Zwischenspiel
»Warum lässt du mich
nicht laufen, wenn ich die Bombe gebaut habe?«, fragte Achmed.
»Schaden kann ich dir sowieso nicht. Ich habe keine Ahnung, was ihr
damit machen wollt.«
»Die Absprache ist,
dass du bei uns bleibst«, sagte Pjotr.
»Und wer machte die
Absprache?«
»Mein Chef in
Moskau«, antwortete Pjotr kalt. »Mein Chef in Berlin. Wie du
willst. Und wer ist dein Chef?«
»Das sage ich nicht«,
erklärte Achmed.
»Na, siehst du. Jeder
hat ein paar Geheimnisse.«
»Ich habe Schmerzen«,
murmelte Achmed. »Hast du wenigstens
Kopfschmerztabletten?«
»So ein Scheiß«,
höhnte Pjotr. »Ich habe dich kaum berührt. Damaskus, du bist ein
Weichei. Und du wolltest die Bullen holen.«
»Ja.«
»Na siehst du, dann
hat mein Chef doch Recht, wenn er sagt, du musst bei uns bleiben.
Sonst machst du Blödsinn. Was hättest du denn den Bullen
erzählt?«
»Ich hätte ihnen
draußen den kleinen Hügel gezeigt und gesagt: Da drunter liegt
Dimitri, der sich auf seine Freunde nicht verlassen
konnte.«
Pjotr schüttelte den
Kopf. »Ich verstehe nicht, wie ein Kerl wie du diesen Job machen
soll.«
»Das verstehe ich
auch nicht mehr«, knurrte Achmed. »Hast du was dagegen, wenn ich
mal vor die Tür gehe?«
»Nein, aber lass die
Tür offen. Wenn ich dich nicht mehr sehe, Damaskus, mache ich dich
platt.«
»Aber nicht ganz«,
sagte Achmed. »Du brauchst mich noch.«
Er ging langsam vor
die Scheune. Es war heller Tag, am Himmel zogen einige Wolken, im
Westen wurde es dunkel. Regen würde kommen,
irgendwann.
Selbst wenn Charlie
weiß, woher mein Anruf kam, würde er mich hier nicht finden. Aber
er ist klug, vielleicht kommt er auf den Ortsnamen, auch wenn er
ihn nur halb hört und in falscher Aussprache, dachte Achmed.
Möglicherweise holt er sich Hilfe. Ich denke, wir sind rund sechs
Kilometer von diesem Ort entfernt. Mindestens sechs, eher acht.
Allah, ich würde die ganze Anzahlung für ein Scheißhandy hergeben.
Pjotr hat auch keins, niemand hat eins. Ich muss herausfinden, wo
ich noch einen Zeitpuffer herausholen kann. Wahrscheinlich wird
Pjotr gleich sagen, ich soll die Bombe fertig machen. Ich kann das
etwas verschleppen. Vielleicht zwei, drei Stunden, aber mehr nicht.
Und ich weiß nicht, wie es weitergeht, weil ich nicht weiß, was sie
mit der Bombe vorhaben.
Dimitri, mein Freund.
Es tut mir verdammt Leid, dass du so unvorsichtig warst. Jetzt
liegst du da in der Erde und strahlst. Wenn ich dir das erzählen
könnte, würdest du mit Sicherheit lachen.
Nour, ich würde so
gern mit dir reden, ich würde so gern mit den Jungs reden. Wie
konnte ich so dumm sein, anzunehmen, dass dies eine machbare
Aufgabe ist. Es ist die Hölle, Nour, glaub mir. Breidscheid hat
gewusst, dass ich alles erledigen würde. Und anfangs sah das auch
leicht aus. Aber dann haben diese brutalen Männer alles kaputt
gemacht. Wie hat Breidscheid gesagt: Achmed, es geht nur darum,
diesen Leuten zu zeigen, zu was jemand fähig ist, der stinkwütend
ist. Und ich bin stinkwütend, glaub mir. Also, zieh das durch,
Achmed, und du bist ein reicher Mann. Das hat er gesagt. Aber
nicht, dass die Bombe wirklich hochgehen soll. Das hat erst Pjotr
erzählt. Ich komme hier nicht raus, Nour. Ich weiß nicht, wie ich
das anstellen soll, dachte Achmed verzweifelt.
Er bewegte sich in
gerader Linie immer weiter von der Scheune weg, sodass Pjotr ihn
sehen konnte. Dann setzte er sich ins Gras. Er steckte sich einen
Grashalm in den Mund und kaute darauf herum.
Charlie, tut mir
Leid. Mir ist erst hinterher aufgefallen, dass ich diesen Ortsnamen
englisch ausgesprochen habe. Aber du wirst das begreifen, du bist
klug, Charlie. Und bring einen Haufen Polizisten mit, denn diese
Männer hier sind bis an die Zähne bewaffnet. Jetzt brauchen sie
mich noch, aber sobald meine Arbeit getan ist, werden sie mich
töten. So einfach ist das. Und Breidscheid hat das von Anfang an so
geplant. Beeil dich, Charlie.
