Kapitel 10
Colby sah den Hunger in Rafaels Augen, der wie eine lodernde Flamme zum Leben erwachte. Mit fast hilfloser Faszination beobachtete sie, wie die Eckzähne in seinem schönen Mund lang und spitz wurden und weiß aufblitzten, als er sich langsam über sie neigte. Während seine Zähne leicht über ihren Puls strichen, drängte er seine Hüften so hart an Colby, dass sie nach Luft schnappte. Ihr Herz machte einen Satz, und ihre Muskeln schlossen sich krampfhaft um ihn. Ihre Atmung schien auszusetzen und ihr Körper in Flammen aufzugehen.
Seine Zähne senkten sich in ihr Fleisch, und glühend heißer Schmerz – oder war es Lust? – durchzuckte ihren Körper wie ein Peitschenschlag, schärfte ihre Sinne und wirkte so erotisch, dass sie glaubte, ihr Körper würde in winzige Teile zerbrechen. Rafaels Haare streichelten ihre Haut wie seidene Zungen, während er sie so wild und leidenschaftlich nahm, dass ihr Tränen aus den Augen liefen und sie sich nicht mehr rühren konnte.
In diesem Augenblick war er alles für sie; er gehörte ihr, mit Körper und Geist, Herz und Seele. Colby nahm ihn an, wie niemand sonst es vermocht hätte. Sie akzeptierte das Wilde, Ungezähmte an ihm, das Raubtier, den Mann mit der dünnen Schicht Zivilisation, das Geschöpf der Nacht, das zum Überleben Blut brauchte. Und er akzeptierte sie, ihr Wesen, das von ihr forderte, für ihre Geschwister zu sorgen und die Verantwortung für die Ranch zu übernehmen. Er akzeptierte ihre ungewöhnlichen Gaben wie Telekinese, die Vorfälle in ihrer Jugend und die strenge Kontrolle, die sie sich selbst auferlegte. Es war eine vollständige, bedingungslose Akzeptanz.
Seine Zunge huschte über die winzigen Bisswunden, dann legte er seinen Mund auf ihren, um ihren Geschmack auszukosten und ihr sein Verlangen mitzuteilen. Jetzt begannen die Flammen, unkontrolliert zu lodern, über ihnen und durch sie hindurch. Als Rafael spürte, wie Colby sich aufbäumte, stieß er einen heiseren Schrei aus und packte sie mit beiden Händen, als sie ihn an einen Ort mitriss, wo es keine Selbstbeherrschung mehr gab, keine Vernunft, nur Ekstase.
Colby lag regungslos unter ihm. Sie nahm das Schlagen ihrer Herzen wahr, die in einem Rhythmus pochten. Den dichten Grasteppich unter ihr, der vorher nicht da gewesen war. Die Sterne, die wie ein Baldachin aus Edelsteinen über ihnen funkelten. Rafaels harten Körper, der immer noch mit ihrem vereint war. Sie konnte sich nicht bewegen, war so gesättigt und so vollständig jeder Kraft beraubt, dass sie mitten im Sturm ihres gemeinsamen Höhepunkts Ruhe fand. Colby war trotz des atemberaubenden Liebesakts und der Enthüllungen, die Rafael so beiläufig gemacht hatte, gelöst und entspannt.
Es war Rafael, der sich zuerst bewegte, indem er aus ihr hinausglitt und sein Gewicht von ihr nahm. Seine Hände rahmten ihr Gesicht ein und hielten es fest, während er seinen dunklen Kopf zu ihr neigte und sie zärtlich küsste. Sie schmeckte den erwachenden Hunger in ihm. Ein schwaches Lächeln spielte um ihren weichen Mund. »Weg mit dir, bevor du mich umbringst.«
»Noch einmal«, sagte Rafael leise. Es war eine Forderung, ein Befehl. Das Bedürfnis, sie in seine Welt zu holen, war ein lebendes, atmendes Monster in seinem Inneren. Er wollte, dass sie ihn akzeptierte, doch wenn sie es nicht tat, wenn Überredung zu nichts führte, würde er sich nehmen, was ihm gehörte, und zum Teufel mit den Konsequenzen! »Ich will dich.«
Colby wand sich aus seinem Griff, drehte sich um und stemmte sich im weichen Gras auf ihre Hände und Knie, um sich aufzurappeln. »Du bringst mich um. Ich kann nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr bewegen.« Ihr Körper wurde immer noch von Nachwehen erschüttert, ihre Brüste schmerzten, und ihr Mund war geschwollen von seinen Küssen.
Er bewegte sich blitzschnell, wie eine große Raubkatze, die ihre Beute erlegt. Sein Körper drückte sich an ihren, sein Arm schlang sich um ihre Taille und zog ihre Hüften eng an sich. Ihre straffen Pobacken pressten sich an seinen Penis, sodass er noch härter wurde. »Ich werde nie genug von dir bekommen, in all den langen Jahrhunderten nicht, die vor uns liegen.« Er beugte sich über ihren Nacken und zog einen Pfad von Küssen an ihrem Rückgrat hinunter. »Das hier ist für alle Zeit, querida, spürst du das? Spürst du, wie gut und richtig es ist? Wie perfekt wir zusammenpassen?« Rafael schloss die Augen und drang langsam, Zentimeter für Zentimeter, in sie ein. Es faszinierte ihn, wie eng und heiß sie war, wie zart ihre Muskeln. Und doch waren sie so fest, wenn sie ihn gepackt hielten.
