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Dreizehntes Kapitel

Hirad stand vor den beiden Magiern, schwang seinen Streitkolben und schleuderte die Drohnen nach rechts. Anschließend zog er die Waffe abrupt nach unten und traf die Klaue eines Seelenfressers, der sich von links angeschlichen hatte. Neben ihm kämpfte der Unbekannte, stark wie immer. Den Streitkolben in einer und das Langschwert in der anderen Hand, arbeitete er wie der Protektor, der er einmal gewesen war. Hirad freute sich über seine Stärke und fürchtete zugleich um den Freund. Der Schlag auf den Kopf hatte ihn beeinträchtigt. Blut lief über sein Gesicht und die Arme. Die alte Hüftverletzung beeinträchtigte die Beweglichkeit seines rechten Beins und störte sein Gleichgewicht.

Über die Schulter wandte Hirad sich an den Magier, der vor dem schweren Türschloss kauerte.

»Wir haben nicht mehr viel Zeit«, drängte er.

»Das ist mir durchaus bewusst«, lautete die bissige Antwort.

»Ich will nicht noch mehr Freunde verlieren.«

»Dann lass mich in Ruhe arbeiten.«

Der zweite Magier feuerte seinen Kraftkegel durch den von Elfen frei geräumten Weg mitten ins Gedränge der Dämonen und holte eine Reihe Feinde vom Himmel. Auf dem Boden, drei Stufen unterhalb von Hirad, wurde die Lage mit jedem Augenblick gefährlicher. Von beiden Seiten rückten Dämonen vor. Ganz vorn die Karron, dahinter die Seelenfresser. Die Al-Arynaar waren in ein verzweifeltes Rückzugsgefecht verwickelt und versuchten, für jene, die noch in der Gasse waren, den Weg frei zu halten.

Die Elfen hatten jetzt kaum noch Platz zum Kämpfen. Sie sahen sich in die Enge getrieben, die meisten hatten die Schwerter fallen lassen und benutzten Messer und Dolche. In ihrer Mitte drosch Ark auf die Feinde ein, ohne auf die Drohnen zu achten, die an seinem riesigen Körper hingen. Mit beiden Händen setzte er den Streitkolben wie einen Rammbock ein und verließ sich darauf, dass die Elfen an seiner Seite ihn vor den ausholenden Schlägen der Karron beschützten.

Thraun hielt unterdessen Erienne in den Armen und war bereit, jederzeit loszulaufen. Bei ihm waren Denser, Pheone und die beiden noch lebenden Xeteskianer. Die drei Magier setzten Kraftkegel ein. Ohne diese magische Verstärkung wären sie alle schon längst tot, wie Hirad genau wusste. Aber auch so mussten die Elfen Schritt um Schritt vor den Dämonen zurückweichen. Die Gasse war gerade so breit wie zwei Männer, und die Feinde stießen unerbittlich vor.

Hinter sich hörte er ein scharfes Knacken, dann stieg der Gebrauch von verbranntem Metall auf, und es wurde warm.

»Mach schon, mach schon«, flüsterte er.

Es gab ein Klicken. »Ich hab’s.«

»Ausgezeichnet«, lobte Hirad. Er drosch einem Seelenfresser seinen Streitkolben ins Gesicht und hörte dessen Schädel kacken. Das Wesen kreischte und flog auf, direkt in die Bahn eines Kraftkegels, den ein Elf gesprochen hatte. Der Dämon wurde rückwärts gegen die halb zertrümmerte Mauer eines Gebäudes geschleudert. »Macht, dass ihr hineinkommt. Sichert die anderen Eingänge mit Schutzsprüchen. Los jetzt!«

Er drehte sich nicht um, sondern holte tief Luft und brüllte: »Magier, die Magier zu mir.«

Sofort brach das Chaos aus. Krieger der Al-Arynaar rannten herbei, um die Lücken zu schließen, während ihre Magier sich zurückzogen. Unter dem Schutz von Denser und Pheone, die keinerlei Anstalten machten, Thraun allein zu lassen, flohen die Magier aus der Gasse. Auch Suarav und Sharyr rannten jetzt, Letzterer hielt einen Kraftkegel über ihren Köpfen, um die anderen abzuschirmen, die ihn begleiteten.