Pjotr kam durch die
Scheunentür und setzte sich neben ihn. »Wie lange wirst du
brauchen, bis die Bombe fertig ist?«
»Drei, vier Stunden,
schätze ich. Wieso?«
»Na ja, ich denke an
meinen Zeitplan.«
»Und wenn ich fertig
bin, was dann?«
»Dann fahren wir
zurück nach Berlin.«
»Mit der
Bombe?«
»Mit der
Bombe.«
»Ihr seid ja
wahnsinnig.«
»Wir erledigen eine
Aufgabe und verschwinden wieder. Sag mal, wen hast du wirklich
angerufen?«
»Die Bullen«, sagte
Achmed. »Ich kenne sonst keinen.«
Pjotr drehte sich
eine Zigarette. »Da habe ich anderes gehört«, sagte
er.
»Von wem? Von deinem
Chef in Moskau?«
»Das ist doch egal,
Damaskus. Ich habe gehört, du hast Freunde in Berlin.«
»Habe ich nicht«,
sagte Achmed mit trockenem Mund.
»Du wirst es mir
irgendwann erzählen«, brummte Pjotr. Er stand auf und forderte:
»Bau jetzt die Bombe, Damaskus. Sie sollte morgen früh fertig
sein.« Dann ging er in die Scheune zurück.
Achmed folgte ihm
nach einer Weile und dachte verzweifelt: Er wird mich foltern, wenn
ich mich weigere.
»Gib mir den Block
C4«, sagte er. »Sag denen, sie sollen ihn auf die Werkbank
packen.«
Ich kann bei der
Bombe nicht tricksen, dachte er fiebrig. Pjotr hat die Zünder und
den elektronischen Signalgeber. Und er wird sie mir nicht geben.
Wahrscheinlich hat er sie gar nicht bei sich. Das Zubehör wird in
Berlin sein.
Die beiden Russen
legten den Block Plastiksprengstoff auf die Werkbank.
»Packt die drei
unbenutzten Pakete mit dem strahlenden Material in den Laster
zurück«, sagte Achmed. »Ich kann sie hier nicht brauchen.« Dann
wandte er sich an Pjotr. »Kannst du mir sagen, wie du den
Sprengstoff unterbringen willst?«
»Wie?
Unterbringen?«
»Soll das Zeug in
einem Eimer explodieren? Oder auf einem Fahrrad? Oder in einem
Auto? Auf einer Kirchenbank, in einer Moschee?«
»In einem
Kompressor«, antwortete Pjotr. »So ein Ding, das Pressluft liefert,
du weißt schon.«
»Na gut. Dann schau
dir den Block hier an. Das sind vierundzwanzig Kilo C4.
Normalerweise reicht das, um die Hagia Sophia zu pulverisieren.
Aber wie viele Pakete muss ich machen, damit du das Zeug in dem
Kompressor verbergen kannst?«
»Es ist ein normal
großer Kompressor wie im Straßenbau. Ich denke, zwei Pakete. Eins
links, eins rechts, dann kommen die Blechblenden drüber.« Er
lachte. »Ich meine, das Gerät wird niemals laufen,
oder?«
»Also zwei. Gut. Ich
werde sie so bauen, dass du genau weißt, wo du die Zünder
reindrücken musst. Du brauchst vier Zünder, zwei pro Paket.
Sicherheitshalber. Ich werde da Löcher lassen. Und ich werde
aufzeichnen, wo bei jedem Paket oben ist, verstehst du? Und oben
muss wirklich oben bleiben, sonst funktioniert das nicht. Ich male
dir ein A drauf.«
»Ja, klar, ist ja
einfach.«
In diesem Moment
keimte in Achmed eine wahnwitzige Hoffnung auf. Oben und unten,
dachte er, das könnte eine halbe Lösung sein. Charlie, ich werde
mich bemühen, so lange wie möglich am Leben zu
bleiben.
Müller verließ den
Flughafen Berlin-Tegel zwölf Stunden, nachdem er gestartet war. Er
hatte während des ganzen Rückfluges geschlafen, und er rief sofort
seine Mutter an.
»Ich bin es, Mama,
wie geht es dir?«
»Schön, Junge. Hast
du ein bisschen Zeit für mich?«
»Habe ich, Mama. Ich
komme jetzt heim, sofort.«
»Da bin ich sehr
glücklich«, sagte sie.
Dann meldete er sich
bei seinem Chef.
»Ich würde gern
zuerst zu meiner Mutter fahren. Ich komme etwas später und mache
meinen Bericht.«
»Das ist in Ordnung.
Wir haben ohnehin Chaos hier. Alle streiten sich um
Zuständigkeiten, aber sobald einer kapiert, was alles dranhängt,
will er nicht mehr zuständig sein.« Er lachte. »Lassen Sie sich
Zeit, bleiben Sie erreichbar. Das reicht fürs Erste.«
»Danke. Irgendetwas
Neues von Achmed?«
»Nichts.«
Er stand neben seinem
Auto und hatte plötzlich Angst, das Hotel würde sagen, Frau Swoboda
sei abgereist. Wenn er ihr Handy anwählen würde, wäre sie in
Frankfurt, weit weg. Aber dann meldete sie sich.
