dabei zu helfen, Ihr Verständnis der Sprache zu perfektionieren. Sollte es notwendig sein, reicht es, diese Infotaste hier zu drücken, und die Frage wird auch auf Trade gestellt.«
»Ich verstehe«, sagte Nelirikk, fühlte die Kühle in seinem Bauch. Der Mann neben ihm tippte sich an den Kopf.
»Werdet Ihr Euren Schwur ehren, Nelirikk Erkunder?«, fragte er plötzlich auf Hochliaden. »Oder meint Ihr, ich sollte den meinen negieren?«
Nelirikk holte Luft. »Scout, es wird viele Tage brauchen, um mich völlig auszuhorchen, egal, wie clever Ihr Programm ist.«
»Das würde es wohl«, sagte der Scout auf Terranisch. »Aber der Captain kann es sich nicht erlauben, Sie so lange zu entbehren. Sie werden sich zu den abendlichen Waffenübungen bei ihr melden. In der Zwischenzeit ist dies Ihre Aufgabe und ich werde Sie damit alleine lassen – nachdem Sie mir Ihren Abholcode gegeben haben.«
Nelirikk stand so da für einen Moment, dann zwang er sich zu dem Platz, auf dem sein Rucksack neben dem beschämenden Gewehr lag. Er hatte es geschworen, erinnerte er sich selbst, als er hineingriff und den Abholsender hervorholte. Er hatte geschworen und die Truppe hatte ihn in den Tod geschickt, was nur die geringste Sünde der Truppe ihm gegenüber war.
Dennoch war es schwerer als alles, was er je in seinem Leben getan hatte: den Sender herauszuholen und ihn in die zerbrechliche Hand eines Mannes zu legen, der zum Volk der Feinde gehörte.
Der Scout nahm das Gerät mit einer Verbeugung, die grünen Augen ruhig.
»Die Pflicht der Schlacht, Erkunder. Ich verlange nicht, dass Sie sich dies vergeben. Ich kann nur sagen, dass ich es nicht verlangen würde, wenn dadurch nicht das Leben Vieler gerettet werden könnte.«
Das Verständnis eines Waffenbruders, eines Mannes, der kein Soldat war? Nelirikk fühlte, wie es ihm etwas leichter fiel, und er nickte auf terranische Art.
»Ich verstehe Sie. Es ist keine Schande, wenn ein Soldat kämpft, wie er kämpfen muss.« Er holte Luft. »Sie werden den genauen Ort kennen wollen.« Er holte aus seinem Rucksack die erbeutete Karte.
»Hier«, sagte er, als er die Karte auf dem Boden ausgebreitet hatte. Der Scout kniete sich nieder, um zu sehen, wohin der Finger zeigte, studierte das Gebiet und nickte – nickte erneut, als Nelirikk ihm die genaue Prozedur der Abholung erklärte.
»Ich sollte damit zurechtkommen«, sagte er, als er sich wieder erhob. »Ich lasse Sie jetzt mit Ihrer Aufgabe allein und widme mich der meinen. Ich rate Ihnen – als Kamerad – pünktlich beim Captain zu sein.«
Eine schnörkellose Verbeugung und er verschwand durch die offene Tür. Nelirikk verschloss seinen Rucksack, nahm die nutzlose Waffe auf und ging zu dem verlockenden Zugang hinüber. Der kleine, steinerne Raum dahinter war leer, obgleich es ohne Zweifel draußen einen Wachmann gab. Ein Schlag mit der Waffe würde die Wache erledigen und ihm eine funktionsfähige Waffe verschaffen.
Das Gewehr lag schwer in seiner Hand. Er hatte geschworen, bei Jela. Und die Truppe hatte ihn nutzlos in den Tod geschickt.
Nelirikk ging in den größeren Raum zurück, legte das Gewehr neben seinen Rucksack und trug eine Transportkiste zum Computer. Er setzte sich darauf, passte die Höhe des Keyboards und Bildschirms an, las die erste Frage und begann zu tippen.
»Okay«, sagte Miri ihren Soldaten. »Abtreten. Waffendrill in einer Stunde.«
Die Veteranen, die sie geerbt hatte – einige Falken, wie Winston, die darum gebeten hatten, und einige andere, die von ihrer Einheit getrennt worden waren –, spazierten zur Messe, als ob sie gerade ein Nickerchen gemacht hätten anstatt eines Zwanzig-Meilen-Marsches. Die Grünschnäbel schleppten sich deutlich langsamer dahin, einige gingen, als würden ihnen die Füße schmerzen. Was, wie Miri zugab, möglicherweise auch so war.