Colby gab sich ihm rückhaltlos hin, ohne Hemmungen, ohne sich Gedanken zu machen. Es war unmöglich, zu denken, wenn es nur Raum für reine Gefühle gab. Ihr Körper führte ein Eigenleben und bewegte sich in einem Rhythmus mit Rafaels, während Blitze zuckten und elektrische Funken sprühten. Zum ersten Mal in ihrem Leben gab sie jede Selbstbeherrschung auf; sie gab sich selbst auf, indem sie alles, was sie war, in Rafael fließen ließ. Colby spürte, wie sich ihr Körper um ihn verkrampfte, bevor er von einem erschütternden Höhepunkt erfasst wurde. Der einzige sichere Halt waren Rafaels Arme, die sie hielten, als sein Körper und seine Seele zusammen mit ihr aufstiegen.
Völlig erschöpft und unfähig, sich zu bewegen, fiel Colby nach vorn, die Finger im Gras. »Da du sehr, sehr alt bist, kann das unmöglich gut für deine Gesundheit sein.« Sie wandte leicht den Kopf, um ihn anzuschauen. Ihre Augen tanzten vor Lachen. »Ist schon jemals ein Todesfall aufgrund von übermäßigem Sex verzeichnet worden?«
Er lag über ihr, sein Kopf neben ihrem. Seine schwarzen Augen schimmerten warm vor Erheiterung. »Ich glaube nicht, dass ich mich an einen derartigen Vorfall erinnern kann, doch wenn du willst, können wir es gern versuchen.«
Ihre Wimpern flatterten. »Ich kann mich nicht rühren. Ich glaube, ich bleibe einfach hier in diesem nicht existierenden Gras liegen, das übrigens ziemlich toll ist. Kannst du meinen Vorderrasen, diesen hässlichen braunen Streifen Erde, nicht in so etwas verwandeln?« Sie klopfte mit den Händen auf das Gras.
Er küsste ihre Schulter, während er es auskostete, ihren zierlichen, weichen Körper unter seinem zu spüren, ihre straffen Hüften und ihre schmale Taille. Er hätte für immer und ewig so daliegen können. »Ich kann für dich die Erde bewegen oder Regen bringen, wenn du es brauchst.«
»Lass uns zuerst das Heu einfahren«, sagte Colby praktisch. Sie drehte sich zu ihm um. »Was bist du, Rafael? Ein Vampir?«
Er verlagerte sein Gewicht, um sich neben sie zu legen und sie in seine Arme zu nehmen. In ihr war keine Furcht zu entdecken. Rafael hatte ihr bewusst erlaubt, ihn mit seiner wahren Raubtiernatur zu sehen, aber sie hatte trotzdem keine Angst vor dem, was er sein könnte. Er strich mit seinen Lippen über ihren Hals. »Ich bin keiner von den Untoten, Colby. Ich bin Karpatianer, und wenn ich erst einmal vollständig an dich gebunden bin, besteht keine Chance mehr, dass ich zu einem so furchtbaren Wesen werden kann.«
»Du glaubst, du könntest ein richtiger Vampir werden?« Sie öffnete die Augen noch weiter, um sein Gesicht forschend zu betrachten.
»Es gibt diese Monster. Die Männer unserer Art können zu Vampiren werden und Jagd auf Menschen und sogar unsere eigene Spezies machen. Sie sind durch und durch schlecht und müssen zerstört werden. Wir haben in jedem Land Jäger.« Seine Hand ertastete ihren Po und begann eine langsame, zärtliche Massage. Er brauchte es einfach, sie zu berühren, wenn er ihr von seiner Welt erzählte. »Irgendwo hier in der Gegend ist ein Vampir. Ich habe die Untoten mein Leben lang gejagt, und ich spüre seine Nähe. Sie sind zu Morden und anderen grauenhaften Verbrechen fähig.«
»Pete?« Sie hielt den Atem an und wartete. Wenn sie nicht gesehen hätte, wie Rafaels Eckzähne länger geworden waren, wenn sie nicht seine Gedanken gesehen hätte, würde sie glauben, dass sie beide den Verstand verloren hatten.
Er neigte seinen Kopf und knabberte an ihrem zarten Fleisch, sodass sie unter seinen scharfen Zähnen zusammenzuckte. »Nein, Pete nicht. Ein Vampir hätte ihn ... anders getötet. Aber dieser Vampir führt irgendetwas im Schilde. Mein Bruder Nicolas ist viel zu nahe davor, auf die dunkle Seite überzuwechseln, als dass ich ihm erlauben könnte, sich an der Jagd zu beteiligen. Er muss in den Regenwald zurück, zu meinen anderen Brüdern, wo wir ihm alle zusammen beistehen können.«
»Was meinst du mit der dunklen Seite? Dass er zu einem Vampir werden könnte? Und warum ist er knapp davor?« Die Erinnerung an Nicolas, an seine kalten Augen und erbarmungslose Miene, trat unwillkürlich vor Colbys geistiges Auge. In diesem Moment wusste sie, dass Nicolas De La Cruz so nahe daran war, zu einer Tötungsmaschine zu werden, wie sich nur vorstellen ließ. Das Herz klopfte ihr angstvoll in der Brust. Sie hatte an Rafaels Bewusstsein gerührt, und sehr viel an ihm war genauso wie bei seinem Bruder.