»Ich bin es«, sagte
er. »Ich bin wieder hier. Bist du noch in Berlin?«
»Ja, ich warte noch
auf den Vertrag. Wann kommst du?«
»Ich denke, gegen
Mitternacht. Wenn du mich dann noch willst.«
»Oh ja«, sagte sie
mit einem Lachen.
»Ich brauche dich
sehr«, sagte er.
Er war gut gelaunt,
als er vor seinem Elternhaus ankam.
Tante Trude, der
Familiendragoner, tönte im Hintergrund: »Das kannst du dem Jungen
doch nicht antun!«
»Was kannst du mir
nicht antun?«
»Ich will mit dir zum
Friedhof«, sagte seine Mutter. »Das verstehst du
doch.«
Ganz instinktiv
wollte er abwehren, wollte sagen: Das kann ich nicht, nicht jetzt.
Aber er nickte und sagte: »Selbstverständlich fahren wir zum
Friedhof. Und guten Tag, Tante Trude. Nett, dass du hier
bist«.
»Was tut man nicht
alles für die Verwandtschaft«, sagte Tante Trude. Sie war so breit
wie hoch, und ihr rotes Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Sein
Vater hatte geurteilt: »Sie ist zu dick und immer zu
laut!«
»Willst du erst mal
einen Kaffee?«, fragte Tante Trude.
»Nein, wir können
sofort fahren.« Ich muss es hinter mich bringen, dachte er. Doch
ich will es nicht.
Im Wagen sagte seine
Mutter: »Du hast ja wohl mächtig viel zu tun.«
»Ja, das habe
ich.«
»Aber morgen bist du
da?«
»Natürlich. Wie
kommst du denn mit Trude zurecht?«
»Wunderbar. Sie macht
einen solchen Lärm, dass du denkst, es ist Kindergeburtstag. Aber
sie ist eine treue Seele. Und sie hat Vater immer sehr gemocht. Wie
geht es Melanie und dem Kind?«
»Ich weiß es nicht,
Mama. Haben sie sich bei dir gemeldet?«
»Nein, aber
wahrscheinlich denken sie, sie stören mich. Wie geht es dir mit
dieser Wohnung?«
»Ich weiß nicht. Ich
habe dort noch nicht einmal geschlafen.«
»Wie?«, fragte sie
erschrocken. »Wo warst du denn nachts?«
»Im Dienst«, sagte
er. »Du weißt doch, wir haben Feldbetten für die ganz harten
Fälle.«
»Vater wollte ja nie,
dass du für den Geheimdienst arbeitest.«
»Nein, das wollte er
nicht. Aber er hatte auch keine Ahnung.«
»Kann sein«, sagte
sie ein wenig beleidigt. »Doch er hat immer nur das Beste für dich
gewollt.«
»Du brauchst ihn
nicht zu verteidigen, Mama.«
»Damit die
Angehörigen Abschied nehmen können, ist die Halle bis abends um
acht Uhr auf. Das sind ganz reizende Leute.«
Mein Gott, ich will
das nicht. Ich kann Tod jetzt nicht vertragen, nicht nach diesem
Tag.
Er fuhr auf den
Parkplatz, und sie gingen die letzten Schritte bis zu der Halle zu
Fuß. In der Halle war die ganze hintere Wand aus Glas, verhängt mit
lichtblauen Vorhängen.
Seine Mutter ging
nach rechts zu einem Tisch, an dem ein Mann saß, der ihnen
freundlich entgegenlächelte.
»Die Kabine
achtundzwanzig, bitte«, sagte seine Mutter.
»Selbstverständlich«,
sagte der Mann und drückte irgendeinen Knopf. Eine Bahn des
Vorhangs in der endlosen Glasfront glitt zur Seite.
»Du wirst sehen«,
flüsterte seine Mutter, »er sieht ganz friedlich aus.«
Sein Vater lag
wächsern in dem offenen Sarg, die Hände auf einer weißen Decke
gefaltet. Die Hände waren bläulich. Neben seinem Kopf stand eine
hohe Vase mit weißen Lilien.
»Und morgen tust du
deinen letzten Gang«, sagte seine Mutter.
Ich weiß nicht, was
ich dir sagen soll, dachte Müller. Ich will jetzt auch nicht mit
einem Toten sprechen. Wahrscheinlich gäbe es nur Krach, wenn du
plötzlich wieder aufwachen würdest. Wahrscheinlich würdest du
wiederholen, dass ich mein Leben versaut habe, weil ich nicht
studiert habe, was du wolltest. Du lieber Himmel, du hast in deinem
Leben mehr verschwiegen, als eine Familie ertragen kann.
Wahrscheinlich wäre die Situation klarer gewesen, wenn du getrunken
hättest. Dann hätte ich dich wenigstens hassen können. So habe ich
dich gehasst, ohne je zu erfahren, warum.
