Kapitel 9

Ben ist ja unheimlich schlecht drauf«, begrüßte Paul sie, als er wie ein halbwüchsiges Hundejunges durch die Küchentür hereinhüpfte. Er ging direkt zum Spülbecken und wusch sich die Hände. Colby hielt strikt auf Reinlichkeit. »Ehrlich gesagt, ich war froh, als er wieder ging. Warum war er denn so sauer? Was hast du bloß mit ihm gemacht, Colby?«

Seine Schwester fuhr herum und funkelte ihn an. »Was ich gemacht habe?«, echote sie ganz leise. »Wie kommst du darauf, ich könnte an seiner miesen Laune schuld sein? Ben ist ein Mann.« Sie ließ es wie ein Schimpfwort klingen. »Das sollte dir eigentlich alles sagen.«

Paul stieß einen leisen Pfiff aus. »Hat jemand für mich angerufen?«, erkundigte er sich hoffnungsvoll. Man legte sich besser nicht mit Colby an, wenn sie gerade die gesamte Männerwelt auf dem Kieker hatte. Irgendjemand oder -etwas hatte sie in Rage gebracht, und er hoffte, dass nicht er es gewesen war.

»Nein, aber ich hatte gehofft, Ben würde irgendwo da draußen verloren gehen.«

Paul zog angesichts Colbys Laune die Augenbrauen hoch und schaute dann nachdenklich von seiner Schwester zu Rafael. »Ich nehme an, Sie haben die Papiere für das Darlehen mitgebracht. Hat Colby sich schon alles angeschaut?« Vielleicht war das der Grund für die erzürnte Miene seiner Schwester.

Rafael zog die Papiere hervor und reichte sie Colby. »Nein, noch nicht. Vielleicht sieht sie sich das mal an, während wir uns etwas besser kennenlernen.« Er zeigte aufs Wohnzimmer und scheuchte Paul und Ginny vor sich her, um Colby ein bisschen Ruhe zu verschaffen.

Colby erstarrte. Ihr Herz schlug ihr bis in den Hals. »Wartet!« Sie klang total panisch, und so fühlte sie sich auch. Sie streckte sogar eine Hand aus, um zu verhindern, dass ihre Geschwister mit Rafael ins Nebenzimmer gingen.

Rafael drehte sich zu ihr um und ließ seine schwarzen Augen streng über ihr Gesicht wandern, als sie vor ihm zurückwich. »Was ist los, meu amor?« Seine Stimme war samtweich und zärtlich, aber Colby erschauerte trotzdem. Er schwelte buchstäblich. Sie konnte den Vulkan in seinem Inneren spüren. Seine Augen, die auf ihr ruhten, waren düster und kalt und trotzdem feurig. Feuer und Eis. Da war er wieder, dieser Widerspruch. Sie verstand Rafael nicht. Sie verstand sich selbst nicht. Aber trotz allem, was sie fühlen, wünschen oder brauchen mochte, musste sie wissen, dass Ginny und Paul nichts passieren konnte. Rafael sah ihre Furcht.

»Colby?« Ihr Bruder klang sehr besorgt. »Was ist denn los?«

Pass auf was du dem Jungen sagst, pequena; ich will nicht, dass er sich ohne jeden Grund vor mir fürchtet, so wie du mich zu fürchten scheinst. Die Worte klangen wie ein Schnurren, beruhigend und warnend zugleich.

Colbys Hand wanderte zu ihrem Hals und legte sich schützend auf das Mal, das hektisch pochte. Bringst du mich um den Verstand? Ich habe das Gefühl, nicht mehr zu wissen, was real ist und was nicht. Ich habe mich verändert. Ich weiß, dass ich mich verändert habe. Sie schluchzte die Worte beinahe; sie brauchte seinen Trost, obwohl sie versuchte, ihn mit ihren Anschuldigungen von sich zu stoßen.

Bald sind wir allein, Colby. Es gibt keinen Grund für deine Angst. Du und deine Geschwister, ihr steht unter meinem Schutz. Das ist keine Kleinigkeit. Wenn du mir nicht glaubst, dann glaub an Armando. Er hat seine Familie gerufen. Seine Brüder sind Ehrenmänner. Glaubst du, sie würden tatenlos zusehen, wenn sie annehmen müssten, ich würde euch etwas antun ?

Ich weiß es nicht. Sie sind dir sehr ergeben. Colby wusste es wirklich nicht. Wie konnte sie sich zu jemandem, dem sie nicht einmal vertraute, so stark hingezogen fühlen? Wie konnte sie ihm erlauben, all das mit ihrem Körper zu machen und sich nach mehr zu sehnen? Es war ihr unbegreiflich. Und die Brüder Chevez hatten Angst vor ihm. Sie spürte die Unsicherheit der beiden, wenn von Rafael die Rede war. Er war viel mehr als nur ein Mann, der ähnliche einzigartige Gaben besaß wie Colby. Er war viel mächtiger. Und dann war da in ihm diese Dunkelheit, auf die sie schon mehrfach einen flüchtigen Blick erhascht hatte. Genauso stark, wie Rafael sie anzog, stieß er sie ab, und ihr Selbsterhaltungstrieb machte sich lautstark bemerkbar. Rafael nahm sie in Besitz, Stück für Stück, Zelle für Zelle. Ihr Herz und ihre Lungen. Es war, als könnte sie ohne ihn nicht atmen. Niemand sonst sah sie mit einem so brennenden Hunger an. Niemand sonst berührte sie mit solcher Eindringlichkeit und solchem Verlangen. Er war in jeder Beziehung dominant, und etwas in ihr, das sie nicht beherrschen konnte, brauchte ihn, nein, verzehrte sich nach ihm, obwohl sie nicht einmal wusste, wer oder was er war.

