Kapitel 12

 

Zurück zum Ausgangspunkt

 
 

Kommandozentrale

 

Foaly dachte nach. Ununterbrochen. In seinem Gehirn sprangen die guten Ideen nur so umher wie Maiskörner in der Popcornmaschine. Aber er konnte nichts daraus machen. Er konnte nicht einmal Julius Root anrufen und ihn mit seinen hanebüchenen Plänen nerven. Die einzige »Waffe«, die dem Zentauren noch zur Verfügung stand, war Artemis Fowls Laptop. Es war, als trete er mit einem Zahnstocher in der Hand gegen einen Troll an.

Obwohl der Menschencomputer auf seine altmodische Weise durchaus brauchbar war. Das mit der E-Mail hatte ja schon mal geklappt. Vorausgesetzt, es war noch jemand am Leben, um sie zu lesen. Und in den Deckel war eine kleine Kamera für Videokonferenzen eingelassen - eine absolute Neuheit bei den Oberirdischen. Bisher hatten sie lediglich über Text oder Klangwellen kommuniziert. »Barbaren«, murmelte Foaly herablassend. Aber diese Kamera lieferte sogar eine recht hohe Qualität, mit mehreren Filtereinstellungen.

Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte geschworen, dass da jemand Zugriff auf Elfentechnik hatte.

Mit dem Huf drehte Foaly den Laptop so, dass die Kameralinse auf die Wandmonitore gerichtet war. Komm schon, Cudgeon, dachte er. Hier ist das Vögelchen.

Er brauchte nicht lange zu warten. Nach ein paar Minuten belebte sich einer der Bildschirme, und Cudgeon erschien, eine weiße Flagge in der Hand.

»Wie rührend«, bemerkte Foaly sarkastisch.

»Ja, nicht?«, erwiderte der Elf und schwenkte die Fahne theatralisch. »Die brauche ich nachher noch.« Er drückte auf einen Knopf seiner Fernbedienung. »Wollen Sie mal sehen, was draußen los ist?«

Die Scheiben der Kommandozentrale wurden wieder transparent, und Foaly erblickte Scharen von Technikern, die alle fieberhaft versuchten, die Verriegelung der Zentrale zu knacken. Die meisten von ihnen probierten es mit Computersensoren, die sie an die einzelnen Schnittstellen der Zentrale angeschlossen hatten, doch einige hatten sich für die altmodischere Variante entschieden und schlugen mit einem dicken Hammer auf die Türen ein. Keiner von ihnen hatte Erfolg.

Foaly schluckte. Er saß wie eine Ratte in der Falle. »Warum verraten Sie mir nicht Ihren Plan, Briar? Das tut der machtgierige Unhold in so einem Moment doch immer.«

Briar Cudgeon lehnte sich in seinem Drehsessel zurück. »Aber gerne, Foaly. Gerade weil das hier keiner der von Ihnen so geliebten Menschenfilme ist. Kein Held wird im letzten Augenblick hereingestürmt kommen. Short und Root sind bereits tot, ebenso ihre oberirdischen Verbündeten. Keine Begnadigung, keine Rettung. Nur der sichere Tod.«

Foaly wusste, er sollte Trauer verspüren, doch das Einzige, was in ihm hochstieg, war Hass.

»Wenn die Lage der Ordnungshüter vollkommen verzweifelt erscheint, werde ich Opal anweisen, die ZUP-Waffen wieder zu aktivieren. Die B'wa Kell wird betäubt und für die ganze Geschichte verantwortlich gemacht werden, sofern es Überlebende gibt, was ich bezweifle.«

»Wenn die Kobolde wieder zu sich kommen, werden sie aber Sie als den Schuldigen nennen.«

Cudgeon schwenkte abwehrend den Zeigefinger. »Nur eine Handvoll von ihnen weiß, dass ich da mit drinstecke, und um die kümmere ich mich persönlich. Sie sind bereits zum Firmensitz von Koboi Laboratorien beordert worden. Ich werde mich in Kürze zu ihnen gesellen. Die DNS-Kanonen werden gerade umprogrammiert, so dass sie auf Koboldzellen reagieren. Im richtigen Moment werde ich sie aktivieren, und dann ist die ganze Bande fällig.«

