25
Bevor er mich in der Stadt absetzte, checkte Cal auf seinem iPhone, ob die Nachforschungen über Mick Bishop schon etwas gebracht hatten. Er brauchte eine Weile – scrollte rauf und runter, las hier und da irgendwas … und schaute ab und zu hoch, um zu sehen, ob er noch auf der Straße war –, doch schließlich schüttelte er den Kopf und sagte: »Nein, noch nichts Interessantes.«
»Was ist bis jetzt rausgekommen?«, fragte ich aus reiner Neugier.
Er zuckte mit der Schulter. »Nicht viel. Ich hab jetzt seine Festnetznummer und ich weiß, was er privat für ein Auto fährt, wann er den Führerschein gemacht hat, wo er wohnt und wie alt er ist …« Cal sah mich an. »Kann noch eine Weile dauern, bis die spannenden Sachen kommen.«
»Wenn es welche gibt.«
»Tja, stimmt … bis Mitternacht sollten wir jedenfalls Bescheid wissen.«
Ich schaute aus dem Fenster. »Du kannst mich hier rauswerfen, Cal.«
»Sicher?«
Ich nickte. »Was glaubst du, wie lange werden wir bis zum Turk’s Head brauchen?«
»Nicht lange«, sagte er, während er am Straßenrand anhielt. »Zwanzig Minuten vielleicht.«
»Gut, das heißt, wenn wir um sechs bei dir losfahren, müssten wir spätestens halb sieben da sein. Das lässt uns genug Zeit, um die Lage zu peilen, bevor Bishop diesen Typen namens Ray trifft.«
»Und was machen wir, wenn die beiden kommen?«
»Weiß ich noch nicht.« Ich lächelte ihn an. »Keine Sorge, uns fällt schon was ein.«
Er nickte. »Okay, dann bist du also um sechs bei mir?«
»Ja.«
»Und bis dahin?«
»Treib ich mich ein bisschen rum.«
»Wo denn?«
»Irgendwo.« Ich öffnete die Tür. »Sag Bescheid, wenn die Suche irgendwas gebracht hat, okay?«
»Ja, aber –«
»Bis später, Cal.«
Bridgets Tierhandlung liegt auf halber Höhe der Market Street in einem Fußgängerbereich an der Westseite der Einkaufszone – in einem kleinen Backsteingebäude zwischen einem Süßwarenladen, der niemals Kunden hat, und einer altmodischen Eisenwarenhandlung mit einer verstaubten Schaufensterdekoration aus aufrecht stehenden Staubsaugern, Dampfkochtöpfen, Glühbirnen und toten Wespen.
Der Regen ließ langsam nach, als ich die Market Street hinunterlief und in der Ferne Flecken von blauem Himmel entdeckte, die durch die lilagraue Wolkendecke brachen. Es war ungewöhnlich still für einen Samstagmittag. Auf den Straßen war zwar einiges los, aber nicht so viel, dass ich nicht ohne Weiteres durchkam, und es dauerte nicht lange, bis ich mich vor Bridgets Laden stehen sah, eine Zigarette rauchte und mich fragte, was ich hier eigentlich machte.
Warum schlug mein Herz so heftig?
Wieso raste mein Kreislauf so?
Und wieso sauste ein winziger schwarzer Planet in meiner Brust rum und peitschte ganze Ströme von Adrenalin raus?
Ich rauchte meine Zigarette und starrte zu Boden.
Ich wusste nicht, wieso.
Ich wusste nicht, was ich hier machte.
Ich drückte die Zigarette aus und ging den Weg zurück, den ich gekommen war … aber nach drei, vier Schritten blieb ich stehen, kehrte um und ging wieder zum Laden.
Ich konnte nichts dagegen tun.
Es spielte keine Rolle, wieso.
