Tag 31,
Standardjahr 1393,
Raumhafen,
Surebleak

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Villy beugte sich über den Tisch, hielt den kleinen schwarzen Greifer mit Vorsicht zwischen Daumen und Zeigefinger, den Haken ausreichend weit vorgestreckt, die Augen konzentriert zusammengekniffen.

Der Haken schwebte über dem Durcheinander bunter Stäbchen, hob ein silbernes entschlossen an und schleuderte es auf das neben dem Haufen liegende Tuch. Der Junge holte vorsichtig Luft und der Haken schoss erneut nach vorne, dreimal, und platzierte ein rotes, ein oranges und ein blaues Stäbchen direkt neben dem silbernen.

Pat Rin, der die Vorführung mit dem Auge eines Fachmanns beobachtete, sah, dass ein lila Stäbchen drohend zu zittern begonnen hatte, wenngleich drei Lagen innerhalb des Haufens, doch Villy, der das goldene Stäbchen jagte, ignorierte das Zittern entweder oder hatte beschlossen, dass Entschlossenheit ihn zum Triumph führen würde.

Er streckte den Haken aus, achtsam, so achtsam, berührte das goldene Stäbchen … hob es an …

»Oh Mist!«, rief er, als die Stäbchen in ihrer Formation zusammenbrachen und nach allen Seiten wegrollten. Er sah beschämt auf.

»Sorry, Sir!«

Pat Rin hob eine Augenbraue. »Keinesfalls. Tatsächlich erkenne ich, dass du geübt hast. Dein Gefühl hat sich deutlich verbessert. Jetzt aber musst du deinen Blick schärfen. Pass auf.«

Er schob die 24 Stäbchen mit geübter Geste zusammen, stellte sie auf und platzierte sie auf den Rand des gelben Kreises, den sie allein zu diesem Zweck auf den Tisch gezeichnet hatten – und ließ los.

Die Stäbchen folgten der Schwerkraft und erschufen einen durchaus zufriedenstellenden mehrfarbigen Haufen.

»So«, sagte er und nahm den schwarzen Haken von Villy. »Das ist ein furchtbares Durcheinander hier, nicht wahr? Ich wette zwanzig in bar, dass alle diese Stäbchen herausgehoben und auf dem Tuch abgelegt werden können, ohne dass diese Struktur zusammenbricht. Wollen wir wetten?«

Villy schüttelte den Kopf. »Ich weiß es besser, als gegen Sie zu wetten!«

»Die Jugend heutzutage«, klagte Pat Rin laut, während seine Augen auf dem verzwickten Muster lagen, das durch die Stäbchen erschaffen worden war. »Ihr fehlt es völlig an Wagemut!« Es war, wie er feststellte, ein schwieriger Wurf. Er sah einen einfachen Weg, um sechzehn, selbst achtzehn Stäbe der vierundzwanzig zu erreichen. Der Rest aber … nun ja.

»Nur zwanzig in bar?« Eine Stimme erklang von der Seite. »Warum nicht eine Wette, die deiner Fähigkeit würdig ist?«

Ruhig blickte er hoch und begegnete dem Blick von Natesas amüsierten schwarzen Augen.

»Was würdet Ihr wetten, meine Lady?«

»Mal überlegen.« Sie legte ihren Kopf zur Seite und einen Finger auf ihre Lippen, um die Angelegenheit ostentativ zu bedenken.

»Ich weiß!«, sagte sie dann. »Wenn du die vierundzwanzig nicht schaffst, bekomme ich den Sündenteppich aus Ms. Audreys Haus.«

»Ah, ist das so?« Er sah sie anerkennend an. »Und was ist mein Preis, sollte ich erfolgreich sein?«

Sie lächelte ihn verführerisch an. »Nun, etwas sehr Nettes.«

Er lachte.

