6.

 

»Wie konnte er ohne unser Wissen bis nach London fliegen?«, fragte Frank Connor, Divisions neuer »Krisenmanager«, und betrachtete das Foto, das vor genau drei Stunden von Jonathan Ransom auf dem Flughafen Heathrow in der Ankunftshalle des Terminal 4 aufgenommen worden war. »Ich dachte, er schuftet sich in diesem gottverlassenen Lager in Kenia zu Tode.«

»Im Turkana-Flüchtlingslager, um genau zu sein.«

»Auf mich wirkt er nicht besonders robust. Mir ist schleierhaft, wie man in so einem Höllenloch auch nur einen einzigen Tag überleben kann. Wie lange ist er schon dort? Sechs Monate?«

»Er hat Ende Februar seinen Dienst in Kenia angetreten«, antwortete Peter Erskine, Connors Stellvertreter. »Vor zwei Monaten erkrankte er an Malaria und hat dabei zehn Kilo abgenommen.«

»Wann wurde er zuletzt in diesem Lager gesehen?«

»Vor einer Woche, von einem unserer Agenten bei Save the Children.«

»Save the Children?« Connor schoss vor Zorn die Röte ins Gesicht. »Und wen wollen wir als Nächsten vor unseren Karren spannen? Den Papst?«

Wütend pfefferte er das Foto auf Ransoms zehn Zentimeter dicke Akte. Seit acht Jahren sammelte Division Informationen über Ransom, genauer gesagt, seit seinem ersten Einsatz für Ärzte ohne Grenzen in Liberia. Doch trotz der Akte hatte Jonathan Ransom nie für Division gearbeitet oder ein Gehalt von der US-Regierung bezogen. Bis vor einem halben Jahr hatte er nicht einmal gewusst, dass Division existierte, geschweige denn, dass er ihnen über Jahre hinweg bei ihren verdeckten Operationen behilflich gewesen war. Leute wie Ransom wurden in Geheimdienstkreisen »Bauern« genannt. Sie wurden so geschickt manipuliert, dass sie im Interesse der Regierung den Boden für die Drecksarbeit bereiteten, ohne es zu wissen. Frank Connor hatte eine eigene Bezeichnung für Leute wie Ransom: Trottel.

Mit einem Seufzer nahm Connor die Gleitsichtbrille ab und erhob sich von seinem Schreibtischstuhl. In einem Monat wurde er achtundfünfzig. Heute, an diesem herrlichen Sommermorgen, um 4.38 Uhr Eastern Standard Time, spürte er sein Alter bis in die Knochen. Es war vier Monaten her, seit er zum Krisenmanager von Division ernannt worden war; es waren die härtesten und zermürbendsten Monate seines Lebens gewesen.

Division war bereits vor dem 11. September 2001 ins Leben gerufen worden, als Reaktion auf die Unfähigkeit der CIA, die Verantwortlichen für die Bombenattentate auf den Khobar Tower in Saudi-Arabien, die US-Konsulate in Nairobi und Daressalam und weitere amerikanische Ziele im Ausland zu fassen und zu bestrafen. Die Hardliner im Pentagon hatten getobt vor Zorn und forderten Rache. Sie argumentierten, die CIA habe das Ziel aus den Augen verloren, und ihre Agenten seien zu Schreibtischhengsten mutiert, die sich lieber hinter Aktenbergen verschanzten, als sich die Hände schmutzig zu machen. Ihrer Meinung nach hatte die CIA seit zehn Jahren keine erfolgreiche Undercover-Operation mehr auf die Beine gestellt, konnte in den Krisengebieten der Welt keinen einzigen fähigen Agenten vorweisen.

Kurz und gut, sie forderten, dass die Geheimdienstarbeit nicht mehr alleinige Angelegenheit der Agentenschmiede in Langley sein durfte.

Es war an der Zeit, dass das Pentagon sich der Sache annahm.

Das US-Militär verfügte über die erforderlichen Mittel und war obendrein bestens geeignet, Männer zur Terrorbekämpfung auszubilden. Das Ziel des weltweiten Krieges gegen den Terrorismus - oder GWOT, Global War on Terror, wie es in Regierungsdirektiven und Gesetzesvorlagen hieß - war die Vernichtung der vielleicht größten Geißel der modernen westlichen Welt. »Eigeninitiative zeigen« lautete die Parole, und der letzte Präsident war von dieser Idee sehr angetan gewesen. Mit der nächsten Direktive des Präsidenten zur Frage der Nationalen Sicherheit wurde Division ins Leben gerufen. Ein Ungeheuer, unter strengster Geheimhaltung geschaffen, das im Dunkeln operierte und nur die eigenen Regeln kannte.