Von beiden Seiten rasten Dämonen herbei. Die Al-Arynaar hielten stand, in ihrer Mitte stieß Ark einen trotzigen Schrei aus. Der Hammerarm eines Karron traf den Kopf eines Elfenkriegers, der sofort zu Boden ging. Darauf lief Arks Gesicht dunkel an, er packte das Wesen an der Kehle und schlug ihm mehrmals den Streitkolben auf den Schädel, ehe er den reglosen Körper hinter sich ins Gedränge warf.

Die ersten Magier erreichten die Treppe und die Türen des Schauspielhauses. Der Unbekannte und Hirad machten ihnen Platz und ließen sie durch, der Barbar gab allen, die vorbeikamen, neue Befehle.

»Wir brauchen drinnen Licht. Leuchtkugeln, um alle Schatten zu vertreiben. Setzt über uns Kraftkegel auf alle Fenster. Sichert die Mauern mit Schutzsprüchen. Die Karron brauchen keine Türen. Bereitet Eiswind vor und haltet die Sprüche. Kein Dämon kommt hinein, bevor ich drinnen bin, verstanden?«

Elfen strömten durch die kleiner werdende Lücke herüber. Am Ende der Gasse hatten die Karron die Al-Arynaar zurückgetrieben und bedrohten die restlichen Rabenkrieger.

»Unbekannter, bleib hier«, sagte er. »Ich muss zurück und die anderen holen.«

»Keine Sorge, ich gehe hier nicht weg.«

Hirad sprang die Stufen hinunter und kehrte in die Gasse zurück. Unterwegs brüllte er die Elfen an, die an ihm vorbeikamen. Er fand Rebraal in der Kampflinie und zog ihn zurück.

»Geh zur Treppe. Wir müssen drinnen die Verteidigung organisieren.«

Rebraal, aus dessen Nase das Blut tropfte, nickte und entfernte sich. Hirad schob sich weiter nach vorn. Nur noch sieben Schritte.

»Thraun! Mach dich bereit. Denser, halte den Kraftkegel.«

Hirad eilte zur Einmündung der Gasse, wo noch heftig gekämpft wurde. Die Karron hatten zwei Al-Arynaar getötet. Die Gefallenen wurden gerade rückwärts durch den schmalen Gang gezogen, sodass Hirad etwas Platz hatte. Er schwang seinen Streitkolben, traf einen bluttriefenden Stachelarm, zog die Waffe sofort wieder hoch und versetzte dem Karron einen Schlag vor die Kehle. Der Dämon taumelte, Hirad verstärkte die Bewegung, indem er ihn mit der Schulter rammte und machte ein wenig verlorenen Boden wieder wett.

»Schneller. Ihr müsst euch schneller bewegen.«

Laut hallte seine Stimme durch die Gasse. Immer noch eilten die Al-Arynaar vorbei. Ihre Nachhut kämpfte, wie sie gekämpft hatte, seit sie den Strang verlassen hatten. Von allen Seiten strömten die Karron aus zerstörten Gebäuden herbei.

Hirad zog sich wieder zurück, er fand die Berührung der wallenden Körperbehaarung widerlich. Noch einmal schlug er dem Karron seinen Streitkolben auf den Kopf, um das Wesen zu vertreiben. Links bemerkte er den Stachelarm eines anderen Karron, der ihn treffen wollte. Er blockte ab, der Arm traf gerade noch seinen Oberarm, und die Stacheln brachten ihm einige Kratzer bei. Der Schlag hatte seinen linken Arm gelähmt, und er musste in der Mündung der Gasse seitlich ausweichen.

Er hörte ein zufriedenes Krächzen. Weitere Karron setzten nach. Hirad drückte sich von der Wand ab und schlug mit dem Streitkolben zu. Er traf irgendetwas, konnte in dem Durcheinander aber nicht erkennen, was es war. Die Al-Arynaar setzten zu einem neuen Angriff an. Niedrige Tritte sollten die Feinde aus dem Gleichgewicht bringen. Er hörte das Rumpeln herabfallender Steine. In der Gasse stieg eine Staubwolke auf. Er schauderte.

