Tag
53,
Standardjahr 1393,
Surebleak
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Es war spät. Sein Haushalt, von den Nachtwachen abgesehen, schlief um ihn herum. Er war vor einigen Stunden aufgestanden, ganz vorsichtig, um seine Lady nicht zu wecken. Nun saß er hinter seinem Schreibtisch, die Katze Silk als zusammengerollte, schwere Wärme an seinem Bauch, und schrieb in sein Logbuch.
Er hatte schon lange aufgegeben, die ursprüngliche Tagebücher des Clans rekonstruieren zu wollen – seine Erinnerung war dafür viel zu unvollständig. Stattdessen fasste er zusammen, was er von der Krise wusste, die Korval-pernard’i dazu bewogen hatte, Plan B auszurufen. Er erzählte von seiner Begegnung mit den Agenten der Abteilung für Innere Angelegenheiten, schrieb ganz genau die Ereignisse der Tage von Boss Conrad nieder und wies darauf hin, welche Konsequenzen diese Ereignisse für den Ausgleich der Dinge hatten, die Clan Korval zugestoßen waren. Er war diszipliniert und schrieb jeden Tag, sodass das Logbuch immer aktuell war.
Tatsächlich war es den Ereignissen sogar ein wenig voraus, da er schon von der Abreise der vier Minenraumschiffe und einer Vergnügungsjacht in Richtung Liad berichtet hatte, die dorthin aufgebrochen seien, um Ausgleich vom Feind zu verlangen.
Er hatte die Namen der Piloten aufgezeichnet, die sich verschworen hatten, diese verrückte Reise zu unternehmen: Meisterpilot Cheever McFarland, Pilot erster Klasse Bhupendra Darteshek, Pilot erster Klasse Andrew Mack, Pilotin erster Klasse Dostie Welsin und Pilot erster Klasse Jonni Conrad. Er hatte auch die Schiffsnamen aufgeschrieben: Diamond Duty, Timonium Core, Crystalia, Survey Nine, Fortune’s Reward. Dann hatte er für einen Moment innegehalten, hatte der Katze zugehört, die schläfrig auf seinen Beinen schnurrte, und über die Liste seiner Gefährten nachgedacht.
Pilot Darteshek war ein überraschender Freiwilliger gewesen, Pat Rin hatte erwartet, dass er zu den Juntavas zurückkehren würde, nun, da er sein Paket abgeliefert und seine Neugierde befriedigt hatte. Aber nein. Er war geblieben, nachdem Vilma Karapov zu ihren Arbeitgebern zurückgekehrt war, und Pat Rins Nachfrage hatte ihm nicht mehr als ein dünnes Lächeln eingebracht.
Er hatte keinen Zweifel daran, dass Natesa dafür gesorgt hatte, dass der Kurierpilot hierblieb und Mitglied dessen wurde, was Cheever McFarland ohne jede Ironie das »Angriffsteam« genannt hatte. Pat Rin hatte es aber nicht für nötig gehalten zu fragen. Wenn es sie beruhigte zu wissen, dass ein Juntava-Pilot bei der kommenden Aktion dabei war, dann war es nicht mehr als einfache Höflichkeit, sowohl ihren Talisman wie auch die damit verbundene Hoffnung zu akzeptieren.
Für sich selbst sah er … etwas Hoffnung. Dass seine Handlungen von außen bestimmt und sein ursprünglicher Zeitplan über den Haufen geworfen worden waren – nun, welche Wahl blieb ihm da? Die Abteilung für Innere Angelegenheiten hatte ihn leicht aufgespürt. Er machte nicht den Fehler zu glauben, dass sie zögern würden, ganz Surebleak zur Geisel zu nehmen. Er bevorzugte es daher, selbstbestimmt gegen die Abteilung anzutreten, um jeden Vorteil zu nutzen, der sich aus ihrer Überraschung ergeben mochte.
Er schloss seine Augen, ging noch einmal seine Planungen durch.
»Pat Rin?«
Er öffnete die Lider und drehte den Kopf, sah sie, ein Schatten im dunklen Türeingang. »Inas«, sagte er und fühlte, wie sich Silk protestierend bewegte. »Du solltest schlafen.«
»Und du nicht?« Sie kam nach vorne, der Schatten bekam Substanz, die mit Flammen bestickte Robe glitzerte, als sie ins Licht trat. »Ich starte nicht in sechs Stunden. Wenn es mir passt, kann ich den ganzen Tag schlafen.«
»In der Tat«, sagte er freundlich. »Und würdest du ankündigen, dies auch tun zu wollen, würde ich meinen Starttermin verschieben, um mir dieses Wunder zu betrachten.«
Sie lachte leise und musikalisch und lehnte sich neben ihm an den Tisch. Die Robe ließ ihre dunkle Schönheit erstrahlen und floss reizvoll um ihre schlanke Gestalt. Die Kordel war geschlossen, aber nur sehr locker, und ihre Füße waren nackt.
»Du wirst frieren«, sagte er, aber sie schüttelte nur sachte den Kopf.
»Nicht, wenn du ins Bett zurückkehrst und mich wärmst.«
Er hob eine Augenbraue. »Netter Versuch, meine Lady.«
»Denkst du? Ich wünsche nur, dich angemessen zu verabschieden. Wie kann das falsch sein?«
Es war das Wort »verabschieden«, das ihn aufmerken ließ, und er schaute auf das Logbuch, wie es offen in einem See aus Licht lag, der Stift bereit daneben. »Gar nichts«, sagte er langsam. Dann sah er sie an. »Inas …«
Sie erwiderte den Blick ruhig. »Ja, Liebster. Was ist los?«
»Los …« Er sah fort und legte eine Hand auf das Buch. Die Bewegung störte Silk, der mit schläfrigem Protest zu Boden sprang.
»Dies soll dir gehören – als meine Lebenspartnerin … und meine Erbin. Wenn ich nicht zurückkehren sollte …« Er schüttelte seinen Kopf. »Am Ende des Buches habe ich etwas über unsere Verwandtschaft geschrieben. Wenn einer davon hierher kommen sollte mit der Bitte um Hilfe, dann muss für diese Person gesorgt werden.«
Sie legte ihre Hand auf die seine. »Als deine Lebenspartnerin – und deine Erbin – werde ich dieses Buch ehren und studieren. Ich werde jeden Tag darin schreiben wie du, um jene zu lehren, die nach uns kommen. Und in der Zwischenzeit, sollte jemand aus der Familie den Weg hierher finden, werde ich bis zu deiner Rückkehr für sie so gut sorgen, wie ich es kann.«
Pat Rin räusperte sich. »Die Würfel fallen unberechenbar«, sagte er sanft. »Möglicherweise kehre ich nicht zurück.«
»Das ist nicht akzeptabel«, erwiderte sie und hob ihre Hand von der seinen, ließ die Finger streichelnd unter sein Kinn gleiten und drehte sein Gesicht zu ihrem.
»Du wirst zurückkehren«, sagte sie. »Schwöre es!«
Tränen füllten seine Augen. Er blinzelte sie fort und lächelte für sie.
»Du hältst mein Herz«, sagte er. »Wenn ich es kann, werde ich zu dir zurückkehren. Ich schwöre es.«
Dann lächelte sie wissend. »Liaden«, murmelte sie und küsste ihn, und das alles andere als sanft.