8 Schwaches Fleisch
Schließlich kam Nadia an ihrem Hotel an. Sie fror leicht, da sie zuvor tropfnass gewesen war. Sie nahm eine heiße Dusche, ruhte sich ein bisschen aus und traf Frank und die anderen zum Abendessen.
Als sie sich im Anschluss daran alleine auf den Weg zu der Veranstaltung im Café machen wollte, und gerade um die Ecke des Hotelrestaurants gebogen war, hörte sie Romeos Stimme. Der brasilianische Künstler malte gerade für eine kleinere Reisegruppe Bilder in ihrem Hotel, unterbrach seine Arbeit aber sofort, als er Nadia sah.
„Hi Nadia, wie geht’s? Wohin gehst du?“, fragte er sie wie ein Löwe, der soeben seine Beute ins Visier genommen hatte.
„Gut, gut, danke. Ich geh‘ ins Café zu einer Abschiedsparty.“
„Warte auf mich, ich male noch zwei Bilder und begleite dich.“
Nadia befand sich in einer Zwickmühle. Sie hatte sich auf Miguel gefreut und jetzt brachte Romeo ihr Herz wieder durcheinander.
„Nein, nein, vielen Dank, ich geh‘ schon mal allein vor.“ Indem sie seinen Vorschlag ablehnte, wollte sie sich die Gelegenheit verschaffen, die Lage mit Miguel zu sondieren.
„Bitte warte, ich bin gleich fertig.“ Er blickte sie mit flehenden und zugleich bestimmenden Augen an, als würde er ahnen, dass sie eigentlich mit einem anderen Mann verabredet war. Auf Romeos Drängen hin konnte oder wollte sie nicht anders - sie musste einfach auf ihn warten.
Als er endlich fertig war, gingen sie zügig zum Café. Die ganze Situation fühlte sich einfach komisch an. Sie würde bei der Party mit Romeo auftauchen…
„Aber wir sind ja nicht mehr als zwei Leute, die sich über den Weg gelaufen sind, vielleicht so etwas wie Freunde, aber mehr nicht“, versuchte sie sich selbst zu beschwichtigen.
Als sie angekommen waren, saß eine Meute von Leuten an einem großen Tisch im Garten des Cafés.
Sofort sah Nadia Miguel, doch dieser nahm keinerlei Notiz von ihr. Vergebens versuchte sie, seinen Blick zu erhaschen.
„Nadia, hi, komm zu uns, hier sind noch Stühle frei“, rief Josie ihr zu. Der Künstler hatte im Eingangsbereich ein paar Leute getroffen, die er begrüßen musste. Als sie Platz genommen und ein Getränk bestellt hatte, kam er wie selbstverständlich zu ihr und setzte sich neben sie. Josie war leicht verdutzt, Nadia mit Romeo zu sehen.
Leider war Miguel so sehr in ein Gespräch mit einer anderen jungen Frau vertieft, dass er einfach keine Augen für sie hatte. Sie war einen Moment lang traurig, oder auch zwei. Diese Traurigkeit wurde von der Kellnerin unterbrochen, die Nadia ihr Getränk brachte.
Da Romeo sie begleitet hatte, bot sie ihm eine Kostprobe an. Sie war sich in diesem Moment nicht bewusst darüber, dass dies auf die anderen, und vor allem auf Miguel, schon sehr vertraut wirken musste. In der Tat spielte Miguel ihr nur vor, dass sie Luft für ihn war. Er hatte sie mit Romeo kommen sehen und war darüber enttäuscht. Er konnte es nicht ertragen, dass ihr jemand anderes nahe kam, doch so kam sein gleichgültiges Verhalten nicht bei ihr an.
Nadia und Romeo hielten etwas Smalltalk mit ihren Tischnachbarn. Miguel fing mit einem anderen jungen Mann an, Gitarre zu spielen und zu singen.
Insgesamt war die Atmosphäre ganz schön. Romeo fühlte sich aber augenscheinlich nicht sehr behaglich als einziger Brasilianer unter all den Ausländern.
„Lass uns woanders hingehen“, schlug er vor.
Nadia war überrascht: „Warten wir noch ein bisschen, O.K.?“ Sie konnte doch jetzt noch nicht gehen.
„O.K.“
Nach etwa zehn Minuten spürte sie, dass er unbedingt weg wollte. Und auch ihr reichte es inzwischen. Dieser Typ, also Miguel, ließ sie völlig links liegen. Das wollte sie nicht mehr mit angucken, da es ihr wehtat.
„In Ordnung, lass uns gehen“, sagte sie schließlich.
Als Romeo dies hörte, strahlte er wieder.
„Macht’s gut“, rief sie in die Runde.
Josie verabschiedete sie mit Küsschen und bekundete, dass sie sie gern bald wieder treffen wollte. Auch Josies Freund verabschiedete sich sehr nett von ihr, guckte Romeo aber ganz eigentümlich an. Spannung lag in der Luft zwischen den beiden Männern, die jedoch nichts mit ihrer Person zu tun haben konnte, dachte Nadia.
Romeo führte sie hinaus und zeigte ihr sein Motorrad, welches er morgens vor dem Café abgestellt hatte, bevor er zu Fuß seine tägliche Runde gedreht hatte, um seine Kunst an die Leute zu bringen.
„Lass uns zu einem schönen Aussichtspunkt fahren“, schlug er vor.