»Wo seine Seele jetzt
wohl ist?«, fragte seine Mutter.
»Das weiß niemand«,
antwortete er. »Komm, lass uns gehen.«
»Eine Weile noch«,
bat sie. »Ich sehe ihn ja nie mehr.«
Er drehte sich ab von
dieser Kabine der letzten Blicke, machte ein paar Schritte in das
Halbdunkel des Raumes und dachte an Achmed, und ob er tot war.
Charlie, du musst mir helfen …
Sie fuhren nach Hause
und schwiegen.
»Ich muss noch einmal
ins Amt«, sagte er. »Ich werde rechtzeitig wieder hier sein. Und
ich muss den schwarzen Anzug bei Melanie holen.«
In der Tiefgarage
hatte er das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.
Er schrieb seinen
Treffbericht, volle neun Seiten über seine Begegnung mit
Nour.
Als Krause klopfte
und seinen Kopf zur Tür reinstreckte, sagte er: »Der Bericht ist
fertig. Hier im Fotoapparat ist ein Film mit den Aufnahmen der
dreihunderttausend Dollar. Kann ich das Tonband mit der Nachricht
von Achmed haben? Und die Unterlagen über diesen Breidscheid? Gibt
es irgendetwas Neues?«
Krause kam herein und
setzte sich auf den Besucherstuhl.
»Wir wissen jetzt,
wie man aus dem Material eine schmutzige Bombe machen
könnte.«
»Wie
denn?«
»Willi Sowinski hat
das herausgefiltert. Es ist eigentlich ganz einfach. Sie schneiden
einen Tennisball Kobalt 60 in Späne und gießen über diese Späne
Salpetersäure. Das lassen Sie in aller Ruhe köcheln. Dann bleibt am
Ende eine kristalline Schicht zurück. Die müssen Sie pulverisieren
und auf eine herkömmliche Sprengladung packen. Ich frage mich, ob
Achmed so etwas könnte.«
»Wenn sich das Rezept
im Internet finden lässt, dann kann er so etwas anrichten«, sagte
Müller.
»Achmed hat Sie
vollkommen verwirrt, nicht wahr?«
»Ja, hat er. Ich habe
immer seine distanzierte Selbstironie gemocht, diese leicht
melancholische Art, sich selbst zu betrachten. Und jetzt fällt er
auf einen Haufen Bargeld rein.«
»Und seine
Frau?«
»Seine Frau hat von
Beginn an gerochen, dass da irgendetwas faul ist. Aber sie kam zu
spät.«
»Ehrlich, was glauben
Sie, ist die Frau schon Witwe?«
»Ich weiß es nicht.
Gibt es denn irgendwelche Spuren?«
»Keine, jedenfalls
keine eindeutigen. Die Zahl der Spuren liegt bei insgesamt
sechshundertfünfundfünfzig, was aber überhaupt nicht verwunderlich
ist, denn alle Beteiligten aktivieren jetzt ihre bösen Buben. Alle
Islamisten, die auch nur entfernt in der Nähe von Terrorismus
stehen, sind eingesammelt worden. Sämtliche Gauner und Ganoven, die
jemals mit diesen Islamisten zu tun hatten, auch. Ganz vorsichtig
ist eine Kooperation zwischen muslimischen Terroristen und
Gangstern aus dem ehemaligen Ostblock angedeutet worden. Daraufhin
zieht jede kluge Tageszeitung eine solche Möglichkeit aus dem Hut,
inklusive kompletter Namenslisten. Jeder TV-Sender hat einen
eigenen Lieblingsverdächtigen, jedes Boulevardblatt auch. Eine so
komplette Fahndung hat dieses Land noch nicht erlebt. Und ich habe
den Eindruck, dass alle jetzt bekannten Spuren falsch sind. Aber
immerhin«, er grinste müde, »endlich sind wir ein einig
Vaterland.«
»Was ist mit dieser
Krisenrunde?«
»Das ist eine
Versammlung, der ich nicht traue. Die tagen pausenlos,
vierundzwanzig Stunden durch. In der zweiten Sitzung hat ein kluger
Vertreter der Stadtverwaltung in Berlin gesagt, dass man mit dem
Kobalt 60 die ganze Stadt verstrahlen könnte, wenn man das Zeug in
die Trinkwasserversorgung kippt. Bei der nächsten Sitzung war
dieser kluge Mann schon nicht mehr dabei. Begründung: Panikmache.
