Bartholins Kristallwunder
Bereits 1669 stellte der skandinavische Forscher Erasmus Bartholin fest, dass ein bestimmter transparenter Kalkspat aus Island alles, was man durch ihn ansah, in zwei Bilder aufspaltete. Wenn man ein Stück dieses Calcitkristalls (eine kristalline Form von Calciumcarbonat, das Hauptbestandteil von Kalkstein, Dolomit und Marmor ist) auf ein Schriftstück legte, sah man unter dem Mineralstück die Buchstaben doppelt. Bartholin nahm an, dass dies der Fall sei, weil es zwei unterschiedliche Formen von Licht gäbe – und in gewisser Weise hatte er recht. Was er nicht erkannte (im Gegensatz zu Edwin Land, der die Sonnenbrillen mit Polarisationsfilter erfand), war, dass jedes Photon des Lichts eine Richtung hat, die im rechten Winkel zu seiner Laufrichtung steht und als seine Polarisation bezeichnet wird.
Experiment – Polarisation durch einen Dreh
Für dieses Experiment benötigen Sie eine alte Sonnenbrille mit Polarisationsfilter, die Sie zerbrechen können. Nehmen Sie die Gläser aus der Fassung. Halten Sie ein Glas vors Auge und schauen Sie aus dem Fenster. Entsprechend der Tönung des Glases sehen Sie dasselbe Bild wie zuvor, aber ein bisschen dunkler. Halten Sie nun beide Gläser übereinander, beide in derselben Richtung, vors Auge und schauen Sie wieder aus dem Fenster. Nach wie vor sollten Sie dasselbe Bild sehen, aber nun etwas stärker eingefärbt, weil Sie durch zwei Gläser blicken.
Belassen Sie nun ein Glas unverändert, während Sie das andere langsam drehen, bis es 90 Grad zum feststehenden hat. Beim Drehen sollte das Bild allmählich dunkler werden, bis Sie überhaupt nichts mehr sehen. Alles ist schwarz. Drehen Sie das Glas weiter, erscheint das Bild langsam wieder.
Normales Licht, das von der Sonne kommt, besteht aus Photonen, die in alle Richtungen polarisiert sind, ein Chaos aller möglichen Varianten. Wird das Licht dann von einer Oberfläche reflektiert, wird der Großteil in eine bestimmte Richtung polarisiert. Land erkannte, dass Sonnenbrillengläser mit einem Filter, der Licht mit genau dieser Polarisation fernhält, den blendenden Glanz durch Reflexionen von der Straße und von Windschutzscheiben verringern würden. Land wurde Millionär – aber seine Nutzung von Polarisationsfiltern wurde durch die Technologie, die die Flüssigkristallbildschirme ermöglichte, weit in den Schatten gestellt.
Um eine Vorstellung zu bekommen, was bei diesen beiden Polarisationsgläsern geschieht, sollten Sie sich die Gläser als mit ganz vielen schmalen Schlitzen versehen vorstellen, die beispielsweise von links nach rechts verlaufen. Nur die Photonen, die die richtige Form haben (mit den Längen von links nach rechts), passen hindurch, ähnlich wie immer nur eine bestimmte Form durch die jeweilige Öffnung einer Steckbox für Kleinkinder passt. Jene Photonen, bei denen die Längen von oben nach unten verlaufen, kommen nicht durch – sie werden abgeschirmt.
Wenn Sie nun ein Brillenglas um 90 Grad drehen, wird alles, was durch die Schlitze des ersten Glases hindurch kommt, von den Schlitzen des zweiten abgeblockt. Auf diese Weise halten die Gläser sowohl horizontal als auch vertikal polarisiertes Licht ab. Damit wird das gesamte Licht ferngehalten und das Bild dunkel.