Divisions erster Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: die Eliminierung eines bosnischen Generals, der wegen Völkermordes gesucht wurde. Es folgten die Tötung eines kolumbianischen Drogenbosses und die Zerschlagung seines Netzwerks sowie die Entführung, Folterung und anschließende Beseitigung mehrerer Rädelsführer der Al-Qaida im Irak und in Pakistan. Alle diese Operationen waren siegreiche Feldzüge und polierten das Image von Division gewaltig auf. Seine Einsätze wurden immer umfassender. Das Geld floss, und eine ganze Reihe neuer Agenten wurde rekrutiert. Der Handlungsspielraum von Division in den Grauzonen der globalisierten Welt wuchs. Die Organisation verfolgte nun keine taktischen Ziele mehr, sondern ausschließlich politische. Einen Bösewicht zu beseitigen war keine Kunst; Division ging es vielmehr um die Umsetzung politischer Grundsätze, wie die Verteidigung der Demokratie im Libanon und die Initiierung der Orangen Revolution in der Ukraine.

Doch die Summe der Erfolge führte unweigerlich zu Größenwahn. Wie der englische Historiker John Dalberg-Acton im Jahre 1887 so treffend bemerkte: Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.

Division wollte sich nicht mehr an Vorgaben halten, sondern eigene Regeln aufstellen. Der Slogan »Eigeninitiative zeigen« bekam eine ganz neue Dimension. Es kam, wie es kommen musste: Division ging den entscheidenden Schritt zu weit.

Vor sechs Monaten war der Plan von Connors Vorgänger, einen Krieg zwischen dem Iran und Israel zu entfachen, im letzten Moment von einer abtrünnigen Division-Agentin vereitelt worden. Die Welt war knapp einer Katastrophe entgangen. Hinter verriegelten Türen musste der amerikanische Präsident eingestehen, dass ein US-Geheimdienst in den skandalösen Vorfall verwickelt war. Folglich wurden die Vollmachten Divisions erheblich eingeschränkt; seine Agenten wurden zurückgepfiffen. Die Organisation musste ihren Hauptsitz im Pentagon räumen. Das Budget wurde halbiert und ein Großteil der Mitarbeiter gefeuert. Doch der Todesstoß für Division war die von oberster Stelle angeordnete Auflage, dass zukünftige Einsätze nur nach Zustimmung durch den Kongress erfolgen durften.

Allen war klar, dass Division durch den Verlust seiner Vormachtstellung nur noch ein Schatten seiner selbst war. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis die Organisation in völliger Bedeutungslosigkeit versank. Bis dahin brauchte man einen Übergangsdirektor. Und dieses Mal sollte er nicht aus den Reihen der Militärs kommen.

Frank Connor erfüllte alle gewünschten Voraussetzungen. Er war kein Berufssoldat. Tatsächlich hatte er noch nie eine Armeeuniform getragen oder gar eine Waffe benutzt. Trotzdem war er eine Kämpfernatur. Dreißig Jahre lang hatte er sich in Washington mit den absurdesten bürokratischen Winkelzügen herumschlagen müssen und dabei Überlebensstrategien entwickelt, um die ihn jeder schlachterprobte Veteran beneidete. Er hatte im Außen- und Finanzministerium und im Büro für Management und Finanzen gearbeitet. In ganz Washington, D. C., gab es wohl keine verborgene Leiche im Keller, die Connor nicht kannte. Die letzten zehn Jahre hatte er in der E-Ring-Abteilung des Pentagon verbracht, die sich mit der Planung und Ausführung extrem gefährlicher militärischer Spezialeinsätze befasste.

Connor war Division-Mann der ersten Stunde. Er war einer von der Sorte, die mit ungebügeltem Hemd und Schweißflecken unter den Armen mit Argusaugen darauf achten, dass alles seine Richtigkeit hatten. Wenn Division ein Flugzeug benötigte, das Agenten aus dem friedlich gesinnten Kasachstan ins feindlich gesinnte Tschetschenien fliegen sollte, war es Connor, der wusste, dass für eine solche Operation nur eine Pilatus P-3 in Frage kam, und der die Maschine dann binnen kürzester Zeit organisierte. (Natürlich handelte es sich immer um ordnungsgemäß registrierte Maschinen, sodass keine Flugbehörde je auf den Gedanken kam, die Start- oder Landeerlaubnis zu verweigern.) Wenn man einen korrupten Landesfürsten bestechen musste, kannte Connor die richtigen Banker in einer der zahllosen Steueroasen dieser Welt, und die erforderliche Transaktion war gesichert. Wurde eine Schiffsladung mit Kalaschnikows für die verbündeten Kriegsparteien in Kolumbien benötigt, hatte Connor die Telefonnummern aller bedeutenden Waffenhändler der westlichen und östlichen Hemisphäre im Kopf (und kannte wahrscheinlich auch deren Geburtstage). Er besaß ein phänomenales Zahlengedächtnis. Von Frank Connor hieß es, er könne das Unmögliche möglich machen. Schnell, effizient und ohne Aufsehen.