Dann hat ein Vertreter des Innenministeriums geäußert, dass die
Geheimdienste sich rauszuhalten hätten, weil sie das Bild
verzerren, zu breit anlegen und zu kompliziert auffächern. Der war
beim nächsten Mal auch nicht mehr dabei. Dann habe ich versucht,
einen prominenten Berliner anzurufen, weil ich bestimmte
Informationen in einer anderen Sache wollte. Da hieß es, Herr
Sowieso habe sich überraschend entschieden, noch vierzehn Tage
Urlaub zu machen. Auf Mallorca. Erstaunlich viele bedeutsame
Menschen haben sich zu plötzlichen Ferien entschlossen. Sie kriegen
in Berlin in den nächsten vierzehn Tagen keinen Hubschrauber und
kein Flugzeug der etwas kleineren Art gemietet. Das ist ein
wirtschaftlicher Aufschwung.«
»Das heißt, die
bisher beste Spur haben wir?«
»Richtig. Aber das
setzt den Präsidenten unter Druck, weil der plötzlich in dem Ruf
steht, als Einziger ein Karnickel aus dem Hut ziehen zu können. Auf
jeden Fall gerate ich ins Schussfeld, weil die Brüder vom Mossad,
von der CIA und vom FBI sich schon angemeldet haben. Die sind im
Anflug. Sie betonen alle: nur vorsichtshalber! Aber sie werden in
dieser Stadt wildern, weil sie das seit Jahrzehnten
tun.«
»Glauben Sie, dass
Achmed noch lebt?«
»Nein. Wenn es so
abgelaufen ist, wie wir vermuten, haben sie ihn benutzt und nach
Gebrauch weggeschmissen.«
»Das setzt voraus,
dass sie die Bombe gebaut haben, oder?«
»Ja, mein Junge. Wir
gehen davon aus, dass die Leute die Bombe besitzen. Aber eine
Ahnung, was sie genau damit bezwecken, haben wir nicht. Vielleicht
ist sie ja auch für Paris vorgesehen, vielleicht für
London.«
»Und wie passt dieser
Breidscheid da hinein?«
Ȇberhaupt nicht.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Bisher habe ich den
Eindruck, er ist einer dieser Global Player, die sich alles kaufen
können, was sie haben wollen. Und dabei ganz einsam sind. Sie
werden sehen. Und jetzt kommen Sie zu mir und hören sich Achmed an.
Ich warne Sie, das klingt scheußlich. Aber vielleicht verstehen Sie
etwas mehr.«
Achmeds Stimme schien
von sehr weit her zu kommen. Er sprach undeutlich, was Müller
zunächst irritierte. Dann sagte er spontan: »Er klingt so, als habe
er … als habe er eins auf das Maul bekommen.«
»Das denken wir
auch«, nickte Krause. »Im Stimmvergleich mit seinen anderen Anrufen
hat er eine deutlich veränderte Aussprache. Entscheidend ist der
Schluss. Verstehen Sie das letzte Wort?«
»Pähswo …, Pässiwo …
Keine Ahnung. Haben wir eine Karte vom Großraum
Berlin?«
»Natürlich. Ich lasse
eine holen.«
Wenig später wurde
Müller eine Karte in das Büro gebracht, die er an den großen
Schrank gegenüber seinem Schreibtisch pinnte. Dann saß er sehr
aufrecht und starrte das Gewirr von Linien und Punkten an. Er
suchte sich zu Anfang den winzigen Ort Suckow neben der Autobahn
Berlin-Hamburg. Dort war der Überfall geschehen, an der B 321
zwischen Parchim und Pritzwalk.
Okay, Achmed, dachte
er, nehmen wir an, du hast das Zeug erbeutet und willst es in
Sicherheit bringen. Und du hast neue Freunde aus Russland, die
dasselbe wollen. Ihr müsst das Zeug irgendwo hinschaffen, wo es
sicher ist. Du kannst das Versteck nicht ausgesucht haben, du bist
völlig ortsfremd, das hat schon jemand anderer im Vorfeld
ausgeguckt. Eine so wichtige Ladung bringe ich nicht irgendwohin,
die darf niemand finden, auch nicht durch Zufall. Die Frage ist
jetzt, mein Lieber, ob ihr direkt wieder auf die Autobahn in
Richtung Berlin gefahren seid oder aber irgendeinen Weg durch die
Pampa ausgesucht habt. In Berlin reicht eine große Garage. Das
heißt, ihr rauscht durch die Stadt in die Garage und seid
verschwunden in der Anonymität. Was dann folgt, ist allerdings
schwierig, denn ihr müsst mit dem Kobalt umgehen. Das heißt, ihr
braucht mindestens einen großen Raum. Den könnte man haben, wenn
die Helfer deiner Russenfreunde dafür sorgen.
Er unterbrach sich
und rief Krause an: »Was wissen wir von den Russen, die Achmed
traf?«
»Die sind mit Namen
und Herkunft bekannt. Rüde Leute, fast alle aus Georgien, aus
bäuerlichen Familien. Diesen Typen kann man viel zumuten, sie sind
genügsam, sie haben keinen Hauch von Ethik und Moral, und sie sind
gottverdammt sachlich und brutal. Und sie wollen mit aller Gewalt
aus ihrer Armut heraus.«
»Danke.«
Also gut, dachte
Müller weiter. Dann gehe ich davon aus, dass die Russen lieber ein
Versteck auf dem Land ausgesucht haben. Sie fahren nach
vollbrachter Tat in einem geklauten Fahrzeug über die Dörfer. Ich
nehme jetzt an, Achmed, Berlin ist das Ziel, und ich nehme
weiterhin an, du brauchst einige Zeit, um das Ding zu bauen. Das
Versteck muss absolut sicher sein, und es sollte an einer
Verkehrsader liegen, über die man schnell und zielgenau nach Berlin
hereinkommt. Über die Dörfer könnt ihr auf kleinen Straßen nicht
fahren, da würdet ihr auffallen. Und die Autobahn Richtung Berlin
fällt auch aus wegen der hohen Polizeipräsenz nach dem Überfall.