»Colby«, sagte Rafael sanft, »ich erzähle dir diese Dinge, um deine Ängste zu beschwichtigen, nicht um sie zu vergrößern. Nach zweihundert Jahren verlieren unsere Männer die Fähigkeit, Gefühle zu haben und Farben zu sehen. Wir existieren, doch wir leben nicht. Ich wurde ausgesandt, um Vampire zu töten, aber mit jeder Tötung zieht uns die Dunkelheit stärker an. Wenn wir beim Töten Blut trinken, fühlen wir etwas. Für jemanden, der Gefühle hat, ist das nicht viel, doch wenn du Jahrhundert auf Jahrhundert nichts empfindest, ist es für dich alles. Ich will nicht, dass Nicolas einen Vampir töten muss.«
»Wie ist es mit dir, Rafael?«
»Du bist mein Halt. Du wirst verhindern, dass ich der Dunkelheit zum Opfer falle. Für mich ist es viel ungefährlicher als für Nicolas.« Er lehnte sich über sie. »Warum glaubst du mir das alles so bereitwillig? Wie kannst du die Dinge, die ich dir erzähle, so furchtlos akzeptieren?«
»Weil ich dir ganz nah war, Rafael. Ich war in deinem Bewusstsein und habe deine Erinnerungen gesehen. Etwas derart Wichtiges kannst du nicht vor mir verbergen. Zugegeben, ich habe nicht alles begriffen, was ich in dir gesehen habe, doch du tötest keine Menschen. Und du hast sehr viel Macht – sehr viel mehr als ich.« Sie legte ihren Kopf auf ihre Arme. »In gewisser Weise ist es tröstlich.« Seine Hände zu fühlen, die sanft ihre Muskeln massierten und ihren köstlich wunden Körper liebkosten, wirkte beruhigend und gleichzeitig erregend. Aber sie war zu entspannt und gesättigt, um sich darum zu kümmern.
Ohne einen Faden am Leib unter den Sternen zu liegen, Spuren von Rafaels Fingern auf ihrer Haut und Zeichen seiner Besitznahme überall an ihrem Körper zu tragen, verschaffte ihr ein Gefühl ungeheurer Befriedigung. Sie konnte den eindringlichen Blick seiner Augen spüren, das Feuer, das die furchtbare Leere in ihrem Inneren füllte. Einen Moment lang dachte sie daran, wie ihr Leben aussehen würde, wenn er ging, um in sein eigenes Land zurückzukehren, und ihr Herz hörte fast auf zu schlagen. Sie wurde ganz still. Diese Nacht würde ihr für immer genügen müssen.
Seine Hand vergrub sich in ihrem Haar. »Heute Nacht möchte ich dir meine Welt zeigen, damit du verstehst, warum ich keine andere Wahl habe, als das zu tun, was ich tun muss.«
Sein Ton warnte sie. Seine Stimme war samtweich, aber mit Stahl unterlegt und unerbittlich.
»Warum habe ich das Gefühl, dass mir das nicht gefallen wird?« Sie zwang sich dazu, sich umzudrehen, um die Sterne zu betrachten, die über ihnen am Himmel funkelten. Als seine Hand nach ihrer langte, verschlang sie ihre Finger mit seinen. »Du kannst nicht in der Sonne sein, stimmt's, Rafael? Deshalb waren die Brüder Chevez heute Morgen so besorgt um dich, als du hier warst, um bei dem Brand zu helfen – die Sonne war aufgegangen.« Sie schmiegte sich an ihn und strich mit ihren Lippen über seine Schulter. »Du hast gelitten, um bei mir bleiben und mich trösten zu können, nicht wahr?«
»Ich musste bei dir sein, Colby.« Seine Stimme war rau und berührte sie genauso tief in ihrem Inneren, wie es sein Körper getan hatte. »Ich kann es nicht ertragen, dich unglücklich zu sehen. Und wenn du in Gefahr bist, kann ich nicht anders, als für deine Sicherheit sorgen. Schmerz ist ein Teil des Lebens; das lernt man, wenn man jahrhundertelang auf der Welt ist. Schmerzen gehen vorbei, aber jeden Augenblick eines trostlosen Daseins zu überstehen, ist unerträglich. Ich kann nicht dorthin zurück. Ich war näher daran, zum Vampir zu werden, als mir klar war. Ich weiß es, weil ich es jetzt in meinem Bruder Nicolas fühle. Du hast die Dunkelheit in ihm gespürt, als er in deiner Nähe war. Er hat dir Angst eingejagt – ich habe deine Erinnerungen an eure Begegnung gesehen.«
Er sagte ihr mehr, als sie hören oder verstehen konnte, das wusste Colby. Sie rührte nicht an sein Bewusstsein, sondern überließ es ihrem Verstand, die Informationen Stück für Stück zu verarbeiten. Colby wollte keine Angst vor ihm haben, nicht jetzt, wenn ihr Körper von tausend Empfindungen erschüttert wurde, wenn sie gelöster und glücklicher als je zuvor in ihrem Leben war. »Falls ich es nie wieder sage, Rafael: Danke für diese Nacht. Danke, dass du dir Sorgen um uns machst und uns Geld leihst, um die Ranch zu retten. Und danke, dass du mich so akzeptierst, wie ich bin, und mir das Gefühl gibst, vollständig angenommen zu werden.«
»Das klingt, als wolltest du mir Lebewohl sagen, Colby.« Seine Stimme war sanft. »Hast du dich noch nicht gefragt, warum die Sonne auf deiner Haut brennt? Weshalb deine Augen so empfindlich sind? Warum du mitten am Tag schlafen musst?«
Colby setzte sich und legte ihre Hand auf das dunkle Mal, mit dem Rafael sie gezeichnet hatte. Sie konnte ihr Herz in der Stille der Nacht laut schlagen hören. Was er sagte, hörte sich so an, als würde sie zu einem Wesen wie er werden. »Das könnte davon kommen, dass du mein Blut genommen hast?
Willst du mir das damit klarmachen?« Sie unterdrückte die Panik, die in ihr aufstieg, und zwang sich, ruhig zu bleiben. Es war etwas Schreckliches an der Art, wie seine dunklen Augen über ihren Körper glitten. Sie schaute sich nach ihren Sachen um, weil sie sich auf einmal sehr verletzlich fühlte.