»Schau dir die Papiere an, Colby.« Rafael klang liebevoll. »Wir sind nebenan. Ginny interessiert sich für vegetarische Suppenrezepte, und ich kenne mich auf diesem Gebiet ganz gut aus.«

Colby starrte Rafael an. Fast fürchtete sie sich, eine Entscheidung zu treffen. Du hast doch nicht... Sie konnte den Vorwurf nicht einmal zu Ende denken. Was, wenn er ihr Denken und das ihrer Geschwister in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt hätte? Könnte er so etwas tun?

Seine schwarzen Augen funkelten einen Moment lang vor Zorn. Ja, das könnte ich, doch ich habe es nicht getan. Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte hinaus.

Paul legte einen Arm um Ginnys Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, was da zwischen euch beiden läuft, aber er hat uns ein riesiges Darlehen für praktisch nichts angeboten, Colby, und wenn wir nicht bald Geld bekommen, verlieren wir die Ranch.«

Colby zuckte die Schultern. »Na ja, vielleicht bist du einfach zu vertrauensselig, Paul. Du müsstest mittlerweile wissen, dass man nie etwas für nichts bekommt. So läuft es nicht.«

»Kann sein, Colby, doch immerhin warst du es, die Daniels genug vertraut hat, um Geld von ihm zu leihen«, fuhr Paul sie an.

Colby zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Zu ihrem Entsetzen schwammen ihre Augen tatsächlich in Tränen. Ginny lief zu ihr, nahm sie schützend in die Arme und starrte ihren Bruder böse an.

»Ich möchte nicht noch einmal hören, dass du so mit deiner Schwester sprichst, Paul.« Rafael stand in der Tür. Er schien immer wie aus dem Nichts aufzutauchen, indem er sich lautlos bewegte und sofort Herr der Lage war. Er sah den Jungen direkt an. »Du bist zu alt, um Anschuldigungen zu erheben, ohne alle Fakten zu kennen. Colby hat von dir weit mehr Respekt verdient.« Ein Hauch Schärfe lag in seiner ruhigen Stimme. »Denk nach, bevor du sprichst, mein Junge. Ich bin gern bereit, dir zu erklären, was gute Manieren sind.« Rafael trat beiseite, um Paul vorgehen zu lassen. Sein stählerner Blick ruhte unverwandt auf Colbys Bruder.

Paul machte zwar ein bockiges Gesicht, wurde aber verdächtig rot. Ginny kam als Erste in Bewegung. Sie lief rasch an Rafael vorbei ins Nebenzimmer, nicht ohne ihrem Bruder im Vorbeigehen einen empörten Blick zuzuwerfen. Colby half Paul ausnahmsweise einmal nicht. Sie starrte auf ihre verschrammten Stiefelspitzen, als könnte sie es nicht ertragen, ihn anzuschauen. Als hätte er sie mit seinen Vorwürfen so tief getroffen, dass sie weder ihm noch sonst jemandem ins Gesicht schauen konnte.

»Colby.« Paul sagte leise ihren Namen. Es tat ihm jetzt schon leid, dass er so auf sie losgegangen war. Er hätte nicht einmal den genauen Grund dafür nennen können, nur, dass ihm nicht gefiel, wie Rafael seine Schwester anschaute oder wie sie seinen Blick erwiderte.

Sie schüttelte den Kopf, ohne aufzublicken. Paul folgte Ginny ins Wohnzimmer. Colby breitete widerwillig die Papiere aus und legte sie auf den Küchentisch. Es war rein geschäftlich, und Rafaels Angebot war legal und ausgesprochen fair. Sie fand nichts daran auszusetzen. Rafael ließ ihr keinen Ausweg, keinen vernünftigen Grund, sein Darlehen abzulehnen. Die Summe deckte den Betrag, den sie Daniels schuldete, und die Kosten für den Wiederaufbau des Stalls sowie die für die Anschaffung einiger neuer Geräte. Colby hatte nicht die Summen, über die Daniels oder De La Cruz verfügten, und würde sie auch nie haben.

»Willst du den ganzen Abend finster die Papiere anstarren, oder unterschreiben wir einfach und bringen es hinter uns ?« Rafael, der mit verschränkten Armen an der Tür lehnte, riss sie aus ihren Überlegungen.

Sie schaute zu ihm und runzelte leicht die Stirn. »Ich will es gründlich durchlesen, um sicherzugehen, dass die Sache keinen Haken hat.«

»Es wird nicht funktionieren, weißt du«, bemerkte er leise.

»Was meinst du?«, gab sie zurück.

»Dein Versuch, mit mir Streit anzufangen. Nichts kann mich vertreiben. Du glaubst, mich dazu bringen zu können, in meine Heimat zurückzukehren. Ist dir immer noch nicht klar, dass es dafür zu spät ist?«

Colby fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und sah ihn aus ernsten Augen an. »Ich weiß, dass wir miteinander reden müssen, Rafael.«

Er zeigte mit einer nachlässigen Handbewegung auf die Papiere. »Fällt dir die Entscheidung wirklich so schwer? Wäre es dir lieber, wenn ich dich und deine Geschwister im Stich ließe? Es ist nur Geld. Und Geld bedeutet mir nichts, hat mir nie etwas bedeutet.« Er seufzte und richtete seine dunklen Augen auf ihr ausdrucksvolles Gesicht. »Du hasst es, dass ich dir ein Darlehen geben will, doch auch ohne diese Sache hättest du einen Grund gefunden, mich abzulehnen. Und was für eine Art Mann wäre ich, wenn ich dir das Geld nicht anbieten würde?« In seiner Stimme lag kein Tadel, er sprach lediglich eine Tatsache aus.