Tatsächlich tat ihr der eigene Rücken weh vom ungewohnten Gewicht einer vollen Kampfausrüstung plus Gewehr und Kommunikator. Aber sie stand gerade, bis auch der letzte Soldat außer Sicht war, ehe sie seufzte und nach den Trageriemen griff.
»Müde, Cha'trez?« Seine Stimme erklang an ihrem Ohr, seine Hände nahmen ihr das Gewicht des Rucksacks ab, als sie diesen zu Boden sinken ließ.
»Ich sag dir was«, meinte sie, als sich seine Hände auf ihre Schultern legten. »Ich werde weich.«
»Ah«, erwiderte Val Con verständnisvoll. Seine Finger kneteten sie sanft, fanden und massierten die verknoteten Muskeln, fast schon instinktiv. Miri seufzte und beugte ihren Kopf nach vorne. Er rieb ihr den Nacken.
»Götter, das ist gut. Übertreib es aber bitte nicht. Ich möchte aufmerksam sein, wenn ich deinen Lieblings-Yxtrang der Truppe vorstelle.«
»Unser Lieblings-Yxtrang!«, korrigierte er sanft. Sie fühlte, wie er sein Gleichgewicht verlagerte, und erzitterte vor Vergnügen, als er seine Zunge um ihr Ohr spielen ließ.
»Hör auf damit! Ich bin ein Offizier!«
»Das bin ich auch.« Er knabberte leicht an ihrem Ohrläppchen, seine Hände lagen auf ihrer Hüfte.
Miri seufzte, genoss das Gefühl noch einen Moment länger, dann richtete sie sich auf. Val Con ließ sie sofort los, obgleich sie einen Moment wehmütiger Begierde zu spüren verschien, widerhallend und die eigenen Gefühle verstärkend, gerade bevor sie sich umdrehte, um ihn anzusehen.
»Hast mehr Tricks als ein Kätzchen, oder?« Sie lächelte, berührte seine Wange, verfolgte die Linie seiner Narbe.
»Wenn es dem Captain gefällt.«
»Sehr witzig«, sagte sie traurig und schüttelte den Kopf. »Nun denn, ich denke, dass der Neue in der Familie sich so respektvoll verhält, wie er es sollte. Es wäre gut, wenn du ihn weiter im Auge behalten würdest.«
»Ich versichere dir, dass ich die Absicht habe, ihn sehr genau zu beobachten.«
Sie neigte ihren Kopf zur Seite. »Hm, du warst doch derjenige, der seinen Schwur akzeptiert und ihn als Rekrut vorgeschlagen hat. Überlegst du es dir jetzt noch mal anders?«
»Sagen wir lieber, ich spiele nicht mit dem Leben meiner Lady. Nelirikk versucht etwas, was alles andere als einfach ist. Sich ganz und gar von seinem Volk, seiner Kultur und seiner Sprache zu lösen? Schlimmer, einen Treueeid zu leisten und unter seinen Feinden zu leben, von denen die meisten ihn als ein zu verunglimpfendes, zu hassendes und zu fürchtendes Ding ansehen?« Er schüttelte den Kopf.
»Er wünscht seinen Schwur zu halten, könnte aber daran scheitern.«
Miri starrte ihn an. »Du meinst, er wird rasch zerbrechen?«
»Ich denke«, sagte Val Con, nahm ihre Hand und ging langsam los in Richtung des Zeltes mit der Messe, »dass uns das Glück hold war, insofern, als dass Nelirikk von seinen eigenen Leuten übel mitgespielt wurde. Ich halte ihn für einen Mann, der ein starkes Gefühl für Ausgewogenheit besitzt, sonst hätte er niemals zugelassen, dass man ihn zu diesem Schwur überredet. Wenn wir klug sind und ihm geben, nach was es ihn dürstet – Arbeit, Disziplin und Respekt –, können wir ihn für uns erhalten.«
Miri dachte eine Weile darüber nach, als sie weiter gingen. »Wie kommt es, dass dich dieser Typ so interessiert? Ich weiß, dass du sagst, du würdest ihm etwas schulden, aber da gibt es noch mehr, oder?«
Es war kurz still. »Dieser Jela, bei dem Nelirikk schwört – der mit dem Halsband?«
Er nickte.