Ihr Herz gab ihr sehr deutlich zu verstehen, dass sie dies lieber sein lassen sollte, da sie sich an jenem wunderbaren Ort für Gott öffnen wollte. Es ließ sie fühlen, dass Romeo keine guten Absichten hatte und es sich bei ihm um einen Ausbeuter handelte, ganz gleich wie süß er auch aussehen mochte. Sie verstand die Botschaft ihres Herzens:
„Er ist eine Ratte, rede nicht mehr mit ihm. Geh‘ nicht mit ihm mit!“
Doch sie wollte in jenem Moment einfach nicht auf ihr Herz hören und sagte insgeheim zu selbigem: „Bitte, gewähre mir ein letztes Spiel, bevor ich meiner Bestimmung folge.“
Sie bekam Gänsehaut und willigte ein, mit Romeo zu dem Aussichtspunkt zu fahren.
„Warte, ich habe nur einen Helm. Ich komme gleich wieder.“
Er kam mit zwei schwarzen Helmen zurück. Sie wurde etwas unsicher, denn sie spürte sein Verlangen. Sie wollte in ihm nicht die Versuchung des Bösen sehen, da sie ihm bereits verfallen war.
Als sie sich hinter ihn aufs Motorrad schwang, spürte sie eine starke körperliche Anziehung. Sie war sich nicht sicher, wo sie sich festhalten sollte:
„Ich kann jetzt nicht wirklich meine Arme um ihn schlingen. Dafür kennen wir uns noch nicht lange und gut genug.“
Also griff sie nach dem Gepäckträger direkt hinter ihrem Allerwertesten. Romeo wollte jedoch, dass sie sich an ihm festhielt, also griff auch er hinter sich und zog ihre Arme nach vorn, erst den rechten, dann den linken. Er gab ihr zu verstehen, dass sie ihn richtig umarmen sollte. Die Energie, die zwischen den beiden strömte, war enorm. Sie spürte, wie sie allmählich anfing, vor Lust zu brodeln. Es war so schön und so schrecklich zugleich. Sie wollte die Regeln an diesem Ort der Heilung nicht brechen, doch sie fühlte, dass es so kommen würde. Und irgendwie keimte das Gefühl in ihr auf, dass die Geister des Himmels, mit welchen sie sich, nicht zuletzt wegen des Blitzes, über alle Maßen verbunden wusste, nichts dagegen hatten und die Regeln für sie außer Kraft gesetzt waren.
Er hielt auf einer leichten Anhöhe. Es war schon lange dunkel, doch ihr Blick reichte durch die funkelnden Sterne sehr weit ins Tal hinein. Dieses war in Nebel gehüllt, der aussah wie das Meer mit seiner prickelnden Weite und Schönheit. Sie hatten Vollmond in jener Nacht.
Als sie abgestiegen waren, lehnte sie sich ans Motorrad. Er trat sehr dicht an sie heran. Sie küssten sich. Sie konnte seine Erregung deutlich spüren.
„Ich möchte dir gern mein Zuhause zeigen, ganz unverfänglich. Bitte komm‘ mit zu mir“, hauchte er ihr ins Ohr. Die Antwort konnte er von ihren Augen ablesen. Er wusste, dass er gewonnen hatte. Also fuhren sie los.
Er öffnete die Tür zu seinem Haus und zog sie sanft hinein. Sie war schon völlig benommen und bereit, alles mit sich machen zu lassen. Ihre Gefühle spielten verrückt. Er packte sie und drückte sie gegen die Wand im Schlafzimmer. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut, dann seine Zunge. Was er mit ihr anstellte fühlte sich an wie etwas, wonach sie sich ihr Leben lang gesehnt hatte. Er liebkoste sie, ihre Wange, ihren Hals. Seine Hände bewegten sich allmählich über ihren ganzen Körper.
Sie fühlte wie er in sie eindringen wollte, konnte es selbst kaum abwarten, ihn endlich ganz zu spüren. Sie wollte mit ihm verschmelzen und bemerkte, wie sie zunehmend willenlos wurde.
Er hauchte ihr ins Ohr:
„Du machst mich wahnsinnig; ich will dir die Sterne vom Himmel holen.“
Er biss sanft in ihren Hals.
Ihr ganzer Körper signalisierte ihm, dass er weitermachen durfte. Langsam streifte er Shirt und Jeans von ihrem Körper, bevor er sich seiner Sachen entledigte.
Er warf sie auf die Couch und machte jene Nacht zu der Nacht ihres Lebens. Was er mit ihr anstellte kam ihr übernatürlich vor. Sie genoss es in vollen Zügen.
Als sie erschöpft nebeneinander lagen, flüsterte er die drei magischen Worte, die jede Frau nur all zu gerne hört:
„Ich liebe dich.“
„Ich liebe dich auch“, antwortete sie, ohne ihren Kopf einzuschalten.
Es soll ja angeblich vereinzelt Frauen geben, die gefühlsduselig werden, wenn sie mit jemandem eine Nacht verbringen. Nicht selten denken sie, dass es sich um den Mann ihres Lebens handeln könnte. Nadia gehörte ohne Zweifel zu dieser Kategorie Frau. Männer hingegen sehen das Liebesspiel ja eher als etwas, was man einfach tut, so wie essen, trinken und Fußball spielen.