»Dein Blut zu nehmen würde nicht diese Wirkung auf dich haben. Wir existieren vom Blut anderer. Die Frauen, von denen du glaubst, dass ich mit ihnen schlafe, sind für mich nur als Beute von Interesse.« Er beschönigte es nicht und beobachtete scharf, wie sie darauf reagierte. »Wenn du in meinem Bewusstsein warst, musst du wissen, dass ich mir meine Nahrung von Menschen nehme.«
Colby, die sich bedrohter denn je fühlte, langte nach ihrem Hemd. Rafael packte sie am Handgelenk und hielt sie fest. Sein Blick war sehr direkt und sehr dunkel, als er brütend über ihr Gesicht glitt. »Du gehörst zu mir, Colby. Das hat diese Nacht uns beiden bewiesen.«
In seinem Griff lag ungeheure Kraft, aber schlimmer als das war das Gefühl von Unterdrückung, als wäre sie eine Gefangene, nicht eine Liebende. Colby kämpfte die Angst nieder, die ihr die Kehle zuschnürte. »Lass mich los!«
»Gerade eben hast du mir noch für diese Nacht gedankt, jetzt fürchtest du mich.«
»Ich habe Grund, dich zu fürchten«, gab sie zurück und wartete darauf, dass er es leugnete.
Sein Blick ruhte unverwandt auf ihrem Gesicht. »Das wusstest du schon bei unserer ersten Begegnung, aber es hat dich nicht daran gehindert, mich zu begehren. Hast du dich je gefragt, warum das so war?«
Colby machte den Fehler, sich zur Wehr zu setzen. Den Grund konnte sie sich selbst nicht erklären. Rafael war der Typ Mann, der auf Gegenwehr aggressiv reagierte, und er war viel stärker als sie. Sie fand sich auf der dichten Grasmatte liegend wieder; sie starrte in seine wie aus Stein gemeißelten Züge. Colby hätte schwören können, ein leises Grollen in seiner Kehle zu hören und Funken aus seinen Augen sprühen zu sehen.
»Tu das nicht!«, zischte er. Er legte eine Hand um ihren Hals und neigte langsam den Kopf, um einen Kuss auf ihren Mundwinkel zu pressen. »Ich würde dir nie etwas antun, Colby. Nie. Ich bin nicht imstande, dir etwas anzutun.«
Sie holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen. Dabei zwang sie sich, nicht in Panik zu geraten. »Ich habe dich akzeptiert, Rafael, alles an dir. Was du bist und was dich ausmacht. Warum jagst du mir jetzt bewusst Angst ein? Was willst du noch von mir? Glaubst du, ich lege mich mit jedem Mann, der daherkommt, ins Heu? Ich habe mit dir Sachen gemacht, an die ich vorher nicht einmal gedacht habe und die ich einem anderen nie erlauben würde. Ich habe sogar zugelassen, dass du mein Blut nimmst. Ich habe zugesehen, wie deine Eckzähne länger wurden und sich in mein Fleisch bohrten.«
Er legte seinen Mund auf das Mal an ihrem Hals und ließ seine Zunge darüberkreisen. »Und es war erotisch, oder nicht?« Er beugte sich über das andere Mal auf ihrer Brust. »Ich will alles von dir. Du gibst mir nur einen Teil von dir, und ich weigere mich, das zu akzeptieren.«
»Es ist alles, was ich dir zu geben habe. Es tut mir leid, wenn es dir nicht genügt, aber du hast gewusst, dass ich Verpflichtungen habe. Pauls und Ginnys Zukunft würde ich für nichts auf der Welt eintauschen. Das habe ich dir gesagt.«
Seine Zunge huschte über das Mal, bevor er den Kopf hob und sie aus glitzernden, schwarzen Augen ansah. »Und was, glaubst du, würde ein Vampir mit Paul und Ginny machen ?«
Aus irgendeinem Grund tauchte wie von selbst die Erinnerung an das Bergwerk auf, in das sie mit einem lebenden, atmenden Monster eingesperrt gewesen war. Es war genauso gefangen gewesen wie sie, verschüttet unter all dem Geröll, aber es hatte sich durch die Erde zu ihr durchgewühlt. Sie erinnerte sich an das Zischen und Gurgeln, an Augen, die in der Finsternis der Mine dämonisch geglüht hatten. Der Gestank war bestialisch gewesen, und etwas Böses hatte den Minenschacht erfüllt, so intensiv, dass ihr schlecht geworden war. Ohne es zu wollen, hatte sie dieses Wesen mit Feuer vertrieben. Durch ihre panische Angst waren Flammen entstanden, die über seinen Körper gerast waren, sodass es entsetzliche Schreie ausgestoßen hatte. Immer noch wachte sie schweißgebadet aus Albträumen auf und hörte das Echo dieser Schreie. War es ein Vampir gewesen? Könnte sie in ihrer Jugend auf einen gestoßen sein? Ginny und Paul würden die Begegnung mit einem solchen Geschöpf nicht überleben.
»Ich werde sie beschützen«, stieß sie inbrünstig hervor. »Vor dir, deinem Bruder, den Brüdern Chevez und notfalls auch vor einem Vampir. Lass mich aufstehen, Rafael. Ich meine es ernst.«
Er rührte sich nicht. Seine breiten Schultern versperrten den Blick auf den Himmel, und seine starken Muskeln rieben sich an ihrer Haut und ließen jeden Nerv in ihrem Körper zum Leben erwachen. Seine Augen wurden wenn möglich noch dunkler, und ihr stockte der Atem. »Du kannst die Augen nicht vor dem, was zwischen uns ist, verschließen. Ich habe dir gesagt, dass ich alles von dir will, und ich habe es so gemeint. Wenn ich dich jetzt küsse und deinen Körper nehme, würdest du es zulassen, obwohl du Angst hast und böse auf mich bist. Weil du mich willst und brauchst.« Er beugte sich so nahe zu ihr, dass sein Atem ihren Mund streifte. »Du bist ohne mich nicht vollständig. Deshalb überlässt du mir deinen Körper, Colby. Das ist der einzige Grund. Du brauchst mich. Du willst, dass es nur Sex ist, doch das ist nicht genug und wird es nie sein.«
»Was dann?« Sie stellte ihm die Frage ganz ruhig, und in ihrem trotzigen Blick war nichts von Kapitulation zu erkennen. Sie würde die Kinder nicht für ihr eigenes Leben aufgeben. Was er auch verlangte, der Preis war zu hoch.