»Thraun, Denser, bewegt euch!«, brüllte Hirad.

Sie hatten den Ruf gehört. Denser kam zuerst und sicherte den Raum über ihren Köpfen mit einem Kraftkegel. Gleich darauf folgte Thraun, der immer noch Erienne in den Armen trug. Pheone bildete den Abschluss.

Hirad beugte sich etwas zurück und versetzte einem Gegner einen Tritt in den Bauch. Da er einen Augenblick Luft hatte, blickte er die Gasse hinunter. Durch die Staubwolken sah er einige Al-Arynaar gegen die Karron kämpfen. Eine verlorene kleine Truppe im Sturm, die nicht bemerkte, was in ihrem Rücken vorging.

»Kampf einstellen«, rief er. »Lauft.«

Er wusste nicht, ob sie es wirklich gehört hatten, aber einer drehte sich um, sah den freien Raum und beorderte seine Brüder zurück. Er führte die zerschlagenen, blutenden und schaudernden Krieger in die Sicherheit. Sie bewegten sich nur noch, weil sie in der Hitze des Kampfes nicht bemerkten, wie müde sie eigentlich waren. Endlich verließ der Letzte die Gasse. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit setzten die Karron ihnen nach.

»Bei den guten Göttern«, keuchte Hirad. Es war niemand mehr da, der sie aufhalten konnte. »Zieht euch abwechselnd zurück. Löst euch paarweise aus dem Kampf.«

Der Befehl wurde die Linie entlang weitergegeben. Hirad stand jetzt in der Mitte des zerstörten Durchgangs. Elfenhände legten sich auf seine Schulter und führten ihn rückwärts. Ringsum hörte er nur noch die Schreie der Dämonen und das Klirren der Waffen. Er packte den Streitkolben mit beiden Händen und beobachtete einen Moment lang die herbeiströmenden Karron. Er fragte sich, ob er sie lange genug aufhalten konnte, damit die Elfen ins Schauspielhaus fliehen konnten.

Der Raum, den sie freigegeben hatten, füllte sich sofort mit Dämonen. Hirad zog sich langsam zurück und schwang seinen Streitkolben in der Form einer Acht. Es half nichts, er konnte die Flut der Feinde nicht aufhalten. In wenigen Augenblicken hätten sie ihn überwältigt. Er schaute nach oben. Dort sammelten sich Seelenfresser zum nächsten Angriff.

»Verdammt«, fluchte er.

Er war nur noch vier Schritte von der Tür entfernt. Hinter ihm drängten sich allerdings die Elfen. Die Hände, die ihn geführt hatten, ließen seine Schulter los und wurden sofort durch andere ersetzt.

»Duck dich.«

Das Wort in seinem Ohr war wie ein kaltes Bier an einem heißen Sommertag. Humorlos grinste er die vorrückenden Dämonen an, dann ging er in die Hocke. Die Luft gefror. Tödlicher Eiswind fegte auf die Mündung der Gasse zu. Gleichzeitig raste ein Kraftkegel über seinen Kopf hinweg und räumte an den Flanken auf. Feuerkugeln schlugen links und rechts ein.

Der Gegenangriff ließ das Triumphgeheul der Dämonen vorübergehend verstummen. Jetzt waren nur noch die Schreie der verbrannten, erstarrten und von Elfenwaffen durchbohrten Gegner zu hören.

»Du kommst jetzt mit«, sagte der Unbekannte links neben ihm.

Rebraal war auf der anderen Seite, dahinter stand Denser.

Sie wichen langsam zurück, die Elfen lösten sich unterdessen aus dem Gefecht. Dann war die kleine Verschnaufpause auch schon wieder vorbei. Die Dämonen griffen erneut an. Stolz erfüllte sein Herz, und neue Kraft belebte seinen Körper.

»Der Rabe! Wir müssen unsere Leute nach drinnen bringen!«, rief er über die Köpfe der Feinde hinweg.

Geschützt durch Pheones Kraftkegel, der die fliegenden Dämonen abhielt, übernahm der Rabe die Deckung des Rückzugs. Hirad stieß den Hammer eines Karron beiseite, unterlief den Stachelarm und drosch dem Wesen seinen Streitkolben auf die Stirn. Das Wesen taumelte und wollte sich mit erhobenen Armen schützen. Rebraal durchbohrte sein Nervenzentrum.