Colby schämte sich sofort. Er hatte recht. Sie wollte gegen ihn sein. Und sie traute seinen Motiven nicht. Rafael zog einen goldenen Füller hervor und hielt ihn ihr mit einem vielsagenden Blick hin. Colby schüttelte zwar den Kopf, weil sie sich auf diesen Wahnsinn einließ, nahm aber den Füller. Als ihre Finger seine streiften, überlief sie ein Prickeln. Das konnte Rafael bei ihr bewirken, doch war es einfach nur Chemie? Colby wusste nicht, warum sie sich so zu ihm hingezogen fühlte. Sie hielt ihn für kalt, aber manchmal brannte wieder ein solches Feuer in ihm, dass sie in seiner Nähe schmolz. Wer war der wahre Rafael? Sie fand ihn egoistisch und arrogant, doch er war der Erste gewesen, der auf der Ranch in einer Notlage unablässig gearbeitet und geholfen hatte. Er hatte Ginny mitten in der Krise abgeschirmt, obwohl es ihm selbst offenbar sehr schlecht gegangen war. Und er bot ihr zu mehr als vernünftigen Bedingungen Geld an, damit sie die Ranch behalten konnten. Hatte sie sich in ihm getäuscht?

Nein, pequena, du liegst nicht ganz falsch mit deiner Einschätzung. Die Worte streiften sie fast zärtlich.

Colby blickte erschrocken auf. Es war beunruhigend, zu wissen, dass er jeden ihrer Gedanken lesen konnte. »Ich schätze, wir müssen uns doch nicht unterhalten. Du brauchst mir nur zu erklären, was zwischen uns vorgeht, ich weiß es nämlich nicht.« Sie würde sich nicht abwimmeln lassen. Er hatte ihr versprochen, mit ihr zu sprechen, und sie würde ihn beim Wort nehmen.

»Glaubst du wirklich, ich habe etwas mit den Vorfällen auf dieser Ranch zu tun?« Rafael rührte sich zum ersten Mal, mit einer trägen, geschmeidigen Bewegung, die stark an eine Dschungelkatze erinnerte. Er richtete sich auf, kam zu ihr und erfüllte sofort die ganze Küche mit seiner Präsenz.

Das Telefon klingelte schrill. Sie konnten hören, wie Paul und Ginny beide um die Wette rannten, um zuerst dran zu sein. Colby stieß die Insektengittertür auf. Sie brauchte die Nachtluft und die Weite. Sie wandte nicht den Kopf, und sie hörte nicht Rafaels Schritte, aber sie spürte, dass er direkt hinter ihr war.

Als sie über den Hof gingen, streifte seine Hand ihre. Bevor sie es verhindern konnte, spielte ihr Herz verrückt und schlug wie wild. Sie spähte unter ihren langen Wimpern hindurch zu ihm und legte ihre Hand verstohlen auf ihren Rücken. »Warum bist du hergekommen, Rafael? Warum bist du überhaupt hier? Du gehörst nicht hierher, oder?«

»Meine Brüder und ich sind selten auf Reisen. Wir bleiben lieber in der Nähe des Regenwaldes.« Er betrachtete die hohe Bergkette, die ihren Schatten auf die Ranch warf. »Wir brauchen die Wildnis. Obwohl wir zusammenleben, waren wir schon immer Einzelgänger.«

Seine Stimme war sehr leise, fast hypnotisch. Colby stellte fest, dass auch ihr Blick zu den Bergen gewandert war. Alles wirkte heute Abend sehr viel intensiver auf sie. Lebhafte Farben in der Nacht, eine Brise, die Gerüche und Laute zu ihr trug, die sie nie zuvor wahrgenommen hatte. Sie atmete tief ein, als wollte sie all das in sich hineinsaugen. »Warum will ich bei dir sein, wenn ich dich nicht einmal mag?« Sie sah ihn nicht an, als sie die Frage stellte. »Du weißt warum, oder?« Sie wusste bestimmte Dinge, das war schon immer so gewesen. Und er würde sie über das, was sie beide verband, nicht belügen, da war sie sicher.

Rafael ging schweigend neben ihr her. Seine Bewegungen waren geschmeidig und doch kraftvoll, und er strahlte reine Macht aus. Colby konnte diese Macht fühlen. Sie schlenderten an dem großen Garten vorbei, in den sie so viel harte Arbeit gesteckt hatte. Colby nahm geistesabwesend zur Kenntnis, dass Paul vergessen hatte, ihn zu wässern. Sowie der Gedanke durch ihren Kopf huschte, hob Rafael eine Hand, und das Wasser begann in die Schläuche zu fließen. Er tat es fast beiläufig, als wäre es ihm kaum bewusst.

»Warum brauche ich es, dein Bewusstsein mit meinem zu verbinden und dich zu sehen, wenn ich noch nie im Leben einen Mann gebraucht habe?«

Wieder streifte seine Hand ihre, und diesmal schlangen sich ihre Finger ineinander. »Möchtest du wirklich Antworten auf deine Fragen haben, Colby? Du musst dir ganz sicher sein, dass du es hören willst. Die Antworten, die du bekommst, sind bestimmt nicht das, was du erwartest.«

Colby blieb stehen. Sie war ihm so nahe, dass sie den Kopf zurücklegen musste, um ihn anzuschauen. Sie dachte einen Moment nach, weil sie spürte, dass er etwas Gewaltiges und Erschreckendes preisgeben würde. War sie stark genug, um es zu verkraften? Sie musste es wissen. Colby holte tief Luft und nickte. »Ich glaube, es gibt ohnehin schon genug Geheimnisse in meinem Leben. Sag mir die Wahrheit.«

Seine Hände rahmten ihr Gesicht ein, und seine Fingerspitzen strichen unendlich zart über ihre Wangen. »Ich schaue dich an, Colby, und sehe die schönste Frau auf Gottes Erdboden. Du bist innerlich und äußerlich schön. Ich kenne dich besser, als irgendjemand dich je kennen könnte, weil ich deine Gedanken und deine Erinnerungen sehen kann. Das Licht in dir und deine unglaubliche Fähigkeit zu lieben beschämen mich.«

Sie schaute ihn unverwandt an und versuchte, nicht in den Tiefen seiner schwarzen Augen zu versinken. Angesichts des Hungers und der Intensität, die sie dort sah, war es unmöglich, ihm nicht zu glauben, und seine Worte nahmen ihr den Atem. Sie schüttelte den Kopf, um sich von dieser Verzauberung zu befreien. »Erzähl mir etwas über dein Leben.« Sie stellte fest, dass sie den Atem anhielt. Sie wollte nichts von Rafael und anderen Frauen hören, sondern nur etwas über ihn erfahren: wer er war, was er dachte und fühlte und was ihm wichtig war.