Doch für seine Vorgesetzten im Pentagon war mindestens genauso entscheidend, welche Fähigkeiten Connor nicht nachgesagt wurden: Er gehörte nicht zu den Leuten, die großartig Pläne schmiedeten. Er war kein Intrigant. Und er war kein Traumtänzer. Ein Blick auf seine hängenden Wangen, seine Tränensäcke und seinen schiefen Gang genügte, um zu wissen, dass er kein Macher war. Er war genau der Mann, wie er den Herren in den Führungsetagen vorschwebte: ein introvertierter Einzelgänger, der Division verwaltete, bis die Organisation einen leisen, unspektakulären Abgang machte.

Frank Connor dachte nicht daran, dieser Meinung über ihn zu widersprechen. Zumindest nicht öffentlich. Denn Connor hatte seine eigenen Vorstellungen, was mit der in Ungnade gefallenen Organisation geschehen sollte. Und in seinen Vorstellungen war nirgendwo vorgesehen, dass Division still und heimlich von der Bildfläche verschwand. Trotz der katastrophalen Niederlage in der Schweiz glaubte Connor fest an Division. Sollten seine besser gekleideten, besser frisierten und besser informierten Bosse denken, was sie wollten. Frank Connor hatte sehr wohl einen Traum. Er war sehr wohl in der Lage, Intrigen zu schmieden. Und er hatte einen Plan. Für Connor war Division alles andere als erledigt. Die Organisation war vielmehr ein schlafender Riese. Division sammelte Kraft und wartete geduldig auf eine Chance, zur alten Größe zurückzukehren.

Für Frank Connor war es die Chance seines Lebens. Seine Tage als introvertierter Einzelgänger lagen hinter ihm.

»Hast du etwas über den Ärztekongress herausgefunden, an dem Ransom teilnimmt?«, fragte er nun.

»Es gibt eine Seite im Internet«, antwortete Erskine. »Ich habe dir die wichtigsten Infos kopiert. Lies selbst.«

Connor betrachtete die Auszüge. »›International Society of Internal Medicine - 30th Biannual Congress.‹ Was ist so besonders an diesem Kongress, dass Ransom dafür sein heißgeliebtes Feldlazarett im Stich lässt?«

»Er ist einer der Hauptredner. Sein Vortrag steht morgen früh auf dem Programm.«

Connor suchte nach dem Programmablauf. »›Die Behandlung parasitärer Krankheiten bei Kindern.‹ Nicht gerade mein bevorzugtes Thema. Wo ist er noch mal untergebracht?«

»Im Dorchester Hotel.«

»Nicht übel«, sagte Connor und blätterte die Ausdrucke durch. »Wie viele von unseren Leuten sind derzeit vor Ort?«

»In London? Vier, aber einer von ihnen ist gerade auf dem Absprung.«

»Vier? Machst du Witze?« Connor schüttelte fassungslos den Kopf. London war die wichtigste Adresse für Agenten in Europa. Noch vor einem Jahr hatte Division ein schickes Büro gleich neben der US-Botschaft am Grosvenor Square gehabt, mit zwanzig Vollzeitmitarbeitern und weiteren zwanzig Agenten in Rufbereitschaft.