»Die Wette gilt!«, sagte er und legte sich den Haken zurecht. »Aufgepasst, Kind!«, sagte er zu Villy. »Dies könnte das letzte Mal sein, dass du mich bei diesem Spiel siehst.«

Er schaute auf das bunte Durcheinander hinab und verdrängte die Umgebung aus seiner Wahrnehmung, bis es nur noch ihn gab, die Stäbe und die Notwendigkeit zu gewinnen.

Der Haken schoss nach vorne.

Die ersten acht waren einfache Befreiungsschläge, erst danach begann die echte Herausforderung.

Er kam schnell voran, vermied mit Sorgfalt Ankerstäbe und rollende Fallen, während mit jeder mutigen Infiltration des Hakens die befreiten Stäbe an der Seite mehr wurden.

Es kam zu den letzten drei, die gegeneinander platziert waren.

Pat Rin drehte den Haken um, schob das flache Ende in den winzigen Spalt zwischen dem gelben und dem blauen Stab, rollte den gelben zur Seite, drehte den Haken erneut und fing den Stab mit einer Bewegung, die diesen hochfliegen und sich in der Luft drehen ließ, ehe er niederfiel.

Der blaue Stab wurde ähnlich erbeutet und dann der orange, der mit einer letzten Bewegung bei den anderen landete und sich dabei dreimal überschlug.

Pat Rin legte den Haken auf das Tuch direkt neben die Stäbe und lächelte Villy an.

»So wird es getan, siehst du?«

Der Junge schüttelte den Kopf. »Ich sehe nur, dass ich sehr viel mehr üben muss.«

»Ich habe nicht gesagt, dass es einfach wird, im Kasino zu arbeiten«, erinnerte Pat Rin ihn. »Vielleicht wäre es besser, wenn Sheyn den Spieltisch mit den Stäben übernimmt?«

Sheyn war Villys Hauptkonkurrent in Audreys Haus, und obgleich die Rivalität eher freundlich war, konnte Villy nicht ertragen, wenn ihm eine Aufgabe genommen und dem anderen Jungen übertragen wurde.

»Nein, Sir, Mr. Conrad! Ich werde üben!«

»Gut«, sagte Pat Rin und erhob sich vom Tisch. »Ich werde später zurückkehren.«

Er ging fort, Natesa an seiner Seite.

»So«, sagte er sanft zu ihr. »Wann darf ich meinen Gewinn in Empfang nehmen?«

»Die Jugend von heute«, sagte sie ruhig. »Ihr fehlt es an Geduld.«

»Aber ich bin schon lange nicht mehr jung. Was du als Ungeduld bewertest, ist nur die Notwendigkeit eines Mannes, dem zu wenige Stunden noch bleiben.«

Sie sah ihn würdevoll an. »Ja, so ist das wohl.«

»Ich war mir sicher, dass du es genauso sehen wirst«, murmelte er und ließ ihr den Vortritt, als sie durch die Tür marschierten und den Raumhafen selbst betraten.

Der Tag war kühl und hell – Hochsommer auf Surebleak – und der Raumhafen zeigte ein zufriedenstellendes Ausmaß an Aktivität. Es wurde an mehreren gemeinsamen Projekten gearbeitet, vor allem am Duty-Free-Shop – mutig als »Planetare Kooperative« bezeichnet –, dort situiert, wo früher ein »Lerngeschäft« gelegen hatte, wie man den alten Beschriftungen entnehmen konnte. Es gab einen Stand für frische Blumen, Früchte und Gemüse und nicht weniger als zwei Werkstätten. Individuelle Projekte umfassten eine Bar, die hiesige Fruchtweine anbot, sowie eine Bäckerei. Und natürlich das Kasino.

Pat Rin hoffte auf ein Restaurant in der Zukunft, genauso wie auf einen Juwelier und einen Gewürzhandel. Aber im Moment wurde bereits guter Fortschritt erzielt, und das war zufriedenstellend.