Aber spekulieren wir mal, ihr fahrt nach Parchim, dann weiter
östlich über die B 191 nach Plau am See. Jetzt gibt es natürlich
mehrere Möglichkeiten, doch ich will dich weiter nach Osten
treiben, Achmed, versuchshalber. Ihr fahrt also auf die 198 und
kommt dann nach Mirow, dann Neustrelitz, dann nach Woldegk, dann
nach Strasburg, dann nach Pasewalk. Und da hätten wir dich auch
schon, mein Lieber.
Er rief Krause an und
sagte: »Ich habe etwas. Wenn Achmed voller Angst ist, um sein Leben
fürchtet, kaum Zeit hat, denkt er nicht nach und spricht
Küchenenglisch. Und wenn er dann Pasewalk ausspricht, kommt dabei
Pähswolk oder Pässiwolk heraus. Sind Sie
einverstanden?«
»Das ist gut. Wir
müssen schnell handeln und dabei sehr vorsichtig
sein.«
»Richtig. Ich möchte
mich ins Spiel bringen.«
»Das ist eigentlich
nicht Ihre Aufgabe, es ist erst recht nicht Aufgabe dieses
Dienstes. Wir haben keinerlei polizeiliche Befugnisse. Wir können
nur weiterreichen, denn uns geht das alles eigentlich nichts
an.«
»Aber nur
eigentlich«, brummte Müller. »Denn immerhin können wir aussuchen,
an wen wir weiterreichen.«
»Sie sind bei uns ein
richtiger Gauner geworden.«
»Das liegt im Sinne
des Erfinders.«
Die Akte, die einfach
BREIDSCHEID hieß, war nicht sehr umfangreich, sondern eine typische
erste Zusammenstellung all der Nachrichten, die öffentlich
zugänglich waren: Berichte in Tageszeitungen, in
Hochglanzmagazinen, in politischen Periodika, Verweise auf kleine
Fernsehfilmchen, Internetnachrichten. Auch Geschichten aus
linksgerichteten Blättern in aller Welt, die diesen Breidscheid als
eines der Hauptübel der grassierenden, die Armut fördernden
Globalisierung brandmarkten. Eines dieser Blätter aus Chile nannte
ihn unverhohlen ein Krebsgeschwür, ein anderes den Teufel der
Hungernden. Es gab auch glorifizierende Darstellungen. So schrieb
ein Kirchenblatt der katholischen Diözese Buenos Aires, Breidscheid
sei der Inbegriff des Glaubens, ein Mann, in den die Mutter Kirche
höchste Erwartungen setze. Er sei ein moderner Katholik, der über
allem Reichtum niemals das einsame Straßenkind vergesse, einer, der
wahrlich in der direkten Nachfolge Jesu Christi und der heiligen
Apostel handle.
»So, so, ein
Heiliger«, seufzte Müller.
Dieser Breidscheid,
Helmut mit Vornamen, war 1948 in einem Ort nahe Münster geboren
worden, einziges Kind eines Grundschullehrers und seiner Ehefrau.
Er habe die notwendigen Schulen durchlaufen, hieß es, und dann mit
achtzehn Jahren das Abitur gemacht. Geld für das Studium sei nicht
vorhanden gewesen, weshalb Helmut eine Lehre in einer Bank
angetreten habe. »Da lernte er alles, was er später für ein solch
elitäres Leben brauchte.«
»Wieso elitär?«,
murmelte Müller verblüfft. Dann verstand er die jubelnde Autorin
des Beitrages, denn es ging weiter: »Sein Leben entspricht heute
dem, was er den Königsweg nennt: Häuser auf den Bermudas, bei New
York, in Kanada, in Santiago de Chile, in Beirut, in Bangkok, in
Los Angeles, in Stockholm – dieser Mann kennt keine Grenzen
…«
Müller rief Krause
an.
»Was mich verwundert:
Ich finde keine Homepage von ihm.«
»Er hat keine«, sagte
Krause. »Und das ist nicht das einzig Verwunderliche. Sie werden
feststellen, dass dieser Mann niemals im Leben so etwas wie ein
Interview gegeben hat.«
»Reichtum um des
Reichtums willen?«
»Nein. Steter Dienst
an der katholischen Kirche. Er tut ununterbrochen
Gutes.«
»Wieso dann
Achmed?«
»Keine
Ahnung.«
Es gab in einer
Frauenzeitschrift den Titel »Der stille Superreiche«. Im Text der
Satz: »Er soll einmal verheiratet gewesen sein, aber niemand vermag
zu sagen, mit wem und wann das gewesen sein soll.« Es fand sich
auch der Satz: »Fachleute schätzen sein Vermögen auf derzeit
zwanzig Milliarden US-Dollar.« Dann die Frage: »Wie lebt so ein
Mensch?« Und die Antwort: »Angeblich ist für jedes seiner Anwesen
eine Haushälterin zuständig. Breidscheid selbst ist stets umgeben
von seinem Privatsekretär und einem katholischen Kaplan, die ihn
überall hin begleiten. Man sagt ihm nach, dass er nur auf das
Urteil einer Institution Wert legt: der katholischen Kirche.
