Der erstaunliche Mond

Der Mond ist selbstverständlich das hellste Objekt am Nachthimmel. Es ist purer Zufall, dass unser natürlicher Satellit optisch nahezu dieselbe Größe wie die Sonne hat. Das ist der Fall, weil der Mond rund 400-mal kleiner als die Sonne und uns zugleich rund 400-mal näher ist. Bei einer Sonnenfinsternis, wenn der Mond zwischen Erde und Sonne steht, können wir sehen, wie nah die wahrgenommenen Größen beieinander liegen. Abhängig von der Entfernung zwischen Erde und Sonne, die sich verändert, während sich unser Planet auf seiner Umlaufbahn bewegt, kann der Mond die Sonne manchmal total abdecken oder es bleibt ein Lichtring außen stehen, Letzteres ist dann eine sogenannte ringförmige oder Feuerkreis-Sonnenfinsternis. Bei der passenden Entfernung haben die beiden Himmelskörper Sonne und Mond ziemlich genau dieselbe optische Größe.

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34. Bei einer ringförmigen Sonnenfinsternis bleibt rundum ein Rand aus Sonnenlicht hinter dem Mond sichtbar.

Diese zufällig ähnliche Größe am Himmel wird im Lauf der Zeit verschwinden. Denn der Mond wird kleiner, da sich sein Orbit ganz allmählich vergrößert: Die Gravitation des Mondes macht die Erde langsamer. Weil der Drehimpuls eines Systems eine Erhaltungsgröße ist (erinnern Sie sich an die Eisläuferin, die sich bei einer Pirouette schneller dreht, wenn sie die Arme an den Körper nimmt), verschnellert sich die Mondrotation, während die der Erde abnimmt. Das ist ein geringfügiger Effekt, aber durchaus ein wahrnehmbarer. Der Mond entfernt sich etwa 4 Zentimeter pro Jahr von uns.

Es ist nicht immer einfach, die Größe des Mondes einzuschätzen. Wir alle haben ihn schon größer als üblich gesehen (wenn auch nicht so lächerlich riesig, wie Hollywood ihn oft zeigt). Das ist ein psychologischer, kein physischer Effekt. Die sichtbare Größe verändert sich nicht, aber wie wir später sehen werden, ist das Bild, das wir uns mit unseren Augen machen, ein höchst artifizielles Konstrukt. Eine ziemlich gute Erklärung, wieso sich die Größe des Mondes verändert, ist, dass wir dazu neigen, ihn als größer zu betrachten, wenn er in der Nähe von Objekten zu sehen ist, deren Größe wir kennen – etwa in derselben Blickrichtung wie ein Gebäude oder Bäume. Unser Gehirn weiß, dass diese Dinge relativ nahe sind, also nimmt es auch an, dass der Mond viel näher ist.

Ganz sicher sind wir groß darin, Dinge in Verbindung zu setzen, die in Wahrheit ungeheuer weit voneinander entfernt sind. Wenn wir die Sterne betrachten, stellen wir uns vor, dass sie Konstellationen bilden – Formen, die diese Lichtpunkte zum Umriss eines Bildes verbinden –, während sie in Wirklichkeit keine Beziehung zueinander haben. Man muss nur das Sternbild Zentaur am südlichen Himmel nehmen. Sein hellster Stern, Alpha Centauri, ist einer, der uns am nächsten steht, er ist nicht viel mehr als vier Lichtjahre entfernt. Der zweithellste Stern der Konstellation, Beta Centauri (oder Agena), ist 190 Lichtjahre weit weg, mehr als 45-mal so weit. Damit machen wir den Fehler, zwei Objekte miteinander in Verbindung zu setzen, die rund 1.797.552.000.000.000 Kilometer auseinander liegen.

Unser eigener Stern befindet sich viel näher an Alpha Centauri als Agena, aber wir würden kaum auf die Idee kommen, dass die Sonne und Alpha Centauri ein Muster bilden. Alpha und Beta Centauri haben keine größere Verbindung als Houston und Kairo, die bloß auf etwa demselben Breitengrad liegen. Unsere Augen und Gehirne suchen nach Strukturen in den Myriaden funkelnder Punkte am Himmel und verleiten uns, Bilder zu entdecken.


Experiment – Wie groß ist der Mond?

Jetzt haben Sie die Gelegenheit festzustellen, ob Ihr Gehirn Ihnen hinsichtlich der optischen Größe des Mondes etwas vorgaukelt. Überlegen Sie – ohne zu schauen, ob der Mond sichtbar ist –, der Größe welcher Münze, die Sie auf Armlänge entfernt halten, der Vollmond entspricht.

Probieren Sie das aus, falls ein (fast) voller Mond zu sehen ist (oder beim nächsten Vollmond).

Sie werden feststellen, dass keine Münze klein genug ist, um der optischen Größe des Mondes zu entsprechen. Eine wesentlich bessere Größenannäherung ist das Loch, das Sie mit einem Locher in ein Blatt Papier gestanzt haben und auf Armlänge entfernt halten. Der Mond ist tatsächlich so klein, aber unser Gehirn macht uns etwas vor. Deshalb sind auch Fotos, auf denen der Mond zu sehen ist, normalerweise so enttäuschend. Auf Fotos lässt sich unser Gehirn nicht in die Irre führen.

Sie können die scheinbare Größe mit unserer Technik zur Schätzung von Entfernungen überprüfen. Der Mond hat einen Durchmesser von rund 3500 Kilometern und ist rund 380000 Kilometer entfernt. Um seine scheinbare Größe in Millimetern in 0,75 Meter Entfernung vom Auge zu bestimmen, müssen wir den Durchmesser des Mondes in Millimeter und seine Entfernung in Meter umrechnen. Der scheinbare Durchmesser des Mondes auf Armlänge ist also 0,75 × 3500 × 1000 × 1000/380000 × 1000 = 6,9 Millimeter. Da Locherlöcher einen Durchmesser von rund 5 Millimetern haben, war das keine schlechte Näherung.


Warum Tee im Flugzeug nicht schmeckt und Wolken nicht vom Himmel fallen: Eine Flugreise in die Welt des Wissens
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