»Ich werde dich voll und ganz in meine Welt holen.«
Das hätte sie erwarten müssen. Sie hatte kurz überlegt, ob er sie fragen würde, aber die unerbittliche, entschlossene Art, wie er es sagte, war beängstigend. Die Worte laut ausgesprochen zu hören war ganz anders, als sich in Gedanken damit zu beschäftigen. Einen Moment lang war sie wie gelähmt und lag wie ein Opfer unter ihm. Ihr Körper hatte sie schon längst verraten und schmiegte sich weich in Rafaels Hände, obwohl er sie praktisch gefangen hielt.
»Was hast du mit mir gemacht?« Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Er könnte sie hier und jetzt nehmen, und obwohl sie Angst hatte und ihr vor Kummer das Herz brach, würde sie es genießen. »Das ist nicht Liebe, Rafael. Ganz gleich, was du denkst, das ist nicht Liebe.«
»Für mich ist es Liebe.« Seine Hände glitten über ihre nackte Haut, zogen ihre Kurven nach und testeten ihre Reaktion auf ihn. »Du hast meinen Körper und meine Seele. Du hast alles von mir. Ich werde mich nicht mit weniger zufriedengeben.«
»Was hast du getan?«, fragte sie, wild entschlossen, nicht hysterisch zu werden.
»Um eine menschliche Gefährtin vollständig in unsere Welt zu bringen, ist ein dreimaliger Blutaustausch erforderlich. Die Frau muss übernatürliche Fähigkeiten haben, was auf dich zutrifft.«
Sie starrte ihn entsetzt an. »Du hast Blut mit mir getauscht?«
»Natürlich. Du bist meine Gefährtin des Lebens. Das gehört dazu. Mein Blut fließt in deinen Adern, so wie dein Blut in meinen fließt.«
Sie schloss kurz die Augen, um ihn nicht sehen zu müssen. »Du hast mir dein Blut gegeben?« Es war ein Wispern, vielleicht ein Flehen. Sie wollte nicht, dass es so war, aber in der Sonne hatten ihre Augen getränt, und ihre Haut hatte gebrannt. Und sie brauchte es, ständig geistig mit Rafael verbunden zu sein. »Verdammt, Rafael, du hattest kein Recht, das zu tun! Du weißt, dass ich eine Ranch bewirtschaften muss. Du hast kein Recht, einsame Entscheidungen zu treffen, was mich angeht. Egal, was du bist, ich habe Rechte, und du hast sie mit Füßen getreten. Wie oft? Wie oft hast du das getan?«
»Beurteile mich nicht nach deinem menschlichen Ermessen, Colby.«
Sie trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. »Verschwinde, verdammt noch mal! Verschwinde, oder ich schreie so lange, bis mich irgendjemand hört und kommt!« Sie war wütend, und ihre Wut war stärker als ihre Angst vor ihm.
»Glaubst du, ich erlaube, dass man dich mir wegnimmt? Ich bin mehr Tier als Mann. Mehr Monster als Wächter. Ich bin zu Dingen fähig, die du dir nicht einmal annähernd vorstellen kannst.«
»Und du denkst, damit kannst du bei mir punkten?« Wieder stieß sie mit den Fäusten gegen seine Brust. »Geh weg!«
Er beugte sich über ihren Mund. Colby warf den Kopf zur Seite und biss ihn fest in die Schulter. Sofort flammte Hitze zwischen ihnen auf, und Feuer raste durch ihren Körper. Es war pervers und machte sie wahnsinnig wütend. Sie wollte das nicht! Rafael küsste sich von ihrem Hals zu ihrer Brust hinunter, mit heißen, fordernden Lippen, die Lust mit einem Hauch Schmerz unterlegten, indem er ihre zarte Haut mit den Zähnen ritzte. Ihr Körper reagierte mit noch mehr Hitze und Feuer. Tief in ihr baute sich ein Druck auf und wurde zu einer Spirale, die sich immer schneller zusammenzog.
Rafael weigerte sich, den Forderungen ihres Körpers nachzukommen, sondern liebkoste ihre Brüste mit seinem heißen Mund, massierte sie mit seinen Händen, knabberte mit seinen Zähnen an ihrer Haut und fuhr mit seiner Zunge darüber. Mühelos hielt er sie fest, während sie sich an seinen Rücken klammerte und ihre Hüften sich verzweifelt an ihn drängten. Er heizte ihre und ebenso seine fieberhafte Erregung bewusst an, indem er erotische Bilder in Colbys Bewusstsein entstehen ließ. Indem er ihr zeigte, was für ein Gefühl es war, ihre Haut an seiner Haut zu spüren, wenn sie sich unter ihm bewegte wie Satin und Seide, und was für ein Gefühl es war, ihre Brust in seinen Mund zu nehmen und ihren Körper zu streicheln, bis sie nach ihm schrie. Rafael teilte mit ihr, wie es sich anfühlte, ihre Fingernägel auf seiner Haut zu spüren und ihre Hände in seinem Haar.
