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Hindernisse überwinden
 
In diesem Kapitel
 
e9783527643530_triangle.jpg Die Gefühle kennen lernen, die Sie binden
e9783527643530_triangle.jpg Eine fortschrittliche Haltung einnehmen
e9783527643530_triangle.jpg Staus auf dem Weg der Genesung vermeiden
 
Menschen sind groß darin, ihr Weiterkommen zu blockieren und ihre Ziele zu sabotieren. Möglicherweise verhindern auch Sie Ihre Fortschritte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Vielleicht sind Sie sich auch im Klaren darüber, dass Sie sich mit Denkfehlern das Wasser abgraben. Wie auch immer, dieses Kapitel beschäftigt sich mit Hindernissen, die Veränderungen zum Positiven immer wieder behindern, und hält Tipps bereit, wie man solche Hindernisse aus dem Weg räumt.
Gefühle, die sich Veränderungen in den Weg stellen
Als wäre es noch nicht genug, sich mit einem emotionalen Problem herumzuschlagen, holen sich viele Menschen noch einen Nachschlag an Unannehmlichkeiten und Leiden, indem sie mit ihren ursprünglichen Problemen bestimmte Bedeutungen verknüpfen. So manches Gefühl, das Sie wegen Ihres primären emotionalen Problems erleben, wie Scham, Schuld oder sogar Stolz, kann jeglichen Fortschritt lähmen.
Scham ablegen
Menschen schämen sich meist wegen ihrer Probleme, weil sie sich aufgrund ihrer Symptome für schwach, mangelhaft oder fehlerhaft halten. Wenn Sie sich schämen, werden Sie eher keine Hilfe in Anspruch nehmen wollen, weil Sie befürchten, von anderen Menschen wegen Ihrer psychischen Probleme, zum Beispiel Depressionen, verurteilt oder aufgrund anderer Probleme wie Ängsten oder Sozialangst für albern gehalten zu werden. Sie sorgen sich möglicherweise, dass jeder, dem Sie von Ihren Problemen erzählen, sich angesichts Ihrer Gedanken und Verhaltensweisen erschreckt von Ihnen abwenden wird. Menschen, die unter Zwangsstörungen leiden, die ja mit unangenehmen und unerwünschten Gedanken oder Vorstellungen einhergehen, fragen sich wahrscheinlich, ob andere Menschen sie überhaupt verstehen können. Die Betroffenen gehen häufig davon aus, dass sie die einzigen Menschen auf der Welt sind, die sich mit den jeweiligen aufwühlenden Gedanken herumplagen müssen. Dabei hat jeder ab und zu mit intrusiven (das heißt unangenehmen, aufdringlichen) Gedanken zu tun. In Kapitel 11 geht es um einige intrusive Gedanken, die bei Zwangsstörungen häufig vorkommen.
Es kann sein, dass Ihre Scham so groß ist, dass Sie noch nicht einmal sich selbst gegenüber eingestehen können, dass Sie ein Problem haben. Das führt oft dazu, dass man die Ursachen des Problems bei externen Ereignissen oder anderen Menschen sucht. Scham wirkt sich deshalb so hemmend auf Veränderungen aus, weil sie die folgenden Auswirkungen nach sich ziehen kann:
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie sich isolieren und Ihre Stimmung dadurch weiter verschlechtern.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie Ihr Problem leugnen. Sie können ein Problem aber nicht lösen, solange Sie nicht anerkennen, dass es da ist.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie anderen Menschen und Ereignissen die Schuld an Ihren Problemen geben und sich dadurch der Kraft berauben, selbst für eine Veränderung zu sorgen.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie Ihre Symptome als »unnormal«, »eigenartig« oder »inakzeptabel« überschätzen.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie den Grad der Härte überschätzen, mit der andere Menschen wegen Ihrer Probleme über Sie urteilen.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann dazu führen, dass Sie sich nicht um Informationen bemühen, die Sie erkennen lassen, dass Ihr Problem gar nicht so ungewöhnlich ist.
e9783527643530_coche.jpg  Scham kann Sie daran hindern, geeignete psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich Medikamente verschreiben zu lassen.
 
e9783527643530_i0219.jpgLassen Sie sich nicht von Schamgefühlen unterbuttern und verstecken Sie Ihre Probleme nicht vor sich selbst. Beschaffen Sie sich Informationen, die Ihnen zeigen, dass Ihre Erfahrungen normal sind. Üben Sie sich in Selbstakzeptanz vermittelnden Überzeugungen, wie wir sie in Kapitel 12 beschreiben. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, Ihre emotionalen Probleme zu meistern – geben Sie sich nicht die Schuld für Ihre Symptome.
 