Links kämpfte der Unbekannte jetzt mit einem Streitkolben in jeder Hand, von beiden tropfte Dämonenblut. Mit beiden Waffen beschrieb er schnelle Kreise, traf Körper und Gliedmaßen und stieß einen herausfordernden Schrei aus. Einen Seelenfresser traf er seitlich am Kopf, die Wucht des Schlages warf den Dämon auf seine Kumpane zurück. Der Karron, der dessen Platz einnahm, bekam Schläge in den Bauch und in den Nacken, bevor er selbst die Waffe heben konnte. Erbarmungslos griff der Unbekannte an, die Dämonen hatten alle Mühe, sich zu verteidigen.

Auf der rechten Seite hielt Rebraal die Feinde in Schach. Er hatte den Streitkolben mit beiden Händen gepackt und vollführte komplizierte Bewegungen, die den Karron vor ihm verwirrten. Über ihm stießen Seelenfresser aufmunternde Rufe aus, während sie versuchten, unter den Kraftkegel zu gelangen. Die ganze Zeit über wich der Rabe langsam zurück. Wieder schlugen Feuerkugeln ein, und der Druck der Feinde ließ etwas nach. Rebraal grunzte vor Anstrengung, als er den Schlag eines Karron mit dem Streitkolben ablenkte. Die Wucht brachte ihn etwas aus dem Gleichgewicht. Sofort folgte der nächste Hieb, den Rebraal allerdings unterlaufen konnte. Anschließend zog er sich sofort in die Schatten des Schauspielhauses zurück.

»Der Rabe, wir haben es fast geschafft«, rief Hirad, als er mit dem Stiefelabsatz hinter sich die erste Stufe ertastete. »Al-Arynaar, geht dort hinein.«

Er stieg eine Stufe hinauf. Weitere Sprüche fegten über seinen Kopf hinweg, trafen die wehrlosen Dämonen und verbreiteten Feuer und Chaos. Die Karron schlugen wie wild um sich und wollten in einem letzten Ansturm so viele Feinde wie möglich erwischen. Unerschütterlich ließ der Unbekannte seine Streitkolben wirbeln. Auch Hirad prügelte mit seiner Waffe unermüdlich auf Köpfe und Gliedmaßen ein. Rebraal bekam einen weiteren Schlag in die Seite, den er jedoch fast vollständig abblocken konnte. Er erholte sich rasch und wehrte sich.

Hirad tastete nach der obersten Stufe. Der Kraftkegel riss ab. Jetzt konnten sich auch die Seelenfresser am Angriff beteiligen. Hirad hob beide Hände, um nach oben zu schlagen, wurde aber zurückgezogen und Hals über Kopf ins Schauspielhaus gezerrt. Dann verschlossen sie die Tür und sperrten die Dämonen aus. Schutzsprüche summten auf den Balken, die jetzt nicht einmal mehr die Karron zerstören konnten. Eine Zeit lang jedenfalls.

Am ganzen Körper zitternd, richtete Hirad sich mühsam auf. Den Streitkolben hatte er abgelegt. Die Menschen und Elfen waren im staubigen, düsteren Schauspielhaus schon damit beschäftigt, ihre Verteidigung zu organisieren.

Draußen hämmerten die Dämonen an Türen, Wände und das Dach, dumpf drangen die Geräusche durch die schweren Vorhänge, mit denen der Saal ausgekleidet war.

Hirad betrachtete den Raben. In ihren Reihen klaffte eine entsetzliche Lücke. Thraun und Denser knieten bei Erienne, die im freien Raum vor der Bühne bei den anderen Verletzten lag.

Rebraal war mit Dila’heth auf die Bühne gesprungen, die sich im Mittelpunkt des Raumes erhob. Er gab bereits rasche Anweisungen an seine Krieger, während sie ihre Magier einteilte. Sprüche knisterten und ließen hier und dort Staubwolken aufwallen.