»Du bist mir wichtig. Ginny und Paul sind mir wichtig.« Seine dunklen, brütenden Augen wanderten über ihr Gesicht, und seine Finger strichen über die seidige Fülle ihrer Haare, bevor er sie widerstrebend losließ. »Ehre war das Einzige, was mir geblieben war, bevor du in mein Leben getreten bist, Colby.« Er wandte sich ein wenig von ihr ab und betrachtete die hohen, schattigen Berggipfel, um ihrem Blick auszuweichen. »Ich gehöre in die Regenwälder oder in die Berge, weit weg von anderen Leuten, wo es viel sicherer ist... für sie und für mich.«

Colby ließ ihn nicht aus den Augen. Sie war entschlossen, die Wahrheit zu erfahren. Eine Art Einsamkeit umgab ihn, und er schien so allein, dass es sie betroffen machte und in ihr das unwiderstehliche Bedürfnis weckte, ihn in die Arme zu nehmen und zu trösten. »Ich weiß nicht, was so verkehrt daran ist, seinen Freiraum zu brauchen. Manchmal stürmen so viele Informationen auf mich ein, dass ich sie kaum noch verarbeiten kann. Du bist viel sensibler als ich, das spüre ich. Wenn du Gedanken liest, müssen die Emotionen überwältigend sein.«

Er rieb sich nachdenklich den Nasenrücken und schüttelte den Kopf. »Natürlich möchtest du einen plausiblen Grund für mein Verhalten finden. Aber so ist es nicht, pequena. Die Entschuldigung, mit Emotionen überschwemmt zu werden, kann ich für mich nicht geltend machen. Die Wahrheit ist, obwohl ich in anderen lesen kann, habe ich überhaupt nichts gefühlt, bis ich dir begegnet bin.«

Colby ging weiter. Die sanfte Brise war tröstlich und bildete einen beruhigenden Hintergrund für ihre Bemühungen, das, was Rafael ihr sagte, zu begreifen. »Ich verstehe dich nicht. Wie konntest du überhaupt nichts empfinden? Meinst du damit, dass du noch nie verliebt warst? Was soll das heißen? Was?«

»Ich meine es wörtlich, Colby«, antwortete er ruhig. »Sieh in mein Inneres und schau dir meine Erinnerungen an.« Er klang nicht beschämt, sondern sachlich, als diskutierte er jeden Tag seine Sünden.

Er wusste, dass er ohne sie nicht weiterleben konnte und dass er zu egoistisch war, um sein Leben zu beenden. Außerdem hatte er Colby ohnehin schon an sich gebunden. Rafael hatte keine Ahnung, welche Konsequenzen eine Trennung für sie haben würde. Er hatte sie nicht formell mit den rituellen Worten gebunden, doch er hatte zwei Mal Blut mit ihr getauscht. Sie war teilweise in seiner Welt. Und sie brauchte ihn. Inmitten ihrer geliebten Familie war sie einsam. Und sie beuteten Colby aus, ihr mitfühlendes Wesen und ihre einzigartigen Gaben. Ohne diese Fähigkeiten wäre es ihr nicht möglich gewesen, die Ranch mit defekten Maschinen zu führen, wie sie es die letzten Jahre getan hatte.

Irgendwo in der Gegend war ein Vampir, vermutlich angezogen von Colbys übernatürlichen Fähigkeiten. Und dann war da noch Nicolas, der erschreckend knapp davor war, auf die dunkle Seite überzuwechseln. Und Rafael wusste nicht, wie lange er selbst noch durchhalten würde, ohne Colby für sich zu beanspruchen. Aber mehr als alles andere zählte das Wissen, dass er in all den langen Jahren seines Daseins nie etwas für sich selbst gewollt hatte. Jetzt wollte er Colby, und er würde sie nicht aufgeben.

Sie streckte eine Hand nach ihm aus. Zum ersten Mal konnte sie wirklich sehen, was sich hinter seiner ausdruckslosen Fassade verbarg. Sein anziehendes Gesicht wirkte verändert, als sie ihn forschend betrachtete. In seine sinnlichen Züge waren feine Linien eingegraben, die vorher nicht dort gewesen waren. In seinen Augen spiegelte sich ein Schmerz, als stünde er furchtbare Qualen aus. Ihr Herz schmolz sofort, und sie schloss ihre Hand fester um seinen Arm.

»Was verschweigst du mir, Rafael? Glaubst du nicht, es ist besser, mit der Sprache herauszurücken?«

So war Colby, offen und direkt. Er strich ein paar verirrte Locken ihres dichten, rotgoldenen Haares hinter ihre kleinen Ohren. »Du hast hier so viel, Colby. Du bist bereit, denen, die du liebst, so viel von dir zu geben. Ich will, dass du mich liebst. Ich verdiene deine Liebe nicht. Nicht nur, dass ich nichts getan habe, um deine Liebe zu verdienen, ich habe dein Leben komplizierter gemacht. Ich brauche dich. Ich weiß, dass du es mit mir nicht immer leicht haben wirst, denn ich bin ein sehr dominanter Mann, nicht nur in sexueller, sondern auch in anderer Hinsicht. Ich will, dass du mir gehörst. Nur mir, ganz und gar.« Er sprach es offen aus, ohne jede Beschönigung, und machte sich damit sehr verwundbar. Mit einem Wort, mit einem Blick könnte sie ihn am Boden zerstören. »Aber ich will, dass du mich liebst. Ich brauche es.«

Alles in Colby sprach auf die Schlichtheit seiner Bitte an. Er wirkte sehr allein, wie er so groß und aufrecht vor ihr stand, die schwarzen Augen erfüllt von einer furchtbaren inneren Qual. »Warum? Warum brauchst du es, von mir geliebt zu werden, Rafael? Du hast doch alles.« Er versuchte nicht, sie mit romantischen Liebesschwüren oder auch nur mit der starken sexuellen Anziehungskraft zwischen ihnen zu überreden, und das faszinierte sie mehr als alles andere.