Schuld abschütteln
Schuld ist ein ungesundes negatives Gefühl, das besonders bekannt dafür ist, Veränderungen zum Positiven im Weg zu stehen. Möglicherweise schwirren in Ihrem Kopf auch einige Schuld erzeugende Sätze wie die folgenden umher:
e9783527643530_coche.jpg  »Ich mache meiner Familie mit meinen Problemen eine Menge Scherereien.«
e9783527643530_coche.jpg  »Andere Menschen sind viel schlechter dran als ich. Ich habe kein Recht, depressiv zu sein.«
e9783527643530_coche.jpg  »Ich sollte produktiver sein, aber leider bin ich völlig nutzlos.«
Schuld nimmt Ihnen die Chance, die ersten Schritte in eine bessere Zukunft zu machen. Gedanken an Schuld, wie sie unsere Beispiele zeigen, führen nur zu weiterer Selbstabwertung und tieferer Depression. Ihre Depressionen sorgen dafür, dass Sie keine Hoffnung für die Zukunft mehr haben und jegliche Motivation verlieren. (Werfen Sie einen Blick in Kapitel 6; dort erfahren Sie mehr über ungesunde negative Gefühle und wie diese gegen Sie arbeiten.)
Selbst wenn die Gedanken, die Ihnen wegen Ihrer Depressionen, Ängste oder einer anderen emotionalen Störung Schuldgefühle verursachen, nicht völlig von der Hand zu weisen sein sollten, müssen Sie versuchen, sich selbst als jemanden zu sehen, dem es nicht gut geht. Ihre eingeschränkte Produktivität beispielsweise ist ein Nebeneffekt Ihrer Depressionen und nicht etwa ein Hinweis darauf, dass Sie schlecht arbeiten oder nur auf sich selbst bedacht sind.
 
e9783527643530_i0220.jpgIm Verborgenen wachsen Scham und Schuld nur weiter. Es macht die Sache meist nur noch schlimmer, wenn Sie Ihre Probleme und Ihre diesbezüglichen Gefühle vor anderen Menschen verbergen. Wenn Sie dagegen offen über Ihre Zwangsgedanken, Depressionen, Abhängigkeiten oder andere Probleme sprechen, können Sie Ihre Ängste und Sorgen mit anderen teilen. Sie werden sehen, dass andere Menschen viel mehr Verständnis für Sie aufbringen, als Sie denken.
 
Weg mit dem Stolz
Zu großer Stolz kann Sie auch daran hindern, Fortschritte zu machen. Manchmal ist Stolz eine Art Kompensation für Schamgefühle. Er kann sie vor der Scham schützen, die Sie glauben empfinden zu müssen, wenn Sie akzeptieren, dass Ihre bisherigen Problembewältigungsstrategien Ihnen nicht gerade geholfen haben. Hier sind einige verbreitete, auf Stolz gründende Haltungen, die Sie daran hindern, positive Veränderungen in Angriff zu nehmen:
e9783527643530_coche.jpg  »Ich soll mit selber helfen? Das ist absurd! Wenn ich etwas für mich tun könnte, hätte ich das schon vor Jahren getan!« Tatsächlich wissen die meisten Leute gar nicht, wie sie sich aus emotionalen Problemen befreien können. Oft muss man einige Bücher mit Anleitungen zur Selbsthilfe lesen oder sich Techniken erläutern lassen, bevor man wirklich versteht, wie man bestimmte Techniken anwendet und warum diese Verfahren funktionieren.
e9783527643530_coche.jpg  »Ich bin ein intelligenter Mensch und sollte in der Lage sein, dieses Problem selbst zu bewältigen.« Vielleicht können Sie Ihr Problem ohne jegliche Hilfe überwinden. Aber auch die intelligentesten Menschen müssen sich von Zeit zu Zeit bei Spezialisten Rat holen. Sie mögen ziemlich schlau sein, aber beispielsweise bringen Sie Ihr Auto immer noch in die Werkstatt, wenn es kaputt ist.
e9783527643530_coche.jpg  »Ich halte mich lieber für stark. Wenn ich zugebe, dass ich diese Probleme habe, stehe ich als schwach da.« Wenn Sie sich eine Grippe einfangen, macht Sie das nicht zu einem schwachen Menschen – das ist bei Depressionen oder Ängsten auch nicht anders. Wenn Sie eine infizierte Wunde haben und damit nicht zum Arzt gehen, ist das dumm und nicht etwa ein Zeichen von Stärke.
 
