5
Lou blinzelte ungläubig. Wirklich, das musste ein böser Traum sein. Als wären die letzten vierundzwanzig Stunden noch nicht schlimm genug gewesen, saß sie jetzt in einem Hubschrauber fest, hundertfünfzig Meter über dem Erdboden, mit Jack Townsend und einem verrückten Buschpiloten.
Auf dieser Welt gab es keine Gerechtigkeit.
Nun, wahrscheinlich ist es meine eigene Schuld … Das Studio wäre nicht halb so versessen auf ein weiteres Copkiller-Drehbuch gewesen, hätte Hindenburg nicht diesen Megaerfolg erzielt. Was wieder einmal ihre Theorie bestätigte: Hätte sie eine nette, romantische kleine Komödie geschrieben statt eines verdammten Triumphs des menschlichen Geistes, wäre das Leben viel einfacher.
»Wow«, sagte Jack, nachdem seine hinreißenden blauen Augen endlich den.38er registriert hatten, der sich auf sein Gesicht richtete. »Hey, Moment mal.«
»Tut mir ehrlich leid, Mr. Townsend«, beteuerte Sam, der Pilot. In Lous Kopfhörern klang die tiefe Stimme tatsächlich bedauernd. »Aber ich muss den Auftrag ausführen.«
»Machen Sie Witze?« Eins musste man Jack lassen – er geriet nicht in Panik. Soweit Lou das festzustellen vermochte, fürchtete er sich nicht einmal. Er dachte sogar daran, ins Mikrofon zu sprechen, das seitlich an den Kopfhörern hing, damit Sam ihn verstand. »Werden Sie mich erschießen? In Ihrem Hubschrauber?«
Traurig nickte der Pilot. »Danach werfe ich Sie raus. Deshalb konnten wir nicht mit der Cessna fliegen.«
»Aber …«
Lou wusste nicht, ob Jack Zeit gewinnen wollte oder ob es ihn wirklich interessierte.
Wie auch immer, er fragte ohne seinen üblichen Sarkasmus, nur leicht verwirrt: »Warum?«
Sam hob die breiten Schultern. »Das sagte ich bereits. Ich wurde damit beauftragt. Wenn ich es nicht tue, bezahlen sie mich nicht. Und ich brauche das Geld, Mr. Townsend, weil ich einigen Leuten was schuldig bin. Wenn Sie jetzt bitte …«
Obwohl Lous Herz wie rasend schlug und ihr Mund staubtrocken war, schaffte sie es irgendwie, ihren Sicherheitsgurt zu öffnen und sich vorzubeugen. Sie dachte an die zahllosen Geschichten, die ihr Vater immer beim Abendessen erzählt hatte – über verrückte Täter, die mit Schusswaffen herumgewedelt hatten, und sie hoffte, ihre Stimme würde ruhig und besänftigend klingen. »Hören Sie, Sam, das ist lächerlich. Sie können Jack Townsend nicht erschießen. Was würden die Leute denn sagen, wenn wir ohne ihn am Set auftauchen?«
Entschuldigend schaute er sie an. »Wir fliegen nicht zum Set, Miss. Sehen Sie, ich soll Mr. Townsend erledigen. Dann bringe ich Sie … Wohin, brauchen Sie nicht zu wissen. Jedenfalls bekomme ich dort mein Geld. Und danach verschwinde ich.«
Lou schluckte und glaubte, ihr Mund würde sich mit Sand füllen. Wie in Die Mumie kehrt zurück, 2001. In dem Film war sehr viel Sand aufgewirbelt worden. »Was wird mit mir geschehen?«, würgte sie hervor.
Auch wenn sie mit den folgenden Worten gerechnet hatte, sie jagten ihr trotzdem eisiges Entsetzen ein, viel schlimmer als die kalte Luft, die das Heizungssystem des Helikopters kaum erwärmen konnte.
»Dass Sie mit uns fliegen, war nicht vorgesehen. Wir können uns nicht mit Zeugen belasten.«
Nein. Natürlich nicht. Deshalb war Vicky in letzter Minute weggerufen worden, nicht wahr? Aber Lou hatten sie offensichtlich vergessen. Wer immer Jack Townsends Ermordung organisiert hatte …
Klar, ich bin ja nur eine Drehbuchautorin. Und jeder wusste, wie entbehrlich Drehbuchautorinnen waren. In Amerika gab es keine einzige Starbucks-Angestellte, die nicht mindestens ein Drehbuch in irgendeiner Schublade versteckt hatte.
