13
Der eisige Wind heulte um die Steinmauern von Hohenstein und drang durch jeden Spalt und Ritz. Elise schauderte, als die kalte Zugluft die Wärme vertrieb, die von den Feuern in den Kaminen ausging. Trotz des wollenen Umhangs, den sie um die Schultern gelegt hatte, fröstelte sie. Von oben hörte sie Maxims Stimme, die im Kommandoton einen Befehl in den Hof brüllte. Gleich darauf polterten Fitch und Spence unter einem gewaltigen Windstoß durchs Hauptportal herein. Beide hatten sich für den kurzen Weg von den Stallungen in dicke Umhänge gehüllt und sahen nun unter der Schneeschicht aus wie zottige Ungetüme aus dem hohen Norden.
Vor dem Kamin hielten sie inne, um ihre Umhänge abzuwerfen, dann griff Fitch von neuem zur Säge und hob eine Armladung Bretter hoch, während Spence sich an einer Kiste mit Nägeln, Scharnieren und anderem Zubehör zu schaffen machte. Im Vorübergehen grüßte Fitch Elise mit einem hastigen »Guten Morgen, Mistreß« und eilte weiter. Mit ihren Werkzeugen und dem Holz schleppten sich die beiden die Treppe hinauf. Oben erwartete sie Seine Lordschaft, breitbeinig, die Arme in die Hüften gestützt; er sah zur Decke hoch, wo der Sturm die provisorischen Reparaturen zunichte gemacht hatte. Wortlos und ohne den Versuch einer Entschuldigung machten sie sich eilig an die Ausbesserung des Daches, wobei ihnen diesmal Hilfe und Anweisung ihres Burgherren zuteil wurden.
Während die Männer sich oben abmühten, machte sich Elise ans Saubermachen – mit dem Hintergedanken, dies als Vorwand zu benutzen, um in Maxims Schlafzimmer zu gelangen. Sie betätigte sich zunächst in den unteren Räumlichkeiten, fegte, wischte Staub, polierte die Möbel und machte Treppen und Boden sauber. Die Mittagsstunde kam und verging, und als sie es kaum noch erwarten konnte, daß die Männer endlich eine Pause einlegten und die oberen Räume verließen, ging Dietrich mit einem vollen Tablett an ihr vorüber und machte ihren Plan, Maxims Schlafzimmer in seiner Abwesenheit zu betreten, zunichte.
Viel später, als sie Stofffetzen um die Fenster stopfte, um die Zugluft aus ihrer Schlafkammer zu vertreiben, gab sie die Hoffnung auf, die oberen Räume heute noch leer vorzufinden, denn die Arbeiten dauerten den ganzen Nachmittag an. Allmählich wurde es ihr zur Gewissheit, daß sie eine weitere Nacht in Angst und Schrecken vor Maxims Zorn zubringen mußte, wenn es ihr nicht glückte, die stacheligen Disteln aus seinem Bett zu holen.
Nachdem sie die Fenster gründlich abgedichtet hatte, spürte sie immer noch Zugluft durch den Raum streichen. Sie entdeckte, daß die kalte Luft von der Tür herkam, die früher vom großen Wandteppich verdeckt worden war. Ihre Versuche, diese Tür zu öffnen, hatten sich als vergeblich erwiesen, und als sie jetzt erneut an der Tür rüttelte, zeigte sich, daß diese von der anderen Seite fest verriegelt war.
In ihrem Bemühen, den Haupttrakt der Burg wohnlicher zu gestalten, hatte sie auch den Gobelin einer sorgfältigen Reinigung unterzogen. Das schwere Material würde die Tür sicher abdichten, sagte sie sich.
Elise schleppte den eingerollten Gobelin zu der Wand, an der er aufgehängt werden sollte. Sie stieg auf einen Stuhl. Die Hüfte gegen die Wand gestützt, schaffte sie es nach mehreren Versuchen, ein Ende der Haltestange in eine der Halterungen zu schieben. Keuchend und schwitzend hielt sie inne. Dann arbeitete sie sich an der Stange entlang, bis sie das andere Ende fassen konnte, doch sie kam an den über ihr befindlichen zweiten Haken nicht heran.
