Lytaxin,
Erobs Clanhaus

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»Ob ich von Pat Rin gehört habe?« Nova zog ihre goldenen Augenbrauen zusammen und sie schüttelte den Kopf. »Ich bin schon lange nicht mehr in Kontakt gewesen, Bruder, und habe mich mit anderen Dingen befasst. Es ist wahr, dass ich nichts von ihm gehört habe, aber ebenso wenig von Anthora.«

Sie hatten Nova zum Frühstück eingeladen, um sie danach zum Raumhafen zu eskortieren und damit zur Fähre, die sie zur Passage bringen würde. Jetzt aber saßen sie auf dem Balkon der Gästesuite und aßen unter einem orange-silbrigen Himmel warme Brötchen, weichen Käse und frische Früchte.

»Gut«, murmelte Val Con und brach ein Brötchen entzwei. »Aber wenn ich mich richtig erinnere, gibt es doch ein Check-in-Protokoll? Zum Beispiel hätten wir uns über die Piratenfrequenz einloggen und eine Nachricht senden können, wären wir nicht gerade anderweitig beschäftigt gewesen.«

»Piratenfrequenz?«, fragte Miri und verteilte Käse auf ihrem Brötchen.

»Es ist nicht wirklich eine Piratenfrequenz«, sagte Nova. »Shan nannte sie so, um unseren Vater zu ärgern, und ich glaube, Val Con benutzte den Begriff dann, um Cousine Kareen zu ärgern – er wird mich sicher korrigieren, wenn ich mich da irren sollte.« Sie bewegte ihre Schultern. »Auf jeden Fall ist es einfach nur eine private Clanfrequenz.«

»Als ob ich jemals die Absicht gehabt hätte, meine Tante Kareen zu ärgern«, sagte Val Con weich und schaute Miri mit warmen, grünen Augen an. »Wir müssen Euch in die Bibliothek bringen, meine Lady. Ihr habt einiges an Lektüre nachzuholen.«

»Fein. Sag mir Bescheid, wenn der Krieg vorbei ist.«

Nova runzelte die Stirn, was sie ziemlich oft zu tun schien. »Wir werden gegen niemanden Krieg führen!«

Miri blinzelte sie an, dann sah sie zu Val Con. »Tun wir nicht?«

»Es ist wie die Sache mit der Piratenfrequenz«, erklärte er freundlich. »Wenn wir es Krieg nennen, werden wir Nova damit verärgern.«

Sie grinste. »Verstanden.«

»Val Con –«

»Gibt es eine Möglichkeit, auf das Log zuzugreifen?«, unterbrach er sie sanft. »Um zu sehen, wer sich gemeldet hat und wer nicht?«

»Ja, sicher. Ich kann das von Erobs Kommunikationszentrum aus machen, wenn du es wünschst. Du solltest sowieso die neuen Codes kennen. Setz dich zu mir und ich werde sie dir geben.« Sie zögerte, und ihr Stirnrunzeln schien diesmal eher besorgt als irritiert zu sein, wie Miri fand.

»Ich frage mich, Bruder – hast du schlechte Nachrichten von Pat Rin?«

»Schlechte Nachrichten – nein«, sagte er langsam und Miri fühlte, dass er seine Worte mit vorsichtiger Präzision wählte. »Ich würde sagen, wir haben … ungenaue Neuigkeiten und würden gerne sicherstellen, dass es ihm gut geht.« Er streckte eine Hand aus und legte sie auf die geballte Faust Novas, die neben ihrem Teller lag.

»Ich will dich nicht beunruhigen – ich weiß, du und er seid Freunde.«

»Soweit Pat Rin jemals jemandem erlaubt hat, sein Freund zu sein«, entgegnete sie scharf.