»Ohne dich habe ich nichts. Bevor ich hierherkam, Colby, bestand mein Leben aus einem endlosen und hoffnungslosen Moment nach dem anderen. Wenn ich in deiner Nähe bin, bin ich am Leben. Ich habe Gefühle, ich weiß, dass mir die Familie Chevez am Herzen liegt, ich empfinde Zuneigung für sie und bin besorgt um sie. Ich empfinde etwas für meine Brüder, meine Leute. Nein, ich will nicht in eine trostlose Welt zurückkehren. Und ich kann es nicht.« Seine dunklen Augen wanderten über ihr Gesicht. »Du bist ein Wunder, auch wenn es dir nicht bewusst ist.«

»Ich habe nichts getan, was mich zu einem Wunder macht«, erinnerte Colby ihn ruhig. Sie wartete in der Dunkelheit auf das, was unweigerlich kommen musste. Da war noch etwas, das er ihr nicht sagen wollte. Sie wusste es.

»Dass du existierst, ist für mich ein Wunder, Colby.« Er umfasste mit einer weit ausholenden Handbewegung die Umgebung. »Das ist meine Welt, Colby. Die Nacht. Ich habe lange allein gelebt, und das kann ich jetzt nicht mehr.« Er senkte den Kopf, als wäre er unendlich müde. »Ich dachte, ich könnte stark genug sein, um dich wieder gehen zu lassen. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich kann es nicht.« Jetzt hob er den Kopf und sah sie aus seinen schwarzen Augen eindringlich an. »Ich kann es nicht, Colby.«

»Hör auf, in Rätseln zu sprechen, Rafael! Was ist los?« Sie konnte ihr Herz wild pochen hören, und sie fühlte die Verzweiflung, die sie befiel, weil sich alles in ihr danach sehnte, Rafael zu trösten. Aber er veränderte ihr Leben. Und er wollte sie warnen. Sie wusste es instinktiv. Was es auch war, was er ihr verschwieg, es war etwas Schreckliches. Deshalb stand sie einfach da, schaute ihn an und wartete.

Rafael, der eben noch seltsam verletzlich ausgesehen hatte, wirkte auf einmal grimmig entschlossen und sehr arrogant. Er riss sie in seine Arme und eroberte ihren Mund mit seinem. Colby schmeckte ein verzweifeltes Verlangen, einen furchtbaren Hunger und etwas anderes, das noch viel erschreckender war. Sie gab ihm nach, schmiegte sich an ihn, stillte den Hunger in seinem Kuss und tröstete ihn, obwohl sie Angst vor dem hatte, was noch kommen würde. Ihre Hände stahlen sich zu seinem Nacken hinauf, und ihre Finger schlossen sich um sein Haar.

»Kannst du fühlen, wie sehr ich dich will, Rafael?« Sie wollte ihm Mut machen, damit er weitersprach, und sich selbst gut zureden, ihm zuzuhören. Sie drängte sich eng an ihn und hauchte die Worte an seinen Lippen.

Er hob den Kopf und starrte sie aus seinen glitzernden, schwarzen Augen an, dunkel und gefährlich wie ein Raubtier. »Du kannst mich nicht einfach nur begehren, Colby, du musst mich lieben.« Seine Worte klangen endgültig, und etwas in seiner Stimme warnte sie, dass sie in Gefahr war.

Sie stand schweigend da und lauschte dem Wind, der ihr etwas zuraunte; sie fühlte ihn auf ihrem Gesicht und ihrem Körper. Rafaels Gesicht war still und von einem tiefen Kummer gezeichnet, den sie nicht ganz erfassen konnte, und er wirkte so einsam wie ihre geliebten Berge. Colby legte eine Hand an seine Lippen und zog mit ihren Fingern zärtlich die Konturen nach. »Was noch, Rafael? Sprich es laut aus, sag es hier in der Nacht, wo es nur uns beide gibt. Jetzt gleich.«

Rote Flammen flackerten in den dunklen Abgründen seiner Augen. Seine Finger legten sich lose um ihr zartes Handgelenk, als hätte er Angst, sie würde ihm weglaufen, und er müsste sie festhalten. »Ich gehöre zur Nacht, Colby, zu Wind und Erde. Ich kann so hoch wie der Adler steigen und die Gestalt einer Dschungelkatze annehmen. Mein Volk ist so alt wie die Zeit. Ich bin kein Mensch.«

Einen Moment lang war sie wie erstarrt, begriff nicht, was er sagte, und wollte es nicht verstehen. Sie blinzelte ein paar Mal, als die Worte in ihr Bewusstsein einsickerten. Ihr Blick heftete sich auf die Flammen in seinen Augen. »Wenn du kein Mensch bist, Rafael, was bist du dann?« Sie hätte ihm nicht glauben sollen, doch sie spürte die Gefahr in ihm, das Raubtier; sie fühlte, wie anders er war. Auf einmal ergab die Art, wie sich die Brüder Chevez verhielten, einen Sinn. Sie wussten, dass er anders war. Und sie fürchteten sich vor ihm.

Sie rannte nicht vor ihm weg, unternahm nicht einmal den Versuch, sich aus seinen Armen zu winden, doch er sah in ihren Augen, dass sie allmählich verstand. Er hörte, wie ihr Herz schneller schlug.

»Ich bin Karpatianer. Meine ursprüngliche Heimat sind die Karpaten, ein Gebirgszug in Südosteuropa. Im dreizehnten Jahrhundert brauchte unser Prinz Freiwillige, die in ferne Länder gehen sollten, um die Welt vor dem Bösen zu beschützen. Meine Brüder und ich waren schon damals sehr erfahrene Krieger und folgten seinem Ruf.«

Colby stand still, ganz still. Die Worte »dreizehntes Jahrhundert« hallten in ihrem Kopf wider.

