17
Es war eine Jagdhütte, kein Sommerhaus.
Das wurde Lou schnell klar, als sie die vielen
Waffen und Trophäen an den Wänden sah -.30-.30er neben
ausgestopften Tierköpfen – und die Massen an tiefgefrorenem
Wildfleisch in der Gefriertruhe. Im Schrank des Einzelschlafzimmers
entdeckte sie Sommerkleidung – Flanellhemden, lange Unterhosen,
Jeans und einen Stapel Wollsocken.
Daraus und aus der Tatsache, dass weder ein
Telefon noch ein Fernseher oder ein Radio existierten (zumindest
war bei der ersten hektischen Suche nichts dergleichen
aufgetaucht), folgerte Lou, dass sie das erste weibliche Wesen war,
das diese Hütte jemals betreten hatte. Der Besitzer – sein Name
stand auf einer zerknitterten American-Express-Rechnung, die Jack
in einer Schublade fand – war ein gewisser Donald R. Williams.
Offenbar unverheiratet. Oder seiner Frau missfiel das Leben in der
freien Natur, und deshalb begleitete sie ihn nicht auf seinen
Jagdausflügen. Jedenfalls gab es im ganzen Haus keine einzige
Nagelfeile.
Nach dem Inhalt des Kühlschranks zu schließen –
das Haltbarkeitsdatum aller Lebensmittel war schon vor einem Monat
abgelaufen – hatte Donald sich seit Wochen nicht mehr in seiner
Hütte aufgehalten. Lou hoffte, die ungebetenen Gäste würden ihn
nicht stören. Aber was Donald denken mochte, interessierte
sie nicht sonderlich. Endlich war ihr warm, nur das zählte.
Sie fühlte sich himmlisch aufgewärmt und sauber,
dank der Dusche, die – nachdem Jack eine Zeit lang im Keller
herumgefummelt hatte – reichlich heißes Wasser lieferte. Sie hätte
es noch länger unter der Brause aushalten können. Aber von dem
herrlichen heißen Wasser musste sie ein bisschen was für Jack übrig
lassen.
Trotzdem – die wenigen Minuten, in denen sie ihre
Haare gewaschen hatte (ein weiterer Beweis für den reinen
Männerhaushalt war das Shampoo mit integriertem Conditioner),
gehörten zu den wunderbarsten, an die sie sich erinnern konnte
…
Abgesehen von Jacks Kuss.
Doch sie beschloss, nicht mehr daran zu denken.
Von Kopf bis Fuß angenehm erhitzt, verließ sie die Duschkabine und
zog eines der Flanellhemden an, das sie aus dem Schlafzimmerschrank
entwendet hatte, und eine lange Männerunterhose. Nicht besonders
stilvoll, aber warm und sauber. Nichts konnte sie mehr dazu
bewegen, die Sachen, die sie die letzten achtundvierzig Stunden
lang getragen hatte, noch einmal anzuziehen.
Was immer zwischen Jack und ihr da draußen
geschehen war, sie hielt es für eine alberne Entgleisung, die sich
nicht wiederholen durfte. Deshalb verzichtete sie auf ihr gewohntes
Make-up.
In den geliehenen Kleidern, ein Handtuch um den
Kopf gewickelt, tauchte sie aus dem Badezimmer auf. »Hi«, sagte sie
zu Jack, der gerade Feuer im wuchtigen steinernen Kamin des
Wohnzimmers machte. »Jetzt kannst du duschen.«
»Danke«, antwortete er, wandte sich zu ihr um –
und ließ ein brennendes Streichholz zu Boden fallen.
»Großer Gott!«, stöhnte sie, als er die
auflodernde Flamme austrat. »Genügt es dir nicht, in ein fremdes
Haus einzubrechen? Musst du es auch noch niederbrennen?«
»Sehr komisch.« Jack warf ihr einen missmutigen
Blick zu.
»Hör mal, in der Mikrowelle tauen zwei
tiefgefrorene Steaks auf. Wenn der Timer klingelt, während ich
dusche, und sie sind okay, reib sie mit diesem Olivenöl ein, leg
sie in die Pfanne auf dem Herd und zünde das Gas darunter an. Alles
klar?«
Lou zwinkerte ihm zu. Das konnte sie sich nicht
verkneifen, denn er hatte die Lederjacke ausgezogen, und der weiche
Kaschmirpullover und die engen Jeans zeichneten seine perfekten
Körperkonturen viel zu deutlich nach. Sogar ungeduscht und mit
einem Dreitagebart sah er unverschämt gut aus.