»Aber ernsthaft«, sagte sie dann nach einem längeren Moment, den sie wohl benötigte, um die notwendige Sicherheit in ihre Worte zu legen, »es sollte ihm gut gehen. Pat Rin ist alles andere als ein Narr – und Shan hat ihm einen sehr erfahrenen Piloten angeheuert.«

»Shan hat Pat Rins Piloten ausgesucht?«, fragte Val Con skeptisch. »Da müssen sich die Dinge zwischen ihnen aber sehr geändert haben.«

»Sagen wir, dass es Shans Idee war, Mr. McFarland als Pat Rins Piloten zu platzieren, als er uns mit einer Nachricht von Edger besuchte. Es war im Interesse des Clans, dass Mr. McFarland nicht sofort zu seinen … üblichen Tätigkeiten zurückkehrte, und Pat Rin bereitete sich gerade auf eine seiner Reisen vor. Mr. McFarland war bereit, angestellt zu werden, und Pat Rin war auch bereit – nachdem ich mit ihm gesprochen hatte. Ich will natürlich nicht verheimlichen, dass Shan natürlich erst dagegen war, jemanden anzuheuern. Aber es wurde getan. Ich habe Mr. McFarlands Referenzen selbst geprüft – und Anthora bezeichnete ihn als ehrenwerten Menschen.«

»Nun, dann hört es sich doch so an, als würde dein Cousin gut unterstützt und gut beschützt«, sagte Val Con nach einem Moment, und das so vorsichtig, dass Miri begann, einen Schmerz zwischen ihren Augen zu spüren. »Ohne Zweifel wird unsere eigene Überprüfung ergeben, dass er in völliger Sicherheit ist und höchstens ein wenig gelangweilt.«

»Was das betrifft«, murmelte Nova, »so meinte er, dass er es schätzen würde, für einige Relumma auf einer Randwelt gestrandet zu bleiben, damit er sich stärker um seine Lektüre kümmern könne.«

Da gab es nicht viel zu kommentieren, dachte Miri und aß den letzten Rest ihres Brötchens mit einer Mischung aus Vergnügen und Bedauern.

Val Con schien ähnlich zu denken.

»Sag mir eines«, meinte er dann und griff nach seiner Teetasse. »Hast du alle Referenzen gefunden, mit denen du unseren Fall vor dem Rat vortragen möchtest?«

»Sicher noch nicht alle, aber ich mache Fortschritte«, erwiderte Nova und schob ihren Teller von sich. »Die Passage verfügt über eine vollständige Version der Tagebücher wie auch über das Ratsbuch. Ich werde meine Vorbereitungen auf der Reise abschließen können und bereit sein, vor dem Rat zu stehen, wenn wir Liad erreichen.«

Val Con sah sie an und hob eine Augenbraue. »Aber das wirst du nicht tun«, bedachte er, »ehe du nicht entsprechende Anweisung von deinem Delm bekommen hast.«

Sie seufzte. »Ich höre selbstverständlich auf das Wort meines Delms.«

»Gut«, lächelte Val Con, obgleich Miri fühlte, dass er mehr Misstrauen als Zustimmung empfand, und trank seinen Tee.

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Anthora lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ihre silbernen Augen auf einen Punkt etwa über der Kom-Einheit fixiert und doch auf etwas, das Lichtjahre entfernt war.

Mr. dea’Gauss hatte ihre Instruktionen in Bezug auf die Vereinbarungen erhalten, die er wiederum an Ren Zel schicken würde, um dessen Zustimmung oder Korrekturen einzuholen. Sie hatte selbst den Spruch an die Passage abgeliefert, um den Thodelm angemessen zu informieren, was Shan ganz sicher amüsieren würde – aber für Ren Zel würde sie sich angemessen verhalten und alles so tun, wie es erwartet wurde. Er sollte keine Verletzungen durch ihr Verhalten erleiden – er hatte genug davon.

Dass sie seine Wunden so gut wie die ihren kannte, war … pikant. Dass er eine genauso intime Kenntnis ihrer selbst erlangen haben würde, war … nichts Bedrohliches, zumindest nicht übermäßig. Sie war letztlich eine der Dramliz und es durchaus gewohnt, sich mit ihresgleichen sowie den Stärkeren unter den Heilern zu verbinden. Diese Verbindungen waren notwendigerweise weniger absolut als die vollständige und sofortige Verschmelzung, die sie am vergangenen Abend mit Ren Zel erlebt hatte. Und obgleich dies nun nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte – und während sie den heutigen Morgen nicht mehr gegen den letzten eintauschen würde –, wünschte sie sich nun, in der Vergangenheit manchmal ein wenig mehr … Zurückhaltung gezeigt zu haben.