»Und Opal Koboi wird Ihre Königin, nehme ich an?«

»Natürlich«, sagte Cudgeon laut. Dann jedoch drückte er erneut auf seine Fernbedienung, um auf einen abhörsicheren Kanal zu schalten. »Königin?«, flüsterte er. »Ich bitte Sie, Foaly, glauben Sie im Ernst, dass ich mir all diese Mühe mache, um die Macht am Ende zu teilen? Oh nein. Sobald diese Farce vorbei ist, wird Miss Koboi einen tragischen Unfall erleiden. Vielleicht auch mehrere.«

Foaly schnaubte. »Auf die Gefahr hin, ein Klischee zu bemühen, Briar, damit kommen Sie nie durch.«

Cudgeons Finger schwebte über dem Aus-Knopf. »Nun, falls nicht«, sagte er liebenswürdig, »werden Sie zumindest nicht mehr in der Lage sein, sich über mich lustig zu machen.« Und damit verschwand er vom Bildschirm und überließ den Zentauren seinem traurigen Schicksal. Zumindest dachte er das.

Foaly griff nach dem Laptop unter dem Tisch. »Und Schnitt«, murmelte er und hielt die Kamera an. »Fünf Minuten Pause, Leute, die Szene ist im Kasten.«

 
 

Schacht E116

 

Holly parkte das Shuttle mit Hilfe der Andockscheiben an der Wand eines unbenutzten Seitenschachts. »Wir haben etwa dreißig Minuten. Laut Schachtsensoren kommt hier in einer halben Stunde eine Glutwoge hoch, und die Hitze hält kein Shuttle aus.«

Sie fanden sich im Salon ein, um gemeinsam einen Plan auszutüfteln. Automatisch wandten sich alle Blicke Artemis zu.

»Wie ich schon sagte, wir müssen bei Koboi einbrechen und die Kontrolle über die ZUP-Waffen zurückgewinnen«, sagte der Commander.

Mulch Diggums sprang auf und flüchtete Richtung Tür. »Nicht mit mir, Julius. Die haben aufgerüstet in dem Laden, seit ich da war. Angeblich haben die sogar DNS-Kanonen.«

Root packte den Zwerg am Kragen. »Erstens: Nennen Sie mich nicht Julius. Und zweitens haben Sie gar keine andere Wahl, Gefangener.«

Mulch sah ihn scharf an. »Oh doch, Julius, die habe ich. Ich kann meine Strafe ganz gemütlich in einer Zelle absitzen. Mich mit Gewalt in die Schusslinie zu zerren, ist eine Verletzung meiner Bürgerrechte.«

Roots Gesichtsfarbe wechselte von Pastellrosa zu Tulpenlila. »Bürgerrechte?!«, schnaubte er. »Sie wagen es, mir mit Bürgerrechten zu kommen?«

Dann beruhigte er sich schlagartig. Ja, er wirkte sogar beinahe fröhlich. Und wer den Commander kannte, wusste, wenn er fröhlich war, würde jemand anders bald unglücklich sein. Sehr unglücklich.

»Was ist?«, fragte Mulch misstrauisch.

Root zündete sich eine seiner unerträglichen Pilzzigarren an. »Oh, nichts weiter. Sie haben vollkommen Recht.«

Die Augen des Zwergs verengten sich zu Schlitzen. »Ich habe Recht? Sie sagen vor Zeugen, dass ich Recht habe?«

»Aber gewiss doch. Sie in die Schusslinie zu bringen, würde in der Tat sämtlichen Gesetzen des Buchs widersprechen. Also werde ich mir den fantastischen Deal verkneifen, den ich Ihnen anbieten wollte, und Ihre Strafe stattdessen um ein paar hundert Jahre verlängern, inklusive Unterbringung im Hochsicherheitstrakt.« Root legte eine Pause ein und blies Mulch Diggums eine Rauchwolke ins Gesicht. »Im Hochsicherheitstrakt von Howler's Peak.«

Der Zwerg erbleichte unter dem Schmutz auf seinen Wangen. »Howler's Peak? Aber das ist ein -«

»Ein Kobold-Gefängnis« ergänzte der Commander. »Ganz recht. Aber bei jemandem mit einem so hohen Ausbruchsrisiko wie Ihrem werde ich gewiss keine Schwierigkeiten haben, den Rat davon zu überzeugen, dass er eine Ausnahme macht.«

Mulch sank in den gepolsterten Drehsessel. Das hörte sich nicht gut an. Seinen letzten Aufenthalt in einer Zelle mit Kobolden hatte er nicht besonders spaßig gefunden. Und das war im Polizeipräsidium gewesen. Im Koboldknast aber würde er keine Woche überleben.

