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Neuntes Kapitel

»Du bist nicht gut genug in Form, um hier zu stehen«, widersprach der Unbekannte.

»Sag, was du willst, Unbekannter, aber ich glaube nicht, dass wir angesichts der Umstände eine andere Möglichkeit haben. Du brauchst mich hier.«

»Bei den Göttern, lass es ihn doch einfach tun«, meinte Denser. »Wenn er stirbt, dann müssen wir uns wenigstens nicht mehr ständig dieses Geblöke anhören.«

»Danke, Denser«, sagte Hirad.

»Du bist mir nicht gerade eine Hilfe«, beklagte sich der Unbekannte.

»Ich kann nicht glauben, dass du überrascht bist, ihn hier zu sehen.«

»Das überrascht mich auch nicht. Ich stelle lediglich die Weisheit seiner Entscheidung in Frage.«

»Glaubst du wirklich, irgendetwas, was Hirad je getan hat, könnte als weise bezeichnet werden?«

»Schon gut, Mann aus Xetesk, ich dachte, du wärst auf meiner Seite.«

»Das ist er auch, Hirad«, erwiderte der Unbekannte. »Das sind wir alle. Wenn du unbedingt etwas Dummes tun musst, dann mach das doch im Wagen, wo du gleichzeitig Erienne beschützen kannst.«

»Darum kümmert sich Thraun.«

»Du bist störrisch wie ein Esel.«

Auum schüttelte den Kopf und kratzte sich an der Stirn. Er würde nie verstehen, wie sie so lange hatten überleben können. Immer mussten sie sich streiten. Er war damit beschäftigt, Dueles Gesicht grün und schwarz zu färben, ehe er mit ihnen betete. Die ganze Zeit über konnte er die Rabenkrieger wie kleine Kinder zanken hören.

Schließlich ging er mit seinen Tai zur Spitze des inzwischen stehenden Trecks. Es dämmerte, und es war kalt, sehr kalt. Der Atem stand als Wolke vor seinem Mund, die der eiskalte Wind sofort verwehte. Die Wagen hatten angehalten, nachdem die Cursyrd etwa eine Stunde vor der Morgendämmerung ihre Angriffe eingestellt hatten. Die Dämonen hatten sich bis zum Rand des Schutzschirms zurückgezogen, die meisten waren gelandet. Nur wenige flogen noch über ihnen, und kein einziger belauerte sie, als wolle er gleich angreifen.

Die Versuchung, einfach weiterzufahren, war groß gewesen, aber sowohl Darrick als auch Rebraal hatten sich dafür ausgesprochen, eine Pause einzulegen. Es war ausgeschlossen, dass sie die letzten drei Meilen bis Xetesk zurücklegen konnten, ohne weiteren schweren Angriffen ausgesetzt zu sein, und sie mussten jede Gelegenheit ergreifen, den Pferden und Magiern eine Ruhepause zu gönnen.

Als das Licht stärker wurde, kam ihnen die Entscheidung übervorsichtig vor. Vielleicht war es sogar ein großer Fehler gewesen. Hinter den Dämonen, die sich ohnehin schon vor dem Kaltraum drängten, tauchten weitere Cursyrd auf. Es waren keine Seelenfresser und auch keine Drohnen, sondern eine neue Sorte, die bisher noch keiner von ihnen in diesem Konflikt gesehen hatte.

Auum beobachtete sie. Es waren hunderte. Gedrungene, flügellose Geschöpfe mit einem wiegenden Gang. Sie waren mit einem dichten, dunklen Fell bedeckt, hatten vorne und an den Seiten Augen, aber keinen erkennbaren Mund und keine Nase. Dafür besaßen sie Arme, die anscheinend in Stacheln und Hämmern ausliefen.

Die übrige Versammlung war verstummt, seit diese Wesen sich dem Schirm näherten. Die anderen Cursyrd machten ihnen Platz und begannen zu kreischen. Auum konnte das Geschrei nicht verstehen, es klang aber eher erbost als triumphierend.