Dass Ren Zel ihre Eskapaden verzeihen würde, wusste sie. Hätte er selbst alles andere als ein beispielhaftes und untadeliges Leben gelebt, so würde sie es ihm sofort vergeben. Sie konnten gar nicht anders handeln, so eng, wie sie nun verbunden waren – in allem, wenngleich nicht im Körperlichen.

Anthora seufzte. Sie hatte seine Abwesenheit heute Morgen schmerzhaft gespürt, als sie aus ihrem zweiten Schlaf erwacht war, nur um festzustellen, dass sie alleine im Durcheinander ihres Bettes lag. Darüber hinaus hatte sie sogar Angst empfunden. Sicher hatte er eine enorme Menge an Energie benötigt, um von der Passage in ihr Schlafzimmer zu gelangen. Eine solche Kraftanstrengung sofort wieder nach der ersten – und nach einer halben Nacht voller enthusiastischem Sex – zu wagen, war außerordentlich närrisch. Sie hätte so etwas nicht gewagt und sie kannte sich als Zauberin voller Wille und Durchhaltevermögen.

Tatsächlich fragte sie sich, wie er es überhaupt geschafft hatte. Sie konnte den Prozess als solchen durchaus nachvollziehen – es war, alles in allem, nicht unähnlich einer typischen Pilotenaufgabe –, aber sie war sich keinesfalls sicher, dass sie den gleichen Effekt reproduzieren konnte.

Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf, runzelte die Stirn, als sie versuchte, diese Gleichung zu lösen.

Die Kom-Einheit summte.

Anthora zuckte zusammen, blinzelte und beugte sich nach vorne, um den Ruf anzunehmen. Sie blinzelte erneut, als der Schirm das Bild einer schwarzhaarigen Frau in der Uniform einer Bediensteten des Rats der Clans zeigte. Die Frau verbeugte sich, von einer Höhergestellten zu einer Niedrigerrangigen, wodurch Anthora signalisiert wurde, dass sie auf Anweisung der Sprecherin für den gesamten Rat sprach.

»Spreche ich mit Anthora yos’Galan Clan Korval?«

Anthora neigte ihren Kopf um ein Minimum, bemühte sich um Novas kühle, kompetente Haltung. »So ist es.«

»Die Sprecherin des Rates benötigt die Gegenwart von Korval während eines vollen Clantreffens, das für morgen, eine Stunde nach Mittag anberaumt wurde. Korval muss sich gegen eine sehr ernsthafte Anschuldigungen verteidigen.«

»Welche Anschuldigungen?«, fragte Anthora. »Und wer klagt uns an?«

»Ich bin nicht autorisiert, diese Informationen weiterzugeben. Aufgrund der Ernsthaftigkeit der Vorwürfe, hat die Sprecherin des Rates beschlossen, dass Korval für jeden Tag, den es versäumt, vor dem Rat zu erscheinen, ein Sprungschiff der Klasse A als Strafe zu überstellen hat.«

Anthora starrte sie an. Die Anruferin ertrug dies mit Geduld. Hinter dem Starren raste ihr Verstand.

Der Rat hatte die Macht, Strafen für jene auszusprechen, die sich seinem Urteil nicht unterwarfen. Die Schwere der nunmehr angedrohten Strafe wies auf sehr ernsthafte Anklagen hin, doch worum es sich handeln würde …

Sie hatte wirklich keine Wahl, dachte sie. Sie konnte kaum erklären, sie sei unter Plan B nicht in der Lage, die Übergabe auch nur eines Schiffes an den Rat – irgendeines Schiffes, hinunter bis zu einer zweisitzigen Fähre – zu autorisieren. Dea’Gauss selbst konnte derlei nicht befehlen. Sie dachte rasch nach. Der Rat wusste, Korval würde der Verlust von Schiffen nicht behagen, also musste sie den Anschein erwecken, die Strafandrohung sei tatsächlich machtvoll. Ihnen zu sagen, Korval würde jedem Versuch der Übereignung widerstehen, wäre also eine Dummheit …

Und gewiss, so dachte sie, würde sie in der Ratshalle in Sicherheit sein.