Al-Arynaar rannten in alle Ecken und suchten nach Nebeneingängen, die gesichert werden mussten. Droben schwebten Lichtkugeln, deren sanfter Schein allmählich die Dunkelheit vertrieb. Als der Unbekannte zur Bühne ging, folgte Hirad ihm trotz der Schmerzen, die seinen ganzen Körper durchfluteten. Sein linker Arm, mit dem er den Schlag des Karron abgewehrt hatte, kribbelte noch, sein Kopf juckte entsetzlich vom Schweiß und den vielen Kratzern, die ihm die Drohnen beigebracht hatten.

»Sammelt die Verletzten an der Nordseite. Pheone und Denser sehen nach ihnen«, rief Rebraal. »Die Kaltraum-Gruppen bitte auf die Bühne. Bereitet den Spruch vor und wartet auf den Befehl. Wir hoffen aber, dass wir euch nicht brauchen.«

Grimmig und müde lächelnd wandte er sich an Hirad. Er legte dem Barbaren die Hände auf die Schultern.

»Du hast vielen das Leben gerettet«, sagte er. »Danke.«

Hirad zuckte mit den Achseln. »Leider waren es nicht genug, was?«

»Du weißt schon, was ich meine.«

»Das Gebäude ist schwer zu verteidigen«, warf der Unbekannte ein.

Hirad verstand, was der große Krieger meinte. Die zentrale Bühne war von einem zehn Schritte weiten freien Bereich umgeben. Dann folgte ein Geländer, dahinter waren Bänke in vierzehn Reihen auf steil ansteigenden Stufen verschraubt. Von den verriegelten und mit Schutzsprüchen gesicherten Türen führten Durchgänge bis ganz hinunter, ganz außen lief hinter den Bänken ein Gang rundum. Neben den Türen führten Treppen nach oben zu den geschmückten überhängenden Logen der Reichen von Xetesk. Es war lange her, dass die Privilegierten ihre Plätze in Anspruch genommen hatten. Seltsam. Beinahe konnte er das erwartungsvolle Raunen und den Applaus der Menge hören. Als hätten die Wände die Atmosphäre früherer Aufführungen gespeichert.

»Wir brauchen Zahlen, wir müssen wissen, wie viel Kraft und magische Energie wir noch haben«, sagte der Unbekannte.

»Wir brauchen auch einen Fluchtweg«, keuchte Rebraal.

»Eins nach dem anderen«, sagte der Unbekannte. »Dila’heth, was hast du?«

Dila blies die Wangen auf. »Es sieht nicht gut aus«, berichtete sie mühsam beherrscht. »Vor nicht ganz drei Tagen haben wir Julatsa mit hundertachtzig Magiern verlassen. Jetzt …« Sie deutete umher, während sie es erklärte. »Ich habe sechs Magier, die Kraftkegel auf die Decke richten. Dreißig sichern die Mauern mit Schutzsprüchen. Neun sind bereit, Kalträume zu erzeugen, fünf sind als Heiler eingesetzt, die restlichen sieben sind zu schwer verletzt, um Sprüche zu wirken. Mich selbst eingeschlossen, sind wir achtundfünfzig.«

»Wir alle haben Freunde verloren«, murmelte Hirad.

Dila wartete schweigend, ob noch jemand etwas sagen wollte. Hirad sah sich unterdessen um. Als sie zum Schauspielhaus gerannt waren, hatte er noch den Eindruck gehabt, sie seien zahlreich, aber jetzt, im Saal, wurde ihm bewusst, wie groß ihre Verluste waren.

»Was ist mit den Kriegern, Rebraal?«, fragte der Unbekannte.

»Wohl weniger als einhundert«, erwiderte der Elf mit schmerzlich verzogenem Gesicht. »Wir wissen nicht, wie viele bei Auum sind, aber im schlimmsten Fall haben wir die Hälfte unserer Schwertkämpfer und zwei Drittel unserer Magier verloren. Pheone?«

Die julatsanische Hohe Magierin, die sich gerade um einen Verwundeten gekümmert hatte, schaute auf.

»Wie schlimm ist es?«

Pheones Miene spiegelte ihre Verzweiflung. Tränen rannen über ihre Wangen, und sie zitterte, während die Angst von ihr Besitz ergriff. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu fassen und zur Bühne zu kommen. Geren begleitete sie.