»Sorg dafür, dass dieser Mistkerl bleibt, wo er ist. Sofort. Ransoms Hotel muss rund um die Uhr überwacht werden. Jeweils zwei unserer Leute sollen sich alle zwölf Stunden abwechseln. Ich will, dass sie mir in einer Stunde einen ersten Bericht erstatten. Und zieh alle Register, damit unsere Leute in London Unterstützung bekommen. Setz dich mit Berlin oder Mailand in Verbindung. Irgendwo müssen noch ein paar von unseren Agenten aufzutreiben sein, verdammt!«

»Sicher.« Peter Erskine war dreißig Jahre alt, blass und hager wie ein Marathonläufer. Sein schwarzes Haar war mit Gel frisiert, und seinen unsteten blauen Augen entging nichts. Er war ein Agent der dritten Generation. Erskine war Fulbright-Stipendiat und hatte an der Deerfield Academy und in Yale studiert, wo er als Mitglied der Studentenverbindung Skull & Bones mit Leib und Seele Bonesman geworden war. Sein Großvater hatte im Zweiten Weltkrieg mit Allen Welsh Dulles in der Schweiz gearbeitet; sein Vater war in den Jahren 1976/77 stellvertretender Geheimdienstchef unter George H. W. Bush gewesen, dem damaligen Direktor der CIA und späteren US-Präsidenten. Erskine war neben Connor der Vorzeigeagent. Seine Funktion war es, hochrangigen Besuchern das Gefühl zu vermitteln, dass Division vertrauenswürdig war.

Connor ließ die Ausdrucke auf den Schreibtisch fallen. »Ransom nimmt also den weiten Weg von Afrika bis London auf sich, um vor einer Horde reicher Ärzte eine Rede über tropische Parasiten zu halten. Das nehme ich ihm nicht ab. Er weiß doch, dass wir ihn nicht aus den Augen lassen. Sie hat ihn bestimmt eindringlich gewarnt. Warum sollte er ein solches Risiko eingehen? Nein, für seinen Aufenthalt in London muss es einen anderen Grund geben.«

»Ich habe bei den Organisatoren der Veranstaltung nachgehakt«, sagte Erskine. »Sie haben Ransom vor drei Monaten eine Einladung geschickt. Die Kosten für den Flug und die Unterkunft gehen auf ihre Rechnung.«

Connor verschränkte die Arme vor seiner mächtigen Brust und warf seinem Stellvertreter einen scharfen Blick zu. »Das alles klingt verdächtig nach ihr.«

Es war unnötig, den Namen zu nennen. Connor sprach von niemand Geringerem als Emma Ransom.

Connor trat ans Fenster. Der Hauptsitz von Division war in ein unauffälliges Bürogebäude am Tyson's Corner verlegt worden, vierundzwanzig Kilometer südöstlich von Washington. Außer Division waren hier noch die US-Bundessteuerbehörde sowie das Amt für Maße und Gewichte untergebracht. Von seinem Balkon im zweiten Stock blickte Connor auf ein trostloses Asphaltpflaster und eine Autowerkstatt hinunter. Das war wirklich nicht mit dem Lincoln Memorial und dem Reflecting Pool zu vergleichen.

»Sie ist in London, Peter. Es war bestimmt nicht seine Idee, an dieser hochtrabenden Konferenz teilzunehmen. Er verabscheut solche Veranstaltungen. Emma steckt dahinter.«

»Bei allem Respekt, Sir. Ich kann ja verstehen, dass sie Sehnsucht nach ihrem Mann hat, aber warum sollte sie sich ausgerechnet eine Stadt wie London für ein Tete-a-Tete aussuchen? London ist die am besten bewachte Stadt der Welt. Es gibt dort mehr als fünfzigtausend Überwachungskameras - und das sind nur die, die die Regierung hat aufstellen lassen. Ein Passant wird bei einem Bummel über die Oxford Street mindestens fünfzig Mal fotografiert. Sie könnte genauso gut mit einer blutigen Nase in ein Haifischbecken springen.«

»Hört sich sehr nach ihr an«, sagte Connor.

Emma hatte die Operation in der Schweiz vereitelt und den Sturz Divisions vom Podest ausgelöst. Sie stand auf Connors persönlicher Liste ganz weit oben. Von der Frage, was mit Emma geschehen sollte, hing maßgeblich ab, ob Division zu altem Glanz zurückfand oder zerschlagen wurde.

»Was ist mit Ransoms Telefon?«, fragte Connor.

»Seinem Handy? Die Nummer, die wir in den Akten haben, ist beim Hersteller registriert.«

»Haben wir einen Verbindungsmann in ihrem Londoner Büro?«

»Inzwischen nicht mehr.«

Connor verkniff sich nur mit Mühe einen Fluch. Er war irischer Katholik und ging zweimal die Woche zum Gottesdienst. Auch wenn er nicht gerade fromm war, betete er dennoch mit Inbrunst. Er glaubte daran, dass man für seine Sünden geradestehen muss. »Wann fliegt Ransom zurück?«