»Bei den ertrinkenden Göttern, sind die vielleicht hässlich. Was sind das für Biester?«

»Karron«, erklärte Auum, und man konnte hören, wie sehr er diese Wesen verabscheute. »Zerstörer.«

»Das wird kein Spaziergang«, sagte Hirad.

»Ich verstehe das nicht«, warf Denser ein. »Die sehen aus, als könnten sie uns wirklich Schwierigkeiten machen. Warum wurden die nicht schon längst gegen uns eingesetzt?«

»Weil die Dämonen bisher unsere Seelen wollten«, antwortete Rebraal. »Ich fürchte, jetzt wollen sie uns umbringen.«

»Wie beruhigend«, meinte Hirad.

»Hat jemand Vorschläge?«, fragte der Unbekannte.

»Sie sind langsam, aber sehr stark«, überlegte Darrick. »Wenn ich mich nicht irre, werden uns wieder die fliegenden Exemplare angreifen, während die dort von vorne kommen.«

»Können wir sie nicht einfach umfahren?«, fragte Hirad.

Darrick schüttelte den Kopf. »Wenn sie unsere Flanken angreifen, dann können sie die Wagen voneinander trennen. Es ist besser, sie frontal anzugehen und unsere Kräfte an einem Punkt zu bündeln.«

»Ich fürchte, das wird schwierig«, wandte der Unbekannte ein. »Sie sind stark genug, uns aufzuhalten, und das können wir uns nicht erlauben. Wir müssen unbedingt durchbrechen, weil sie uns sonst einkreisen und erledigen.«

»Ich habe eine Idee«, sagte Darrick. »Es ist aber ein großes Risiko.«

»Lass hören«, drängte ihn der Unbekannte.

Darrick blickte in die Runde. »Ist Pheone da? Ich muss wissen, wie stark unsere Magier sind.«

»Spielt das denn eine Rolle?«, fragte Hirad. »Wir sitzen hier in einem Kaltraum.«

Darrick lächelte. »Ja, das spielt eine Rolle. Du weißt doch, dass man Kalträume blitzschnell fallen lassen kann.«

Auum nickte nachdenklich. Er hatte bereits begriffen, worauf Darrick hinauswollte.

Es würde … wie hätte Hirad das noch ausgedrückt? Es würde interessant werden.

 

Tessaya, der Lord der Paleonstämme, gähnte herzhaft. Er hatte in der letzten Nacht gut geschlafen und freute sich über den kalten neuen Tag. Die Felle um die Schultern geschlungen, trat er aus dem Zelt. Ringsum herrschte schon reges Treiben. Die Krieger schärften ihre Waffen, zündeten Feuer an, um Wasser und Brühe zu kochen, rannten mit Botschaften hierhin und dorthin, bauten das Lager ab und packten ein. Andere suchten nach Proviant, den sie leicht transportieren konnten.

Geduld, hatte Tessaya immer prophezeit, würde sich eines Tages auszahlen. Heute war dieser Tag angebrochen, denn gestern hatte er den außergewöhnlichsten Besuch seines Lebens empfangen. Eine Delegation aus Xetesk hatte ihn ins Herz des Kollegs eingeladen. Er hätte es flegelhaft gefunden, die Einladung auszuschlagen, und nun machten sich zweitausend Krieger marschbereit.

Die Dämonen hatten sie in den letzten drei Tagen in Ruhe gelassen. Seine Späher hatten berichtet, dass die Ungeheuer sich im Norden zusammenrotteten. Außerdem näherte sich eine Staubwolke, die von den Feinden aus der Luft überwacht und ständig angegriffen wurde. Offensichtlich waren noch andere Kräfte zum Kolleg unterwegs.