»In unseren ersten Lebensjahren unterscheiden wir uns nicht besonders von menschlichen Kindern. Wenn wir Jugendliche werden, zeigen sich langsam unsere Gaben und Talente. Die Älteren bringen uns bei, unsere Gestalt zu verändern und unsere Gaben zu nutzen. Zu dieser Zeit wird Sonnenlicht allmählich zu einem Problem für uns.«

Sie zog scharf den Atem ein, wandte den Blick aber nicht von seinem Gesicht. »Wie jetzt bei mir. Das hat nichts mit dem Feuer zu tun, nicht wahr?« Die Gestalt ändern. Er hatte es ganz beiläufig ausgesprochen, genauso, wie er das dreizehnte Jahrhundert erwähnt hatte. Er war nicht verrückt, doch Colby wünschte, er wäre es. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück und legte eine Hand an ihren Hals, um das Mal zu bedecken, das hektisch pochte.

Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Colby, dass du so empfindlich auf die Sonne reagierst, liegt nicht an dem Feuer. Ich habe dich teilweise in meine Welt geholt, und ich habe keine andere Wahl, als dich ganz hineinzubringen.« Er sagte es ganz ruhig, unnachgiebig, unwiderruflich. Seine schwarzen Augen fixierten sie wachsam.

Sie behauptete sich tapfer, indem sie ihn unverwandt ansah. »Und du glaubst, ich lasse das einfach mit mir machen?«

Ihre Worte waren leise und sanft wie der Abendwind, aber sie waren eine Drohung, die erste richtige Drohung, die Colby je im Leben ausgesprochen hatte. »Ich liebe meine Geschwister. Ich werde nie zulassen, dass du mich aus ihrer Nähe entfernst. Ich hoffe, wir haben einander verstanden.«

Er nickte. Seine Augen waren sehr dunkel und sehr leer. »Du hast große Gaben, Colby, doch du machst dir keinen Begriff von meiner Macht. Ich meine es wörtlich, wenn ich sage, dass ich keine andere Wahl habe. Du hast keine Ahnung, wie stark der Zugriff der Dunkelheit ist, die leisen Einflüsterungen nach mehr Macht. Der Drang, etwas zu fühlen. Einfach nur Gefühle zu haben. Eine Kleinigkeit, die alle Menschen für selbstverständlich halten. Ich dachte, etwas Schlimmeres gäbe es nicht, aber das stimmt nicht. Emotionen überfluten mich; ich kann nicht in der Erde Ruhe finden, weil du hier oben bist und meine Seele nach dir schreit. Ich habe keinen Halt. Ich kann nicht mehr lange durchhalten. Es steht zu viel auf dem Spiel.«

Sie streckte ihr Kinn vor. »Zugegeben, ich weiß nicht genau, wovon du sprichst, Rafael, doch darauf kommt es auch nicht an, verstehst du? Es geht weder um dich noch um mich, sondern einzig und allein um Ginny und Paul.«

Seine weißen Zähne blitzten warnend in der Dunkelheit auf. »Du glaubst, ich würde dir erlauben, unser Leben gegen ihres einzutauschen?« Seine Stimme war sehr, sehr leise.

Ihr Herz pochte schmerzhaft, und einen Moment lang bekam sie kaum Luft. Bedrohte er tatsächlich ihre Geschwister? Hier draußen in der Dunkelheit schien er unbesiegbar, und sie wusste nicht einmal, was er war und wozu er imstande war. Sie spürte die Macht, die von ihm ausging und die Luft vibrieren ließ. »Was soll das heißen, Rafael? Ich mag keine Rätsel.«

Seine Hand näherte sich ihrem Gesicht. Colby trat zurück, bevor seine Finger über ihre Haut streichen konnten und seine Berührung sie dazu verführte, alles, aber auch alles zu akzeptieren. Rafaels Hand sank nach unten. »Ich bin außerstande, diesen Kindern wehzutun«, sagte er mit einer Stimme, die leise, aber scharf wie ein Peitschenknall war. »Sie sind ein Teil von dir. Ich habe ihnen meinen Schutz angeboten. Du willst in mir deinen Feind sehen, obwohl der wahre Feind ganz woanders ist.«

Den Wind in den Haaren, stand Colby regungslos da. Ihr Herz war schwer wie ein Stein. War es sein Schmerz oder ihrer? Colby war sich nicht sicher, ob es nicht ein und dasselbe war. »Tut mir leid, Rafael.« Sie fuhr sich unsicher mit einer Hand durchs Haar. »Ich scheine den Boden unter den Füßen zu verlieren, und ich weiß wirklich nicht mehr, was ich glauben soll.« Sie umschloss mit einer Handbewegung die Berge, die sie umgaben. »Das ist meine Welt: die Ranch, die Kinder. Meine ganze Welt. Was mit uns beiden passiert, ist beängstigend. Ich benehme mich in deiner Gegenwart anders. Das bin nicht ich. Du musst das verstehen. Ich bin nicht die, die du willst.«

Er lächelte sie sanft und liebevoll an. »Colby.« Ihr Name wehte wie ein leiser Klagelaut durch die Nacht. »Ich habe fast zweitausend Jahre auf dich gewartet. Nur auf dich. Ohne Hoffnung, ohne Farben oder Empfindungen. Ich kann in diese trostlose Welt nicht zurückkehren. Du stehst hier vor mir, und unsere Zeit ist jetzt. Ich werde mir das nicht durch die Finger rinnen lassen. Du machst dir keine Vorstellungen von dem Monster, zu dem ich ohne dich werden kann. Du spürst, dass es auf der Lauer liegt, beobachtet, sogar wartet, aber du kannst seine Macht nicht erfassen.«

»Du bist imstande, mich mit deiner Stimme praktisch zu hypnotisieren.«

»Ich sehe keinen Grund, das zu leugnen. Ich habe dich nicht mit meiner Stimme verführt. Du bist meine andere Hälfte, das fühlst du – das weißt du.« Jetzt bewegte er sich, glitt lautlos dahin wie ein Raubtier, schlang seine Arme um sie und senkte seinen dunklen Kopf, bis sein Mund den ihren heiß, dominant und voller Verlangen fand.