Als ich den Laden betrat, stand Bridget an der Theke und packte für eine dicke alte Frau in einem abgetragenen Pelzmantel irgendwelche Tüten mit grünlich braunen Kügelchen ein. Die alte Frau hatte ein riesiges Portemonnaie in der Hand und einen Einkaufstrolley zu ihren Füßen stehen. Sie schien den halben Laden leer zu kaufen – Kaninchenfutter, Trinkflaschen, Schüsseln, Plastiktüten voll Heu und Stroh. Bridget schnitt mit einem kleinen Klappmesser Preisschilder ab und schrieb gerade die Preise auf die Rückseite einer Papiertüte, doch als die Glocke über der Tür klingelte, hörte sie auf, sah mich über die Schulter der Frau hinweg an und lächelte … und für ein kurzen Moment war ich wieder sechzehn – blauäugig, unschuldig, dumm – wie ein Tier, das nur diesen Moment wollte und brauchte …
Ich schloss die Tür.
Während Bridget das Klappmesser in ihre Gesäßtasche schob und sich wieder der dicken alten Frau widmete, spazierte ich im Laden herum und schaute mir Sachen an. Die eine Wand stand mit Tiernahrung und Tierzubehör voll, während die andere für die Tiere selbst reserviert war. Es gab Regale mit Käfigen voller Wellensittiche und Kanarienvögel, es gab Mäuse und Hamster in Glaskästen, die im Sägemehl rumwuselten und durch Klorollen flitzten, und auf der rechten Seite des Ladens standen auf vier Etagen übereinander Aquarien aufgereiht. Die Aquarien blubberten und brummten und strömten einen wunderbaren Geruch nach Teichwasser aus, und als ich davorstand, die Fische beobachtete und den Duft von lebendigem Wasser einsog, erinnerte ich mich an die Flüsse und Bäche meiner Kindheit – die Marmeladengläser voller Elritzen, die Molche, den Froschlaich …
»Möchten Sie einen Fisch kaufen, junger Mann?«
Ich drehte mich um, als ich die Stimme hörte. Bridget stand hinter mir und wischte sich den Staub der Tiernahrung von den Händen. Die dicke alte Frau war gegangen und der Laden leer.
»Danke, ich schau nur«, sagte ich lächelnd.
Bridget schob die Hände in die Taschen und lächelte zurück. Sie sah wunderbar aus, einfach so, nur in Jeans und einem jadegrünen Pullover.
»Wie geht’s?«, fragte ich.
»Nicht schlecht.«
»Bist du allein?«
Sie nickte. »Sarah arbeitet samstags nicht und heute war so wenig los, dass ich Melanie gesagt hab, sie kann nach Hause.«
»Wer ist Melanie?«
»Die arbeitet als Teilzeitkraft hier. Du weißt schon, an Wochenenden, in den Schulferien …«
»Klar … und was isst du zu Mittag?«
»Normalerweise Sandwiches. Wieso?« Sie grinste. »Willst du mich zum Essen einladen?«
»Na ja, wenn du Lust hast …«
»Wieso bleiben wir nicht einfach hier?«, schlug sie vor. »Es sind genug Sandwiches für zwei da.«
»Ich hab gar keinen richtigen Hunger, um ehrlich zu sein.«
»Ich auch nicht«, sagte sie leise und trat näher an mich heran. »Aber wieso bleibst du nicht einfach so eine Weile? Ich könnte den Laden für ein, zwei Stunden zumachen.« Sie hob die Hand und fuhr behutsam mit der Fingerspitze seitlich über mein Gesicht. »Wir müssen nichts tun, wenn du nicht magst«, flüsterte sie. »Wir können auch einfach nur reden.«
Ich nickte. Ich wollte nicht reden.
Bridget lächelte mich einen Moment an, dann nahm sie mein Gesicht in ihre Hände und küsste sacht meine Lippen, bevor sie sich umdrehte und zur Tür ging. Während sie das Schild GESCHLOSSEN hinhängte und abschloss, fragte ich: »Wo ist Walter?«
»Oben.«
»Was heißt oben?«
»Ich zeig’s dir«, antwortete sie, nahm meine Hand und führte mich durch eine Tür am Ende des Ladens.
Hinter der Tür lag ein kleiner Raum, der sowohl als Küche wie auch als Lager diente. Es gab ein Spülbecken, einen Wasserboiler, einen Kessel und Tassen auf einer Theke und überall, wo ich hinschaute, standen Berge von Pappkartons hoch übereinandergestapelt an den Wänden.