Er küsste sich ihren Bauch hinunter, während seine Hände ihre Brüste kneteten und sein Schenkel ihren Körper nach unten drückte. Colby schluchzte auf, als er seine Finger tief in ihren feuchten Kern stieß, und drängte sich an seine Hand, aber er wollte sie nicht befriedigen, noch nicht. Sie verwünschte ihn und riss an seinen Haaren, doch er schüttelte den Kopf. Sie sollte wissen, wie der schreckliche Hunger war, der ihn jedes Mal befiel, wenn er sie ansah. Das überwältigende, dunkle Verlangen, das ihn an den Rand des Wahnsinns trieb, wenn er ihren Körper unter seinem brauchte. Er wollte nicht, dass sie zu ihm kam, ohne das volle Ausmaß seiner fordernden Natur zu kennen. Er würde versuchen, ihr zuliebe zu lernen, zärtlich zu sein, aber er wusste genau, wie er war und was er von ihr verlangen würde.
»Gib dich mir hin, ganz und gar«, murmelte er und zog ihre Beine über seine Schultern. Seine Augen glitzerten wie schwarzer Obsidian, als ihre Blicke einander begegneten. Dann senkte er seinen Kopf über ihren heißen, feuchten Kern.
Sie schrie wieder auf, krallte sich an seinen Rücken und riss an seinem Haar. »Das tue ich doch!«, wimmerte sie, als er immer wieder aufhörte, kurz bevor sie zum Höhepunkt kam.
»Ich nehme mir, was mir zusteht«, gab er zurück. »Das ist etwas anderes.«
»Du Mistkerl!«, stieß sie hervor und schrie erneut auf, als er seinen Angriff fortsetzte.
Als sie glaubte, es nicht länger ertragen zu können, hob er ihre Beine noch höher und hielt sie an den Knöcheln fest, während er mit einem harten, besitzergreifenden Stoß tief in sie eindrang. Er vergrub sich in ihr, tiefer als je zuvor, zwang sie, alles von ihm zu nehmen, und füllte sie ganz aus. Sie war heiß und feucht vor Verlangen und konnte sich in der Stellung, in der er sie hielt, nicht bewegen. Sie konnte nur ihre Hüften anheben, um seine harten, tiefen Stöße aufzufangen. Feuer loderte in seinem Blut und brannte in seinem Bauch. Donnerschläge dröhnten in seinem Kopf. Sie war so heiß und eng, dass er zu explodieren glaubte. Sein Körper gehörte nicht mehr ihm, sondern war ein Teil von ihr, und es schüttelte ihn vor Freude und Schmerz über ihre gewaltsame Vereinigung.
»Ich beanspruche dich als meine Gefährtin des Lebens.« Er stieß die Worte schwer atmend hervor, während er immer wieder in sie eindrang. Die wilden Leidenschaften in seinem Inneren gerieten außer Kontrolle und breiteten sich wie ein Feuersturm in ihm aus. »Ich gehöre zu dir. Ich gebe mein Leben für dich. Ich biete dir meinen Schutz, meine Treue, mein Herz, meine Seele und meinen Körper. Ich nehme alles, was dein ist, in meine Obhut.«
Er brachte sie vor Verzückung um den Verstand. Wellen der Lust schlugen über ihr zusammen und durchfluteten ihren Körper. Ein Höhepunkt folgte auf den anderen und riss sie mit. Als Rafael sprach, spürte sie, wie sich etwas in ihrem Herzen und in ihrer Seele zusammenschnürte. Als würden Rafael und sie innerlich miteinander verbunden. Als ließen der Liebesakt und seine Worte sie zu einer einzigen Person werden.
»Hör auf!« Panik stieg in ihr auf. Rafael hielt sie immer noch an den Knöcheln, sodass sie weit offen für ihn war. Er riss sie auseinander und fügte sie so vollständig und neu wieder zusammen, dass sie nie wieder werden würde, was sie gewesen war.
Erbarmungslos stieß er in sie hinein. »Dein Leben, dein Glück und dein Wohlergehen werden für mich immer an erster Stelle stehen. Du bist meine Gefährtin, für alle Zeit an mich gebunden und für immer unter meinem Schutz.«
Sie sah sein Gesicht, die tief eingegrabenen sinnlichen Züge, die Überzeugung und die unerbittliche Entschlossenheit, und wusste, dass er etwas Unwiderrufliches getan hatte. Colby fühlte es. Sie sah es im glitzernden Schwarz seiner Augen und in der Härte seines Gesichtsausdrucks, während er sie vor Lust um den Verstand brachte. Sie spürte, wie er in ihr noch größer und härter wurde. Er warf den Kopf zurück, und sie erhaschte das Blitzen seiner weißen Eckzähne, als er einen heiseren Schrei ausstieß und sich in ihr ergoss, sie völlig erfüllte und ihren Körper in einem überwältigenden Orgasmus erschauern ließ, der sie in Millionen winziger Stücke zerriss.
Erst nach einer Weile wurde ihr bewusst, dass sie im Gras lag, die Beine gespreizt und in die Luft gestreckt, ihre Knöchel von Rafaels Händen wie von einer Zwinge umschlossen.
Sie versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu lösen. Sein Atem ging genauso flach und abgehackt wie ihrer. Langsam lockerte er seinen Griff und ließ ihre Beine nach unten sinken, bevor er über ihr zusammenbrach.
Colby lag unter Rafael. Ihr Herz klopfte so stark, dass sie Angst hatte, es könnte ihren Brustkorb sprengen. Ihr Körper erschauerte immer noch so heftig unter den Nachbeben des Liebesakts, dass sie sich nicht rühren konnte, sondern kraftlos im Gras lag. Das ungeheure Verlangen, das Rafael in ihr wachgerufen hatte, ängstigte sie. Nie würde sie einen anderen Mann finden, der das mit ihrem Körper und ihrer Seele machen könnte. Wie sollte sie nachts wach liegen, ohne seine Hände auf ihrer Haut zu spüren? Ohne zu erleben, wie er immer tiefer in sie eindrang, bis sie beide um Gnade flehten? Tränen brannten unter ihren Lidern, aber sie wusste nicht, ob sie reiner Ekstase entsprangen oder einem Hunger, den nur Rafael stillen konnte.