e9783527643530_i0221.jpgVergessen Sie Ihren Stolz und seien Sie bereit, Rat und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Man muss stark sein, um zu erkennen und zu akzeptieren, dass man ein Problem hat und Hilfe braucht, um es überwinden zu können. Mit Schwäche hat das nichts zu tun!
 
 
Tun Sie’s jetzt und ersparen Sie sich Enttäuschungen
 
Viele Menschen mit emotionalen Problemen warten Monate oder gar Jahre, bis sie ihre Probleme mit jemandem teilen. Menschen mit Zwangsstörungen zum Beispiel quälen sich im Durchschnitt 10 Jahre mit ihren Symptomen, bevor sie sich um professionelle Hilfe bemühen – oft verbergen sie ihre Probleme sogar vor ihren Freunden und ihrer Familie. Menschen, die unter Depressionen und anderen Angststörungen leiden, lassen auch oft Monate oder Jahre vergehen, bis sie sich jemandem anvertrauen.
Der häufigste Grund dafür, dass Probleme unter der Decke gehalten werden, ist Scham. Dabei ist es eigentlich tragisch, wenn man denkt, dass man seine Probleme geheim halten muss, weil man letztendlich unnötig im Stillen vor sich hin leidet. In Anhang A finden Sie eine Auflistung von professionellen Anlaufstellen, an die Sie sich wenden können. Wenn Sie sich jetzt erkundigen, welche Möglichkeiten Sie haben, können Sie bereits feststellen, dass Ihre Symptome gar nicht ungewöhnlich sind und Sie sich nicht schämen müssen. Machen Sie jetzt die ersten Schritte zur Genesung, damit Sie nicht später enttäuscht sind, nicht schon früher Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Sie werden sehen, dass Sie schon bald wieder Freude am Leben haben können.
Unterstützung suchen
Wenn Sie beginnen, Scham, Schuld und Stolz hinter sich zu lassen, können Sie wirklich nach Hilfe Ausschau halten. Diese Hilfe können Sie sich in Form eines Buches zur Selbsthilfe, in Gestalt eines Therapeuten, in Gesprächen mit Freunden (die Sie zum Beispiel bei der Verwendung dieses Buches unterstützen können) oder bei einigen zuverlässigen Internetquellen holen. Manche Menschen finden Selbsthilfe-Techniken ausreichend. Wenn Sie glauben, mehr Unterstützung zu brauchen, sollten Sie lieber früher als später danach suchen. Die Suche nach professioneller Hilfe aufzuschieben, verlängert nur Ihr Leiden. Warten Sie nicht, bis Ihre Probleme so weit angewachsen sind, dass Ihre Beziehungen, Ihr Arbeitsverhältnis oder Ihre Alltagstauglichkeit in Frage stehen. (In Kapitel 19 erläutern wir, wie Sie professionelle Hilfe suchen.)
Zu sich selbst nett sein
Scham und Schuldgefühle sind für Sie wie Tritte in die Magen – und dabei liegen Sie doch schon am Boden. Mit Tritten kann man jemanden, der bereits am Boden liegt, nicht dazu bewegen, wieder aufzustehen.
Sie haben sich Ihr Problem nicht ausgesucht, wenn Sie auch vielleicht akzeptieren müssen, dass Sie in einem Schema gefangen sind, das Ihre Probleme verschlimmert. Ziehen Sie auch andere Faktoren in Betracht, wenn Sie darüber nachdenken, wo Ihre Probleme ihren Anfang genommen haben.
Sie können die Verantwortung dafür übernehmen, Ihre emotionalen Störungen zu überwinden, und Sie können dabei mitfühlend mit sich umgehen. Es ist sinnvoll, liebevoll zu sich selbst zu sein, wenn man hart an seiner Genesung arbeitet, besonders wenn man bedenkt, dass ein großer Teil dieser Arbeit vorübergehende Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Da haben Sie es sicher verdient, sich nach Konfrontationen und Verhaltensexperimenten ein wenig aufzumuntern, anstatt sich in Selbstkritik zu ergehen.
 