»In drei Tagen.«

»Also hat er einen freien Tag eingeplant.«

»Es scheint so, aber ...«

»Kein Aber. Sie hat Kontakt mit ihm aufgenommen. Sie will ihn treffen.«

»Aber wieso?«, fragte Erskine hartnäckig. »Sie würde ein solches Risiko niemals eingehen. Nicht dort. Nicht jetzt. Nicht nach dem, was im April in Italien passiert ist. Sie weiß, dass wir mitbekommen haben, dass ihr Mann nach England geflogen ist. So stümperhaft ist sie nicht.«

»Vielleicht hast du recht.« Connor stützte sein Doppelkinn in die Hände und starrte mit blutunterlaufenen braunen Augen aus dem Fenster. Als er dann wieder sprach, schien er Erskines Anwesenheit vergessen zu haben. Mehr zu sich selbst sagte er: »Wir hatten die Chance, sie in Rom auszuschalten. Wir hatten den Köder ausgeworfen, und sie hatte angebissen, aber wir haben es versaut. Jetzt bekommen wir eine zweite Chance. Sie ist in London. Sie will ihren Mann treffen. Ich bin mir ganz sicher. Und dieses Mal erwischen wir sie!«

 

Connor machte zwei Anrufe, bevor er das Büro verließ. Als Erstes rief er eine Abteilung im Pentagon an, die den Namen »Logistikzentrale des Verteidigungsministeriums« trug.

»Ich brauche ein Flugzeug.«

»Tut mit leid, Frank. Ich kann nichts für dich tun. Dein Name steht nicht mehr auf der Liste.«

»Vergiss die Liste. Das ist eine Bitte unter Freunden.« Connor klemmte sich das Telefon unters Kinn und durchwühlte die Schreibtischschublade nach einem Reisepass. Kanada. Australien. Belgien. Er holte einen namibischen Reisepass hervor, der auf den Namen Standish ausgestellt war, und vergewisserte sich, dass er ein gültiges Visum besaß. »Also, was ist?«

»Geht es um sie?«

»Ich brauche einen einfachen Flug nach London«, erwiderte Connor, als hätte er die Frage nicht gehört. »Soviel ich weiß, steht für ein gewisses Regierungsmitglied ein Learjet startbereit auf dem Flugplatz. Heute wird der Betreffende die Maschine mit Sicherheit nicht brauchen. Die Saudis wollen heute Vormittag ein Notfalltreffen ansetzen. Sie brauchen diese F-22-Kampfflugzeuge wirklich dringend.«

»Woher weißt du ...?«

»Das Flugzeug ist vollgetankt und könnte in einer Stunde starten.«

»Du machst es mir wirklich nicht leicht, Frank.«

Connor unterbrach seine Suche und richtete sich kerzengerade auf. »Zwing mich nicht, die Sache auf den Tisch zu bringen«, sagte er in unverändert freundlichem Tonfall. »Altlasten können schrecklich unerfreulich sein.«

Am anderen Ende der Leitung herrschte eine Zeitlang Schweigen; dann sagte Connors Gesprächspartner: »Den Learjet kannst du nicht nehmen, aber in Dulles steht eine vollgetankte Citation mit einsatzbereiter Crew. Allerdings ist die Maschine auf der Meldeliste der Bundesluftfahrtbehörde registriert. Du erscheinst also auf dem Radar. Ist das ein Problem für dich?«

Connor dachte einen Moment nach. »Nein«, sagte er dann, legte den namibischen Reisepass zurück und zog den amerikanischen Pass hervor, in dem sein richtiger Name stand. »Kein Problem.«

»Ach, übrigens, Frank ...«

»Ja?«

»Ich könnte dir eine Flugbegleiterin organisieren.«

»Nicht nötig.« Connor streifte sich die Jacke über. »Ich fliege allein.«

 

Der zweite Anruf ging über eine abhörsichere Leitung an eine private Nummer in England, Vorwahl 207, im Zentrum von London.

»Ich bin's«, sagte Connor, als sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung meldete.

»Hallo, Frank. Verschickst du wieder Kündigungen?«

»Damit bin ich erst mal durch. Eigentlich wollte ich dich sogar fragen, ob du wieder einsteigen willst.«

»Klar. Sicher doch.«

»Hast du heute Abend schon was vor?«

»Nichts, was ich nicht verschieben könnte.«

»Gut. Du gehst zu einem Cocktailempfang im Dorchester Hotel, 18.00 Uhr. Dort findet zurzeit ein Ärztekongress statt, da passt du bestens ins Bild. Klar?«

»Klar.«

»In Ordnung. Dann hör mir jetzt gut zu ...«