»Habe ich dir wehgetan?« Er glaubte nicht, je die Kraft zu finden, wieder aufzustehen. Seine Finger strichen zart über die Tränen auf ihrem Gesicht.
»Ich weiß es nicht. Ich werde es noch ein paar Stunden lang nicht wissen.« Sie war benommen von den Farben des Himmels, der Sterne und des Mondes, von Schattierungen, die ihr nie zuvor aufgefallen waren. Ihr Körper, der sich immer noch in einem Zustand der Verzückung befand, jubilierte.
Rafael hob den Kopf von ihrer Brust und sah ihr in die Augen. »Du bist eine sehr eigensinnige Frau.«
»Du bist ein sehr starrköpfiger Mann.« Sie strich ihm seidige schwarze Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Das Wort ›Nein‹ gibt es für dich wohl nicht?«
Sein Mund verzog sich zu einem leichten Lächeln. »Es gibt keinen Grund, Nein zu mir zu sagen. Und schon gar nicht für dich. Du bist meine Frau. Meine Gefährtin des Lebens.«
»Aber nicht dein Eigentum«, erinnerte sie ihn. Ihre Fingerspitzen berührten sanft sein Gesicht. »Du kannst mich nicht zwingen, dich zu lieben, Rafael. Ich muss mehr über dich wissen. Wenn ich Zugang zu deinem Bewusstsein habe, sehe ich Dinge, die ich nicht begreife.«
»Was du in meinem Bewusstsein siehst, sollte keinen Unterschied machen, querida.«
Colby, die sich über seine Arroganz ärgerte, versuchte, ihn wegzustoßen. »Du bist schwer, Rafael. Geh weg!« Seine Eckzähne waren immer noch verlängert, und sie wurde wieder nervös.
Er küsste ihre Kehle und stieß sich hoch, um sich aufzusetzen. »Das liegt nur daran, dass du so klein bist. Du musst mehr essen.«
Sie spähte unter ihren Wimpern zu ihm. »In letzter Zeit kann ich überhaupt nichts mehr essen. Hast du etwas damit zu tun?«
»Ja.« Man belog seine Gefährtin nicht.
Nimm sie! Mach sie dir zu eigen, damit wir diesen Ort verlassen und nach Hause zurückkehren können. Nicolas war auf der Jagd. Seine Stimme erklang leise in Rafaels Kopf. Er konnte offensichtlich nicht verstehen, warum sein Bruder die Frau nicht einfach zwang, seinen Wünschen nachzukommen.
Es ist kompliziert.
Nicolas seufzte. Du vergisst, wer und was du bist. Willst du, dass der Vampir sie tötet und die Leute auf dieser Ranch zerstört? Wenn du ihren Widerstand weiter hinnimmst, wird sie unser aller Tod sein. Wir werden unsere Ehre verlieren.
Colby gelang es, ihre Bluse zu finden, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wo ihr BH gelandet war. »Spricht er mit dir?«
»Mein Bruder? Ja.«
Sie zuckte leicht zusammen, als sie mit den Armen in ihr Hemd fuhr. Colby konnte immer noch spüren, wo er sie mit eisernem Griff gehalten hatte. »Was hast du eben zu mir gesagt? Was haben diese Worte zu bedeuten? Sie klangen verdächtig nach einer Art Ritual.« Sie warf ihm einen argwöhnischen Blick zu, während sie zu ihrer achtlos beiseitegeworfenen Jeans kroch. »Was hast du getan?« Da die Knöpfe ihrer Bluse verschwunden waren, verschlang sie die Enden unter ihrer Brust zu einem Knoten.
»Ich habe uns nach Art meines Volkes aneinander gebunden.«
Er klang selbstgefällig, sogar überheblich. Colby langte nach ihrem Slip und schleuderte ihn in Rafaels Richtung. »Den hast du kaputtgemacht.«
»Du brauchst ihn nicht.« Er schlang beide Arme um sie und zog sie an seine Brust, als sie versuchte, sich in ihre Jeans zu kämpfen. Zähne knabberten und nagten an ihrem Hals. »Du solltest nie etwas anziehen.«
»Das würde beim Rest der Welt echt gut ankommen. Was für ein Ritual?« Colby lehnte sich an ihn, während sie ihre Jeans nach oben zog. Sie fühlte sich innerlich wie äußerlich völlig ausgelaugt, aber auf eine köstliche Art. Und natürlich hatte Rafael seine Hände schon durch die klaffende Öffnung ihrer Bluse geschoben und um ihre Brüste gelegt. »Bekommst du eigentlich nie genug?«
»Offensichtlich nicht. Vielleicht solltest du dich noch nicht anziehen.«
Sie schmiegte sich an ihn und genoss es, von seinen Armen gehalten zu werden. In wenigen Stunden begann ihr Arbeitstag, aber ihr blieb die Nacht mit ihm. Sie musste ihn nur davon überzeugen, sie nicht mehr zu beißen. »Im Moment bin ich mir nicht mal sicher, ob ich gehen kann.« Colby stand auf und hielt sich an seiner Schulter fest. Es war seltsam, ihn anzuschauen und zu wissen, was er mit ihr gemacht hatte. Sie hatte seinen Namen geschrien und um mehr gebettelt, und trotzdem war sie kein bisschen verlegen.