»Einer der Gründer des Clans Korval war Cantra yos'Pheliums Partner, ein Mann namens Jela, der einst ein Soldat gewesen war. Es ist Jelas Baum, über den der Clan wacht. Damit erfüllen wir einen Schwur, den Cantra ihm gegenüber geleistet hat für den Fall, dass er sterben sollte. Meine Studien der Geschichte von Korval führen mich zu dem Schluss, dass Nelirikks Jela ebendieser Soldat ist.«
»Oh.«
Aufzeichnungen aus einer Zeit, bevor Terra ins Weltall aufgebrochen war. Ein Soldat in einer Familie, der den gleichen Namen hat wie ein Yxtrang-Kriegsführer. Ein Baum, dem man mit einer Verbeugung Respekt erweist und dem man verspricht, Grüße an seinen Ursprung auszurichten. Miri seufzte innerlich.
Er glaubt jedes Wort davon, Robertson. Schau dir das Muster dieses Mannes an. Er ist vielleicht verrückt, aber er lügt nicht.
»Und zu was macht das euch beide?«, fragte sie, als sie zum Zelt kamen. »Zu Cousins?«
Er lächelte und drückte leicht ihre Hand. »Eher zu Schülern des gleichen Meisters.«
Diesmal zeigte sie ihm ihr Seufzen. »Na gut«, sagte sie. »Wir geben dem Mann eine Chance.«
»Danke, Cha'trez«, murmelte Val Con, ließ ihre Hand los und erlaubte ihr, vor ihm das Zelt zu betreten. »Und denke dran, ich werde ihn beobachten.«
Die Veteranen erreichten den Übungsplatz zuerst, nahmen ihre Plätze ein und schickten sich an, auf die Neulinge zu warten, die nach und nach eintrafen und ihre Plätze suchten.
Eine große Gestalt marschierte energisch über das Feld, direkt zu Miri neben der Tafel mit der Situationsanalyse, Val Con gleich bei ihr.
»Ich melde mich zum Dienst, Captain.« Nelirikk salutierte zackig, wie es die Söldner taten. Nicht nur das, er war pünktlich – nicht spät, nicht früh. Absolut pünktlich.
Ausdruckslos erwiderte sie seinen Gruß, ging um ihn herum, wie sie es beim ersten Mal getan hatte, als er damals blutbedeckt, verschwitzt und nervös gewesen war und mehr wie ein Straßenschläger als ein Soldat ausgesehen hatte.
Heute aber glänzten die Stiefel, die Uniform saß, er war eindeutig ein Soldat. Am Gürtel hing eine Tasche und das Messer, mit dem er Val Con bekämpft hatte, steckte in einer abgestoßenen, aber gut geölten Scheide. Er stand in Habachtstellung, als meine er es auch so, die Augen nach vorne gerichtet, während sie die entspannte Inspektion beendete.
Er war groß, ihm fehlte aber die überwältigende Masse, die Jase Carmody ausmachte. Nelirikk, dachte Miri, lebte den Rekruten. Seine Augen mochten ihn verraten. Vielleicht.
Ohne die Tattoos hatte er ein ganz normales Gesicht, zwei Augen, eine Nase, ein Mund und ein fast viereckiges Kinn. Das schnell gewachsene Haar war sandbraun und wellig. Der Schnurrbart lag ebenso sandbraun über einem dünnen Mund.
Als sie die Umdrehung beendet hatte, kreuzte sie ihre Arme und sah ihn an.
»Erkunder. Ist Ihre Ausrüstung vollständig?«
»Wenn es der Captain erlaubt: Ich habe keine Seitenwaffe.«
»Ich sehe das. Sonst noch etwas, das fehlt?«
»Nein, Captain.«
»Genug Nahrung für Ihre Bedürfnisse?«
»Wenn es der Captain erlaubt: Ich wurde nicht über eine spezielle Mission informiert. Die Ausrüstung und die Rationen sind für den allgemeinen Gebrauch mehr als angemessen.«
Miri nickte. »Können Sie heute in diesen Stiefeln marschieren?«
»Ja, Captain.«
»Können Sie dann morgen erneut in ihnen marschieren?«
»Ja, Captain.«
Was sie tat, war vermutlich genauso dumm wie alles, was Val Con mit diesem Mann angestellt hatte, aber sie hinterfragte es nicht. Ein Soldat, der keine Seitenwaffe trug, war im Grunde überhaupt kein Soldat. Nelirikk, ein Profi, würde das wissen, tief in seinem Innern.