»Hören Sie …«, begann Jack. Diesen Ton kannte Lou. So redete Detective Pete Logan, wenn er mit Geiselnehmern verhandelte. »Äh … Sam, nicht wahr? Wer immer den Mord an mir bezahlt, hat Ihnen sicher eine hohe Summe angeboten. Aber ich bin auch ganz gut situiert. Wenn Sie mich am Leben lassen, verdopple ich Ihr Honorar. Was sagen Sie dazu?«
Lou sprang beinahe aus ihrem Sitz. So eine Szene hatte sie für Copkiller III geschrieben. Und Jack war geistesgegenwärtig genug, um sich daran zu erinnern und das Handlungsmotiv in einer grausam realen Situation zu verwenden. Dazu wäre sie niemals fähig – die fiktiven Erfahrungen ihrer Filmhelden im wirklichen Leben zu nutzen. Gewiss, die Erfindungen anderer Autoren. Aber die eigenen? Niemals.
Der Pilot schüttelte den Kopf, bis sein Doppelkinn wackelte. »Anscheinend halten Sie mich für einen Trottel.« Seine Stimme klang nicht gekränkt. Nur traurig. »Später würden Sie mich verpfeifen. Für dieses Problem gibt es nur eine einzige Lösung. Sicher wissen Sie, was ich meine.«
Vor Angst wie gelähmt starrte Lou den kräftig gebauten Mann an, der vor ihr saß und seine Waffe so lässig auf Jacks Kopf richtete. Erst als sie ihren Blick ein bisschen nach rechts lenkte, merkte sie, wohin Jack schaute. Er beobachtete nicht den Mörder, sondern sie.
Zum ersten Mal in den sechs Jahren, seit sie Jack Townsend kannte, gewann sie den Eindruck, diese durchdringenden Augen würden sie tatsächlich sehen – und dabei nicht nur die verrückte Drehbuchautorin erkennen, die ihm verbot, ihren Text zu ändern, sondern sie selbst. Und auf irgendeine Weise, die sie nicht definieren konnte, forderte er sie auf, etwas zu tun. Aber was? Sollte sie den Kerl in den Schwitzkasten nehmen? O ja, das würde bestimmt funktionieren.
»O Gott!«, rief Jack und beendete den Blickkontakt. Zu ihrem Entsetzen sank sein Kopf plötzlich an die Lehne seines Sitzes. »Was hier passiert, glaube ich einfach nicht!«
In ihrer Verwirrung benötigte sie ein paar Sekunden, um zu begreifen, was er tat. Sicher, er war ein Ekel, aber kein Feigling. Nicht einmal für jene Szene in Copkiller II hatte er einen Stuntman verlangt, die mit den Aalen und der Betonmischmaschine …
Da wusste sie, was er bezweckte. Zweiter Abschnitt, fünfte Szene in Copkiller III. Hatte Sam den Film nicht gesehen? War das möglich? Wenn ja, musste er der einzige Mann seiner Altersstufe sein (zwischen fünfundvierzig und sechzig), wohnhaft im Nordwesten der Vereinigten Staaten, der dieses Ereignis versäumt hatte.
Offensichtlich stimmte das, denn er stammelte. »Oh … äh … bitte, Mr. Townsend, führen Sie sich nicht so auf …«
»Um Himmels willen, Mann!«, schrie Jack und packte ihn an der Schulter. »Werfen Sie Ihr Leben nicht weg … wollen Sie ein gejagter Verbrecher sein, ständig auf der Flucht vor der Polizei …?«
»Hey, Moment mal …«, jammerte Sam.
Inzwischen war Lou zu Boden gefallen, genau wie Dan Gardner, der unglückselige Partner des Detectives, es immer tat, wenn Pete Logan seinen theatralischen Unsinn trieb. Sie hatte keine Ahnung, was sie am Boden des Hubschraubers zu finden hoffte. Da der R-44 ziemlich klein war, gab es nicht viel Stauraum. Also mussten irgendwelche Gegenstände, die man als Waffe gebrauchen konnte, unter den Sitzen liegen.