Die Xeteskianer hatte dies bestätigt und den Wesmen vorgeschlagen, den Neuankömmlingen zu helfen, bis diese Xetesk erreicht hatten, und sich dann der großen Schlacht um die Freiheit von Balaia anzuschließen. Sie hatten ihm versichert, abgesehen vom Ende der Magie würde ihm als Gegenleistung für seine Hilfe alles gewährt werden, was er verlangte. So unglaublich es schien, er hatte mit ihnen ein Abkommen geschlossen, das die Wesmen zur dominierenden Kraft auf dem ganzen Kontinent machen würde. Die Xeteskianer hatten dies natürlich erkannt. Er musste behutsam vorgehen.

Tessaya lief in Begleitung seiner Adjutanten rasch zu den vorgeschobenen Positionen. Dort fand er Arnoan, den alten Schamanen, in tiefer Versunkenheit. Vielleicht empfing er eine Kommunion. Er ließ sich jedoch leicht wecken.

»Was meinst du, wollen sie mich in die Falle locken?«

»Das halte ich für sehr unwahrscheinlich«, überlegte Arnoan mit gerunzelter Stirn. »Die Xeteskianer hätten damit nichts zu gewinnen, sondern würden lediglich ihren eigenen Untergang beschleunigen. Es stimmt mich allerdings traurig, dass sie die Wesmen erst jetzt als ihre größte Hoffnung erkennen, diese Situation zu überleben.«

»Glaubst du das wirklich?«

»Das glaube ich, Mylord.«

»Wir wollen uns doch nichts vormachen«, erwiderte Tessaya. »Die Xeteskianer sind nur zu uns gekommen, weil die Dämonen ihnen etwas Freiraum gewährt haben. Wir müssen auch bedenken, dass möglicherweise die Dämonen selbst die ganze Sache inszeniert haben.«

»Auch das ist unwahrscheinlich«, widersprach Arnoan. »Schließlich werden wir nicht einmal beobachtet, was ich sehr eigenartig finde. Sie werden erst von unserer Entscheidung erfahren, wenn wir schon unterwegs sind.«

Tessaya kicherte und klopfte Arnoan auf den Rücken. Der Schamane taumelte und musste husten. »Vielleicht verstehen sie von der Taktik im Kampf so wenig wie du, mein Freund.«

»Das wollen wir hoffen, Tessaya, das wollen wir hoffen.«

Hinter sich hörte Tessaya die Gesänge der Wesmen. Sie erfüllten sein Herz mit Kraft und Stolz. Die Standarten wurden aufgerichtet und nebeneinander gestellt.

Die Wesmen marschierten wieder.

 

Es war ihre einzige Hoffnung, die Julatsaner zu erreichen, und es war eine schreckliche Entscheidung. Voller Angst hatten sie sich geduckt, als die neue Sorte Dämonen aus dem Riss erschienen und zu Boden gesunken war, um in Richtung Xetesk und der Julatsaner zu stampfen. Sie besaßen eine Aura, die dem Beobachter jegliche Willenskraft nahm und jedem Feind einen grässlichen Schauer über den Rücken jagte.

Sharyr hatte bereits mit seinem Leben abgeschlossen, doch die Dämonen hatten ihr Versteck nicht entdeckt, das Trio ignoriert und sich auf dem Schlachtfeld versammelt. Inzwischen war klar, dass ihr Plan, zu den Neuankömmlingen zu stoßen, während die Dämonen anderswo beschäftigt waren, nicht funktionieren würde. Die meisten Dämonen hatten sich direkt vor dem Kaltraum versammelt, der den Treck schützte. So blieb nur noch der Luftweg.

»Ich werde hier warten, bis ihr in Sicherheit seit, und dann nach Xetesk zurückkehren«, schlug Suarav vor. Die Worte wollten ihm nur widerstrebend über die Lippen.