»Können Sie mit dem Nachschuboffizier arbeiten?«
Ein winziges Aufflackern von Überraschung wanderte über die vorsichtigen, blauen Augen. »Ja, Captain.«
»Gut. Nach den Übungen beziehen Sie eine Seitenwaffe und Munition.«
»Ja, Captain.«
»In Ordnung«, sagte Miri und warf einen Blick über das Feld. Die Linien waren formiert, die Soldaten standen entspannt. Zeit für die Lektion.
»Sie sind im Dienst. Vergessen Sie nicht, bei der Essensausgabe zusätzliches Protein und einen zweiten Nachtisch zu sich zu nehmen. Befehle des Chefmedtechnikers.«
»Ja, Captain.«
Sie marschierte vorwärts, Nelirikk an ihrer Schulter. Val Con nahm seinen üblichen Platz ein, etwas seitlich der Szenerie, blieb stehen, mit ausdruckslosem Gesicht und völlig ruhig. Sein Muster, wenn sie es sich betrachtete, zeigte einige interessante Spannungen, aber keinen Alarm. Er beobachtete, wie er es gesagt hatte. Er war sich der Möglichkeit einer Gefahr bewusst.
»Also, Leute«, rief sie über einen Platz, der plötzlich sehr ruhig war. »Dies ist Beautiful. Er ist mein Berater und wird auch beim heutigen Nahkampfdrill helfen. Wir bilden Dreiergruppen und …«
»Das ist ein Yxtrang!«
Oh verdammt, dachte Miri, als sie den Rufer identifizierte. Jin'Bardi. Natürlich musste es jin'Bardi sein. Der Mann hatte ihr nicht eine Minute Ruhe gegeben, seit er hier mit der ersten Flüchtlingswelle aufgetaucht war. Das Schlimmste daran war, dass, wenn er sich konzentrierte, er ein guter Soldat werden konnte.
»Kein Gerede!« Das war Reynolds, ein Veteran der Hidgon's Howlers, und wie der Rest der Veteranen inoffizieller Chef von zwei Dutzend Rekruten. Erwartungsgemäß ignorierte jin'Bardi ihn.
»Ich sage, das ist ein Yxtrang. Captain! Streiten Sie es ab?«
Miri starrte ihn böse an, was wenig nützte, da jin'Bardi ein Mann mit permanent schlechter Laune war, und antwortete dann, ihre Stimme ruhig aber betont, sodass es jeder hören konnte.
»Ich sage, dass dieser Mann einer von uns ist, Mister. Melden Sie sich zum Küchendienst, wenn die Übung vorbei ist.« Sie schaute über den ruhigen Platz. »Aufteilen!«
»Und ich sage Nein!« Jin'Bardi verließ seinen Platz und lief auf sie zu. Sie fühlte, wie Val Con sich bewegte, und stoppte ihn mit einem Zucken ihrer Schulter.
»Stehen Sie bequem, Beautiful.«
»Das ist kein Mensch!«, rief jin'Bardi, seine Stimme hallte über das Feld. »Und wenn Sie denken, er sei einer, sind Sie es nicht wert, diese Einheit zu führen!«
Du verdammter Narr, dachte Miri. Die Veteranen tauschten Blicke aus und Winston ergriff das Wort.
»Nun, unter uns echten Söldnern gibt es eine Tradition, wenn jemand nicht mag, was der Captain befiehlt, dann kann er ihn zum Nahkampf herausfordern, und wer gewinnt, dessen Meinung gewinnt auch. Ich würde nicht dazu raten, das gegen Captain Rotkopf zu versuchen. Was ich raten würde, ist, dass du die fünfzig Jahre Küchendienst akzeptierst, die du dir gerade verdient hast, und wieder zurück in die Reihe trittst, damit wir mit dem Drill beginnen können.«
Er hielt inne und sah sich um, sein Blick kreuzte Miris für einen Augenblick. Ein Augenlid zuckte einen Gruß.