Nachweislich finanziert er drei Waisenhäuser in Santiago de Chile.
Neunhundert ehemalige Straßenkinder und Waisen leben unter seiner
persönlichen Obhut und werden fit gemacht für das Leben, für den
Beruf, für die Zukunft.«
Ein linksgerichtetes
Blatt aus Frankreich beschrieb eines seiner großen Geschäfte unter
der Überschrift »Der Trickser«: »Als zu riechen war, dass die
chinesische Führung bereit schien, das Land für bestimmte Formen
des westlichen Kapitalismus zu öffnen, als abzusehen war, dass
Shanghai eine schillernde Metropole internationaler Gelder sein
würde, stellte sich heraus, dass die meisten Grundstücke, auf die
die entsprechenden Hochhäuser und Bürotürme gesetzt werden sollten,
einem Mann gehörten: Helmut Breidscheid. Bei diesem Coup hatte er
dreizehn Kapitalgesellschaften gegründet, die er nach dem Verkauf
der Grundstücke in aller Eile auflöste. Die Bestätigung dieser
Geschäfte bekommt man nicht aus dem chinesischen
Wirtschaftsministerium, nicht aus den Reihen chinesischer
Politiker, sondern ausschließlich aus der Reihe der international
arbeitenden Baufirmen in Shanghai, die in schöner Naivität bejahen,
dass Breidscheid selbstverständlich auch diese Seite des Deals
erfüllt: Er lässt jetzt, wiederum gesteuert durch eigens gegründete
Firmen, bauen …«
Dann gab es ein
weiteres Blatt, den so genannten hausinternen Zusatz. Da hieß es:
»Breidscheid steckt nachweislich hinter unzähligen legalen
Geschäften weltweit. Häufig sind es Geschäfte mit Immobilien. Diese
legalen Geschäfte dienen aber auch als Tarnung für viele schmutzige
Geschäfte mit Waffen und militärischen Dingen aller Art.
Breidscheid liefert schnell und zuverlässig. Das gilt auch für
Drogen. Sehr häufig hat er, um ein einziges Geschäft durchzuziehen,
eine eigene Firma gegründet. Man sagt, dass Breidscheid auch bei
schmutzigen Geschäften stets zehn Prozent der Bruttoeinnahmen
direkt an die katholische Kirche abführt. Hinweis: Der Mann zahlt
grundsätzlich keine Steuern!«
»Und mit so was kommt
man durch«, brummte Müller.
Er rief erneut Krause
an, aber der meldete sich nicht mehr. Stattdessen schaltete sich
die Rufbereitschaft mit der Nachricht ein, Krause habe das Haus
verlassen.
Es war 23.18
Uhr.
Karen sah hinreißend
aus. Sie saß an einem kleinen Tisch in der Bar und winkte ihm zu,
als er in die Lobby kam. Sie trug einen dunkelgrauen Hosenanzug mit
feinen, weißen Nadelstreifen, dazu ein weißes Männerhemd mit einer
pinkfarbenen Krawatte.
»Ich bin so froh,
dich zu sehen«, sagte er und küsste sie auf die Stirn.
»Setz dich neben
mich«, sagte sie gut gelaunt. »Nein, nicht so weit weg, enger. Ich
will mit dir zusammen einen Salat essen, von einem Teller. Oder ist
dir das peinlich?«
»Nein, ist es nicht.
Was hast du heute getrieben?«
»Ich habe an dem
Vertrag gefeilt und mich anschließend um Kleinigkeiten darin
gestritten. Wie immer. Dann bin ich irgendwann um sechs Uhr ins
Hotel gekommen und habe geschlafen. Bis eben. Wie war
Damaskus?«
»Nicht sehr
aufmunternd. Der Freund, der verschwunden ist, hat aller
Wahrscheinlichkeit nach falsche Freunde. Aber das gehört eigentlich
nicht hierher.«
»Doch«, widersprach
sie heftig. »Das betrifft dich, und also gehört es hierher.
Bedeutet das, dass dieser Freund viel Geld verliert oder seine
Existenz?«
»Es geht nicht um
Geld«, antwortete er knapp.
»Um Macht und
Ansehen?«
»Es geht um sein
Leben.«
»Oh«, sagte sie. Dann
lächelte sie schnell und unsicher. »Und jetzt sind wir wieder am
Punkt, wo du schweigen musst, nicht wahr?«
Er
nickte.
Der Barmann kam heran
und setzte eine große Salatplatte vor sie hin.