»Was für einen Deal würden Sie mir denn anbieten?«

Artemis grinste amüsiert. Commander Root war gewitzter als er aussah. Andererseits war es auch fast unmöglich, das nicht zu sein.

»Ach, jetzt sind wir plötzlich interessiert?«

»Wäre möglich, aber versprechen kann ich nichts.«

»Also gut, hier ist mein Angebot. Es ist ein einmaliges Angebot. Gehandelt wird nicht. Sie verschaffen uns Zutritt zum Firmensitz von Koboi Laboratorien, und ich gebe Ihnen zwei Tage Vorsprung, wenn die ganze Sache beendet ist.«

Mulch Diggums schluckte. Das war ein gutes Angebot. Ihnen musste das Wasser bis zum Hals stehen.

 
 

Polizeipräsidium, Haven City

 

Die Lage im Polizeipräsidium wurde langsam brenzlig. Die Ungeheuer standen vor der Tür. Im wahrsten Sinne des Wortes. Captain Kelp lief von einem Posten zum anderen und versuchte, seine Männer zu beruhigen.

»Keine Sorge, Leute, mit ihren Softnose-Gewehren kommen sie nicht durch die Tür. Dazu bräuchten sie schon Raketen oder -«

In diesem Augenblick dellte ein gewaltiger Schlag die Eingangstür nach innen ein, wie eine Papiertüte, die von einem Kind aufgeblasen wurde. Sie hielt stand. Gerade noch.

Briar Cudgeon kam aus der Einsatzzentrale gestürzt, das funkelnde Commander-Abzeichen auf der Brust. Mit seiner Wiederernennung durch den Rat hatte er Geschichte gemacht, denn er war der einzige Commander in der ZUP, der zweimal in diesen Rang befördert worden war.

»Was war das?«

Trouble schaltete einen Bildschirm auf die Außenansicht des Gebäudes. Draußen stand ein Kobold mit einem riesigen Rohr auf der Schulter.

»Eine Art Panzerfaust. Wahrscheinlich eine von den alten Softnose-Kanonen mit hoher Reichweite.«

Cudgeon schlug sich gegen die Stirn. »Das darf nicht wahr sein! Die sind doch angeblich alle eingeschmolzen worden. Dieser verfluchte Zentaur! Wie hat er es bloß geschafft, das ganze Zeug unter meiner Nase wegzuschmuggeln?«

»Machen Sie sich nicht zu viele Vorwürfe«, sagte Trouble. »Er hat uns alle ausgetrickst.«

»Wie lange hält die Tür noch?«

Trouble zuckte die Achseln. »Nicht mehr lange. Zwei, drei Attacken vielleicht. Hoffentlich haben sie ja nur das eine Geschoss.«

Wie aufs Stichwort erbebte die Eingangstür erneut, und aus einzelnen Marmorsäulen brachen große Stücke heraus.

Trouble erhob sich vom Boden, während Magiefunken eine Platzwunde auf seiner Stirn verschlossen. »Sanitäter, suchen Sie nach Verletzten. Sind die verdammten Waffen endlich aufgeladen?«

Grub kam mühsam herübergelaufen. Er schwankte unter dem Gewicht zweier Elektrogewehre. »Jawohl, Captain. Zweiunddreißig Waffen mit je zwanzig Schuss.«

»Okay. Verteil sie an die besten Schützen. Und kein Schuss ohne mein Kommando.«

Grub nickte, blass und entschlossen. »Gut, Corporal, dann mal los.«

Als sein Bruder außer Hörweite war, sprach Trouble leise mit Commander Cudgeon. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen soll, Commander. Die Kobolde haben den Tunnel nach Atlantis gesprengt, von dort kommt also keine Hilfe. Wir schaffen es nicht, sie unter einem Fünfeck zu versammeln, um einen Zeitstopp durchzuführen. Wir sind vollständig umzingelt und dazu noch zahlen- und waffenmäßig restlos unterlegen. Wenn es der B'wa Kell gelingt, die Tür zu sprengen, ist die Sache innerhalb von Sekunden gelaufen. Wir müssen endlich in die Kommandozentrale. Irgendwelche Fortschritte?«