Im selben Moment, als sein Mund auf ihrem lag, spürte Colby Flammen, die an ihrer Haut leckten und darunter, in ihrem ganzen Körper. Die Hitze steigerte sich zu einem feurigen Inferno, das ihr Blut schwer und träge werden ließ und sie mit einem Verlangen erfüllte, das sie nie mehr loslassen würde. Es raste sinnlich und leidenschaftlich durch ihren Körper, ein Begehren, das sich vertiefte und ausbreitete, bis sie überwältigt war von dem Wunsch, Rafael zu berühren, ihn zu schmecken und ihm alles zu geben. Ihre Abwehr war verschwunden, untergegangen im Feuer seines heißen Mundes und harten Körpers.

Es war nicht genug, seinen Mund auf ihrem zu spüren, sie musste die Wärme seines Körpers unter ihren Finger fühlen und jeden Muskel ertasten. Sie wollte nichts zwischen ihnen haben, nicht einmal die Stoffschicht, die den harten Beweis seines Verlangens nach ihr bedeckte. Macht vibrierte in der Luft und ließ sie vor elektrischen Funken sprühen und knistern. Rafaels Hemd glitt zu Boden, während ihre Hände schon damit beschäftigt waren, seine Hosen zu öffnen. Ungeduldig zerrte sie an den störenden Jeans. Sie waren ihr im Weg. Wieder knisterte die Luft, und Rafael stand nackt im Mondlicht, die harten Konturen seines Körpers in silbrige Strahlen getaucht. Er sah unglaublich männlich aus – wie eine maskuline Skulptur, die zu reiner Sinneslust geschaffen war.

Colby schnappte nach Luft und ließ ihre Hände über seinen Körper gleiten, während das schmerzhafte Verlangen in ihrem Inneren zu einem rasenden Hunger wurde, der an ihr nagte und sie förmlich auffraß. Sie blickte zu ihm auf und sah in seine schwarzen, gnadenlosen Augen, die von Hunger, Verlangen und von einer unersättlichen Begierde erfüllt waren, die an Besessenheit grenzte. Sie verstand dieses Gefühl, weil sie dasselbe empfand.

Rafael riss ihr Hemd auseinander, sodass Knöpfe in alle Richtungen flogen. Seine Hände nahmen die Spange aus ihrem Haar und warfen sie beiseite, sodass sie neben den kleinen, runden Knöpfen landete. Dann wanderten seine Hände an ihrem Brustkorb hoch und schlossen sich um ihre Brüste, bevor er den Kopf senkte, um in ihrem weichen, cremigen Fleisch zu schwelgen. Colby stieß einen erstickten Schrei aus, als sich seine Lippen feucht und heiß um ihre Brustspitze schlossen und verlangend daran saugten. Flüssige Hitze pochte tief und voller Vorfreude in ihrem Schoß.

Rafaels Hände glitten über die Rundung ihrer Hüften, um ihre Jeans nach unten zu ziehen und ihren Körper seinem hungrigen Blick darzubieten. Wieder war ein Anschwellen von Macht zu spüren, als sie ihre Schuhe abstreifte und ihre Sachen wegwarf, sodass sie Haut an Haut mit ihm war. »Fass mich an, Colby«, befahl er leise, während seine Zähne zart über ihre empfindliche Haut strichen. »Ich brauche es, deine Hände auf mir zu spüren. Fass mich an.«

Ihre Hände waren auf seinen Hüften und zogen die Hüft-knochen nach, die harten Konturen, die straffen Muskeln. Er stöhnte, als sein Penis bei der Berührung noch härter und schwerer wurde. »Ich will dich berühren, Rafael«, sagte sie offen. Sie liebte es, wenn sein Bewusstsein mit ihrem verschmolz; sie liebte die erotischen Bilder, die er vor ihr erstehen ließ – sehr lebhafte und anschauliche Bilder.

Seine Lippen auf ihrer Brust machten sie benommen und verwandelten ihren Körper in flüssige Hitze, in ein so köstliches Feuer, dass sie am liebsten darin verbrannt wäre. Bewusst fuhr sie mit ihren Fingern über seine harte Erektion, umschloss sie mit ihrer Hand und drückte leicht zu, bis es ihm den Atem verschlug und er mit einem leisen Knurren animalischer Lust den Kopf hob.

Es war nicht genug. Colby wollte ihn in die Knie zwingen, dieses Geschöpf der dunklen Macht, diesen Meister der Verführung, der sein Zeichen tief in ihr Inneres gebrannt hatte, sodass kein anderer je seinen Platz einnehmen konnte. Sie wollte dieselben Gefühle in ihm wecken, die er in ihr hervorrief. Das Gefühl, so nahe am Feuer zu sein, dass sie darin verbrannte. Colby packte ihn an den Hüften und zog ihn näher an sich, sodass ihn ihr warmer Atem streifte und er hörbar nach Luft schnappte. Ihre Zunge kostete ihn und folgte mit verführerisch kreisenden Bewegungen den glatten, samtigen und doch harten Konturen, während ihre Zähne leicht daran knabberten, als wollte sie im nächsten Moment zubeißen. Sie wusste nicht wirklich, was sie machen sollte, aber sie konnte den Bildern in seinem Bewusstsein und der Führung seiner Hände folgen. Jedes Keuchen von ihm ermutigte sie.