Sie wischte sich gerade die schweißfeuchte Stirn mit dem Ärmel ab, als sie hinter sich ein gedämpftes Lachen hörte. Trotz ihrer vor Erschöpfung zitternden Arme schaffte sie es, sich so weit umzudrehen, daß sie einen Blick über die Schulter werfen konnte. Maxim, das Hemd lässig bis zur Mitte offen, lehnte im Türrahmen. Ungeniert glitt sein Blick von den so offen zur Schau gestellten Fesseln hinauf zur Rundung ihrer Hüften, die sich unter dem Stoff abzeichneten, weiter zu ihrer schlanken Mitte, bis er schließlich ihrem anklagenden Blick begegnete.
»Die Tür war nur angelehnt«, erklärte er mit gespielter Unschuld. »Ich hörte… die… hm… Kampfgeräusche und befürchtete schon, Euch sei etwas zugestoßen.«
»Irrtum! Also, steht nicht herum, und gafft mich nicht an! Helft mir lieber!« Sie fürchtete jeden Moment, unter der Last zusammenzubrechen.
Sofort war Maxim zur Stelle und stieg hinter ihr auf den Stuhl, um ihr die Haltestange aus der zitternden Hand zu nehmen. Die Stange mit einer Hand haltend, drehte er den Wandhaken mit der anderen in die richtige Stellung. Elise versuchte ihm zu helfen und hob eine Falte des Gobelins an, um das Gewicht zu erleichtern. Dabei kam sie ihm so nahe, daß ihre Körper sich berührten.
Maxim beugte sich vor und trieb mit der Handwurzel den gelockerten Stift des Hakens tiefer in die Wand. Elise wurde ganz heiß, als sie das volle Gewicht seines Körpers hinter sich spürte. Wonneschauer durchbebten sie, fremdartig und zugleich sonderbar erregend. Plötzlich hielt er in seinen Bewegungen inne, und als sie sich umblickte, entdeckte sie, daß seine Augen über ihre Schulter abwärts geglitten waren und ihm einen großzügigen Anblick ihrer Brüste gestatteten. Elise ließ sofort die Arme sinken, stieß ihm wütend mit dem Ellbogen in die Rippen und sprang vom Stuhl.
»Ein geiler Lüstling seid Ihr!« schimpfte sie mit hochroten Wangen. »Bei jeder Bewegung muß man auf der Hut sein! Man kann Euch nicht über den Weg trauen!«
Der Wandhaken hielt, als Maxim die Stange darauf senkte, dann wandte er sich ihr mit einem flüchtigen Lächeln zu und stieg vom Stuhl. Vor sie hintretend, sagte er: »Teure Elise, das ist keine Sache des Vertrauens. Von Annäherungsversuchen kann keine Rede sein, aber was Ihr mir an Einblicken bietet, nehme ich gerne wahr wie alle Männer, wenn sich die Gelegenheit bietet, ein so hübsches und wohlgestaltetes Mädchen zu bewundern.«
»Ihr seid hinter mir her wie ein Hirsch in der Brunft!« stieß Elise hervor. »Was Ihr braucht, ist eine Ehefrau, an der Ihr Eure Lust stillen könnt.«
Um Maxims Mund zuckte es belustigt. »Schlagt Ihr mir eine Ehe vor, holde Maid?«
»Gewiß nicht!« In ihren blauen Augen blitzte es vor Empörung.