»Hier lang«, sagte Bridget.
Ich folgte ihr eine schmale Holztreppe hinauf, die uns zu einem ebenso schmalen Flur führte, wo auf halber Strecke Walter zusammengerollt in einem mit Kissen vollgestopften Hundekorb lag.
»Hi, Walter«, sagte ich.
Er blickte zu mir auf und klopfte ein paarmal mit dem Schwanz, machte aber ansonsten keine Anstalten, sich zu rühren. Und so wohlig und bequem, wie er dalag, fand ich das durchaus einleuchtend.
»Was ist das hier?«, fragte ich Bridget und schaute mich um. »Wohnt hier jemand?«
»Im Moment nicht. Sarah ist hier untergeschlüpft, nachdem sie ihren Mann verlassen hatte, aber inzwischen ist sie wieder mit ihm zusammengezogen.«
»Warum hat sie ihn verlassen?«
»Er hat sie geschlagen. Tut er wahrscheinlich immer noch.«
»Und wieso ist sie dann zu ihm zurück?«
»Weiß der Himmel. Sie sagt, sie liebt ihn …« Bridget schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. »Aber egal«, sagte sie und öffnete eine Tür, »das hier ist jedenfalls das Wohnzimmer.«
Ich folgte ihr in den vollgestellten, aber gemütlich wirkenden Raum. Gegenüber von einem Sofa, einem Sessel und einem halbkreisförmigen Tisch stand ein kleiner Gasofen, auf dem Boden lagen Decken und Kissen und am anderen Ende des Zimmers war ein kleines Erkerfenster, das auf die darunterliegende Straße schaute. Der ganze Raum strahlte etwas Zeitloses aus.
»Sehr schön«, sagte ich.
»Willst du auch das Schlafzimmer sehen?«
Ich nickte, traute mich aber nicht zu sprechen.
Sie führte mich durch den Raum zu einer angrenzenden Tür, öffnete sie und schob mich ins Schlafzimmer. Es hatte ungefähr die gleiche Größe wie das Wohnzimmer und wirkte genauso zeitlos. Aber noch etwas war anders mit diesem Zimmer, völlig anders. Ich verstand es nicht ganz, doch so, wie das blasse Herbstlicht durch die Vorhänge hereinschimmerte und das Weiß eines alten Bettes unter dem Fenster hervorhob, hatte ich das Gefühl, in einem anderen Land zu sein.
»Ist es dir recht?«, fragte Bridget behutsam und schloss die Tür.
»Ja …«, antwortete ich. »Und dir?«
Sie sagte nichts, nahm nur meine Hand und führte mich hinüber zum Bett.
Sie war blass und wunderschön und sie roch nach Stroh.
Hinterher lagen wir im schwindenden Licht, beide für eine Weile versunken in unsere eigenen stillen Gedanken. Es war eine gute Stille, eine Stille aus Atemzügen und Trost, und ich hatte nicht das Bedürfnis, sie zu brechen. Obwohl die Straße nur vier oder fünf Meter unter uns war, wirkte das Zimmer friedlich und ruhig. Es gab keinen Verkehrslärm, keine Schritte, überhaupt keine menschengemachten Geräusche – nur ein schwaches, undefinierbares Flüstern, wie der Hauch eines nahenden Windes.
Ich horchte auf eine tickende Uhr, machte mir aber keine Gedanken, wie spät es war.
Mein Kopf war leer.
Gedankenlos …
Ich war dem Glück nah.
Nach einer Weile stupste mich Bridget mit dem Fuß. »Ich muss gleich wieder zurück in den Laden.«
»Wieso?«, fragte ich und lächelte sie an.
»Wenn Sarah rausfindet, dass ich einfach zugemacht hab, bringt sie mich um.«
»Wie soll sie es rausfinden?«
»Du kennst Sarah nicht …«
Ich wälzte mich auf die andere Seite, fasste nach meiner Jacke auf dem Fußboden und tastete die Taschen ab, bis ich meine Zigaretten fand. »Stört es dich?«, fragte ich Bridget und zog eine aus der Schachtel.
