88.

5.11 Uhr

Die Galerie Cygne befand sich im Marketplace Design Center an der Ecke Vierundzwanzigste und Market Street. Es war ein großes Gebäude mit Blick auf den Schuylkill River. Dort waren über fünfzig exklusive Ausstellungsräume untergebracht, in denen Antiquitäten, Baumaterialien, Audio- / Video- und Beleuchtungssysteme sowie Wandverkleidungen angeboten wurden.

Jessica klingelte. Nachdem sie sich ausgewiesen hatte, öffnete der Sicherheitsbeamte ihr die Tür. Er war Ende fünfzig, ein ehemaliger Cop des Philadelphia Police Departments. Sein Name war Rich Gardener. Er kannte Jessicas Vater.

Jessica hielt sich nicht mit dem sonst üblichen Smalltalk auf und kam sofort zur Sache. »Was können Sie mir über die Galerie Cygne sagen?«

»Nicht viel. Hübsche Sachen. Sonderanfertigungen von Designermöbeln. Tische und Kommoden, für die ich ein Jahresgehalt hinblättern müsste. Es ist einer der kleineren Ausstellungsräume hier.«

»Kann ich ihn mir ansehen?«

Gardener straffte die Schultern und zeigte auf die Aufzüge. Es schien ihm zu gefallen, kurzfristig wieder bei seinem alten Verein zu sein. »Hier entlang, Detective.«

Jessica und Rich Gardener standen auf dem Gang vor einer langen Glasfront, hinter der die Galerie Cygne untergebracht war. Ein makellos sauberer Raum, in dem Schränke, Vitrinen, Stühle und Tische von Spotlights angestrahlt wurden.

»Kennen Sie den Besitzer?«, fragte Jessica.

»Hab nie mit ihm gesprochen.«

»Haben Sie ihn schon mal gesehen?«

»Nein. Tut mir leid.«

»Haben Sie seine Privatadresse?«

Der Mann zögerte. »Ich weiß, dass Sie Ihren Job machen müssen, aber ich habe auch einen Job, okay? Ich meine, ich habe seinerzeit auch ein paar Hausdurchsuchungen durchgeführt. Haben Sie was dagegen, wenn ich kurz telefoniere?«

Jessica schaute auf die Uhr. Das Team würde den Logan Circle gleich stürmen. Die Kollegen würden sie vermissen. »Bitte beeilen Sie sich.«

Zwei Minuten später hob Gardener unten in der Eingangshalle den Blick vom Monitor. »Ob Sie’s glauben oder nicht, aber die gesamte Korrespondenz mit dem Besitzer wird an ein Postfach geschickt.«

»Haben Sie keine Privatadresse oder eine andere Geschäftsadresse?«

»Nein.«

»Haben Sie wenigstens einen Namen?«

»Nein«, sagte Gardener. »Normalerweise werden für Notfälle wie Einbruch, Feuer oder Überschwemmungen noch auf einer anderen Seite die persönlichen Angaben eingetragen. Aber sie sind aus irgendeinem Grunde weg.«

»Weg?«

»Wahrscheinlich gelöscht. Ich weiß, dass wir eine Adresse hatten, weil FedEx oder UPS manchmal etwas auszuliefern haben und der Besitzer es sich nach Hause schicken lässt.«

»Und Sie meinen, die Seite wurde gelöscht?«

»Ja. Aber ich habe mit einem der Fahrer gesprochen, der mal da war. Er sagte mir, es sei ein verdammtes Spukhaus. Er hatte Angst vor seinem eigenen Schatten. Es muss da richtig gruselig gewesen sein.«

»Gruselig?«

»Ich hab gehört, es ist das Haus vom alten Coleridge. Ich glaube, es wird Faerwood genannt oder so ähnlich. Der Fahrer hat gesagt, da spukt es.«

»Wo ist dieses Faerwood?«

»Keine Ahnung.«

Jessica zeigte auf den Monitor. »Kommen Sie ins Internet?«

Rich Gardener schaute auf die Uhr und warf dann einen Blick über die Schulter. »Das dürfen wir eigentlich nicht. Aber da Sie Pete Giovannis Tochter sind ...«

Jessica fand die Information sofort auf einer Wikipedia-Seite. Artemus Coleridge (1866 – 1908) war Ingenieur und technischer Zeichner. Er arbeitete bei der Eisenbahngesellschaft von Pennsylvania. 1908 erhängte er sich an einem Dachbalken in dem großen Haus in Nord-Philadelphia, das er acht Jahre zuvor gebaut hatte – ein viktorianisches Haus mit zweiundzwanzig Zimmern, das den Namen Faerwood trug.

Klicken Sie hier, um ein Foto von Faerwood zu sehen, spottete die Website.

Jessica klickte darauf. Als das Bild erschien, erstarrte ihr das Blut in den Adern.

In diesem Haus war sie schon einmal gewesen.