Maxim quittierte ihre Antwort mit schallendem Gelächter. »Ihr braucht nur etwas zu sagen, und Eure Wünsche werden erfüllt.«
»Ich sagte kein Wort, daß Ihr mich heiraten sollt!«
»Wenn Euch der Sinn danach steht, dann könnte auch ich mich zu einer Ehe entschließen, da ich durch die Entführung immerhin Euren Ruf kompromittiert habe.«
»Sir, Ihr wäret der allerletzte, dem ich meine Hand zur Ehe reichen würde! Ihr seid… Ihr seid abscheulich!«
Er fuhr beiläufig mit dem Finger den Türrahmen ab. »Aber ich wüsste, wie ich die Frau behandle, mit der ich verheiratet bin.«
»Wie denn?« höhnte Elise. »Indem Ihr sie in Eure Gemächer schleppt und sie nicht mehr hinauslasst? Sie würde ebenso gefangen sein, wie ich es jetzt bin oder wie Arabella es gewiß sein würde!«
»Ich gäbe einen überaus aufmerksamen Ehemann ab«, versicherte er zutraulich. »Und Ihr, holde Elise, müsstet in den langen Winternächten nicht einsam sein.«
»Wollt Ihr damit andeuten, daß ich in einer Ehe mit Nikolaus einsam wäre?«
»Nikolaus wäre ein guter Ehemann… wenn er zu Hause ist…«
»Und Ihr könntet versprechen, immer an meiner Seite zu bleiben?«
»Ein Versprechen wäre anmaßend, doch wenn mich nicht die Pflicht ruft, wäre ich immer und gern an Eurer Seite.«
Elise wandte den Blick ab. Das Leuchten in seinen Augen und die Wärme seiner Worte verwirrten sie. Wie konnte sie glauben, er würde einen liebevollen Ehemann abgeben, wenn sie doch beide wußten, daß er Arabella liebte? Nun ja, ein Mann brauchte eine Frau nicht zu lieben, um sein Vergnügen mit ihr zu haben. Ja, genau das war es, was er von ihr wollte, und nicht mehr.
Als sie sich umdrehte, um ihm die gebührende Antwort zu geben, stellte sie verwundert fest, daß er fort war. Maxim war lautlos verschwunden, und Stille umgab sie. Was war seine Absicht? Wollte er sich nur über sie lustig machen? Sie warf einen anklagenden Blick zur Tür hin. Zweifellos würde es ihm diebisches Vergnügen bereiten, um sie zu werben, um sie dann, sollte sie seiner Werbung nachgeben, wegzuwerfen, wenn er sie satt hatte. Nein, sie würde in diesem Stück nicht die Rolle der Dummen spielen. Das Spiel war um vieles schöner, wenn es zwei Dumme dabei gab.
Dennoch konnte sie nicht leugnen, daß sie beunruhigt war. Noch immer glaubte sie die Wärme seines Körpers zu spüren. Wie hatte Arabella die aufregende Gegenwart dieses Mannes so rasch vergessen und nach seinem vermeintlichen Tod der tölpelhaften Werbung Reland Huxfords nachgeben können? Was für eine Frau war Arabella, daß sie den Verlust dieses Mannes nicht mindestens ein Jahrzehnt betrauert hatte?
Elise hielt sich für den Rest des Tages zurückgezogen in ihrem Gemach auf. Auch zum Abendessen ließ sie sich nicht blicken, da sie so verwirrt war, daß sie der sanften Überredungskunst Maxims nachzugeben fürchtete.