»Kannst du kochen?«, war alles, was sie
hervorbringen konnte. Und sogar das klang ziemlich lahm.
»Ja, selbstverständlich.« Jack ging um die
Rattancouch herum zum Bad. »Du nicht?«
»Äh …« Plötzlich fand sie das Handtuch auf ihrem
Kopf etwas übertrieben. »Hm … ja, doch.«
»Gut. Brat die Steaks, wenn sie aufgetaut
sind.«
Dann verschwand er im Bad. Obwohl Lou mindestens
zehn Schritte vom Kaminfeuer entfernt stand, beschleunigte die
Hitzewelle, die ihren Körper durchströmte, ihren Puls. Sie riss
sich das Handtuch vom Kopf und hoffte, die nassen Locken würden
ihre fiebrig glühenden Wangen kühlen.
»Oh … »Jack spähte aus der Badezimmertür. »Vorhin
habe ich im Keller eine Flasche Wein gefunden, der atmet gerade auf
der Küchentheke. Nimm zwei Gläser aus dem Schrank, okay? Es sei
denn«, fügte er boshaft hinzu, »der Wein würde dich genauso umhauen
wie gestern der Scotch.«
Warum musste er das erwähnen? Hastig schloss er
die Tür, um ihrem vernichtenden Blick zu entgehen.
Allein im Wohnzimmer, legte sie das Handtuch auf
einen der Stühle, die den großen Esstisch bei der offenen Küche
umgaben. Die Hütte bestand eigentlich nur aus diesem einen großen
Raum und dem angrenzenden Schlafzimmer – in der modernen
Architektur würde man dazu wohl »offenes Wohnkonzept« sagen. Aber
der Besitzer dieser Hütte würde das wohl kaum so bezeichnen. Die
Möbel waren gemütlich und rustikal, jedoch völlig altmodisch.
Zumindest gab es in der Küche alle nötigen modernen Geräte, ein
Telefon aber leider nicht.
Doch Lou nahm sich vor, das Beste aus der
Situation zu machen. Hier fror sie wenigstens nicht, und sie war
vorerst in Sicherheit. Draußen braute sich ein neuer Blizzard
zusammen. Sie hörte den Wind heulen – zumindest hoffte sie, es wäre
der Wind -, und durch das Fenster sah sie die Schneeflocken vor dem
schwarzen Himmel tanzen. Bald würde sie ihren Hunger stillen, falls
Jack tatsächlich kochen konnte. Was konnte sie sich mehr
wünschen?
Nun ja, sie hätte gerne etwas mehr Stolz bewahrt
…
Lou fürchtete, bei der unsäglichen Szene draußen
im Schnee ihren Stolz verloren zu haben. Sie hatte diesen Mann so
hemmungslos geküsst – wie ein Groupie.
Also wirklich … Kein Wunder, dass er darüber reden wollte!
Wahrscheinlich würde er sie an die gescheiterten Beziehungen
erinnern, die sie beide verkraften mussten. Und dann würde er
betonen, im Augenblick wäre es »vernünftig«, nichts zu überstürzen.
Als würde sie eine Liaison mit Jack Townsend auch nur für eine
Sekunde in Erwägung ziehen! Mit Mr.
Ich-binnoch-nicht-für-was-Dauerhaftes-bereit! Niemals.
Und nie wieder ein Schauspieler. Nein danke.
Sollte sie sich noch mal mit einem Mann einlassen, dann nur mit
jemandem, der einen normalen Beruf ausübte. Zum Beispiel mit einem
Polizeibeamten oder einem Unternehmensberater.
Die Mikrowelle klingelte, und Lou öffnete die
kleine Tür.
Vorsichtig betastete sie die Steaks, die nun nicht
mehr gefroren waren, nahm sie heraus und bestrich sie mit Olivenöl,
so wie Jack es ihr aufgetragen hatte. Dann legte sie die
Fleischscheiben in die Bratpfanne und zündete die Gasflamme
darunter an. Während sie beobachtete, wie das Öl zu brutzeln
begann, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
Und dann entdeckte sie die Weinflasche. Barry
hatte sich – mühsam und kostspielig – zum Weinkenner entwickelt und
versucht, Lou mit Hinweisen auf die Unterschiede zwischen einem
Merlot und einem Montepulciano zu beeindrucken. Doch sie hatte nie
darauf geachtet. Sie fand es wichtiger, den Helden und die Heldin
eines Drehbuchs mit überzeugenden Dialogen einander näherzubringen.