Seine Hände ballten sich um ihr Haar, und ein tiefes Knurren entrang sich seiner Kehle. So wollte sie ihn, am Band der Beherrschung, ohne jede Hemmung, hier in der Nacht unter dem Sternenhimmel. Sie wollte, dass sein starker Körper ihretwegen zitterte, wegen der seidigen Hitze ihres Mundes, der eng und feucht war und ihn so aufnahm, wie es sonst ihr Körper tat, der an ihm saugte, wie er es sonst bei ihr machte. Sie wollte, dass er ihr und ihrer Lust gehörte, wollte ihn in Baserei versetzen und ihm kehlige Laute entlocken. Sie wollte spüren, wie er hilflos in sie hineinstieß. Seine Fäuste packten ihr Haar noch fester und zogen ihren Kopf dichter an sich heran, während sie ihn bewusst immer näher an den Rand seiner Selbstbeherrschung trieb.

Er sagte etwas, das heiß und erotisch klang, zog dann ihren Kopf nach oben und presste seinen Mund auf ihren. Mit einer Handbewegung schuf er eine dichte Grasschicht unter ihnen, während er Colby auf den Boden drängte und mit seinem harten Körper folgte. Er packte sie an den Oberschenkeln und zog sie an sich, sodass ihre Beine weit gespreizt waren und sie offen und verletzlich vor ihm lag. Er kniete sich hin, legte ihre Beine einfach über seine Schultern und beugte sich vor, um ihren heißen, feuchten Kern mit seiner Zunge zu liebkosen.

Colbys Körper explodierte, zerbarst und bäumte sich unter Rafaels Händen auf. Sie schrie auf und klammerte sich mit beiden Händen an Grasbüschel, an irgendetwas, das ihr Halt gab.

«Nicht gut genug«, murmelte er leise und ungeduldig. »Noch einmal, Colby, und noch einmal, und nächstes Mal sagst du meinen Namen. Sag, wer ich bin. Sag es!« Es war ein Befehl, eine Drohung. Wieder fand sein Mund zu ihr und vergrub sich tief in ihrem feuchten Fleisch, während er gleichzeitig mit einem Finger darüberstrich und ihn dann in sie hineinschob. Ihr Körper reagierte sofort wieder mit einem überwältigenden Höhepunkt.

Er ließ seinen Finger in ihr und stieß ihn noch tiefer hinein, sodass sich seine Handfläche an ihre heiße Öffnung presste. Dann beugte er sich vor, um ihren flachen Bauch zu küssen, ihr eigenartiges Muttermal. Ihre Muskeln zogen sich sofort eng um seinen Finger zusammen. »Das ist es, was ich spüren muss, meu amor. Ich will, dass du mehr von mir brauchst. Noch mehr.« Ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden, tauchte er einen zweiten Finger in sie hinein und dehnte ihre enge Scheide, während er seinen Kopf zu ihrer Brust neigte, die sich ihm so verlockend entgegenreckte. Ihr Körper antwortete mit einem Erschauern, verkrampfte sich und spannte sich an und badete seine Finger in heißer Sahne.

»Rafael!«, keuchte sie. Sie verlangte nach ihm, brannte nach ihm. Sie stand in Flammen.

Er biss leicht in ihre Brust, saugte an ihrem Fleisch und stieß seine Finger tief in sie hinein. Dann zog er sie heraus und stieß sie wieder hinein. »Noch nicht, Colby. Wer bin ich? Sag meinen Namen, sag es mir. Sag mir, was du von mir willst. Nur von mir. Von keinem anderen.« Seine Stimme war das Werkzeug eines dunklen Magiers, samtweich, verführerisch und rau vor Verlangen. Seine Zunge huschte über ihre Brustspitze, seine Zähne nagten an ihrer Pulsader und liebkosten sie, während seine Finger sie weiter dehnten und noch tiefer in sie eindrangen.

Tränen standen in ihren Augen. »Ich kann das nicht, ich kann es nicht mehr ertragen. Es ist zu viel.« Ihr Körper schien nur noch aus prickelnden Nervenenden zu bestehen, die sie mit einer Lust überfluteten, die an Schmerz grenzte.

»Doch, das kannst du.« Seine Zähne strichen über die Ader an ihrem Hals, sein Atem streifte warm ihr Ohr. »Lass los, gib mir alles von dir, Colby. Ich will alles von dir, alles, was dich ausmacht. Mit weniger werde ich mich nicht zufriedengeben. Alles von dir. Du willst mich. Du brauchst mich genauso, wie ich dich brauche. Dein Körper braucht mich.«

Ihr stockte der Atem in der Kehle. Seinen Mund auf ihrer Haut zu spüren war beinahe mehr, als sie ertragen konnte. »Ja, Rafael. Jetzt.« Sie brachte die Worte nur mühsam über die Lippen, weil ihr Körper schon wieder heftig erschauerte.

Er zog ihre Beine an seine Taille, stieß seine Hüften an ihre und ließ ihre Schenkel weit gespreizt, sodass er sich zwischen sie schieben und an ihre heiße, feuchte Öffnung drängen konnte. Ein leiser Laut kam aus ihrer Kehle, als er in sie eindrang. Obwohl seine Finger sie vorbereitet hatten, war sie eng und widersetzte sich seiner Größe und Härte. »Alles von mir, querida, nimm alles von mir«, drängte er sie sanft und beharrlich. Seine schöne Stimme war rau vor Verlangen, sein Gesicht spiegelte Leidenschaft und Hunger wider, und seine Augen glühten.

Colby schrie auf, als er tiefer in sie eindrang und ihre Körper miteinander vereinte. Es war sein Name, den sie rief, und ihr Geist und ihre Seele waren erfüllt von ihm, als er ihren Körper in Besitz nahm. Der Höhepunkt kam schnell und überwältigend und riss sie mit, noch bevor sie zu Atem gekommen war.

Rafael kannte kein Erbarmen. Er stieß immer tiefer in sie hinein, während sich die feurige Reibung stärker und stärker aufbaute, heiß und mitreißend wie ein Feuersturm, der sie beide verschlang. Er brauchte alles von ihr, die Essenz ihres Wesens, die in ihren Adern floss, und er beugte sich bewusst zu ihr vor, damit sie ihn anschaute und sah, wer er war, und erkannte, was er war.