»Nein«, widersprach Brynel sofort. »Mit dir sind wir stärker. Du musst mitkommen.«

Sharyr stimmte zu. »Ich glaube nicht, dass ich ohne dich die Kraft finde.«

Suarav fasste sie beide am Arm. »Meine Freunde, ihr schafft das. Ihr müsst gehen. Außerdem kann ich nicht fliegen.«

»Wir können dich zwischen uns tragen«, erklärte Sharyr. »Wir lassen dich nicht im Stich. Was glaubst du denn, welche Aussichten du hast, wohlbehalten ins Kolleg zurückzukehren?«

Suarav schloss die Augen, und Sharyr wusste, dass er den Grund für die Angst des Soldaten richtig erkannt hatte. Ein einsamer Schwertkämpfer, auf dem Rückweg durch die Straßen von Xetesk. Das wäre Selbstmord.

»Aber wenn wir uns aufteilen, wachsen die Chancen, dass wenigstens einer von euch die Julatsaner erreicht.«

»So groß ist der Unterschied nicht. Es wird eine schnelle, aber schwierige Reise. Dich und deine Zuversicht bei mir zu haben, ist mir wichtiger als die größere Beweglichkeit«, sagte Brynel.

Suarav seufzte. »Ist das wirklich möglich?«

»Oh ja«, sagte Brynel. »Schattenschwingen können sich nicht verfangen. Sie sind nicht materiell. Du hängst dich an unsere Gürtel, und wir fliegen. Niedrig und schnell.«

»Noch etwas«, sagte Sharyr. »Wenn wir in den Kaltraum eindringen, werden sich die Schattenschwingen schlagartig auflösen. Es wird eine unsanfte Landung.«

»Ich werde es mir merken.« Suarav seufzte wieder und schüttelte den Kopf. »Wisst ihr, ich bin zu alt für so was.«

»Du bist nie zu alt zum Fliegen«, sagte Sharyr.

»Also gut, dann lasst es uns tun. Aber wenn ich abstürze, dann kehrt nicht um. Ich bekleide einen höheren Rang als ihr, und das ist ein Befehl.«

Die Magier nickten. Brynel wandte sich an Sharyr. »Bereit für den Spruch?«

»Bereit. Hauptmann, halte dich jetzt fest. Sobald wir den Spruch wirken, werden die Dämonen auf uns aufmerksam. Dann müssen wir uns beeilen.«

Die Magier stellten sich nebeneinander, Suarav kniete zwischen und etwas hinter ihnen nieder, griff zwischen ihren Beinen hindurch und packte ihre Gürtel von vorn.

»Wirkt eure Sprüche«, sagte Suarav.

Das Spektrum änderte sich sofort, und die Dämonen stimmten ein mächtiges Geheul an.

 

In aller Eile hatten sie ihre Anweisungen gegeben, und Darrick konnte nur hoffen, dass alle wussten, was sie zu tun hatten. Wenn es funktionierte, würden sie die Linie der Dämonen durchbrechen, daran hatte er keinen Zweifel. Wenn nicht, würden sie große Schwierigkeiten bekommen und nur noch beten können, dass ihnen ein Wunder aus Xetesk zu Hilfe käme.

Vierzig Magier der Al-Arynaar standen jetzt vor den beiden führenden Wagen. Sie wurden von einer gleichgroßen Anzahl von Kriegern beschützt, die anderen gingen weiterhin ihren Aufgaben in den Wagen nach. Das vordere Ende des Schutzschilds lag fünfzig Schritt vor ihnen. Dort drängten sich die Karron, die Seelenfresser und Drohnen. An den Flanken und hinten warteten geflügelte Dämonen auf den Angriffsbefehl. Die meisten hockten seit der Morgendämmerung auf dem Boden.

Die Pferde waren nicht abgespannt worden, hatten sich aber etwas ausruhen können. Darrick hatte die Zügel einem anderen menschlichen Fahrer überlassen, einem Mann namens Brynn, der nach Rebraals Ansicht dem Druck an vorderster Front gewachsen war. Darrick konnte die Wahl des Elfen nur gutheißen. Brynn war über und über mit Kratzern und Verbänden bedeckt, aber trotz der Schauder, die durch seinen Körper liefen, voll ungebrochenen Mutes.