Unter ihrem Sitz stand eine Box mit der Aufschrift »Nur für Notfälle«. Nun, das war eindeutig ein Notfall. Sie zog die Box zu sich heran. Inbrünstig betete sie, Jack möge Sam beschäftigen, während sie den Inhalt des Kastens inspizierte.
»Was für ein Leben wäre das?«, fragte Jack. »Ständig müssten Sie über Ihre Schulter spähen, den Cops immer nur einen Schritt voraus …«
»In Mexiko bin ich vor dem Gesetz sicher«, erwiderte Sam. »Und wenn ich an einem dieser perlweißen Strände liege, werde ich wohl kaum über meine Schulter schauen …«
»Denken Sie darüber nach, Sam«, mahnte Jack. »Glauben Sie wirklich, die Mexikaner würden Sie nicht ausliefern, wenn Sie entlarvt werden? Ich bin ein international bekannter Star. Nach meiner Ermordung würde die ganze Welt trauern und die Bestrafung des Schuldigen fordern.«
Auf allen vieren, verdrehte Lou die Augen. Ging es nicht ein bisschen weniger dramatisch?
»Sobald ich in Mexiko bin, erwischen sie mich nicht«, entgegnete Sam stur.
Lou nahm den Deckel von der Box und schickte ein stummes Dankgebet zum Himmel. Nun fand sie, was sie gesucht hatte. Nachdem sie das Teil sorgfältig geladen und hochgehoben hatte – es war erstaunlich schwer -, richtete sie es auf Sams Hinterkopf und kreischte: »Keine Bewegung, Drecksack!« Genau wie Rebecca in Copkiller III.
Aber Sam erstarrte nicht, stattdessen drang seine Stimme aus Lous Kopfhörer. »Wenn ich auch nicht stolz darauf bin … aber ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.«
Da merkte sie, dass sie nicht ins Mikrofon gesprochen hatte.
»Sam«, sagte sie – diesmal ins Mikrofon – und hielt ihm die Mündung der Leuchtpistole an die Schläfe. »Legen Sie die Waffe weg. Sofort.«
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie Jack unter seinen Bartstoppeln erblasste. Was hatte er denn von ihr erwartet? Allzu viele Möglichkeiten gab es nicht. Entweder die Leuchtpistole oder gar nichts. Sie ignorierte ihn.
»Was?«, stotterte Sam verwirrt. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass er mit Leuchtpistolen bedroht wurde. »Was machen Sie denn?«
»Ich jage Ihnen eine Leuchtkugel ins Hirn«, informierte sie ihn mit einer Stimme, die ihrer Ansicht nach ganz ruhig klang. So wie Dirty Harrys Stimme in Dirty Harry III – Der Unerbittliche. »Wenn Sie die Waffe nicht weglegen.«
Er wandte sich zu ihr. »Sie werden mich nicht erschießen«, entgegnete er, entrüstet, dass sie das nicht selbst wusste.
»Doch, das tue ich«, versicherte Lou. »Ganz bestimmt tue ich es. Darauf können Sie wetten – ich tu’s.«
Oh, verdammt, dachte sie. Dreimal hatte sie es gesagt. Und Leute, die etwas dreimal wiederholten, sagten nie die Wahrheit. Das hatte ihr Vater ihr oft genug erklärt. Aber vielleicht hatte Sam, der offensichtlich nicht auf derselben Seite des Gesetzes stand wie Frank Calabrese, noch nichts davon gehört.