Sie schüttelte den Kopf. »Irgendwo steht eine Flasche Whisky. Sarah trinkt gern mal einen guten Tropfen Malt … wahrscheinlich ist er da drüben im Schrank. Nimm dir was, wenn du magst.«
»Nicht nötig, danke«, sagte ich und zündete die Zigarette an.
»Sicher?«
»Ja.«
Sie lächelte wieder.
Ich sah sie an. »Hab ich schon lange nicht mehr gemacht.«
»Was – einen Drink abgelehnt?«
»Nein, ich meinte –«
»Ich weiß, was du gemeint hast, John«, sagte sie leise lachend. »Und ich hab es mir irgendwie gedacht.« Sie setzte sich halb auf, sah mir für einen Moment in die Augen, dann ließ sie den Körper sinken und legte ihren Kopf auf meine Brust. »Ich hätte nie geglaubt, dass das passieren würde.«
»Ich auch nicht.«
»Aber es ist passiert.«
»Ja.«
»Bist du froh?«
»Sehr.«
»Gut.«
Ich spürte, wie ihre Hand an meinem Körper hinabglitt.
Wir schliefen eine Weile, dösten ein wenig in der Nachmittagsstille vor uns hin und zum ersten Mal seit Jahren hatte ich nicht das Verlangen, irgendwo anders zu sein. Ich hatte nicht das Verlangen, überhaupt etwas zu sein – jemand anderes, etwas anderes, irgendwas anderes außer ich selbst … Im Moment war ich vollkommen zufrieden damit, wer und was und wo ich war.
Im Moment.
Doch die Uhr tickte noch immer und ich wusste, dass nichts ewig währt.
Es war gegen halb fünf, als Bridget sich im Bett aufsetzte, liebenswert ihre Brüste hinter der Decke verbarg und mich mit dem Ellenbogen anstieß.
»Ich muss jetzt unbedingt aufstehen«, sagte sie. »Wenn ich nicht die Kasse abrechne und das Geld zur Bank trage, bringt mich Sarah wirklich um.«
Ich setzte mich auf und zündete eine Zigarette an. »Ich mach mich auch besser auf.«
Sie schaute mich an und sagte nichts, doch ich konnte die Frage in ihren Augen sehen.
»Ich muss jemanden treffen«, erklärte ich ihr. »Meinen angeheirateten Neffen.«
Sie lächelte. »Deinen angeheirateten Neffen?«
»Sein Name ist Cal. Er arbeitet manchmal für mich.«
»Ach so … dann arbeitest du also heute Nacht?«
»Sozusagen.«
»Entschuldige«, sagte sie. »Ich bin nur einfach neugierig. Du musst mir nichts erklären.«
»Nein, schon gut«, versicherte ich ihr. »Macht mir nichts aus, wenn du fragst … es ist nur … na ja, so richtig Arbeit ist es eigentlich nicht. Nur etwas, was ich klären muss.«
»Hat es mit diesem Mann zu tun?«
»Welchem Mann?«
»Dem Polizisten … wie hieß er noch? Der, der bei uns im Haus war.«
»Bishop?«
»Ja, genau.«
»Wie kommst du darauf, dass es um Bishop geht?«
»Keine Ahnung«, sagte sie mit einem Schulterzucken. »Ich hatte nur so ein Gefühl bei ihm, das ist alles. Als er bei uns war und als ich ihn im Fernsehen gesehen habe …« Sie zitterte. »Ich weiß nicht … irgendwas stimmte nicht mit ihm, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich versteh genau, was du meinst.«
»Also gut … sei einfach vorsichtig, okay?«
Ich lächelte. »Okay.«
Sie küsste mich, wuschelte mir durch die Haare, dann stand sie auf und zog sich an. Ich lag da und beobachtete sie. In dem dämmrigen Licht war ihr Haar von einem staubblassen Schein umgeben und ihre Haut wirkte cremefarben. Unten am Bauch hatte sie eine kaum sichtbare Narbe und direkt unter der linken Brust einen kleinen blauen Fleck. Die Schultern waren breiter, als ich sie mir vorgestellt hatte, und spannten den Kamm ihres Rückens mit einer grazilen Kraft, die perfekt zur Rundung ihrer Hüften passte. Ihr Po wirkte wie eine blasse Sonne an einem Wintermorgen. Es war ein Körper, der es verdiente, nackt zu sein. Und als sie in ihre Unterwäsche schlüpfte, danach den Pullover anzog und in die Jeans stieg, fragte ich mich, ob ich das alles je wiedersehen würde.