Jetzt stand Darrick mit dem Raben und den TaiGethen direkt hinter den Magiern. Nur Erienne und Thraun fehlten. Hirad hatte sich durchgesetzt und seinen Platz rechts neben dem Unbekannten eingenommen. Er war nicht in bester Verfassung, aber Darrick hatte lieber einen angeschlagenen Hirad in der Kampfreihe als überhaupt keinen. Dem Unbekannten war anzusehen, dass er trotz seiner Bedenken ganz ähnlich dachte.

Der Augenblick war fast gekommen. Immer noch näherten sich Karron dem Rand des Schutzschirms und stellten sich in dichten Reihen auf. Über ihnen schwebten zwei Meister. Einer hatte Tentakel, der andere war ein recht gewöhnlich aussehender blauer Dämon. Klein, aber offenbar sehr wichtig, wenn man seine Position berücksichtigte. Pheone trat vor ihre Schutzbefohlenen, Dila’heth stand bei den Elfen. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Alle Magier hatten Anweisungen für die Sprüche bekommen. Unvorstellbar, dass sie scheitern sollten.

Auf einmal bemerkte Darrick rechts und ein Stück außerhalb der Schutzhülle eine Bewegung. Zuerst dachte er, dort kämen Dämonen geflogen, die sich dem Angriff anschließen wollten, doch die Bewegung war zu hektisch und sah eher nach einer Verfolgungsjagd aus. Er machte Auum darauf aufmerksam. Die Dämonen reagierten recht erschrocken auf diesen Anblick. Der Lärm, den sie machten, bekam einen zornigen Unterton. Drohnen verließen die Formation, um die Neuankömmlinge abzufangen.

»Das sind Menschen«, berichtete Auum. »Es sind drei. Zwei tragen den dritten.«

»Kommen sie in unsere Richtung?«

»Ja«, sagte er.

Darrick zog die Augenbrauen hoch. Irgendetwas würde den Angriff auslösen. Er hatte damit gerechnet, dass die Meisterdämonen den Angriffsbefehl erteilen würden, vielleicht würde es nun aber dieses zufällige Ereignis sein. Jedenfalls durften die Al-Arynaar keinesfalls abgelenkt werden.

»Die Augen nach vorn!«, befahl er. »Wählt eure Ziele aus.«

Rebraal übersetzte, und die Magier konzentrierten sich weiter. Auf Seiten der Dämonen sah die Sache jedoch anders aus, und es bestand einen Moment lang sogar die Möglichkeit, dass sich die Störung zugunsten der Eingekreisten auswirken würde. Vielleicht wurde der Angriff noch abgeblasen. Die drei Menschen flogen knapp über den Baumwipfeln, stiegen hoch und sanken abrupt, um den wachsenden Schwarm der Verfolger abzuschütteln. Rasch näherten sie sich der schützenden Hülle. Hoch droben eilten die Meister hinter ihre Hauptstreitmacht. Der Lärm schwoll zu einer ohrenbetäubenden Kakophonie an. Die Karron machten sich bereit.

»Aufpassen!«, rief Darrick. »Denkt an eure Aufgaben. Lasst euch nicht beirren, lasst euch nicht einschüchtern. Dila’heth, wirkt eure Sprüche, sobald ihr bereit seid.« Er wandte sich an einen Flaggenmann. »Jetzt. Das Signal zum Auflösen.«

Auf den Dächern der führenden Wagen wurden Flaggen geschwenkt. Die Magier im rechten Wagen ließen den Kaltraum fallen. Die Dämonen heulten auf, da sie ihren Sieg vor Augen sahen, und machten Anstalten anzugreifen. Sobald das Flaggensignal bemerkt wurde, setzte sich die hinteren Wagen in Bewegung, und die übrigen Kalträume rückten näher heran.

»Komm schon, komm schon«, murmelte Darrick.