Cudgeon schüttelte den Kopf. »Die Techniker sind dabei. Wir tasten jeden Quadratzentimeter mit Sensoren ab. Aber ob wir dabei auf den Zugangscode stoßen, ist reine Glückssache.«

Trouble rieb sich die Müdigkeit aus den Augen. »Ich brauche Zeit. Es muss einen Weg geben, sie aufzuhalten.«

»Den gibt es...« Cudgeon zog eine weiße Fahne aus seiner Uniformjacke.

»Commander! Sie können nicht da rausgehen, das wäre Selbstmord.«

»Mag sein«, sagte der Commander. »Aber wenn ich es nicht tue, sind wir alle in ein paar Minuten tot. So gewinnen wir zumindest ein bisschen Zeit, um vielleicht doch noch in die Kommandozentrale zu gelangen.«

Trouble dachte nach. Einen anderen Weg gab es nicht. »Womit wollen Sie sie locken?«

»Mit den Gefangenen in Howler's Peak. Vielleicht können wir eine stufenweise Freilassung aushandeln.«

»Darauf wird sich der Rat niemals einlassen.«

Cudgeon reckte sich zur vollen Größe auf. »Jetzt ist nicht die Zeit für politisches Taktieren, Captain. Jetzt muss etwas getan werden.«

Trouble war bass erstaunt. Das war nicht der Briar Cudgeon, den er kannte. Jemand musste diesem Elf ein Rückgrat eingepflanzt haben.

Diesmal würde sich der frisch ernannte Commander das Eichelabzeichen verdienen. Trouble merkte, wie eine Empfindung in seiner Brust aufwallte, die er noch nie in Zusammenhang mit Briar Cudgeon verspürt hatte: Respekt.

»Öffnen Sie die Eingangstür einen Spalt«, befahl der Commander in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Foaly würde begeistert sein, wenn er dies alles am Bildschirm verfolgte. »Ich werde mit diesen Reptilien reden.«

Trouble gab den Befehl weiter. Wenn sie je lebend hier rauskamen, würde er dafür sorgen, dass Commander Cudgeon postum die Goldene Eichel verliehen wurde. Mindestens.

 
 

Unbenannter Schacht,

unterhalb der Firma Koboi Laboratorien

 

Das atlantische Shuttle sauste einen weiten Schacht hinunter, hielt sich allerdings dicht an der Wand. So dicht, dass die Außenhülle bereits einige Kratzer bekommen hatte.

Artemis steckte seinen Kopf ins Cockpit. »Ist das wirklich nötig, Captain?«, fragte er, als sie zum x-ten Mal haarscharf am Absturz vorbeigeschrammt waren. »Oder wollen Sie uns nur beweisen, was für ein toller Hecht Sie sind?«

Holly zwinkerte ihm zu. »Sehe ich für dich wie ein Hecht aus, Fowl?«

Artemis musste zugeben, dass dem nicht so war. Captain Short war außerordentlich hübsch, aber auf eine gefährliche Weise. Auf kreuzspinnenhafte Weise. Artemis schätzte, dass ihn die Pubertät in etwa acht Monaten erwischen würde, und er hatte den Verdacht, dass er Holly dann in einem ganz anderen Licht sehen würde. Wahrscheinlich war es ganz gut, dass sie schon achtzig Jahre alt war.

»Ich fliege so nah an der Wand, um den Riss zu finden, der Mulch Diggums zufolge hier irgendwo sein soll«, erklärte Holly.

Artemis nickte. Die Theorie des Zwergs war gerade unglaublich genug, um wahr sein zu können. Er kehrte in den hinteren Bereich zurück, um Mulchs Version einer Lagebesprechung weiter zu folgen.

Der Zwerg hatte auf eine von hinten erleuchtete Wandtafel ein grobes Diagramm gezeichnet. Um ehrlich zu sein, gab es Schimpansen, die talentierter waren als er. Außerdem stanken sie weniger. Als Zeigestab verwendete Mulch Diggums eine Möhre, beziehungsweise mehrere. Zwerge mochten Möhren.