Eine schwache Ausrede, von Spence überbracht, bewirkte, daß der Burgherr gleich darauf höchstpersönlich an ihre Tür pochte. »Spence meldet, daß Ihr Euch nicht wohl fühlt«, ließ sich Maxim vernehmen. »Braucht Ihr einen Arzt?«
»Gott behüte! Lieber sterbe ich, als daß ich mich von einem Quacksalber befingern lasse, der kein Wort von dem versteht, was ich sage.«
Maxim lächelte befriedigt. Zumindest war sie noch so weit bei Kräften, daß sie ihre Scharfzüngigkeit nicht eingebüßt hatte. »Ich werde Dietrich mit einer Kleinigkeit heraufschicken. Soll ich ihn zuerst auf die Suche nach Schierlingswurzeln schicken, damit wir sie für Euch zubereiten können, Mylady?«
»Jawohl, dies und mehr!« tobte Elise völlig außer sich. »Befühlt Eure Ohren, Mylord! Sind sie schon länger geworden? Befühlt Eure Nase! Ist sie lang und haarig? Wachsen an Händen und Füßen Hufe, wächst Euch ein Eselsschweif? Eine Hexe, fürwahr! Wäre ich eine Hexe, hättet Ihr längst den Verstand eines Esels! Macht, daß Ihr davonkommt, Ihr Monstrum!«
»Jetzt weiß ich sicher, holde Elise, daß Ihr Euch wieder guter Laune und Gesundheit erfreut«, sagte er sanft und ging.
»Ich, eine Hexe!« schimpfte sie weiter vor sich hin, als sie sich in ihre Decken wickelte. »Es geschieht ihm ganz recht, wenn er sich heute nacht auf die Disteln legt!«
Sie verbrachte eine unruhige Nacht. Der Sturm toste um die Burg, und ihre Gedanken kreisten unablässig um Maxim – um seine Berührungen und um seine Wut, die sicher nicht mehr lange auf sich warten ließ.
Der Morgen kam, und wieder lauschte Elise lange und angestrengt nach Schritten auf der Treppe, ehe sie vorsichtig die Tür öffnete und sich hinauswagte. Ihre Überraschung war groß, als sie auf den Gang hinaustrat und Maxim an der Wand unweit der Stiege lehnte, ganz so, als hätte er sie erwartet.
Sofort verlangsamte sie ihre Schritte und beäugte ihn voller Misstrauen. Jeden Moment gewärtig, für ihre Missetat zur Rechenschaft gezogen zu werden, berührte es sie um so merkwürdiger, als er ihr lächelnd entgegensah.
»Was für ein Jammer.« Er seufzte und schüttelte mitfühlend den Kopf. »Daß Ihr erkrankt seid, meine ich.«
Elise wich seinem Blick aus. »Mir geht es wieder besser.«
»Seid Ihr sicher?« Er trat auf sie zu, schob den Zeigefinger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht, um ihre Gesichtsfarbe zu begutachten. »Hoffentlich hat der Sturm nicht Euren Schlaf gestört.«
»Ja, ein wenig schon«, antwortete sie zurückhaltend. »Und Ihr… habt Ihr gut geschlafen, Sir?«
»Leider nein. Nachdem die Reparatur an meinem Dach beendet war, legte Fitch soviel Holz auf mein Feuer, daß es mir zu heiß wurde. Ich nahm meine Decke und schlief in der Halle. Ich möchte wetten, der Bursche hat den ganzen Wald verfeuert.«
Elise atmete auf. Wieder blieb ihr eine Gnadenfrist. Vielleicht ergab sich im Laufe des Tages doch noch eine Gelegenheit, die Disteln zu entfernen, ehe er sie entdeckte. »Sicher wollte Fitch nur gefällig sein«, meinte sie wenig überzeugend. »Hin und wieder neigt er zur Übertreibung.«
»Ja, wie wahr. Der Mann meint es gut, aber ich muß mich vorsehen und künftig meine Tür versperren, damit er nicht noch einmal irgendwelchen Unfug treibt.«
Elises Hoffnung zerstob jäh, doch sie faßte sich rasch und sagte: »Ich wollte eigentlich bei Euch oben saubermachen. Nach den Reparaturen ist das sicher dringend nötig.«
»Fitch hat gestern noch alles aufgeräumt, also könnt Ihr Euch die Mühe sparen.«
»Von Mühe kann nicht die Rede sein.«
»Dennoch kann ich es nicht zulassen. Ihr wart krank, und ich möchte nicht, daß Ihr einen Rückfall bekommt.«
Es war aussichtslos. Im Moment mußte sie sich geschlagen geben.