Die vorderste Linie der Al-Arynaar blieb in tiefer Konzentration reglos stehen. Der General blickte besorgt hinauf. Der Himmel war voller Dämonen, die voller Vorfreude nach den Seelen der Menschen schrien. Die Karron beschleunigten, trotteten über den festgestampften Boden, schwenkten die Arme mit den Waffen, die sie anstelle von Händen besaßen. Hinter ihnen kamen die Seelenfresser, auf beiden Flanken trieben sich Schwärme von Drohnen herum. Es wurde knapp.

Wie ein Mann hoben die Elfenmagier die Köpfe. Pheone rief einen Befehl, und das Sperrfeuer der Sprüche setzte ein. Kraftkegel rasten los und zersprengten die heranstürmenden fliegenden Dämonen, die erschrocken kreischten. Sie waren für den Augenblick sogar die Glücklicheren. Direkt nach den Kraftkegeln flammte helles gelbes Licht am Morgenhimmel auf. Feuerkugeln flogen. Mindestens fünfzig radgroße brennende Bälle rasten zischend durch die feuchte Luft und zogen eine Dampfspur hinter sich her.

Die Karron sahen sie kommen und stießen laute Schreie aus, konnten aber nichts mehr tun, um sich vor dem Angriff zu schützen. Das magische Feuer fegte durch die Linien der Dämonen. Die Karron, die direkt mit den Feuerkugeln in Berührung kamen, explodierten auf der Stelle. Flammen sprühten in alle Richtungen und ließen ungeschützte Dämonenkörper schmelzen. Immer neue Feuerkugeln flogen durch den Himmel und trafen auch drei Seelenfresser, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnten. Schwarzer Rauch stieg von den Kadavern und den abstürzenden Dämonen auf.

Am Boden prallten die geblendeten und vor Schmerzen fast verrückten Karron gegeneinander, und der geordnete Angriff löste sich im Chaos auf. Es stank nach verkohltem Fell und Fleisch, überall schrien Ungeheuer, die bei lebendigem Leibe verbrannten. Doch die Elfen hatten gerade erst angefangen.

Wieder rief Dila’heth einen Befehl, und jetzt richtete Eiswind in den noch vorrückenden Flanken entsetzliche Schäden an. Dämonenfleisch wurde von den Knochen gerissen, Augen gefroren, Schreie erstickten, bevor sie die Kehlen verlassen konnten. Karron stürzten zu Dutzenden auf den Boden, die Kälte hatte sämtliche Haare von den dunklen Körpern geätzt. Drohnen fielen wie reifes Obst im Sturm und zersprangen in tausend Stücke, sobald sie aufschlugen. Ein schreckliches Wehklagen erhob sich auf dem Schlachtfeld. Die Dämonen machten ihrer Wut und Angst Luft.

Darrick drehte sich um. Das zweite Wagenpaar kam gerade in Reichweite, schloss zu den ersten beiden auf und deckte sie mit seinem eigenen Kaltraum.

»Vorstoßen!«, rief er.

Dila’heth und Pheone zogen ihre Magier aus dem Manaspektrum zurück. Die Magier verteilten sich links und rechts und rannten zu ihren Wagen. Die Al-Arynaar und Rabenkrieger rückten in Richtung der Dämonen vor. Sie befanden sich jetzt wieder im Schutz eines Kaltraums.

Es war ein vernichtender Schlag gewesen, und Darrick spielte mit dem Gedanken, die Magier noch einmal angreifen zu lassen. Doch ihre Reserven waren begrenzt, und die Götter allein mochten wissen, wann sie ihre Energien das nächste Mal auffrischen konnten. Ein Blick nach vorn verriet ihm, dass sie große Lücken in die Reihen der Dämonen gerissen hatten. Doch schon formierten sich die Gegner neu, und wenn der Treck durchbrechen und Xetesk erreichen wollte, dann musste es jetzt sofort geschehen.