e9783527643530_i0222.jpgVersuchen Sie eine Zeit lang, Ihr bester Freund zu sein statt Ihr schärfster Kritiker, und schauen Sie, ob Ihnen das hilft, einige positive Fortschritte zu machen. (Mehr Tipps, wie man sich selbst mitfühlend behandelt, finden Sie in Kapitel 12.)
 
Positive Grundsätze, die Fortschritte fördern
Einige Ihrer Einstellungen werden bei dem Versuch, Ihre emotionalen Probleme zu überwinden, wahrscheinlich nicht sehr hilfreich sein. Zum Glück können Sie schädliche Einstellungen gegen alternative Überzeugungen austauschen, die Ihnen helfen, Ihr emotionales Gleichgewicht wiederzugewinnen.
Einfach heißt nicht leicht
Die meisten Schritte zur Überwindung psychischer Probleme mit den Mitteln der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) sind relativ einfach. Kognitive Verhaltenstherapie ist keine Quantenphysik – vielmehr entsprechen viele ihrer Grundsätze und Empfehlungen dem gesunden Menschenverstand. Nun ist die Kognitive Verhaltenstherapie sicher gesund, aber sie ist nicht immer leicht zu durchschauen – wenn das so wäre, würden nicht so viele Menschen unter emotionalen Problemen leiden.
Auch wenn die Kognitive Verhaltenstherapie so einfach ist wie das ABC, so ist die tatsächliche Anwendung ihrer Prinzipien beileibe nicht leicht. Wenn man sich mit der Kognitiven Verhaltenstherapie selbst helfen will, braucht man persönliches Engagement, Sorgfalt, Ausdauer für Wiederholungen und Entschlossenheit.
 
e9783527643530_i0223.jpgWeil die Kognitive Verhaltenstherapie so einfach erscheint, sind viele Menschen frustriert, wenn sie entdecken, dass es ihnen nicht so schnell besser geht oder sie mehr Mühe haben, als sie gedacht hatten. Wenn Sie mit der Kognitive Verhaltenstherapie weiterkommen möchten, machen Sie sich die Haltung zu eigen, dass eine Besserung nicht leicht zu erreichen sein muss. Ihre Gesundheit ist es wert, dass Sie sich dafür ins Zeug legen.
 
Die Fortschritte optimistisch betrachten
Eines der hartnäckigsten Hindernisse, die sich einer Besserung in den Weg stellen können, ist der fehlende Glaube an die Möglichkeit einer Veränderung zum Positiven. Hüten Sie sich vor negativen Prognosen in Bezug auf Ihre Fähigkeiten, sich zu erholen. Wehren Sie sich gegen jeden Gedanken, der in diese Richtung weist, wie die folgenden:
e9783527643530_coche.jpg  »Andere Leute erholen sich, aber die sind auch nicht so fertig wie ich.«
e9783527643530_coche.jpg  »Ich werde mich nie ändern – ich bin schon zu lange daran gewöhnt.«
e9783527643530_coche.jpg  »Dieser KVT-Kram kann bei so einem Versager wie mir einfach nicht funktionieren.«
Wenn Sie ähnliche Gedanken hegen, lesen Sie den Abschnitt weiter vorn in diesem Kapitel, der sich damit beschäftigt, wie man mitfühlender mit sich selbst umgeht. Würden Sie einen Freund ermutigen, solche Gedanken zu beherzigen, oder würden Sie ihn nicht lieber dazu drängen, sein Denken zu »überdenken«? Enthalten Sie sich selbst nicht den guten Rat vor, den Sie anderen Menschen mit ähnlichen Problemen jederzeit zu geben bereit sind.
Suchen Sie nach Anhaltspunkten dafür, dass Sie Änderungen herbeiführen können. Erinnern Sie sich daran, dass Sie in der Vergangenheit bereits mit schwierigen Problemen fertig geworden sind, deren Überwindung auch viel Engagement verlangte. Wenn Sie einer neuen Behandlungsmethode keine faire Chance geben, wie können Sie dann wissen, dass sie nicht funktionieren wird?
Die Ziele im Auge behalten
Wenn Sie weiter gesunde Fortschritte machen wollen, sollten Sie ab und zu Ihr Bekenntnis zu Ihren Zielen erneuern. Es kann vorkommen, dass man auf seinem Kurs plötzlich innehält, weil man vergessen hat, worum es eigentlich geht. Manchmal ist man sich auch nicht mehr ganz sicher, ob man seine Probleme überwinden will. Es kann mitunter leichter erscheinen, mit seinen Ängsten, seinen Depressionen oder seiner Wut weiter zu leben, als etwas zu ändern.
Führen Sie sich Ihre Ziele und den Nutzen der Anstrengungen auf dem Weg zu diesen Zielen regelmäßig vor Augen. Mit Hilfe des Kosten-Nutzen-Formulars können Sie sich den Nutzen zielgerichteter Veränderungen wieder bewusst machen. Die Kosten-Nutzen-Analyse wird in Kapitel 8 näher beschrieben. Darüber hinaus finden Sie dort auch Informationen darüber, wie man sich sinnvoll Ziele setzt. Ein Blankoformular für die Kosten-Nutzen-Analyse finden Sie in Anhang B.
 