War Greta eine Weinkennerin? Gehörte das zu den gemeinsamen
Interessen, die sie mit Barry verband?
Sie inspizierte den Kühlschrank – er war fast
leer. Auch in der Speisekammer fand sie nichts, was sie essen
konnte, bis die Steaks fertig waren, und so schenkte sie sich ein
Glas Wein ein. Nur eines, beschloss sie. Das würde ihr nicht
schaden. Außerdem vertrug sie Wein und Bier sehr gut. Nur vor
Hochprozentigem musste sie sich hüten.
Mit dem Glas in der Hand setzte sie sich auf einen
Hocker an der Theke und beobachtete die Steaks. Hätte ihr irgendwer
erzählt – zum Beispiel Vicky -, dass sie eines Abends in geliehenen
Kleidern, mit nassem Haar und ohne Make-up Wildfleischscheiben
braten würde, während Jack Townsend nebenan duschte, wäre sie in
ungläubiges Hohngelächter ausgebrochen. Solche Geschichten gab es
einfach nicht. Zumindest nicht in ihrem Leben. Nur im Leben anderer
Leute. Und Lou schrieb dann darüber. Seit sie denken konnte, hatte
sie praktisch nichts anderes getan – Szenen aus dem Leben anderer
Menschen aufgeschrieben und manchmal auch etwas dazugedichtet. Über
ihr eigenes Leben zu berichten, das hatte sich nie gelohnt.
Bisher nicht.
Und nun war Lou Calabreses Leben plötzlich
furchtbar kompliziert geworden.
Der Wein schmeckte süffig und schwer. Sie verstand
gerade genug von Wein, um das zu merken. In ihrem Mund fühlte er
sich köstlich an, sehr intensiv auf der Zunge. Warm war ihr ja
sowieso schon von der Dusche – und auch von der Art, wie Jack sie
angeschaut hatte. Was mochte er wohl dabei gedacht haben?
Nach ein paar Schlucken Wein auf leeren Magen
wurde ihr noch wärmer.
Das Rauschen der Dusche verklang. Ein paar
Sekunden später kam Jack aus dem Bad, ein Handtuch um die Hüften
geschlungen. Sonst trug er nichts.
Und obwohl sie ihn oft genug noch spärlicher
bekleidet gesehen hatte – in jedem seiner Filme, zu dem sie das
Drehbuch geschrieben hatte -, seufzte sie erleichtert, weil der
letzte Schluck Wein noch vor seinem Erscheinen durch ihre Kehle
geronnen war. Andernfalls hätte sie womöglich nach Luft geschnappt
und den edlen Tropfen ausgespuckt. Bei Jacks Anblick spürte sie,
wie ihr Herz viel zu heftig gegen die Rippen hämmerte.
»Wie sind die Steaks?«, fragte er.
Hastig schaute sie weg. »Okay.«
»Oh, großartig. Ich komme gleich und brate sie
fertig.«
Lou nickte. Glücklicherweise verschwand er im
Schlafzimmer – hoffentlich, um etwas anzuziehen. Sicher war sie die
einzige Frau in Amerika, die einem halb nackten Jack Townsend
begegnete und wünschte, er würde sich etwas überziehen.
Wahrscheinlich, weil sie die einzige Frau in
Amerika war, die den Gedanken, dass Jack Townsend ihr Herz brechen
könnte, nicht besonders angenehm fand.
Ob er die unausgesprochene Bitte verstanden hatte,
wusste sie nicht. Jedenfalls kehrte er ein paar Minuten später aus
dem Schlafzimmer zurück – vollständig bekleidet, jedoch nicht mit
seinen eigenen Sachen. Auch er hatte offenbar eine gewisse
Abneigung gegen seine Klamotten entwickelt. Ebenso wie Lou war er
in ein Flanellhemd geschlüpft. Statt einer langen Unterhose trug er
dazu Jeans, die dem Hausbesitzer gehörten.