»Ich habe fast alle verloren. Es sind nur noch zehn übrig. Es ist schrecklich, Geren und ich sind die einzigen menschlichen Magier, die Julatsa jetzt noch hat. Alle anderen sind tot oder keine Magier.«

»Es gibt doch sicher noch andere, Pheone«, sagte Hirad. »Sie sind versteckt und verstreut. Blackthorne beschäftigt einige Julatsaner. Ihr könnt das Kolleg wieder aufbauen.«

»Wie denn?«, platzte Geren heraus. »Du redest, als wäre es vorbei, als hätten wir gesiegt. Aber schau dir an, wo wir stehen. Wir sind von einer Falle in die nächste gegangen. Es gibt hier keinen Ausgang, wir sitzen hier fest.«

»Es gibt immer einen Weg«, sagte Hirad ruhig und unterbrach Gerens Ausbruch. »Darum kümmern wir uns. Du musst dich um unsere Leute kümmern, damit sie wieder kämpfen können. Ich werde das Gleiche tun.«

Geren nickte.

»Noch etwas, Geren.«

»Ja?«

»Wir sind alle müde und haben Angst«, sagte Hirad. »Aber die Angst ist wie eine Krankheit. Sie breitet sich weiter aus, sobald sie sich einmal gezeigt hat. Vergiss das nicht, wenn du den Verletzten in die Augen siehst, während du sie heilst. Sonst nützt du uns nichts.«

Geren zog sich zurück, nachdem Pheone ihm noch einmal beruhigend eine Hand auf den Arm gelegt hatte. Das Hämmern an Türen und Wänden ließ nicht nach, es nahm sogar noch zu. Stuck löste sich von den Verzierungen der Balkone und den Säulen, die mit dunkelroten Vorhängen geschmückt waren.

Der Unbekannte breitete die Arme aus. »Nun, wie sind unsere Aussichten? Nehmen wir an, wir haben eine Position erreicht, in der wir sie in Schach halten können. Die Frage ist, wie lange wir durchhalten.«

Alle sahen Dila’heth an.

»Das ist nicht so leicht zu sagen. Selbst wenn ich die Magier, die Kraftkegel sprechen, ablösen und die anderen, die Schutzsprüche gewirkt haben, eine Pause einlegen lasse, können wir nicht einmal bis Einbruch der Nacht so weitermachen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Drei Tage waren wir unterwegs und ständigen Angriffen ausgesetzt. Wir hatten schon nicht mehr viel Kraft, als wir angekommen sind. Bald werden sie durchbrechen, und ich fürchte, dann bleiben uns nur noch die Kalträume. Es tut mir leid.«

»Es sieht so aus, als hätte Geren recht gehabt«, murmelte Pheone.

Hirad sah sie scharf an, brachte es aber nicht übers Herz, sie zurechtzuweisen. Irgendwie musste er ihr sogar zustimmen. Vor dem inneren Auge sah er immer noch die zusammenbrechenden Mauern, unter denen Darrick verschüttet worden war. So hätte der General nicht sterben sollen. Nicht er. Draußen verlangten die Dämonen brüllend nach ihren Seelen. Sie wussten, wie schwierig die Lage der Gefangenen war. Vom unablässigen Hämmern bekam Hirad Kopfschmerzen. Inzwischen mussten dort draußen tausende sein, und die meisten warteten einfach auf das Unvermeidliche, während die Seelenfresser das Dach zerlegten und die Karron gegen Wände und Türen schlugen. Viel zu viele Gegner, um aus der Falle auszubrechen.

»Kennt jemand einen Geheimausgang?«, fragte er.

Rebraal schüttelte den Kopf. »Wir haben es überprüft. Die Falltüren führen nur zu den Garderoben und einem Lager. Es gibt lediglich vier Ausgänge, die alle nicht sehr verlockend sind.«

An der Nordtür klopfte Denser Thraun auf den Rücken, und in seinem Gesicht zeichnete sich das Gespenst eines Lächelns ab. Erienne regte sich.

Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn sie bewusstlos geblieben wäre.