e9783527643530_i0224.jpgVersuchen Sie immer, sich Ziele zu setzen, die Sie auch erreichen können. Auf dem Weg dorthin können Sie kurzfristige Teilziele einrichten. Wenn Ihr Ziel zum Beispiel ist, frei umherreisen zu können und nicht mehr völlig an Ihre Wohnung gebunden zu sein, setzen Sie sich als kurzfristiges Ziel, ein bestimmtes Geschäft aufzusuchen und dort etwas Bestimmtes zu kaufen. Sie können sich dann auf die Schritte konzentrieren, die zum Erreichen dieses kleineren Ziels nötig sind, bevor Sie sich daran machen, größere Ziele anzupeilen.
 
Beharrlichkeit und Wiederholungen
Oft berichten uns Klienten, dass sie es mit einer Technik oder einem Experiment versucht, sich danach aber nicht besser gefühlt hätten. Der Grund für den ausbleibenden Erfolg liegt darin, dass ein Versuch nur ganz selten ausreicht. Wenn Sie eingeschliffene Denk- und Verhaltensmuster ändern wollen, müssen Sie neue Alternativen viele Male ausprobieren, bevor Sie positive Veränderungen wahrnehmen können. Sie müssen sich viele Gelegenheiten schaffen, um sich an eine neue Denk- oder Verhaltensweise zu gewöhnen. Sie müssen darüber hinaus damit rechnen, dass sich neue Denk- und Verhaltensweisen zunächst ziemlich unnatürlich oder gekünstelt anfühlen werden.
 
e9783527643530_i0225.jpgStellen Sie sich Ihre Grundüberzeugungen und alten Verhaltensweisen als automatische Reaktionen vor, so wie Sie sich als Rechtshänder automatisch mit der rechten Hand rasieren. Wenn Sie sich den rechten Arm brechen und ihn eine Weile nicht benutzen können, müssen Sie sich mit der linken Hand rasieren. Stellen Sie sich vor, dass Ihre linke Hand Ihren neuen, gesunden Überzeugungen und Verhaltensweisen entspricht. Jedes Mal, wenn Sie Ihre neuen Überzeugungen aktivieren, fühlt sich das komisch an und scheint nicht so richtig gut zu funktionieren. Jeden Morgen, wenn Sie mit Ihrem gebrochenen rechten Arm nach dem Rasierapparat greifen, müssen Sie sich daran erinnern, dass Sie es stattdessen mit dem linken Arm versuchen müssen. Wahrscheinlich sehen Sie danach nicht sauber rasiert aus. Mit der Zeit geht das Rasieren aber auch mit links leichter von der Hand, bis Sie eines Tages automatisch mit der linken Hand nach dem Rasierer greifen.
 