Oder vielleicht doch. Er starrte sie immer noch an. Wie sie unwillkürlich feststellte, mit ebenso blauen Augen wie Jack Townsend. Aber es war ein anderes Blau, ein helleres, glanzloses Blau, ohne den dunklen Ring um die Iris. Nicht wie Jacks Blau, das so viele Fans von STAT für den grüblerischen Dr. Rourke begeistert hatte …
»Nein, Sie werden mich nicht erschießen«, betonte Sam wie ein Vater, der ein widerspenstiges Kind maßregelte. »Niemanden werden Sie erschießen. Zu so etwas sind Sie nicht fähig.«
Lou blinzelte ihn an. Natürlich hatte er recht. Sie würde ihn nicht erschießen – und auch niemand anderen. Vierzig Jahre lang war ihr Vater Polizist in New York City gewesen. Kein einziges Mal hatte er jemanden erschossen. Ihre vier Brüder arbeiteten alle bei verschiedenen Polizeistellen. Auch sie hatten noch niemanden erschossen. Klar, sie zogen ihre Waffen, waren aber noch nie in Situationen geraten, wo es nötig gewesen wäre, abzudrücken …
Abgesehen von Nick, der einmal auf eine Rottweilerhündin geschossen hatte. Das war unumgänglich gewesen, da sie die Sanitäter nicht zu ihrem verletzten Besitzer gelassen hatte. Doch er hatte eine Gummikugel benutzt. Davon hatte sie sich schon sehr bald erholt. Aber seinen Besuch an ihrem Krankenlager hatte sie nicht zu schätzen gewusst.
Die Leuchtpistole in Lous Hand schwankte ein bisschen. »Okay …« In ihren eigenen Ohren klang die Stimme nicht nach Clint – unglücklicherweise eher nach Sally Field. »Also, okay … vielleicht schieße ich Ihnen nicht in den Kopf. Aber ganz sicher ins Bein. Und das wird verdammt wehtun.«
Seufzend schüttelte Sam den Kopf. »Schätzchen, wenn Sie auf mich schießen, fällt der Hubschrauber runter. Wie ein Stein.«
Lou zuckte zusammen. O Gott, daran hatte sie nicht gedacht. Jetzt wackelte die Waffe in ihren Fingern noch heftiger.
»Das bezweifle ich«, sagte Jack Townsend seelenruhig.
Nicht nur Lou starrte ihn verblüfft an. Auch Sam riss den Mund auf. Anscheinend hatten beide die Existenz einer dritten Partei in der kleinen Kabine vergessen – so intensiv war ihr Wortwechsel gewesen.
»Wissen Sie, ich habe schon mal einen R-44 gesteuert«, fügte Jack im Plauderton hinzu.
Überrascht hob Lou die Brauen. »Tatsächlich?«
»Klar.« Jack zuckte mit den breiten Schultern. »In Bergers Film Die Zeit des Spions. Vielleicht erinnern Sie sich dran. Schon in der ersten Woche fünfundsechzig Millionen an den Kinokassen.«
Beinahe ließ Lou die Leuchtpistole fallen. Erstens würde Jeffrey Berger – der so unverschämt gewesen war, den ersten Hindenburg-Entwurf abzulehnen, den Lous Agentin ihm geschickt hatte – seinen Schauspielern niemals erlauben, ihre eigenen Stunts auszuführen. Und auf keinen Fall hätte Jack eine schwere Maschine wie einen R-44 fliegen dürfen. Und Die Zeit des Spions hatte ganz sicher nicht solche hohen Einnahmen erzielt, schon gar nicht in der ersten Woche.
Aber Jack warf ihr einen Blick zu, der ihr wieder die brenzlige Situation ins Gedächtnis rief. Und so drückte sie die Mündung der Leuchtpistole etwas fester an die Schläfe des Piloten. »Okay, Sam. Auch ohne Sie kommen wir großartig zurecht. Legen Sie endlich Ihre Waffe weg.«
Sam, offensichtlich weder über Jeffrey Bergers konservative Regieführung noch über die spärlichen Einnahmen von Die Zeit des Spions informiert, holte tief Luft. Und dann, zu Lous maßloser Verwunderung, reichte er Jack den.38er.
Anscheinend erinnerte Jack sich an alles, was er bei den Dreharbeiten zu den Copkiller-Filmen gelernt hatte. Mit beiden Händen umfasste er den Revolver, einen Zeigefinger in der Nähe des Abzugs. Damit wollte er verhindern, dass er versehentlich abdrückte, bevor es wirklich nötig war.
»Also gut«, sagte er in einem ganz anderen Ton als vorhin, wo er Sam »um Himmels willen« gebeten hatte, doch mal nachzudenken.