»Hähnchenbrust mit
einem großen Haufen Vitamine. Zweimal Mineralwasser, zweimal
Besteck. Ich wünsche guten Appetit.«
»Jetzt merke ich
erst, wie hungrig ich bin«, sagte Müller.
»Sag mal, bist du so
etwas wie ein Polizist?« Sie sah ihn durchdringend an.
»Ja«, sagte er. »Es
ist nicht so, dass ich dir ausweiche, aber ich bin gezwungen, nicht
darüber zu reden. Das bringt mein Beruf so mit sich.
Leider.«
»Also bist du ein
Geheimpolizist.«
»Wenn du so willst.«
Er nickte und lachte.
»Du musst essen, wenn
du groß und stark werden willst«, ermunterte sie ihn. »Wann ist die
Beerdigung?«
»Um elf«, sagte er.
»Meine Mutter rechnet mit mehr als hundert Leuten. Das wird eine
furchtbare Veranstaltung. Gegen Abend war ich am Friedhof. Mein
Vater liegt dort aufgebahrt. Es war schlimm, weil ich auf keine
Weise mit ihm in Verbindung kommen konnte. Ich konnte nicht mit ihm
reden.«
»Vielleicht kommt
später eine bessere Zeit«, sagte sie. »Komm, iss etwas, das wird
dir gut tun.«
Er spürte, wie sie
mit ihrem linken Bein seinen rechten Oberschenkel drückte, und er
murmelte: »Du solltest dich zurückhalten. Kopulationen gleich
welcher Art sind in öffentlichen Restaurationsbetrieben
verboten.«
»Dann lass uns das
Tabu schleunigst brechen. Und wir nehmen Eintritt, denn einige der
Knaben hier sehen sehr ausgehungert aus.«
»Frau Swoboda, wie
reden Sie denn?«
Sie aßen ein wenig,
und Müller schaute sich um. Die Bar war voll besetzt, kein Hocker,
kein Tisch mehr frei, wie üblich drei Viertel Männer, ein Viertel
Ehefrauen, die gelangweilt aussahen und es wohl auch waren. Und
sehr viele der Männer warfen Blicke auf Karen.
»Jetzt hab ich’s. Du
bist im Auswärtigen Amt und prüfst die Kantinen in deutschen
Botschaften.«
»Ich habe von Anfang
an gewusst, dass du mich enttarnen wirst.« Er küsste sie leicht auf
die Wange.
»Enttarnen ist ein
fachspezifischer Ausdruck, nicht wahr?« Sie strahlte ihn
an.
»Ja, das stimmt. Aber
könnten wir jetzt vielleicht in dein Zimmer gehen, weil ich nahe
daran bin, über dich herzufallen?«
Sie küsste ihn auf
den Mund und sagte: »Aber gern.«
Also bezahlte Müller,
und sie gingen.
Im Lift fragte sie:
»Hast du irgendetwas mit dieser Sache zu tun, bei der radioaktive
Stoffe geraubt wurden?«
»Wie kommst du
darauf?«
»Weil das Fernsehen
voll ist davon. Und sämtliche Zeitungen.«
»Nur am Rande«,
antwortete er. »Ich würde gern vierzehn Tage Urlaub machen mit dir.
Am liebsten in einem alten Bauernhaus im
Alpenvorland.«
»Wieso
Alpen?«
»Ich weiß es nicht,
mir war gerade danach.«
Sie steckte die Karte
in den elektronischen Öffner. Im Zimmer drehte sie sich zu
ihm.
»Können wir uns
einigen? Ich meine, würdest du mir den Gefallen tun und ganz
vorsichtig mit mir umgehen?«
»Bin ich grob
gewesen?« Er zog das Hemd aus.
»Nein. Ich will es
nur gesagt haben. Weißt du, für mich bist du etwas Kostbares, auch
weil ich manchmal denke, dass du dich irgendwann in Luft
auflöst.«
»Aber ich löse mich
nicht in Luft auf.«
»Es könnte doch
sein«, murmelte sie und bückte sich, um die Hose von ihrem Anzug
aufzuheben. »Ich liege hier im Bett und rieche dich noch. Und du
ziehst dich an, gehst zur Tür und lächelst mir zu. Und das war es
dann, weil irgendjemand bestimmt hat, dass du irgendwohin fliegst,
weit weg, für eine lange Zeit.« Sie setzte sich nackt auf das Bett
und lächelte zu ihm hoch.
»Hör zu«, sagte er
und kniete vor ihr nieder, »vielleicht sollten wir die Geschichte
zwischen uns nicht zerreden. Ich bin so dankbar, dass es dich gibt,
und ich werde Wege suchen. Und ich werde Wege finden. Aber ich will
mich nicht in Luft auflösen.«
Er sagte: »Ich bin
vollkommen erschöpft, ich muss eine Weile schlafen.« Er legte
seinen Kopf auf ihre Brust. »Eine Stunde, mehr nicht. Und dann
musst du mich wecken. Ich muss noch alles Mögliche
organisieren.«
»Ich wecke dich«,
beruhigte sie ihn sanft.