»Das hier ist der Firmensitz von Koboi Laboratorien«, murmelte er mit vollem Mund.

»Das?«, rief Root aus.

»Ja, Julius, ich weiß, dass das kein maßstabsgerechter Grundriss ist.«

Der Commander hüpfte fast aus seinem Sessel. Es sah aus, als hätte er eine Ladung Zwergengas abbekommen. »Ein maßstabsgerechter Grundriss? Das ist nichts weiter als ein Rechteck, Himmel noch mal!«

Mulch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Das ist unwichtig. Wichtig ist das hier.«

»Diese verwackelte Linie?«

»Das ist ein Riss«, protestierte der Zwerg. »Das sieht doch jeder.«

»Im Kindergarten vielleicht. Also, was ist mit dem Riss?«

»Jetzt wird's spannend. Der ist normalerweise nämlich nicht da.«

Root sah schon wieder aus, als wollte er jemanden erwürgen. Was in letzter Zeit recht häufig vorkam.

Doch Artemis merkte auf. »Wann erscheint er denn?«

Doch so schnell rückte Mulch nicht mit der Antwort heraus. »Wir Zwerge, wir verstehen was von Felsen. Graben schließlich schon seit Jahrhunderten darin herum.« Root trommelte mit den Fingern auf seinen Elektrostock. »Was die meisten Unterirdischen nicht wissen, ist, dass Felsen leben. Sie atmen.«

Artemis nickte. »Natürlich. Ausdehnung bei Hitze.«

Triumphierend biss Mulch in die Möhre. »Genau. Und das Gegenteil. Wenn sie abkühlen, ziehen sie sich zusammen.« Nun hörte sogar Root zu. »Die Werkstätten von Koboi sind auf einer massiven Felsschicht gebaut, zwei Kilometer dick. Da kommt man höchstens mit Schallsprengköpfen durch, und das würde Opal Koboi vermutlich nicht verborgen bleiben.«

»Und was bedeutet das für uns?«

»Wenn der Fels abkühlt, öffnet sich ein Riss. Ich habe beim Bau des Fundaments von diesem Laden mitgearbeitet. Durch den Riss kommt man bis unter das Labor. Dann hat man immer noch ein gutes Stück vor sich, aber man ist zumindest durch den Fels.«

Der Commander war skeptisch. »Und wieso hat Opal Koboi diesen gewaltigen Riss noch nicht bemerkt?«

»Oh, gewaltig würde ich ihn nicht nennen.«

»Wie groß ist er denn?«

Mulch zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht fünf Meter. An der breitesten Stelle.«

»Das ist immer noch ganz schön groß für einen Riss im Fundament.«

»Ja, aber er ist ja nicht ständig da«, unterbrach ihn Artemis. »Oder, Mulch?«

»Ständig? Schön wär's. Ich würde sagen, im Höchstfall - das ist natürlich nur eine ungefähre Schätz -«

Root platzte allmählich der Kragen. Er konnte es nicht leiden, wenn er ständig einen Schritt hinterherhinkte. »Raus mit der Sprache, Gefangener, sonst verpasse ich Ihnen noch ein Brandzeichen auf den Hintern!«

Mulch war verletzt. »Hören Sie auf, mich anzuschreien, Julius, mir kräuseln sich schon die Barthaare.«

Root riss den Kühlschrank auf und ließ die eisige Luft über sein Gesicht streichen. »Also gut, Mulch. Wie lange?«

»Maximal drei Minuten. Beim letzten Mal hab ich's mit Flügeln und Hochdruckanzug gemacht. Wäre um ein Haar zerquetscht und gebraten worden.«

»Wieso gebraten?«

»Nun, ich schätze, der Riss öffnet sich nur, wenn der Fels sich stark genug zusammengezogen hat«, sagte Artemis. »Und wenn dieser Riss an einer Schachtwand liegt, dürfte der kühlste Moment wohl der unmittelbar vor der nächsten Magmawoge sein.«

Mulch zwinkerte ihm zu. »Clever, Menschenjunge. Wenn der Fels dich nicht erwischt, dann erwischt dich das Magma.«

Hollys Stimme tönte aus dem Lautsprecher: »Ich habe hier was auf dem Monitor, Commander. Könnte ein Schatten sein, vielleicht aber auch ein Riss in der Felswand.«

Selbstzufrieden stolzierte Mulch auf und ab. »Na los, Julius, sagen Sie's ruhig. Ich hatte wieder mal Recht! Sie schulden mir was, Julius.«

Der Commander massierte sich die Nasenwurzel. Wenn er das hier lebend überstand, würde er nie wieder den Fuß vor sein Büro setzen.