Gegen ihren Willen konstatierte sie, dass sowohl das Hemd als auch
die Jeans sich etwas zu eng an seinen Körper schmiegten.
»Sehr gut«, murmelte er, ging zum Herd und drehte
die Steaks um – deren Aroma Schwindelgefühle in Lous Kopf erzeugte.
Oder es lag am Wein. Oder am Mann, der die Flasche entkorkt hatte.
»Was haben wir denn sonst noch? Von Wildfleisch allein kann man
nicht leben.«
Er öffnete die Gefriertruhe und verhalf ihr zu
einer wundervollen Ansicht des berühmten knackigen Hinterteils in
den geliehenen Jeans. »Hurra!«, rief er und holte ein
eisverkrustetes Etwas hervor. »Rahmspinat. Perfekt. Im Peter Luger
Steakhouse könnten wir nichts Besseres bestellen.«
Dann riss er die Packung des tiefgefrorenen
Rahmspinats auf, warf ihn in eine Schüssel und schob ihn in die
Mikrowelle.
Lou, deren Kochkünste sich auf Toastscheiben und
ein gelegentliches Eiersandwich beschränkten, musterte ihn
verwirrt. »Dass du kochen kannst, wusste ich gar nicht«, bemerkte
sie mit einer Stimme, die schwach und höflich klang. Gar nicht wie
ihre eigene.
»Klar«, antwortete er und drehte die Steaks noch
einmal um. »Schon in meiner frühen Jugend habe ich mich selbst
versorgt. Als Kind war ich ein heikler Esser. Was die Köchin
servierte, lehnte ich ab …« Er zuckte die Schultern. »Bei uns
daheim galt die Regel, wenn man nicht essen wollte, was die Köchin
zubereitete, musste man sich selber verköstigen. Deshalb habe ich
kochen gelernt.«
Eine Köchin … Wie lässig er davon sprach – als
wäre
jeder Mensch in einem Haushalt mit einer Köchin
aufgewachsen.
Aber wieso auch nicht? Jedenfalls stellte sich
Jack viel geschickter in der Küche an, als Lou und Barry das jemals
getan hatten. Und sie waren beide ohne Hauspersonal aufgewachsen.
Hätten sie nicht ständig Essen bestellt oder an der Straßenecke
etwas mitgenommen, wären sie wahrscheinlich verhungert, denn keiner
von beiden hatte Lust gehabt, sich einen Topf zu schnappen und
Spaghetti zu kochen.
In diesem Moment erkannte sie, wie wenig sie über
den Erben von Townsend Securities wusste. »Hast du … äh …
Geschwister?« Schon wieder diese merkwürdige Stimme, die gar nicht
wie ihre eigene klang …
»Nein.« Jack füllte das zweite Glas mit Wein. »Nur
ich und Mom und Dad.«
»Oh«, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel –
au ßer der Tatsache, dass sein Hintern immer noch sehr reizvoll in
den Jeans aussah. »Dann musst du dich sehr einsam gefühlt
haben.«
»Das glauben alle, die aus einer großen Familie
stammen«, meinte er grinsend. »Aber wie sollte ich etwas vermissen,
das ich niemals hatte? Und ich verstand mich sehr gut mit meinen
Eltern.« Das Grinsen erlosch. »Zumindest, bis ich mich für den
Beruf als Schauspieler entschied.«
Zu ihrer Erleichterung grinste er nun nicht mehr.
Wann immer er grinste, passierten sonderbare Dinge mit ihrem Puls,
die ihr nicht gefielen. Am besten, sie würde das Thema seiner
Berufswahl bis zum Schlafengehen weiterverfolgen, wenn es ihn denn
am Lächeln
hinderte. Sonst würde sie womöglich vergessen, dass sie nichts mit
ihm zu tun haben wollte. Zumindest nicht auf körperlicher Ebene.
»Oh? Haben deine Eltern deine schauspielerische Karriere
missbilligt?«
»Meine Mom hat es nicht gestört. Aber mein Vater
dachte, ich würde die Firma übernehmen. Oder wenigstens Jura
studieren.« Er nippte an seinem Wein. »Als ich das ablehnte, drehte
er mir den Geldhahn zu. Und ich glaube, die Rolle eines
Hausmeisters in einer extrem kurzlebigen Sitcom widersprach seinen
Vorstellungen von der Zukunft seines Sohnes.«
»Aber danach hast du viele andere Rollen gespielt
– und die Sitcoms hast du doch nur am Anfang gemacht. Später warst
du sehr erfolgreich. Auf deine Leistung in STAT war dein Vater sicher sehr stolz.«
»Vielleicht.« Jack zuckte wieder die Schultern.