Einmal mehr neigte sie ihren Kopf diesen knappen und irritierenden Zoll weit.

»Ich danke der Ratssprecherin, aber es besteht keine Notwendigkeit, sich zu Drohungen hinreißen zu lassen. Ich werde der Sitzung in der Stunde nach Mittag morgen beiwohnen und alle Anklagepunkte beantworten.«

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Ren Zel war von seiner Schicht auf der Brücke entschuldigt worden, auf Befehl des Captains übernahm ein anderer Pilot seine Arbeit an den Kontrollen. Tatsächlich hätte er es besser gefunden, in die Routine seiner Arbeit flüchten zu dürfen, um auf seine eigene Weise den Traum zu verarbeiten, der kein Traum war, und sich mit seiner … Lebenspartnerschaft anzufreunden.

Er war offenbar kein Ausgestoßener, kein Clanloser, kein Toter mehr. Plötzlich hatte er Verwandtschaft, um die er sich zu sorgen hatte – Shan yos’Galan war sein Bruder. Priscilla Mendoza seine Schwester. Eine weitere Schwester war Nova yos’Galan – jene, die nicht länger Korval-pernard’i war, denn vom Planeten hatte man gehört, dass Val Con yos’Phelium den Ring und sein rechtmäßiges Melant’i als Korval angenommen hatte. Das war gut für den Clan, dachte Ren Zel abgelenkt – Clans sollten ordentlich von ihrem Delm geführt werden, nicht jahrelang nur in Vertretung.

Noch ganz überwältigt hatte er den Kuss von Thodelm und Thodelmae erhalten, sofort danach hatte Priscilla die Schiffsrolle aufgerufen und seinen Eintrag erweitert. Dutiful Passage hatte ihn vormals nur als Piloten erkannt, jetzt aber hieß er Pilot von Korval.

»Du siehst recht schockiert aus, Kind«, sagte Shan zu ihm, kurze Zeit nachdem der zweite Richtstrahl von Liad gekommen war, diesmal von einem gewissen dea’Gauss, an Ren Zel dea’Judan Clan Korval gerichtet. Ausgedruckt erstreckte sich das Dokument über mehrere Seiten und belegte seinen erschreckten Augen die Liste des Besitzes, der Gelder und der Anteile, die nun die seinen waren.

»Es … ist zu viel«, hatte er hervorgebracht, nicht ganz sicher, ob er sich auf das Vermögen bezog – er hatte die Wahl unter nicht weniger als drei Klasse-A-Sprungschiffen! – oder auf die abrupte und irreguläre Veränderung seines Melant’i.

»Ja, ich verstehe, warum du dich so fühlst. Anthora ist ein kleines Biest, und ich werde ihr das bei erstbester Gelegenheit ohne Furcht mitteilen.«

Seine Erinnerung zeigte ihm diese Lady, ihre Brüste schwer in seinen Händen, wie sie sich über ihn beugte, ihr Haar mit dem Sternenlicht verwoben …

Mit rotem Gesicht blickte er auf den Ausdruck.

»Vielleicht doch nicht so ein Biest«, murmelte er.

Eine kurze Pause trat ein. »Nun, ich bin froh, dass du das sagst. Ich werde mich nicht darin zügeln, dir das zu sagen – sosehr ich auch Verständnis für deine Ablehnung gegenüber dem Vorgang habe; ich wünsche, dass du dich vollends auf die neuen Rahmenbedingungen deines Lebens einlässt und uns erlaubst, dich vollständig aufzunehmen. Der Clan kann durch diese Lebenspartnerschaft nur profitieren. Ganz sicher freut sich yos’Galan darüber, dich aufnehmen zu dürfen, und ich bin von meinem neuen Bruder sehr beglückt.«

Der Ausdruck verschwamm in seiner Wahrnehmung, als Tränen ausbrachen und – Schande über ihn – bei den anderen solche auslösten. Als er seinen Arm hob, um damit sein Gesicht zu bedecken, erinnerte er sich daran, dass es keine Schande war, die eigene Freude mit … seiner Verwandtschaft zu teilen.