In den nächsten Tagen freilich wuchs ihr Argwohn immer mehr, da kein Mensch tatsächlich so viele glaubwürdige Vorwände haben konnte, das Bett zu meiden, wie Maxim Seymour. Viel wahrscheinlicher war es, daß er sich mit seiner Vergeltung Zeit ließ, bis sich eine günstige Gelegenheit bot.
Der Sturm toste ohne Unterlass um die kalten Steinmauern, heftige Böen fegten den Schnee in hohen Bögen von den Mauerkronen. Im Hof wurden schmale Pfade nur dort freigeschaufelt, wo es unbedingt nötig war.
Am vierten Tag begab sie sich in Vorahnung einer neuerlichen Ausflucht Maxims hinunter in die Halle. Sie hörte sich seine neuerliche Erklärung mit süß-mitfühlendem Lächeln an und antwortete dann: »Wie schade, daß Ihr diese Woche so wenig von Eurem Bett Gebrauch machen konntet. So wie Ihr den Strohsack meidet, möchte man meinen, Ihr habt eine Abneigung gegen das Bett entwickelt.«
»Gewiß, in letzter Zeit habe ich im Bett wenig Ruhe gefunden«, gab er ihr gedankenvoll recht.
»Ja, ja, das Eingesperrtsein kostet Nerven«, erwiderte sie. »Und dann dieses Wetter… sicher wird der Kapitän heute nicht wie beabsichtigt kommen.« Aus ihren Worten war kaum Enttäuschung herauszuhören.
»Im Gegenteil, Nikolaus wird kommen«, widersprach Maxim entschieden. Er ging zur Eingangstür und riß sie auf, um das Wetter zu begutachten. Die bleigrauen Wolken hingen tief, doch der Wind hatte sich abgeschwächt. Maxim schloß die Tür und kehrte zum Kamin zurück, um seine Hände ans Feuer zu halten. »Ihr könnt sicher sein, daß Nikolaus schon unterwegs ist.«
»Wieso seid Ihr so überzeugt von seiner Ankunft?« Elise war mehr als skeptisch, da die Wege verschneit waren und der Nordwind Kälte mit sich gebracht hatte. »Sicher wird er sich bei diesem Wetter nicht hinauswagen. Überdies könnte der Sturm jeden Moment wieder aufleben.«
Maxim trat an den Tisch und stellte den Fuß auf die Bank. Einen Ellbogen stützte er auf das abgewinkelte Knie und legte sein Kinn in die Hand. In seinen Augen funkelte es spitzbübisch. »Jede Wette, daß Nikolaus eintrifft, ehe es Mittag wird. Ich wette um eine Nacht in meinem Bett…«
Elise gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. Sie hatte verstanden. »Ich beuge mich Eurem Urteil«, unterbrach sie ihn. »Und jetzt ist höchste Eile geboten, weil ich mich noch zurechtmachen muß.« Sie drehte sich geschmeidig auf dem Absatz herum und rief: »Fitch! Spence! Ich möchte schleunigst baden. Schafft heißes Wasser hinauf… und kaltes zum Aufheizen. Schnell!« Dann eilte sie nach oben.
Eilfertig schöpften die beiden aus dem über dem Herd hängenden Kessel Wasser, um es in das Gemach der Dame hinaufzuschleppen. Als Spence mit einem Joch über den Schultern und zwei Eimern kalten Wassers durch die Halle keuchte, umspielte ein boshaftes Lächeln die Lippen Maxims, und er wies Fitch an, noch einen Eimer voll vom Brunnen zu holen, eine Anordnung, die diesen in Erstaunen versetzte, da er wußte, daß sein Herr an diesem Morgen bereits sein Bad genommen hatte.
Nachdem sämtliche Vorbereitungen getroffen waren, wurde der Riegel im Gemach der Dame vorgeschoben. Die Diener registrierten erstaunt, daß Maxim den letzten vollgefüllten Eimer hochhob und damit verstohlen die Treppe hinaufschlich.