Menschen können sich angewöhnen, neue Verhaltensmuster regelmäßig zu verwenden. Denken Sie nur an die Menschen, die das Rauchen aufgeben oder ihre Ernährung komplett umstellen müssen. Auch Umzüge oder Änderung bei der Fahrtroute zum Arbeitsplatz sind Beispiele von Verhaltensanpassungen. Sie können sowohl Ihr Denken als auch Ihr Verhalten neu trainieren – Beharrlichkeit und Wiederholungen brauchen Sie in jedem Fall.
Gedanken in Angriff nehmen, die Aufgaben behindern
Die »Tic-Toc«-Technik ist ein einfaches, aber effektives Verfahren, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die sich Veränderungen entgegenstellen.
TICs sind task interfering cognitions (Aufgaben behindernde Kognitionen), also die Gedanken, Einstellungen und Überzeugungen, die Sie daran hindern, vorwärtszukommen. Diesen TICs müssen Sie nun TOCs gegenüberstellen – task oriented cognitions (aufgabenorientierte Kognitionen) – , das sind die konstruktiven Alternativen zu den TICs. Die Liste der schädlichen Einstellungen im grauen Kasten »Fallgruben umgehen« in diesem Kapitel soll Ihnen eine Vorstellung davon vermitteln, was unter Aufgaben behindernden Kognitionen zu verstehen ist.
Ein Tic-Toc-Formular wird folgendermaßen ausgefüllt:
1.    Benennen Sie das Ziel oder die Aufgabe, auf das/die Sie sich konzentrieren wollen.
2.    Notieren Sie in der linken Spalte (TICs) Ihre Gedanken, Einstellungen und Überzeugungen, die sich auf dem Weg zum Ziel als Hindernisse erweisen.
3.    Notieren Sie in der rechten Spalte (TOCs) zu den einzelnen TICs Alternativen, die Ihnen helfen, Ihr Ziel zu erreichen oder Ihre Aufgabe zu erfüllen.
Ein leeres Tic-Toc-Formular finden Sie in Anhang B. Greifen Sie darauf zurück, wann immer Sie merken, dass Sie Ihr Ziel aus den Augen zu verlieren drohen oder eine Selbsthilfe-Aufgabe angehen. Tabelle 17.1 zeigt ein beispielhaft ausgefülltes Tic-Toc-Formular.
Tabelle 17.1: Beispiel eines ausgefüllten Tic-Toc-Formulars
 
Ziel oder Aufgabe: Die Zeit finden, meine Anmeldeunterlagen für die Universität auszufüllen
Aufgaben behindernde Kognitionen (TICs)
Aufgabenorientierte Kognitionen (TOCs)
1. Wenn ich anfange, werde ich zu angespannt.
1. Das ist eine schwierige Aufgabe, aber wenn ich eines nach dem anderen mache, schaffe ich das schon.
2. Das ist zu kompliziert; ich werde alles falschmachen.
2. Wenn ich die Anleitung sorgfältig lese, werde ich das schon gut genug machen.
3. Ich werde sicher abgelehnt.
3. Ich habe gute Chancen und würde es sehr bedauern, den Abgabetermin zu verpassen.
4. Es hat keinen Sinn, ich schiebe es am Ende immer weiter vor mir her.
4. Ich habe es bisher vor mir hergeschoben, aber mein Ziel muss nicht unerreichbar bleiben, wenn ich jetzt anfange!
 
 
 