»Ich habe kein Problem damit, dass Beautiful sich uns anschließt. Ich bin sogar froh darüber. Man kann einen echten Soldaten daran erkennen, wie er sich hält und angemessenen Respekt vor den Befehlshabenden zeigt.«
Die Spannung ließ etwas nach – oder hätte nachgelassen, wenn jin'Bardi nicht diesen Moment gewählt hätte, um laut zu rufen: »Gut! Dann fordere ich den Captain heraus, hier und jetzt, zum Nahkampf!«
Miri seufzte müde, fühlte Val Con mehr von der Seite herankommen, als dass sie ihn sah. Beautiful stand in ihrem Rücken, entspannt, wie sie es ihm befohlen hatte. Sie hoffte.
»Jin'Bardi, haben Sie den Wunsch zu sterben?«
»Haben Sie Angst zu kämpfen, Captain?«
»In Ihren Träumen!« Verdammt sei er. Jetzt konnte man nichts mehr machen. »Soldaten!«, rief sie über das Feld. »Einen Kreis bilden!«
Sie legte ihren Gürtel ab und überreichte ihn Beautiful, der ihn über seine rechte Schulter legte. Dadurch war ihre Seitenwaffe faszinierenderweise in einer Position, aus der sie halbwegs schnell gezogen werden konnte. Er faltete ihre Kampfjacke sorgfältig und legte sie zwischen seine Füße.
Jin'Bardi legte seinen Gürtel und seine Jacke ab und schaute sich um, doch niemand bot sich an, seine Sachen zu halten. Er warf die Jacke auf den Boden, den Gürtel darauf.
Der Kreis formierte sich und Beautiful wurde eingegliedert. Winston stand auf einer Seite, wie Miri bemerkte, Reynolds auf der anderen. Val Con war am gegenüberliegenden Ende des Kreises, nicht ganz gegenüber Beautiful. Sie hoffte, dass er klug genug war, sich hier nicht einzumischen. Es gab keinen Grund für ihn, besorgt zu sein. Sie konnte jin'Bardi leicht besiegen. Das Problem lag eher daran, sich zu beherrschen, ihn nicht gleich zu töten.
In der Mitte des Kreises stand sie jin'Bardi gegenüber.
»Beautiful!«, rief sie. »Geben Sie das Startzeichen!«
»Auf drei, Captain! Eins – zwei – drei!«
Jin'Bardi griff schnell an, wie sie es erwartet hatte, und versuchte, sie zum Stolpern zu bringen. Sie trat zur Seite, brachte einen Fuß um seinen Fußknöchel und eine Hand unter seinen Ellbogen und überließ ihm die Arbeit, sich durch den eigenen Schwung auf den Rücken zu schleudern.
Er schlug hart auf, kam aber in einer schnellen Bewegung wieder hoch und griff erneut an, tiefer diesmal, und er war schon nahe heran, ehe sie das verräterische Schimmern sah.
Sie bog sich und zumindest wusste er es besser, als mit dem Messer zuerst anzugreifen. Sie wehrte einen Schlag auf eine Weise ab, die Val Con ihr beigebracht hatte, tanzte zur Seite, täuschte einen Tritt vor, lockte seine Klinge.
Und jin'Bardi, der Idiot, schluckte den Köder.
Dann ging es schnell. Sie schlug das Messer fort und warf ihn über ihre Schulter, sodass er flach aufschlug. Die Luft wurde mit einem hörbaren Uff aus ihm herausgedrückt, und während er Sterne sah, drehte sie sich, griff das Messer, setze sich mit den Knien auf seine Arme und drückte die Kante der Klinge unter sein Ohr, bis sie den ersten Blutstropfen und echte Angst in seinen Augen sah.
»Gib mir einen Grund, warum ich deine blöde Kehle nicht durchschneiden sollte!«
Er starrte zu ihr hoch und jetzt stand Entsetzen in seinen Augen; sie hielt das Messer an seinem Platz, wollte sichergehen, dass sich diese Lektion für den Rest seines Lebens in sein Gedächtnis einbrannte. Wie kurz dieses auch sein mochte.
»Wenn es dem Captain gefällt …« Die Stimme Nelirikks war nahe und respektvoll.
Was jetzt? »Erlaubnis zu sprechen.«
»Danke, Captain. Dieser Kämpfer zeigt ein gewisses Potenzial, einmal ein fähiger Soldat zu werden – bei entsprechender Anleitung.«
Mithras, gib mir Stärke!
»Bieten Sie an, ihn unter Ihre Fittiche zu nehmen, Beautiful? Ihn in Form zu bringen?«
»Wenn es dem Captain gefällt. Zum Wohl der Truppe.«
Jin'Bardis Augen zeigten eine Menge Weiß. Seine Gesicht zeigte eine interessante Tönung aus grünlichem Gold und war nass von Schweiß. Miri beugte sich hinab, sprach sehr leise.