Seite an Seite setzten sie ihren Weg fort, wobei sie durch die zahlreichen »Guten Morgen, Boss!« und »Mr. Conrad, Sir. Ms. Natesa. Schön, Sie beide zu sehen!« aufgehalten wurden. Einer der Mechaniker rief ihnen zu, dass die Geschäftsbücher angekommen wären, Plastikbecher mit Fruchtwein wurden ihnen in die Hände gedrückt, begleitet von einem Lächeln und »Gerade heute Morgen von den Farmen gekommen. Mit Grüßen von Boss Sherton, Mr. Conrad.«

»Du bist sehr beliebt«, bemerkte Natesa, als sie ihren Weg fortsetzten.

»So beliebt, dass du darauf bestehst, meinen Wein vor mir zu probieren«, sagte er ironisch. »Wann wirst du die Sicherheit jemand anderem überlassen, Inas?«

Schwarze Augenbrauen erhoben sich. »Was? Das habe ich doch schon. Wenn meine Sorge nun besonders erscheint, dann nur, weil ich ein persönliches Interesse an deiner fortgesetzten guten Gesundheit habe.«

Er sah sie nachdenklich an. »Ich bemerke, dass ich einen Fehler begangen habe, dir deinen Eid zurückzugeben.«

»Keinesfalls. Ich habe darum gebeten, da mein Interesse über das Geschäftliche hinausging. Du hast dem entsprochen, da mein Verlangen vernünftig war.« Sie neigte ihren Kopf auf formale Art und Weise. »So haben wir uns beide ehrenvoll verhalten. Was vor uns liegt, ist ein ganz anderes Spiel.«

»Das niemand gewinnen kann«, sagte er ernst. »Hör mir zu, meine Lady. Dies ist Surebleak; ich kann bereits in der nächsten Stunde ermordet werden – und du an meiner Seite. Und wenn das misslingt, dann gibt es immer noch jene andere Feinde meines Clans, die mich hier jederzeit entdecken und uns beide töten könnten.«

»Das ist akzeptabel«, erwiderte sie ruhig. Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher. »Aber unwahrscheinlich. Der Wein ist gut!«

»Du erstaunst mich«, sagte er, trank und fand Natesas Aussage bestätigt. Das Getränk war so gut, dass der Becher bereits leer war, als sie das Büro des Hafenmeisters erreichten, das nur einen kurzen Spaziergang von der Bar entfernt lag.

»Guten Morgen, Mr. Conrad – Ms. Natesa!« Claren Liu nickte ihnen zu, als sie eintraten.

»Hafenmeisterin. Ihnen einen schönen Tag!«

»Den hatte ich bisher.« Sie winkte in Richtung des Hauptbildschirms. »Ich hätte nie gedacht, den Hafen von Surebleak so beschäftigt zu sehen. Wenn es so weitergeht, stehen wir in direkter Konkurrenz zu Terraport!«

»So groß wie Terraport werden wir niemals sein«, sagte Pat Rin sanft. »Aber werden Sie sich möglicherweise mit einem kleinen, rustikalen Juwel von einem Raumhafen anfreunden?«

Hafenmeisterin Liu lachte. »Sicher, ich wäre damit zufrieden.« Sie schob sich aus ihrem Stuhl, ging zu ihrem Schreibtisch und holte einige Blätter aus einer gedruckten Akte hervor.

»Ein Pinbeam kam heute Nacht für Sie an. Ich wusste, dass Sie mich heute besuchen würden, ansonsten hätte ich die Nachricht sofort weitergeleitet.«

»Danke.« Er blickte auf die Papiere, sah das Logo des Gesundheitsnetzes und faltete sie in seine Tasche, um sie später zu lesen.