»Dieser gerissene Kerl«, murmelte Elise mißmutig vor sich hin, während sie tiefer in die Kupferwanne rutschte. »Er hält mich zum Narren, um mich dann im günstigsten Augenblick um so gemeiner hereinzulegen.«
Sie beugte sich vor und genoß das warme Wasser um ihren Körper. Sie rückte den Haarknoten zurecht und fing an, Nacken und Schultern mit einer duftenden Seife, die sie in Hamburg erstanden hatte, einzuseifen. Dann legte sie sich wieder zurück und ließ mit geschlossenen Augen Duft und Wärme auf sich einwirken.
Es war eine herrliche Erquickung, doch da…
Ein eiskalter Tropfen fiel auf ihre Brust, so daß sie überrascht nach Luft schnappte. Sie riß die Augen auf und sah vor sich den Boden eines Holzeimers, an dessen Rand ein neuer Tropfen hing. Erschrocken schnellte sie hoch, ohne Rücksicht darauf, daß hinter dem Eimer Maxims lächelndes Gesicht zum Vorschein kam.
Ihr war sofort klar, was er vorhatte. Sie schrie auf und hielt sich in Erwartung des eisigen Schwalls die Arme abwehrend über den Kopf. Sie wartete… und wartete…
Als sie zaghaft wieder die Augen öffnete, sah sie, daß er den Eimer gesenkt hatte und auf die Wasserfläche starrte. Das seifige Wasser war so durchsichtig, daß er alles sehen konnte, was er zu sehen wünschte.
Sie verschränkte die Arme und bedachte ihn mit einem Blick höchster Empörung. »Nun, was ist?« fuhr sie ihn an. »Seid Ihr gekommen, um zu gaffen oder um Euch zu rächen?«
Seine Zähne blitzten in einem spöttischen Lächeln auf. »Holde Elise, leider verblüht auch die süßeste Blume der Rache und nimmt einen bitteren Beigeschmack an. Eine so überwältigende Schönheit darf nicht leichtfertig missbraucht werden und verdient Schonung… Die Gelegenheit ist für mich Belohnung genug. Ich habe die Disteln entfernt und verbrannt.«
»Oooooh!« Sein spottgeladenes Mitgefühl war schlimmer als ein eisiger Wasserschwall. Ihre Hand tastete nach der Seife. »Ein gaffender Lüstling seid Ihr! Wie könnt Ihr es wagen, mich beim Baden zu stören!«
Maxim lachte über ihren Ausbruch und konterte mit Humor: »Das Bad einer Lady ist so heilig wie das Bett eines Mannes. Mir scheint, die Strafe ist des Vergehens würdig.«
Mit einem Wutschrei umklammerte sie die Seife und hob den Arm. Immer noch lachend, winkte Maxim ihr zum Abschied zu, ehe er mit einem Satz an der Tür war, den Stuhl beiseite stieß und den Riegel zurückschob. Er duckte sich gerade noch rechtzeitig, um ihrem Wurf auszuweichen, doch als er sich umblickte, erhaschte er einen Blick auf die erzürnte Elise und eine verlockend entblößte Brust.
»Sollte das Bad zu heiß sein, meine Schöne, dann bedient Euch des Eimers«, scherzte er und warf ihr eine Kusshand zu. Dann war er draußen.
Elise ließ sich so heftig ins Wasser zurücksinken, daß es über den Wannenrand zu schwappen drohte. Zähneknirschend machte sie ihrem Groll Luft und bedachte Maxim mit wenig schmeichelhaften Worten. Allmählich beruhigte sie sich so weit, daß sie aufstehen und sich abtrocknen konnte. Dabei fiel ihr ein, daß Maxim den Riegel von innen geöffnet hatte, bevor er sich empfahl.
Sie sah zum Gobelin und der dahinter verborgenen Tür hin. Dieser hinterlistige Schuft! Sie hätte besser aufpassen müssen!