Jetzt klang seine Stimme ruhiger denn je. Tödlich ruhig, und Lou erschauerte. Oder vielleicht fröstelte sie, weil sie immer noch durch die arktische Luft rasten, während zwei gefährliche Waffen entsichert waren.
»Wenden Sie diesen Vogel«, befahl Jack ganz cool.
Lou war froh, weil sie nicht in den Lauf der Magnum schauen musste. Oder in Jack Townsends blaue Augen, die den Piloten fixierten – so eiskalt wie der Boden, auf dem sie kniete. Wenn er Greta jemals so angesehen hatte, verstand Lou, warum die Frau ihn für Barry verlassen hatte. Denn der könnte mit seinem Blick nicht einmal einem Kindergartenkind Angst einjagen.
Offenbar war Sam der gleichen Ansicht, denn er stöhnte leise: »O mein Gott, was habe ich getan? Was habe ich getan?«
»Denken Sie nicht daran«, erwiderte Jack. »Fliegen Sie einfach nur den Hubschrauber.«
»Die werden mich umbringen«, winselte Sam. »Wenn ich in Myra auftauche, töten sie mich. Verstehen Sie das?«
»Fliegen Sie einfach den Hubschrauber«, wiederholte Jack.
In diesem Moment spähte Lou durch die Windschutzscheibe und sah etwas, das ihr einen Schrei entlockte. Weil sie zu schockiert war, um ins Mikrofon zu sprechen, hörte es niemand.
»Fliegen Sie«, wies Jack den Piloten in besänftigendem Ton an. »Nun machen Sie schon, dann lege ich ein gutes Wort für Sie ein.«
»Gänse!«, kreischte Lou, diesmal ins Mikrofon, und zeigte geradeaus. Zu spät. Wegen Sams vorübergehender Aufmerksamkeitsstörung flogen sie so tief, dass sie mitten in einen Gänseschwarm geraten waren, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tun konnte.
Als einer der Vögel gegen die Windschutzscheibe prallte, in einer Explosion aus Blut und Federn, schleuderte der Zusammenstoß Lou nach vorn, und ihre Stirn knallte gegen den Metallrahmen des Pilotensitzes. Vor ihren Augen tanzten Sterne, die Leuchtpistole entglitt ihren Fingern. Klirrend landete sie am Boden, prompt löste sich ein Schuss, und diesmal sah sie ganz andere Sterne. Im Funkenregen und in der Rauchwolke, die dem Krach folgten, fand Lou gerade noch genug Zeit, um zu denken: Es heißt nicht Gänseschwarm, sondern Gänseschar … aber Möwenschwarm.
»Schauen Sie nach vorn«, hörte sie Jack Townsend rufen. Er musste nicht ins Mikrofon sprechen. Denn er schrie laut genug, um das Surren der Rotoren zu übertönen ebenso wie den Krach der Leuchtpistole, die von einer Wand zur anderen geschleudert wurde und brennend in die Schalttafel flog.
»O Jesus!«, heulte der Pilot und warf beide Arme hoch, um sein Gesicht vor dem Funkenregen zu schützen. »O Jesus!«
Möwenschwarm, dachte Lou und wurde in ihren Sitz zurückgeworfen. Diese Vögel hatte Barry immer geliebt. Und er besaß alle CDs der Band »A flock of seagulls«, die das Möwengeschrei imitierten. Er hatte sie alle in dieser Box mitgenommen. An jenem Tag, wo er ihr vorgeworfen hatte, sie sei zynisch. Möwen-CDs. Und Panflötenmusik. Schon immer hatte Barry für Panflötenmusik geschwärmt.
Dicht vor ihren Augen erschien Jack Townsends Gesicht, umgeben von Rauch und Flammen. »Schnallen Sie sich an!«, brüllte er. Lou blinzelte und gehorchte. Doch sie fand sein Benehmen ziemlich anmaßend. Wofür hielt er sich eigentlich? Für einen Filmstar?
Und dieser Gedanke amüsierte sie köstlich. Zumindest, bis der Rauch die ganze kleine Kabine füllte. Und dann sah sie etwas auf die Windschutzscheibe zurasen – etwas, das ihr die Kehle zuschnürte.
Und dieses Etwas war der Erdboden.