»Was wir aber jetzt noch brauchen«, sagte sie dann, »ist Verkehr. Es ist ja toll, so einen schönen rustikalen Raumhafen zu haben, aber wenn niemand landet, ist das auch kein richtiger Fortschritt.«

»Das ist wahr. Meine Verbündeten und ich haben dies bedacht. Es gibt den Handelsfunk, nicht wahr? Frequenzen für Piloten, auf denen man die Güter und Dienste eines Hafens bewerben kann, oder?«

Sie blinzelte. »Nun … sicher. Sie wollen für Surebleak Werbung machen?«

»Welchen Schaden könnte das anrichten?«, fragte Pat Rin vernünftig und fühlte Natesas Gegenwart wie einen Trost an seiner Seite. »Einige kleine Anzeigenaktionen nur … vielleicht ein Lob für unsere Weine … oder die handgemachten Teppiche. Wir liegen nicht so weit weg vom Schlag, dass wirklich kein Schiff halten könnte, wenn es dafür einen guten Grund gibt. Dass sie es bisher nicht getan haben, hat mit unserem … Ruf als gefährliche und zurückgebliebene Welt zu tun, die von einem – vergeben Sie mir – eher heruntergekommenen Raumhafen bedient wird.«

»Die Wahrheit bedarf keiner Entschuldigung«, sagte Claren Liu brüsk und starrte für einen Moment über seinen Kopf hinweg, ehe sie mit einem Nicken wieder in die Realität fand.

»Ich sage Ihnen was. Der Hafen legt auf jeden Etat, den Ihre Vereinigung für Werbung aufbringt, die gleiche Summe noch einmal drauf. Wir haben ein entsprechendes Budget. Bis eben hatte ich nur nicht die geringste Ahnung, was ich damit anfangen sollte.« Sie grinste selbstironisch. »Füge Surebleak zu deiner Handelsroute hinzu! Es ist kalt und man bricht dir das Genick!«

An seiner Schulter hörte er Natesa lachen.

»Und jetzt eher: Halte auf Surebleak und genieße das Spiel!«

»Nicht übel«, sagte Claren Liu und das Grinsen wurde etwas weniger ironisch. »Einen Moment – ich habe das Verzeichnis der Werbegebühren hier.« Sie beugte sich über ihren Tisch, suchte kurz und kam mit einem alten braunen Heftchen zum Vorschein.

»Da ist es«, sagte sie und überreichte es Pat Rin. Er schaute auf das Cover und stellte fest, dass die Gebühren bis zum Tag 96 des Standardjahres 1393 galten, und steckte es für spätere Lektüre ebenfalls ein.

»Danke«, meinte er dann mit einer Verbeugung des Kopfes. »Wie immer war dies ein fruchtbringender Besuch. Jemand aus meinem Haus wird in zwei Tagen am Raumhafen sein. Wenn Sie allerdings meiner eher bedürfen …«

»Ich rufe an«, unterbrach sie ihn gut gelaunt. »Diese Funkgeräte sind eine gute Idee. Ja, als ob Sie jemals eine schlechte gehabt hätten.« Sie versuchte ein formell wirkendes Nicken – Pat Rin fand, dass sie darin wirklich langsam Übung bekam – und richtete sich auf.

»Es war gut, Sie zu sehen, Sir – und Ma’am. Ich hoffe, es bald wieder zu tun.«

»Schönen Tag noch, Hafenmeisterin«, murmelte Pat Rin.

»Schönen Tag«, echote Natesa und beide verließen das Büro, in Richtung Kasino für eine zweite Trainingsrunde und um am Nachmittag das Territorium von Elva Whitmore zu besuchen.

•  •  •

 

»Noch wach, Boss?« Cheever McFarlands laute Stimme kündigte sein Eintreten an.

Pat Rin sah von einer konzentrierten Lektüre der Papiere des Gesundheitsnetzes auf.

»Wie Sie sehen, Mr. McFarland, bin ich nicht nur wach, sondern auch reizbar.«

»Wenn man zu lange arbeitet, ist man das«, sagte Cheever gelassen. »Ich habe etwas zu berichten, wenn Sie hören wollen.«

Pat Rin schob die Papiere von sich. »In der Tat möchte ich das.« Er betrachtete den Mann, bemerkte die subtilen Hinweise auf Erschöpfung. »Ich will Sie aber nicht von Ihrem Bett fernhalten. Morgen ist sicher früh genug, wenn Sie der Ruhe bedürfen.«

Cheever schüttelte den Kopf. »Bin zu aufgedreht, um zu schlafen. Was ich jetzt gerne hätte, wären ein Sandwich und ein Bier. Warum schließen wir keinen Kompromiss und setzen uns in die Küche?«

»Sehr gut.« Er erhob sich und ließ die Papiere auf seinem Tisch zurück.