Es war auch nicht sonderlich sinnvoll, den Ausdruck bis zur Unlesbarkeit zu bewässern.

Er brachte sich wieder unter Kontrolle und schaute in Shans ernsthafte Silberaugen.

»Ich frage mich, ob ich etwas Zeit für … mich haben kann«, sagte er vorsichtig. »Ich muss etwas innere Balance finden, sodass ich mich beruhigen und dem Clan sinnvoll dienen kann.«

Shan grinste. »Was das betrifft, so habe ich keinerlei Befürchtungen. Aber geh nur, ruh dich aus, beruhige deinen Verstand. Komm zu uns zum Mittagessen, ja? Danach, so schwöre ich, werden wir dir erlauben, dich in die Bequemlichkeit des Dienstplans zurückzuziehen.«

Und so war Ren Zel entkommen, zumindest in die vertraute Umgebung seiner eigenen Kabine. Nach einer Dusche und angefüllt mit einem von BillyJos Sandwiches legte er sich hin, um zu schlafen – und fand dort wieder einen Traum.

Er träumte von einer Sternenkarte – der Sternenkarte: Balent’i tru’vad, das Sternennetz der Schöpfung. Groß, beeindruckend in seinem Gleichgewicht und seiner Harmonie, lag dieses Netz vor ihm: Sonnen, Sterne, Welten, Leben, glitzernd, geschäftig und unausweichlich. Und durch all dies, eingebunden in den Stoff des Universums, sah er goldene Ströme der Macht, wie er sie zum ersten Mal im Zimmer von Anthora yos’Galan wahrgenommen hatte.

Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf diese Linien, verfolgte Ebbe und Flut ihrer Substanz, die tektonischen Details, die Kohäsion ihres Zweckes. Wie in Anthoras Kammer streckte er seine Hand aus und zog zwei der glühenden Linien sehr vorsichtig zu sich heran.

Weit entfernt im Sternennetz verstopfte sich ein Haufen der Linien um eine kleinere Sonne. Ren Zel ließ los, die Fäden entspannten sich und der Fluss der Kraft verlief unbehindert.

So. Ein weiteres Mal weitete er seine Aufmerksamkeit aus, diesmal eher auf der Suche und weniger mit dem Bedürfnis nach Beherrschung.

Er hörte einen Laut, als ob eine Ratsglocke sanft geschlagen worden war, und im nächsten Herzschlag war Balent’i tru’vad verschwunden und sein Sichtfeld wurde völlig durch pulsierendes, goldenes Licht erfüllt.

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Es war Chi yos’Phelium gewesen, die damals darauf bestanden hatte, als er die Position seiner Mutter als Qe’andra von Korval einnahm, dass die Verteidigungsanlagen des Amtes zu einem Standard aufgewertet werden sollten, den man als »angemessen« bezeichnen konnte. Und Mr. dea’Gauss, damals noch jung, hatte dies im Stillen als ausgesprochen … drakonisch bewertet.

Heute aber, als er die Anzeigen seines Kontrollpultes betrachtete, das sie in seinem Büro installiert hatte, wünschte er sich, in jene auf immer verlorenen Tage seiner Jugend zurückkehren zu können, um sie bescheiden um Entschuldigung zu bitten. Denn es war nur richtig zu sagen, dass die Augen eines Delms weit in die Zukunft blickten – und die Augen Korvals von allen am weitesten.

Da Zeitreisen keine ernsthafte Option für ihn waren, um für seine Zweifel um Verzeihung zu bitten, konnte er nichts anderes tun, als dafür zu sorgen, dass ihre Sorge nicht umsonst gewesen war.