Fallgruben ausweichen
 
Auf dem Weg zur geistigen Gesundung werden Sie ohne Zweifel auf Hindernisse stoßen. Wir haben hier für Sie die meiststrapazierten Gründe dafür zusammengestellt, Ziele nicht weiter zu verfolgen oder sie erst gar nicht in Angriff zu nehmen.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Furcht vor Veränderungen. Obwohl Sie sich miserabel fühlen, haben Sie möglicherweise Angst davor, was passieren kann, wenn Sie die ersten Schritte hin zu einer Veränderung gehen. Vielleicht war Ihr Leben so lange von Depressionen oder Ängsten bestimmt, dass Sie sich ein anderes Leben gar nicht mehr vorstellen können. Vielleicht helfen Ihnen einige Menschen in Ihrem Leben, mit Ihren Problemen zurechtzukommen, und Sie befürchten, dass Sie diese Menschen verlieren könnten, wenn es Ihnen besser geht. Wenn es Ihnen aber besser geht, haben Sie jede Möglichkeit, noch mehr befriedigende Beziehungen aufzubauen und unabhängig zu werden.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Niedrige Frustrationstoleranz. Wenn es ganz hart kommt, geht man am besten nach Hause ins Bett, nicht wahr? Nein! Sie mögen zwar versucht sein, sich ins Bett zurückzuziehen, aber Sie wachen morgens mit denselben Problemen wieder auf. Die einzige Möglichkeit, Ihre Frustrationstoleranz zu steigern, liegt darin, die Zähne zusammenzubeißen und durchzuhalten. Wie unwohl Sie sich auch fühlen mögen, während Sie daran arbeiten, sich zu ändern, die Anstrengung ist mit ziemlicher Sicherheit immer noch weniger schmerzhaft, als wenn Sie sich den Rest Ihres Lebens mit Ihren Problemen herumquälen müssen.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Passivität. Wenn Sie nur lange genug warten, wird es vielleicht jemand anders für Sie bessern! Vielleicht ändert sich Ihr Leben wie durch ein Wunder oder Sie finden einen Wunschring, an dem Sie drehen können! Und zack, ist alles wunderbar. Vielleicht, aber halten Sie lieber nicht den Atem an, wenn Sie darauf warten. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, die für eine Besserung nötigen Anstrengungen aufzubringen.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Angst, herumgeschubst zu werden. Manche Menschen legen großen Wert auf Autonomie und reagieren sehr empfindlich, wenn andere versuchen, sie zu beeinflussen oder zu etwas zu zwingen. Wenn Sie zu diesen Menschen gehören, denken Sie vielleicht, dass ein Therapeut oder eine Ihnen nahestehende Person die Kontrolle über Sie erhalten möchten, wenn er oder sie Ihnen vorschlägt, es doch einmal mit einer anderen Strategie zu versuchen. Versuchen Sie, den Vorschlägen von Therapeuten und Menschen, die sich um Sie sorgen, offen zu begegnen. Sie können dann immer noch entscheiden, ob Sie einen Versuch wagen möchten oder nicht. Niemand kann Sie oder Ihre Entscheidungen wirklich steuern.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Fatalismus. Sie leben vielleicht nach dem Motto »So bin ich nun mal und so werde ich immer sein«. Wenn Sie überzeugt davon sind, dass Ihre Stimmungen von Kräften gelenkt werden, die Sie nicht beeinflussen können, wie chemische, hormonelle oder biologische Faktoren, die Vergangenheit, das Schicksal oder Gott, dann überlassen Sie damit Ihren Symptomen das Spielfeld. Warum überprüfen Sie nicht einfach Ihre Theorien, indem Sie sich wirklich anstrengen, Ihr angebliches Schicksal umzuschreiben? Man kann nie wissen: Ihre ursprünglichen Annahmen könnten sich doch als falsch erweisen!
e9783527643530_cochegrise.jpg  Liebe mich, rette mich ... Möglicherweise sind Sie überzeugt davon, dass Liebe der einzig wahre Weg zum Glück ist. Können Sie sich nicht vorstellen, dass Sie ein befriedigendes Leben führen können, indem Sie lernen, mit Ihren Problemen allein fertig zu werden? Vielleicht denken Sie, dass Sie so lange unglücklich und emotional gestört sein werden, bis der oder die Richtige zur Tür hereinspaziert und Sie aus dieser verrückten, chaotischen Welt rettet. Liebe ist eine wunderschöne Beigabe zu unserem menschlichen Dasein, da gibt es gar keine Diskussion. Die gesündesten Beziehungen sind jedoch die, in denen beide Partner unabhängig sind und die Gemeinschaft des anderen genießen, ohne eine übertriebene Abhängigkeit zu entwickeln.
e9783527643530_cochegrise.jpg  Warten auf die Motivation. Viele Menschen machen den Fehler, darauf zu warten, dass sie sich danach fühlen, etwas zu tun, bevor sie anfangen. Wenn man auf die Inspiration oder Motivation wartet, birgt das die Gefahr, dass man viel zu lange wartet. Oft geht der Motivation die Aktion voraus. Wenn es um die Überwindung von emotionalen Störungen geht, braucht man oft ein Experiment (siehe Kapitel 4) oder einen Aktivitätsplan, an den man sich auch dann halten kann, wenn man gerade absolut keine Lust dazu hat. Positives Handeln ist die beste Medizin gegen Lethargie und Hoffnungslosigkeit.
Kognitive Verhaltenstherapie für Dummies
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