»Es entwickelt sich ganz gut«, sagte Cheever einige Minuten später, als er vor einem wahrhaft beeindruckend konstruierten Sandwich mit Käse, Salat und Zwiebeln zwischen dicken Scheiben des selbst gemachten Brotes saß. »Wir haben den Dreck fortgeschafft. Einige der lokalen Techniker habe ich in die Schlaflernmaschinen gesteckt, damit sie die Ausrüstung bauen können. Einige Bautrupps errichten für uns das Dock und Unterkünfte. Ich habe gerade mit jemandem gesprochen, ehe ich ging – eine echt clevere Frau namens Perl –, sie studiert gerade die Pläne für die Lafette und sie meint, sie könne das hinbekommen. Wird nicht so elegant aussehen auf den ersten Blick, aber wir werden eine funktionsfähige Werft haben, die nicht vom Raumhafen abhängig ist.«

Er biss in sein Sandwich und spülte den Bissen mit einem mächtigen Schluck Bier hinunter. Pat Rin nippte an seinem Cidre.

Das Lagerhallenviertel, das sie für Korvals erste Werft auf Surebleak übernommen hatten, war in einem lange vergessenen Aufstand abgebrannt und stand nicht unter der Kontrolle irgendeines Bosses. Pat Rin hatte es einfach dadurch annektiert, indem er Cheever McFarland und eine Gruppe Arbeiter dorthin entsandt hatte, um erst mal richtig aufzuräumen.

»Womit wir bald ein Problem haben dürften, ist … Bargeld«, sagte Cheever. »Arbeiter sind nicht so teuer, aber Material kostet richtig was – und einiges müssen wir sogar erst einmal herstellen, ganz aus dem Nichts.« Noch ein Biss, noch ein Schluck.

»Was unser nächstes Problem sein wird – wenn wir alles andere erledigt haben –, sind Piloten, Ausrüstung und geeignete Wracks.«

»Die Wracks«, murmelte Pat Rin, »sind, wie bereits diskutiert, durchaus erhältlich.«

»Ja, in Ordnung, Sie haben da eine Verbindung zu einem Schiffsfriedhof«, sagte Cheever zurückhaltend. »Wenn der nicht beobachtet wird. Wenn es den noch gibt. Wenn die Codes noch stimmen. Wenn, wenn, wenn.«

»Es gibt ein Risiko, aber ich denke nicht, dass es groß ist.«

»Haben Sie gesagt. Gut, nehmen wir an, dass wir an die Schiffe kommen«, grinste er wölfisch. »Dann Piloten.«

»Wir arbeiten an dem Problem«, erklärte Pat Rin ihm. »Heute haben wir von der Hafenmeisterin ein Buch mit allen öffentlichen Frequenzen für Piloten und Handel bekommen. Unser Plan ist es, Surebleak zu bewerben und Piloten herzulocken.«

»Ja?«, sagte Cheever interessiert. »Das wäre hilfreich. Aber wenn, müssen wir eine Anwerbehalle im Raumhafen etablieren.«

Pat Rin neigte seinen Kopf. »Danke – daran habe ich gar nicht gedacht.«

»Hätten Sie sicher irgendwann. Sie denken eigentlich viel zu viel, wenn Sie mich fragen – was Sie nicht tun werden.« Er erledigte sein Sandwich und lehnte sich zurück, mit dem Rest seines Biers in der Hand.

»Denken Sie dran, dass Sie jedem einen Risikoaufschlag zahlen müssen, der ein Schiff vom Friedhof holen soll.«

»Nun.« Pat Rin trank seinen Cidre aus, setzte den Becher ab und starrte in dessen leeren Tiefen.