Rafael richtete sich mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf und kleidete sich dabei gleichzeitig auf die Art und Weise seiner Spezies an. Colby schnappte kurz nach Luft und wich einen Schritt zurück. »Wie hast du das gemacht? Sogar dein Haar sieht sauber und gekämmt aus.« Stirnrunzelnd legte sie eine Hand an ihre Haare. »Ich fürchte, ich schaue ziemlich zerrauft aus. Ich brauche eine Dusche und einen Friseur.«
»Du bist schön, Colby. Du bist schön, besonders, wenn du unter mir liegst und vor Lust schreist.« Rafael klang fast selbstgefällig. Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden, streckte er seinen Arm vor ihr aus. Seine Haut wellte sich, und Federn brachen hervor, als sich ein gewaltiger Flügel entwickelte, der sehr an den einer Harpyie erinnerte.
Colby zog scharf den Atem ein. »Das warst du! Ich habe dich in mein Haus gelassen!«
»In dein Schlafzimmer.« Die Federn verschwanden und ließen Muskeln und Sehnen zurück. Rafael beugte sich zu ihr vor. Seine Eckzähne waren deutlich zu sehen. »In deinen Körper. Ich werde dir dein Herz stehlen.«
Ihre Seele hatte er schon. Sie wusste es jetzt mit einer seltsamen Gewissheit, so wie sie immer schon Dinge gewusst hatte. Er besaß ihren Körper und ihre Seele. Aber er hatte immer noch nicht genug. Er wollte ihr Herz und ihren Geist. Colby schüttelte den Kopf. »Du kannst anscheinend nicht klar denken, Rafael. Überlass das Denken deinem Gehirn, nicht überaktiven Teilen deiner Anatomie. Im Ernst, was meinst du, wo das mit uns hinführen soll? Sei doch realistisch !« Sie umfasste mit einer weit ausholenden Handbewegung die Ranch und die hohen Berggipfel. »Du liebst Brasilien und den Regenwald. Dein Bruder und du wollt dorthin zurück. Ihr müsst dorthin zurück. Das hier ist meine Heimat. Es ist alles, was ich je gekannt habe. Ich muss es für Paul und Ginny erhalten. Ich habe einen Großteil meines Lebens darum gekämpft, diese Ranch am Laufen zu halten. Glaubst du wirklich, ich gebe das alles einfach auf und brenne mit einem Mann durch, den ich kaum kenne, nur weil wir tollen Sex haben ? Ich mag ein Land-ei sein, aber ich habe nicht nur Stroh im Kopf.«
Er trat näher zu ihr. Seine ganze Haltung wirkte plötzlich aggressiv. »Sei du lieber realistisch, Colby. Glaubst du wirklich, ich lasse das Einzige, was zwischen mir und dem Verlust meiner Seele steht, zurück? Zwischen mir und der ewigen Dunkelheit? Zwischen mir und dem Monster, das sich bei jedem Erwachen in mir regt, das mitten in der Nacht zu mir spricht und nach mir ruft, wenn ich jage und das Blut meiner Beute trinke? Ich werde dich nie aufgeben. Ich nehme dich mit, wenn ich in meine Heimat zurückkehre. Du wirst mich als meine Gefährtin des Lebens begleiten, ob du nun zustimmst oder nicht.«
Sie starrte ihn wütend an. »Du arroganter Mistkerl! Kriegen die Männer in Brasilien auf diese Art ihre Frauen?«
»Nein, so kriegen Karpatianer ihre Frauen. Die rituellen Worte sind ihnen von Geburt an eingegeben. Sowie ein Karpatianer seine Gefährtin des Lebens findet, kann er sie an sich binden, wenn sie sich weigert, zur Vernunft zu kommen. Auf diese Weise werden karpatianische Männer geschützt und unsere Spezies vor dem Aussterben bewahrt.«
Colby hatte den Geschmack von Angst im Mund. Er meinte es ernst. Und er war noch näher gekommen. Sie hatte nicht gesehen, wie er sich bewegt hatte, aber er war nur einen Atemhauch von ihr entfernt, und in seinen Augen lag ein schrecklicher Ausdruck. Sie war wie gebannt von der reinen Kraft seiner Persönlichkeit und konnte nicht den Blick von ihm wenden. Sie schluckte schwer und schüttelte den Kopf. »Nicht, Rafael. Versuch das nicht. Ich würde gegen dich kämpfen, und ich kann sehr zerstörerisch sein. Einer von uns könnte verletzt werden, und das will ich nicht, nicht nach allem, was wir geteilt haben. Ich habe nicht deine Selbstbeherrschung.«
Seine Finger legten sich sanft und ungeheuer kraftvoll zugleich um ihren Hals. Sie wusste, dass er ihr das Genick brechen könnte, wenn er wollte. »Dann kämpf nicht gegen mich, meu amor.«
Ein leiser Schauer lief ihr über den Rücken. Ihr Mund war trocken, und ihr Puls raste. Sie wich einen Schritt zurück. Rafael folgte ihr.
»Rafael.« Sie hörte ihren Protest über das Rauschen in ihren Ohren hinweg.
Plötzlich blieb er abrupt stehen, und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Gleichzeitig versetzte er ihr einen so kräftigen Stoß, dass sie buchstäblich abhob und durch die Luft segelte. Sie sah Blut aus seiner Brust schießen. Colbys Schrei brach unvermittelt ab, als sie so hart auf dem Boden landete, dass ihr die Puste ausging. Ein paar Meter von ihm entfernt beobachtete sie voller Entsetzen, wie Rafael sich von ihr abwandte. Sie sah das klaffende Loch in seinem Rücken, die Ströme von Blut. Colby hatte keinen Schuss gehört, und sie war sich sicher, dass nicht sie ihn so verwundet hatte.