 
 

Koboi Laboratorien

 

Vor dem Firmensitz von Koboi Laboratorien hatte sich ein Ring von B'wa-Kell-Kobolden aufgestellt, bis an die Zähne bewaffnet, kampflüstern und blutgierig. Briar Cudgeon wurde grob nach vorn geschubst; ein Dutzend Gewehrläufe bohrte sich ihm in die Rippen. Die DNS-Kanonen hingen vorübergehend deaktiviert in ihren Halterungen. Sobald Cudgeon befand, dass die B'wa Kell ihren Zweck erfüllt hatte, würden sie wieder eingeschaltet.

Der frisch gebackene Commander wurde zum Allerheiligsten geführt und vor Opal und den Generälen der B'wa Kell auf die Knie gezwungen. Sobald die Soldaten den Raum verlassen hatten, stand Cudgeon wieder auf und übernahm das Ruder.

»Alles läuft nach Plan.« verkündete er, trat auf Opal zu und strich ihr über die Wange. »In einer Stunde gehört Haven uns.«

General Scalene war skeptisch. »Es würde uns viel schneller gehören, wenn wir Koboi-Blaster hätten.«

Cudgeon seufzte geduldig. »Das haben wir doch schon besprochen, General. Das Unterbrechungssignal legt alle Neutrinowaffen still. Wenn Ihre Blaster funktionieren, dann funktionieren auch die der ZUP.«

Mit der zuckenden Zunge über seine Augen leckend, schlurfte Scalene in eine Ecke.

Das war natürlich nicht der einzige Grund, warum die Kobolde keine Neutrinoblaster bekamen. Cudgeon hatte nicht die Absicht, diejenigen zu bewaffnen, die er betrügen wollte. Sobald die B'wa Kel den Rat ausgeschaltet hatte, würde Opal der ZUP ihre Macht zurückgeben.

»Wie läuft's drüben?« Opal drehte sich auf ihrem Hoverboy-Sessel herum, die Beine untergeschlagen. »Wunderbar. Kurz nachdem du gegangen bist, um zu... verhandeln, hat die Tür nachgegeben.«

Cudgeon grinste. »Gut, dass ich schon weg war. Sonst wäre ich womöglich noch verletzt worden.«

»Captain Kelp hat sich mit dem Rest seiner Männer weiter ins Innere zurückgezogen und versucht, die Kommandozentrale zu knacken. Der Rat ist auch dort.«

»Perfekt«, sagte Cudgeon.

Sputa, einer der anderen beiden B'wa-Kell-Generäle hieb mit der Faust auf den Tisch. »Nein, Cudgeon. Das ist alles andere als perfekt. Unsere Brüder sitzen in Howler's Peak und leiden.«

»Geduld, General Sputa«, sagte Cudgeon besänftigend und tätschelte dem Kobold tatsächlich die Schulter. »Sobald das Polizeipräsidium fest in unserer Hand ist, können wir die Zellen in Howler's Peak ohne jeden Widerstand öffnen.«

Innerlich kochte Cudgeon. Wie er diese dämlichen Kobolde hasste! Trugen Kleider aus ihrer eigenen abgelegten Haut. Widerlich. Er konnte es kaum erwarten, die DNS-Kanonen zu reaktivieren und ihr Geplapper für ein paar süße Stunden nicht mehr hören zu mussen.

Sein Blick kreuzte sich mit dem von Opal. Sie wusste, was er dachte, und er sah ihre kleinen Zähne voller Vorfreude aufblitzen. Was für eine herrlich boshafte Kreatur.

Aber genau deshalb musste er sie natürlich loswerden. Opal Koboi würde es niemals akzeptieren, an zweiter Stelle zu stehen.

Er zwinkerte ihr zu. »Bald«, formte er lautlos mit den Lippen. »Bald.«