»Nun«, sagte er erneut. »Wir haben da ein Problem, Mr. McFarland. Abgesehen von den Notwendigkeiten von Korvals Schiffswerft, habe ich oben eine Notiz des Gesundheitsnetzes, die mich über die aktuellen Mitgliedsbeiträge informiert sowie eine erhebliche Summe an Strafzahlungen nennt, die mit dem vorhergehenden Austritt Surebleaks zu tun haben, der in vielfacher Hinsicht den bestehenden Verträgen widersprach.«

»Die anderen Bosse sollten uns einen Prozentsatz ihrer Einnahmen geben«, kommentierte Cheever nach einigen Momenten der Stille.

Pat Rin schaute auf. »Das tun sie. Und die entsprechenden Gelder gehen sofort in den Ausbau der Kliniken und Schulen und der Ausbildung des medizinischen Personals.«

»Was man so medizinisches Personal nennt«, seufzte Cheever, ehe er den Rest seines Biers trank. »Wir benötigen Geld oder das mit Gold überzogene Versprechen von Geld innerhalb der nächsten fünfzehn bis zwanzig Tage, oder es wird hässlich. Und wenn wir die Leute verlieren, weil wir sie nicht bezahlen können, werden sie niemals zurückkommen, wenn wir nicht mit harten Cantra zahlen. Es ist besser, jetzt Sachen zu schließen, während wir noch jeden auszahlen und ihnen sagen können, wir würden sie in einem Monat wieder rufen oder so.«

Pat Rin runzelte die Stirn. Natürlich stellte man niemanden ein und vergaß dann die Bezahlung. Aber es war schwer, sehr schwer, das Ende eines Projektes zu bedenken, das man doch gerade erst begonnen hatte und das so gut lief …

»Wir sollten die Entscheidung auf morgen verschieben«, sagte er Cheever. »Werden Sie bei uns bleiben oder wollen Sie sogleich zurückkehren?«

»Ich möchte morgen Nachmittag aufbrechen. Wollte nur kurz Bericht erstatten. Ich sollte auch noch mit Natesa und Gwince reden, vielleicht die Haussicherheit inspizieren, einfach nur, um die Angst des kalten Weltraums zu verbreiten und sicherzustellen, dass alle ehrlich bleiben.«

»Ah.« Pat Rin lächelte. »Ihre Wachsamkeit ist bewundernswürdig.«

»Natürlich ist sie das.«

Cheever stellte den leeren Becher auf den Tisch und erhob sich.

»Ich geh schlafen. Sie könnten das auch gut gebrauchen, wenn ich das sagen darf. Oder auch wenn nicht.«

»Ja.« Plötzliche Müdigkeit lastete auf ihm und weckte den Geist seiner Schmerzen in dem Arm, der verwundet worden war. Er erhob sich und stellte seinen Becher in die Spüle. »Gute Nacht, Mr. McFarland. Wir reden morgen.«

»Werden wir. Gute Nacht, Sir.«

Pat Rin kletterte die Treppe hinauf und schlich so leise wie möglich ins Schlafzimmer.

»Guten Morgen, Denubia«, sagte sie mit sanfter Stimme, kaum von Schläfrigkeit beeinträchtigt.

»Ich hatte dich nicht wecken wollen«, murmelte er. »Ich muss lernen zu gehen wie ein Scout.«

»Nur wie Silk – der dein Kissen in Besitz genommen hat.«

Er lächelte in der Dunkelheit, zog sich rasch aus und glitt ins Bett neben sie. Silk verteidigte das Kissen kurz – schon um der Ehre willen –, eher er es sich am Fußende bequem machte.

»Der Sieg gehört dir«, flüsterte sie und bewegte sich heran, wickelte ihn in warme, seidene Gliedmaßen und legte ihren Kopf an seine Schulter.

»Nur bis zum Morgen«, sagte er und fühlte sich jeden Moment müder. Die schlechten Nachrichten des Abends verflogen im warmen Schimmer der Zufriedenheit.

Er seufzte sanft, legte seine Wange an ihr Haar und glitt ohne Anstrengung in den Schlaf.

    

Korvals Nemesis
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