»Ich werde das Messer jetzt wegnehmen, jin'Bardi, und dann aufstehen und einige Schritte rückwärts machen. Dann werden Sie aufstehen und sich Beautiful präsentieren. Eine Abweichung, und Sie sind totes Fleisch. Klar?«
»Klar, Captain«, brachte er hervor, ziemlich heiser. Er schluckte. »Ich ergebe mich!«, fügte er hinzu. Hochliaden.
»Das will ich meinen«, gab sie auf Terranisch zurück und zog das Messer weg.
Sie erhob sich, ging rückwärts und stand, das Messer in der Hand, während er schmerzverzerrt auf seine Beine kam und zu dem großen Mann zwischen Reynolds und Winston ging, dessen Gesicht keinen Ausdruck zeigte.
Jin'Bardi zitterte und er musste Schmerzen haben, aber man musste ihm lassen, dass er aufrecht zu Nelirikk ging und vor ihm salutierte.
Nelirikk bewegte sich nicht. »Es ist angemessenes Verhalten, dem Captain für eine wertvolle Lektion zu danken.«
Es gab einen Moment absoluter Stille bei jin'Bardi. Der Kreis wartete. In ihrem Kopf war Val Cons Muster kalt, aufmerksam und sehr ruhig.
Langsam drehte sich jin'Bardi um und verbeugte sich. »Danke, Captain, für die wertvolle Lektion.«
»Kein Problem«, sagte sie und sah Beautiful an. »Bringen Sie ihn zu den Medikern und lassen Sie ihn durchchecken, dann wieder hier melden. Geben Sie Winston meine Sachen.«
»Ja, Captain.« Er salutierte. Ihr Gürtel und ihre Jacke wechselten den Besitzer und Beautiful löste sich vom Kreis. Jin'Bardi, die Schultern gesenkt, wollte folgen und wurde von einer ausgestreckten Handfläche aufgehalten.
»Es ist angemessenes Verhalten«, sagte Beautiful, immer noch ohne jedes Gefühl, »sich beim Captain abzumelden.«
Wieder drehte sich jin'Bardi, strengte sich an, die Schultern zu straffen, salutierte. »Captain.«
Sie nickte. Die beiden Männer gingen davon und der Kreis löste sich auf. Miri schritt nach vorne.
Als er in der Nähe der Tafel mit der Situationsanalyse war, drehte sich jin'Bardi plötzlich um. »Ich will mein Messer zurück!«
Nelirikk hielt inne. »Wenn es dem Captain gefällt«, sagte er vor, »hätte ich gerne meine Waffe zurück.«
Miri stand, fühlte das Gewicht der Klinge in ihrer Hand und etwas kam ihr in den Sinn. Die Balance der Waffe war gut …
»Sie wollen das hier?«, schnappte sie.
»Ja«, schnappte jin'Bardi zurück und blitzschnell drehte sie das Messer um und warf es.
Das Messer überschlug sich in der Luft, flog schnell und zielgerichtet, viel zu schnell für jin'Bardi, um zu reagieren. Die Klinge passierte seine Wange so nahe, dass sie seine Haut zu berühren schien, bis sie sich tief in das Holz der Tafel bohrte und dabei eine Locke seines Haares festnagelte.
»Sagen Sie: ›Danke, Captain‹«, befahl Nelirikk in die absolute Stille, die dem Aufprall des Messers folgte, »›für die Rückgabe meiner Waffe.‹«
Jin'Bardi leckte sich die Lippen. »Danke für die Rückgabe meiner Waffe, Captain«, sagte er schwach.
Nach einem Moment griff Nelirikk zu und zog das Messer aus der Tafel. Er bot es, Griff nach vorne, dem zitternden Liaden an.
»Soldat, Ihre Waffe. Inspizieren Sie sie auf Schäden, während wir zum medizinischen Zentrum gehen.«
Um sich herum hörte sie Gemurmel, als die Truppe sich langsam aus der Erstarrung löste. Miri wandte sich um, begegnete Val Cons Blick und beschloss, sich erst später darum zu kümmern, wo sie eigentlich gelernt haben könnte, derart ein Messer zu werfen.
»Okay«, rief sie über das Gemurmel hinweg. »Dreiergruppen für Nahkampfdrill! Das muss schneller gehen!«