Vorsichtig und einem Protokoll folgend, das jedes Vierteljahr geändert wurde und neu auswendig gelernt werden musste, drückte Mr. dea’Gauss drei Knöpfe in bestimmter Reihenfolge und machte damit sein Personal und die Lehrlinge auf die nahende Gefahr aufmerksam. Sie würden nun, wie endlos oft geübt – Chi hatte auf Übungen bestanden, ebenso auf Probealarmen –, an ihren Arbeitsplätzen jene Knöpfe drücken, die die Inhalte ihrer Computer in den Hauscomputer in Jelaza Kazone speicherten, um anschließend die Datenbänke völlig zu säubern. Sobald das geschehen war, würden sie das Gebäude durch einen der drei Fluchtwege verlassen.

Sie hatten zwölf Minuten, um das zu schaffen.

Eine Sekunde nach Ablauf dieser Frist würde sich das Gebäude versiegeln. Da die Wände und Fenster vor Jahren mit Stahlplatten und Panzerglas verstärkt worden waren, glaubte Mr. dea’Gauss daran, dass es dem herannahenden Feind einige Bemühungen und Zeit abverlangen würde, sich Zutritt zu verschaffen.

Seine eigene Aufgabe bedurfte auch einiges an Zeit – ein wenig zumindest. Es ging nur um die Sicherung zweier Briefe, die vor langer Zeit auf der Basis übertriebener Vorschläge jener Chi yos’Phelium geschrieben worden waren. Er brauchte einen Moment, sie korrekt zu kopieren und zu adressieren, und dann nur noch ein Knopfdruck, um sie zu senden. Als er damit fertig war, tippte er den Code ein, der den Download initiierte und seinen eigenen Speicher löschte. Dann beugte er sich hinab, um die Waffe aus der Schublade zu seiner Rechten zu holen.

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Sie hatten die Kommunikationstechnikerin von Erob in die Teepause geschickt, zu der sie sich nicht lange hatte überreden lassen müssen, sobald man ihr erklärt hatte, dass der Richtfunk für private Geschäfte von Korval benötigt wurde.

Nun saß Val Con neben Nova vor der Konsole. Miri hockte daneben und beide betrachteten, wie sich Novas Finger bewegten und die aktuellen Codes eingaben.

»Deine Codes hätten natürlich auch noch Gültigkeit«, sagte Nova zu Val Con. »Aber nur als Benachrichtigung für Jeeves. Ich habe es so eingerichtet, als du für so lange Zeit verschwunden warst und ich nichts …« Ihre Stimme wurde schwächer, dann wieder stärker. »Natürlich konnte ich deine Integrität nicht angreifen, aber Jeeves besitzt dein Stimmmuster und ist sehr diskret.«

»Tatsächlich«, sagte Val Con mehr für Miris Ohren, »hat er die Fähigkeit, sich über acht verschiedene Frequenzen auszudehnen und alle Nachrichten während des Empfangs umzuleiten, was es recht schwierig macht, seine Aktivitäten zu verfolgen.«

»Eben darum«, sagte Nova kalt und tippte den letzten Code ein. »So, das sollte … ja!«

Anzeigen flimmerten auf dem Bildschirm und zeigten die Zugriffe bis zum Tag 52 des Standardjahres 1393. Nova scrollte hoch.

»Luken, Padi, Shindi …«

»Shindi?«

Nova sah Val Con an. »Hat Shan dir nicht … nun gut«, hielt sie mit einem Achselzucken inne. »Du warst sicher anderweitig beschäftigt, denke ich mal. Der Clan erfreut sich über Zwillinge, Erben von Anthora yos’Galan. Ihre Namen sind Shindi und Mik.«

»Ah.« Er lächelte und legte eine Hand auf Miris Knie. »Der Clan wächst, Cha’trez. Wir wurden doppelt gesegnet.«

Sie sah auf ihn hinunter. »Du meinst doppelten Ärger, oder?«

Er lachte und hatte die Freude, ein kühles Lächeln auf Novas Gesicht zu sehen, bis sie sich wieder dem Schirm widmete, der langen Liste der Namen und Daten folgend.

Sie kam zum Ende und winkte wortlos mit einer Hand. Voller Vorahnung saß Miri angespannt auf seinem Knie, als er es auch noch einmal versuchte und durch die Namen seiner Verwandtschaft scrollte.

Alle Namen außer einem.

    

Korvals Nemesis
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