»Aber er bekam keine Gelegenheit, mir das zu sagen. Während der
zweiten Staffel starb er. Den ersten Copkiller-Film hat er nicht mehr miterlebt.«
»Oh …« Erstaunlicherweise erregte er ihr
Mitgefühl. »Das muss sehr schlimm für dich gewesen sein.«
»Es war doch sicher viel schlimmer, als einziges
Mädchen in einem Haus voller Jungs aufzuwachsen.« Das Grinsen
kehrte zurück. »Haben deine Brüder dir beigebracht, wie du einen
zudringlichen Mann in den Schnee werfen kannst?«
Musste er sie an den Kuss erinnern? Prompt
errötete sie. Zum Glück klingelte in diesem Moment der
Mikrowellen-Timer, und Jack schaute nach dem Rahmspinat.
»Nein …«, antwortete sie zögernd. »Das war mein
Dad. Er machte sich Sorgen, als ich aufs College kam.
Deshalb fand er, ich müsste lernen, auf mich selber aufzupassen.
Und so zeigte er mir ein paar Tricks.«
»Dann solltest du ihm ausrichten, dass seine
Lektion erfolgreich war.« Jack rührte den Spinat um. »Vermutlich
hast du deine Freunde in der Highschool ziemlich eingeschüchtert,
was? Ein Mädchen mit vier großen Brüdern – und einem Dad, der
Waffen mit sich herumtrug …«
Wie unbefangen sie sich unterhielten – ohne Groll
und Sarkasmus … Lag es am Wein? Oder weil sie sich zum ersten Mal
nach einem achtundvierzigstündigen Albtraum endlich entspannte? So
oder so, sie lachte über Jacks Frage. »Das weiß ich nicht, es gab
nur einen.«
»Einen … was? Einen Revolver?«
»Nein«, kicherte sie. Unfassbar. Lou, die niemals
kicherte, sondern eher so ein kehliges Lachen hervorbrachte wie
Linda Fiorentino in den Filmszenen, in denen sie auf der Autobahn
im Stau steckte! »Nur einen Freund.«
Offenbar hatte er sich die Hand am Rahmspinat
verbrannt. Verwirrt wedelte er seine Finger durch die Luft. »Was?
Barry? Also war Barry Kimmel dein einziger
Freund?«
Zu spät erkannte sie, was sie soeben gestanden
hatte – noch dazu einem Mann, der auf zahllose Affären
zurückblickte. Natürlich mussten ihn Lous mangelnde Erfahrungen
verblüffen.
Aber warum machte ihr das etwas aus? Sie wollte
sich ohnehin nicht mit ihm einlassen. Vickys Erlebnisse hatten sie
bereits abgeschreckt. Außerdem hatte sie sich das geschworen – nie
wieder ein Schauspieler!
Das war ja auch der Grund, warum sie ein so wenig kleidsames
Frotteetuch um ihren Kopf gewickelt und auf Make-up verzichtet
hatte, nicht wahr?
Entschlossen hob sie ihr Weinglas, stärkte sich
mit einem großen Schluck und bestätigte: »Ja. Nur Barry.«
Ungläubig starrte er Lou an. Diese Miene hatte sie
zuletzt beim gemeinsamen Studium des Copkiller-IV-Drehbuchs
gesehen, als er zu der Stelle gekommen war, wo Detective Pete
Logans Hand von einem Inuit-Häuptling gebrochen wurde.
»Mein Gott!«, murmelte er. »Nur ein Kerl? In deinem ganzen Leben? Dann bist du
praktisch …« Er verstummte abrupt.
Voller Misstrauen verengte sie ihre Augen.
»Praktisch … was?«
»Nichts«, sagte er und wandte sich zum Herd. »Hey,
die Steaks sind fertig. Ich nehme nur schnell zwei Teller aus dem
Schrank und …«
»Praktisch … was, Townsend?« Lous Stimme nahm
einen harten Klang an.
»Nun ja …« Verlegen hob er die Schultern. »Eine
Jungfrau.«