»Weißt du, wo meine Socken sind?«, fragte sie.
»Versuch’s mal unterm Bett.«
Sie fand ihre Socken und zog sie an, dann ging sie durchs Zimmer und betrachtete sich im Spiegel an der Wand. Sie fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, dann beugte sie sich dicht heran und rieb sich mit dem gekrümmten kleinen Finger etwas von der Lippe.
»Wann triffst du deinen angeheirateten Neffen?«, fragte sie.
»Um sechs.«
Sie kam herüber, setzte sich auf die Bettkante und beugte sich nach unten, um ihre Schuhe anzuziehen. »Hast du die ganze Nacht zu tun?«
»Keine Ahnung. Kommt drauf an …«
»Entschuldige«, sagte sie lächelnd. »Ich bedränge dich schon wieder.«
»Nein, kein Problem. Ich weiß nur einfach nicht, wie lange ich brauchen werde … Wie wär’s, wenn ich dich irgendwann später anrufe?«
»Ja, das wär schön.« Noch immer vornübergebeugt, band sie die Schnürsenkel zu einem Doppelknoten, wischte über die Schuhspitzen, dann stampfte sie mit den Füßen leicht auf. »Wenn es nicht zu spät ist«, sagte sie fast schüchtern, »könnten wir dann vielleicht noch irgendwo hingehen?«
»Das würde mir gefallen.«
»Gut.«
Ich lächelte sie an.
»Und«, sagte sie, »ich dachte, du wolltest aufstehen?«
»Tu ich auch.«
»Dann mach.«
»Ich dachte, du müsstest runter, die Kasse abrechnen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Du hast mir zugesehen, wie ich mich angezogen habe – jetzt bin ich dran mit gucken.«
Ich starrte sie an, auf lächerliche Weise verlegen, und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Sie lachte. »Schon gut, ich mach nur Spaß. Ich lass dich allein, damit du dich in Frieden anziehen kannst.«
Sie warf noch einen Blick über die Schulter, als sie das Zimmer verließ, und ihr sorgloses, belustigtes Lächeln, in dem so viel Vertrautheit lag, sandte einen Schauer durch mein Herz.
Es war still unten in der Tierhandlung. Draußen schwand das Tageslicht, die Läden waren schon zu oder wurden gerade geschlossen, Menschen gingen mit ihren Einkäufen nach Hause. Es war die Zeit, in der die Stadt Gelegenheit bekommt, sich auszuruhen, ehe das Chaos der Nacht losbricht. Im Laden machte Bridget die Abrechnung, Vögel flatterten sanft in ihren Käfigen und die Aquarien blubberten leise im Abendlicht. Ich stand an der Tür, atmete den dumpfen Geruch von Stroh und Körnern ein, den gummiartigen Hauch von Hundespielzeug, den frischen Lederduft von Halsbändern und Leinen …
Ich wollte nicht gehen.
Ich wollte hierbleiben.
Ich wollte nirgendwo anders sein.
»Dann rufst du mich also irgendwann später an?«, fragte Bridget.
»Ja … keine Ahnung, wann.«
»Spielt keine Rolle«, sagte sie. »Melde dich einfach, sobald du kannst.«
Ich betrachtete sie einen Moment, erinnerte mich an den Duft ihrer Haut, die Berührung ihrer Lippen, den Atem ihrer geflüsterten Worte …
»Geh schon«, sagte sie liebevoll. »Bis später.«
Ich schloss die Tür auf und trat hinaus in die Dämmerung.